Gruppenbild mit Leiche - Martin Cordemann - E-Book

Gruppenbild mit Leiche E-Book

Martin Cordemann

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Beschreibung

Ein Fall – mehrere Auflösungen! KRIMIGESCHICHTEN: Das Prinzip ist einfach: Zu Beginn wird ein Fall vorgestellt, der Tatort, die Leiche, die Verdächtigen. Es ist immer ein abgeschiedener Ort und ein kleiner Verdächtigenkreis. Das ist die Grundlage. Und dann geht's los: Verschiedene Ermittler mit verschiedenen Stilen ermitteln verschiedene Täter. Denn es wäre ja langweilig für den Leser, wenn es immer derselbe Mörder wäre! So bietet das Buch verschiedene Auflösungen für dieselbe Situation. Da ist die klassische Detektivgeschichte, aber auch eine Science Fiction Story… eine Reportage, eine Farce, ein shakespeareanisches Drama, ein Drehbuch, Wester, Märchen, selbst ein Ratgeber! Zu drei unterschiedlichen Fällen gibt es die unterschiedlichsten Auflösungen und die unterschiedlichsten Wege dahin. Genau das Richtige für Krimifreunde – mit einer Prise Humor!

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Seitenzahl: 246

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Martin Cordemann

Gruppenbild mit Leiche

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Fall 1: Portrait eines Mordes

Gorns Haus lag auf einer Anhöhe, ein paar Kilometer von den Häusern des Dorfes entfernt, umgeben von ein einigen Bäumen. Der einzige Weg zu ihm, der nur von ein paar Bäumen gesäumt war, war schlammig vom Regen der letzten Wochen, genau wie die verwilderten Rasenflächen, die das Grundstück bis zu der es umgebenden Mauer säumten. Auf der der Auffahrt gegenüberliegenden Seite des Anwesens schloss sich ein kleines Wäldchen an. Es war eine Landschaft, in der sich Sherlock Holmes wohl gefühlt hätte – und tatsächlich befand sich in der Bibliothek des Hauses die Leiche eines Ermordeten!

Harry Rhode: Gruppenbild mit Leiche

Rosen: Ein geradezu klassischer Fall

Lügzeitung

Impressum neobooks

Vorwort

Dieses Buch ist mehr ein Best-of, es ist ein Experiment, ein Projekt, eine Sammlung… und ich hoffe, abwechslungsreich und unterhaltsam. Die Grundidee dabei war folgende: Ein Fall, fünf Autoren, sieben Verdächtige.

Grundlage für alle Autoren und damit für alle fünf Auflösungen ist dabei das „Portrait eines Mordes“. In ihm werden folgende Details vorgestellt:

der Ort des Verbrechens

die Leiche samt Todesart

alle Verdächtigen

deren Hintergrund

das Verhältnis der Personen zueinander

Jeder der Tatorte ist so angelegt, dass nur die Anwesenden, aber niemand Außenstehendes, den Mord begangen haben kann. Da man sieben Verdächtige aber nur fünf Autoren hat, kann jeder einen Who-dunn-it schreiben und trotzdem kann man beim letzten Text noch raten, wer dort der Mörder war. So war es eigentlich angedacht.

Das ganze sollte zeigen, wie man aus derselben Grundlage unterschiedliche Krimis machen kann. Denn das entsprechende Detail, wer nun der Täter war, fehlt im „Portrait“ natürlich. Daraus hätte man mit fünf Autoren auch einen schönen Leseabend machen können… mit unterschiedlichen Stilen, aber auch in unterschiedlichen Genres!

Das Obergenre ist natürlich Krimi, das ist klar. Das heißt aber nicht, dass man nicht mit dem Thema spielen kann. Man kann die Geschichte in den Weltraum verlegen und daraus eine Science-Fiction-Story machen, man kann sie als Fantasystory in einer Art Mittelerde spielen lassen, ein Elisabethanisches Drama daraus schreiben, eine Komödie, eine Tragödie, eine Liebesgeschichte, eine Mischung aus alldem oder nichts davon – den Möglichkeiten sind so gut wie keine Grenzen gesetzt.

Schwierig kann es sein, Autoren dafür zu finden. Unbezahlt, versteht sich. Für ein Projekt, das voraussichtlich kein Geld einbringt. Oder so… Den ersten Versuch für ein solches Projekt startete ich 1994 – ohne großen Erfolg in Sachen Co-Autoren. So musste ich mich dann selbst mal hinsetzen und die Möglichkeiten ausschöpfen, die dieses Konzept bietet.

Der erste Fall ist durch und durch durchdrungen von Monty Python: „Gorn“ ist ein Wort, das Graham Chapman in einer Folge gern wiederholt hat, Dieter Palin ist natürlich eine Anspielung auf Michael Palin, Erik Gilliam verbindet gewissermaßen Eric Idle und Terry Gilliam und Karola Köln ist die Verbeugung vor dem weiblichen aber eher inoffiziellen Mitglied der Truppe, Carol Cleveland – das aber nur am Rande.

Zu jener Zeit war eine meiner wenigen Detektivfiguren „Harry Rhode“, so lag es also nahe, ihn in diesem Fall ermitteln zu lassen. (Seine Fälle gibt es ebenfalls als E-Books in sechs Bänden.) Dann kam irgendwann „Alvy Rosen“ ins Boot, der in einer Galaxis Verbrechen aufklärt, in der es eigentlich keine Verbrechen mehr gibt („Rosen von der Erde“). Und dann sind da natürlich noch „Millhouse & Burns“, die für dieses Projekt das Licht der literarischen Welt erblickten – und ohne die es „Börk“ („Börk – Die Krimiserie, die es niemals gab“) vielleicht nie gegeben hätte. Von dem an Shakespeare angelehnten Drama gibt es auch eine komplett gereimte Version, die im Rahmen der Krimistücke veröffentlicht werden soll. Um den Lesern dieser Bücher noch ein kleines Schmankerl zu bieten, gibt es hier auch erst- und einmalig das Originaldrehbuch „Mord, wie er im Drehbuch steht“.

Zusätzlich zum ersten Fall gibt es in diesem Buch noch zwei weitere Fälle mit unterschiedlichen Auflösungen. Manche davon waren inzwischen die Grundlage für Theaterstücke. Außerdem gibt es zu jedem Fall einen Alvy Rosen-Krimi, der im Weltraum spielt. Zudem wurden ein paar Auflösungen extra für diesen Band geschrieben. Dabei hat sich auch erwiesen, dass diese Portraits vielleicht etwas zu detailliert sind und dadurch evtl. zu wenig Spielraum bieten, es sei denn, man löst sich ein wenig von den Vorgaben. Hier eine kleine Übersicht der Fälle und Auflösungen, die Sie hier erwarten.

Fall 1

Portrait eines Mordes

Harry Rhode: Gruppenbild mit Leiche (1994/97)

Alvy Rosen: Ein geradezu klassischer Fall (1994)

Lügzeitung: Der Gorn Mord – die ganze blutige Geschichte (1994)

Die Tragödie von William, Prinz von Gornland (1994)

Inspektor Pennington-Finlake: Gorn to be wild (1993/2013)

Millhouse & Burns: Ein Mords-Film (1994)

Mord, wie er im Drehbuch steht (1994/97)

Fall 2

Portrait eines Mordes… im Flugzeug

Mord im Himmel (2008)

Alvy Rosen: Der Pudel und sein Kern (2009)

Die Todesfahrt der Postkutsche (2013)

Telekolleg: Mord (2013)

Fall 3

Portrait eines Mordes… im Hochhaus

Mord im Oberstübchen (2008)

Rosen und ein Mordversuch (2009)

Hänsel und Gretel und der tote König (2013)

Und nun: Viel Spaß!

Fall 1: Portrait eines Mordes

Gorns Haus lag auf einer Anhöhe, ein paar Kilometer von den Häusern des Dorfes entfernt, umgeben von ein einigen Bäumen. Der einzige Weg zu ihm, der nur von ein paar Bäumen gesäumt war, war schlammig vom Regen der letzten Wochen, genau wie die verwilderten Rasenflächen, die das Grundstück bis zu der es umgebenden Mauer säumten. Auf der der Auffahrt gegenüberliegenden Seite des Anwesens schloss sich ein kleines Wäldchen an. Es war eine Landschaft, in der sich Sherlock Holmes wohl gefühlt hätte – und tatsächlich befand sich in der Bibliothek des Hauses die Leiche eines Ermordeten!

Franz-Josef Gorn, ein Industrieller, war vergiftet worden. In der Garage des Hauses, zu Holmes Zeiten wäre es wohl ein Schuppen gewesen, fand sich eine größere Schachtel Rattengiftes und ohne Zweifel hatte man Gorn damit ins Jenseits geschickt. Da sich nirgendwo die Spuren eines gewaltsamen Eindringens oder Spuren von Schlamm fanden und bis zur Ankunft der Polizei in der Auffahrt ebenfalls keine Spuren zu finden waren, war auszuschließen, dass sich ein Außenstehender Zutritt verschafft hatte, um Gorn zu töten. Damit wurde der Kreis der Verdächtigen auf die Leute eingeschränkt, die sich während der Mordnacht im Haus aufgehalten hatten.

Emilie Gorn, die Witwe des Ermordeten, lebte schon seit längerer Zeit mit dem nun Verstorbenen in einem scheidungsähnlichen Zustand, was sich durch ihren Geliebten Philibalt Gärtner, einem Musiker, der ebenfalls im Haus lebte, ausdrückte. Natürlich lag der Schluss nahe, dass die Witwe über den Weg des Mordes an das Geld ihres dann toten Mannes herankommen wollte, welches sie nach einer Scheidung nicht bekommen würde, doch tatsächlich hatte ihr Mann das Testament schon geändert.

Im Falle seines Todes sollte alles geteilt werden zwischen Claudia Gorn, ihrer gemeinsamen Tochter und Karola Köln, dem Hausmädchen, die sich ebenfalls beide am Tatort befanden. Die Tochter war eine verwöhnte Göre, die ihr Grundschullehrerinnenstudium geschmissen und auf Kosten ihres Vaters mit ihrem Freund Dieter Palin auf dem Anwesen gelebt hatte. Palin war ein skrupelloser Ex-Jura-, Ex-BWL- und Ex-Medizin-Student, der in Claudia einen guten Weg gesehen hatte, nicht mehr mit Kommilitonen wie er es selbst war zusammenkommen zu müssen. Natürlich war auch er in der Mordnacht zugegen.

Karola Köln, das Hausmädchen, hatte eine Affäre mit Gorn. Selbstverständlich wusste sie von dem Testament.

Letzter im Bunde der Verdächtigen war Erik Gilliam, kein Geschäftsfreund Gorns, aber immerhin ein Kollege, ein zwielichtiger Bursche, der in seiner Jugend Zeichentrickfilme gemacht hatte, jetzt aber ein Konkurrent von Gorn war und wegen geschäftlicher Unterredungen mit ihm übers Wochenende hatte bleiben wollen.

Am Morgen des Sonntags wird die Leiche Gorns von seiner Geliebten Karola Köln gefunden...

Harry Rhode: Gruppenbild mit Leiche

„Was ist denn mit Ihnen passiert, Rhode, waren Sie beim Friseur?“ Lohmann schien nicht fassen zu können, dass meine zottelige Mähne verschwunden war und mein Haar kaum mehr über die Ohren reichte.

„Chemotherapie“, murmelte ich, während ich vergeblich versuchte, meine verschlammten Füße auf der Fußmatte zu säubern. Es war meine Standartantwort in solchen Fällen, dessen ungeachtet, dass solche Fälle bei mir eigentlich ziemlich selten auftraten, man konnte fast sagen, ich hatte gehofft, den Spruch endlich mal anbringen zu können – daraus wiederum zu folgern, dass dies der einzige Grund war, warum ich zum Friseur gegangen war, wäre jedoch im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbeigezogen! „Warum, mein lieber Lohmann“, begann ich meine übliche am-Tatort-aufgetaucht-und-eigentlich-wie-immer-schlechter-Laune-seiend-und-darüberhinaus-ohnehin-eh-keinen-Bock-habend-Predigt, „werde ich bitte früh am Sonntag Morgen, meinem freien Tag im Übrigen, aus dem Bett geklingelt, bei Regen muss ich hinzufügen, in ein abgelegenes Haus gerufen, wobei ich gezwungen werde, durch Schlamm zu waten, und überhaupt?“

„Es ist ein Mord geschehen.“

„Das will ich doch hoffen, oder bei welcher Abteilung arbeiten Sie?“

„Bei der Mordkommission.“

„Und bei welcher Abteilung arbeite ich?“

„Mordkommission!“

„Gut, ich wollte das nur noch mal klarstellen, für diejenigen, die erst später zugeschaltet haben.“ Man hätte natürlich auch meine Kollegin Juridike Fischer aus dem Bett holen können, aber irgendwie schien es ihnen Vergnügen zu bereiten, lieber mir das Wochenende zu versauen. „Was können Sie mir sagen?“

„Dass wir beide bei der Mordkommission arbeiten?“

„Guter Versuch! Wie wäre es mit etwas zu diesem Fall?“

„Der Ermordete heißt Gorn, Franz-Josef Gorn. Man hat ihn vergiftet. Wann waren Sie denn beim Friseur?“

„Freitag.“

„Während des Dienstes?“

„Hmmm, bin n bisschen früher gegangen. Dafür weckt man mich ja auch am Sonntag um...“

„Elf Uhr!“

„Hmmm, naja, immerhin ist Sonntag, oder?“

„Für mich ist auch Sonntag, mir macht es auch keinen Spaß, Frau und Kinder zu verl...“

„Sie haben Kinder?“

„Ein Kind! Naja, gut, Frau und Kind zu verlassen und mich um einen Mordfall zu kümmern.“

„Gut, dann hauen Sie ab!“

„Was?“

„Ist noch einer von dem Verein hier?“

„Ja, äh, Petermann.“

„Scheint nicht mein Glückstag zu sein heute. Okay, Lohmann, dann hauen Sie ab!“

„Aber...“

„Ich tue das ja nur ungern und das wissen Sie, aber ich befehle es Ihnen als Ihr Vorgesetzter!“

„Sie haben vergessen, dass ich jetzt auch Inspektor bin!“

„Hauen Sie endlich ab, es reicht mir schon, wenn ich mich mit Petermann herumschlagen muss!“

„Gut... äh, danke.“

„Keine Ursache. Ach, äh, wo finde ich die Leiche?“

„Die von Petermann?“

„Schön wär’s!“

„Durch die Tür dort!“ Lohmann deutete auf eine seitlich gelegene, aus der Halle, in der sich eine riesige Treppe befand, führende Tür. „In der Bibliothek.“

Ich schlenderte also in die Bibliothek und musste mich einem furchtbaren Anblick stellen: Petermann beim Frühstücken! Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich ein Büro-das-diesen-Namen-genauso-verdiente-wie-Petermann-den-Status-Homo-Sapiens mit ebendiesem Petermann teilen müssen und ich war mit seinen Praktiken noch ziemlich gut vertraut, was nicht heißt, dass mein Magen sie vertrug. Manchmal fragte ich mich, warum Petermann diese Abart nicht in Verhören benutzte. „Morgen Petermann, guten Appetit.“

„Danke.“

„Haben Sie auch Frau und Kinder?“

„Nein.“

„Nichts davon?“

„Nein.“

„Gut, ich brauche hier jemanden, den ich verarschen kann. Okay, das ist also der Tote?!“ In einem Sessel saß ein Mann, der in den Episoden von „Monty Python’s Flying Circus“ als „Colonel-Type“ bezeichnet worden wäre, also in etwa ein in die Jahre gekommener, großer, aufrechter Mann, der mal Offizier in der britischen Army war und das noch immer verströmte. Auf dem kleinen Tischchen neben ihm befanden sich ein Buch und ein halbleeres Glas, das gerade von einem Mann der Spurensicherung untersucht wurde. Wie immer fragte ich mich, warum man Lohmann und Petermann und mich und noch ein paar tausend andere Leute, die sich draußen auf der Straße die Füße wund standen, um einen Blick auf den Toten zu erhaschen, rief, wenn die Hälfte durchaus gereicht hätte. „Waren Sie als erster am Tatort?“ fragte ich deshalb.

„Ja.“

Das erklärte alles. „Der Mann wurde vergiftet?“

„Das stimmt. Das Gift befand sich in dem Wasserglas.“

„Soso.“ Darauf war sogar ich schon gekommen, und meine kriminalistischen Fähigkeiten beschränkten sich auf das Ansehen von Columbo-Filmen. „Immer dieses lausige Gift, wie langweilig.“ Gift, Schlaftabletten, fiel den Leuten nichts neues mehr ein? „Warum wird denn nicht mal bei mir einer von Hunden zerrissen oder durch den Fleischwolf gedreht, warum findet hier niemand die Leiche in kleine Stücke verpackt im Kühlschrank, oder von Pferden gevierteilt oder vom Armeisen gefressen...“ Petermann kam sein Frühstück hoch, der Morgen hatte also doch noch erfolgreich begonnen. „Was für Gift war es?“

„Wir nehmen an, es handelt sich um Rattengift.“ Der Mann von der Spurensicherung zeigte mir eine kleine durchsichtige Plastiktüte, wie sie für die Polizeiarbeit verwendet werden und die ich meistens vergesse, genau wie einen Block und etwas zu schreiben. In ihr befand sich ein kleines Paket Rattengift. „Haben wir in der Garage gefunden. Sieht so aus, als wäre es das gleiche Gift, mit dem man ihn ermordet hat.“

„Hervorragend. Das heißt... könnte es kein Selbstmord gewesen sein?“

„Das schließen wir nicht aus. Aber es gibt keinen Abschiedsbrief.“

„Hmm, wenn er ermordet wurde, taucht er sicher noch auf. Wenn er nicht ermordet wurde, müsste er hier sichtbar sein, es sei denn, es gibt ihn nicht. Oder er wurde nicht ermordet, aber jemand hat den Brief weggenommen, weil dort irgendetwas Belastendes drinstand. Alles in allem müssen wir davon ausgehen, dass hier ein Verbrechen vorliegt, warum sonst sollte ich in aller Herrgottsfrühe...“

„Elf Uhr!“

„...aus dem Bett gerissen werden?“

„Waren Sie beim Friseur?“

„Das fällt Ihnen aber früh auf!“

„Ich wollte eben nichts sagen. Sie sehen so viel gepflegter aus.“

„Das habe ich befürchtet.“

„Naja, so viel gepflegter auch nicht.“

„Danke. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie neue Informationen haben!“

„Okay, Chef.“ Er beschäftigte sich weiter damit, irgendwelche Dinge aus dem Zimmer in diese niedlichen kleinen durchsichtigen Plastiktüten, die ich ja, wie erwähnt, immer vergaß, zu stecken. Ich sah mich nach Petermann um, der mit seinem Frühstück nun doch zu einem glücklichen Ende gekommen war. Erst jetzt schien er zu bemerken...

„Ja, ich war beim Friseur!“ Er schluckte den letzten Bissen runter. „Wo finde ich die Verdächtigen? Ich hoffe, es gibt Verdächtige! Naja, es sollte schon welche geben, sonst macht die Sache ja gar keinen Spaß.“

„Es sieht so aus...“ Petermann erklärte mir, dass man keine Spuren dafür gefunden hatte, dass jemand das Haus betreten oder sich ihm auch nur genähert hatte. Bei diesem Wetter und dem ganzen Matsch hätte man aber etwas finden müssen, also gegebenenfalls, was dazu führte, dass man die Zahl der Verdächtigen auf die sich im Haus befindlichen Leute einschränken konnte, was ich im Übrigen sehr begrüßte.

Er führte mich in das Wohnzimmer, das sich ebenfalls an die Haupthalle mit der Treppe anschloss, aber auf der der Bibliothek gegenüberliegenden Seite. Als ich die Tür öffnete, musste ich mir das Lachen verkneifen.

„Mein Gott“, murmelte ich, „hier sieht es aus wie in einer viktorianischen Komödie!“

Sauber über das große, historisch-zeitgemäß eingerichtete Zimmer vereilt, fanden sich alle Verdächtigen. Auf dem Sofa in der Mitte (wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellen sollte) Emilie Gorn, die Frau des Toten mit ihrem Liebhaber, Philibalt Gärtner (der mich an den alten Spruch darüber erinnerte, wer eigentlich immer der Mörder war).

Links von ihnen, auf einem Stuhl sitzend Claudia Gorn, die Tochter, ihr zur Seite stehend ihr Freund, Dieter Palin.

Auf der anderen Seite des Raumes in einem Sessel versunken Karola Köln, das Hausmädchen.

Und letzten Endes am Fenster stehend, den Platz, den hier eigentlich Gorn hätte einnehmen können, wäre er nicht der Tote (wahrscheinlich lag hier der Fehler!) Erik Gilliam, Gorns Geschäftskonkurrent.

Das Bild entsprach wirklich allen Klischees, abgesehen davon, dass jemand nur Gärtner hieß, jedoch keiner war, was die Sache erschweren könnte. Einen Butler, die zweite Alternative in einem solchen Fall, gab es auch nicht, nicht mal dem Namen nach. Nachdem wir also geklärt hatten, wer wer war, nahm ich ihnen allen gegenüber in einem Sessel Platz und betrachtete die ganze Gruppe.

„Wollen Sie uns nicht verhören, Inspektor?“ fragte Lady Gorn.

„Ich warte noch ein bisschen“, murmelte ich.

„Worauf?“

„Bis mir die passenden Fragen einfallen!“ Aufklärung durch Penetranz, das war eine Methode. Man musste den Leuten so lange auf die Nerven fallen, bis sie Fehler machten oder mich umbrachten, so gesehen doch nicht so der tolle Weg für einen zart besaiteten, um nicht zu sagen feigen Menschen wie mich! Passende Fragen. Wen sollte ich denn jetzt was fragen? Was lag am nächsten? Hmmm, Testament war ein guter Begriff, mit dem man Brainstorming betreiben konnte. Deshalb sagte ich: „Hat jemand von Ihnen einen Abschiedsbrief des Toten gefunden?“ (Das war mir halt doch noch eingefallen!) Alle sahen einander an und dann wieder mich. Wenn jemand jetzt noch mit einem Abschiedsbrief herausrückte, war er potentiell verdächtig. Das schien ihnen auch aufzufallen.

„Er wurde ermordet!“ Karola Köln, das Hausmädchen, schrie dies voll Inbrunst.

„Leider leider“, drückte ich mit leiser Stimme mein Bedauern aus, „haben wir keinen Hinweis in dieser Richtung...“

„Er hat gesagt, er wolle nur noch etwas lesen...“ Sie stockte. Ruhig sah ich sie an.

„Ja?“ fragte ich. „Nur noch etwas lesen? Und dann?“

„Dann... wollte er auf mein Zimmer kommen!“ fügte sie leise hinzu. Und noch leiser: „Wir hatten... ein Verhältnis!“

Dieser Punkt war also schon mal geklärt. „Ich nehme an, er ist nicht mehr gekommen?!“

„Nein.“

„Sie haben den Toten gefunden?“

„Ja.“

„Wann?“

„Heute Morgen.“

„Warum erst so spät, wenn Sie ihn gestern Abend noch erwartet haben?“

„Ich muss wohl eingeschlafen sein.“

„Und Sie nehmen an, dass er sich nicht umbringen würde, wenn er Sie stattdessen auf Ihrem Zimmer besuchen kann?!“

Sie nickte. Damit war dieser Punkt geklärt, hervorragend, Mord, wunderbar, toll, super, dass sich manche Menschen über so etwas freuen konnten war mir schleierhaft.

„Er wurde also ermordet“, stellte ich, mehr oder weniger sachlich fest – immerhin könnte er das Hausmädchen ja auch satt gehabt haben. Wenn sie nun die Mörderin war, war sie dann besonders clever, wenn sie darauf bestand, dass es Mord war oder machte sie gerade das unschuldig? Ach, es konnte jeder gewesen sein, ich einmal ausgenommen. „Ich möchte nicht, dass meine erste Frage in Vergessenheit gerät. Wer also noch einen Abschiedsbrief des Toten vorweisen könnte, kann das bis heute Abend tun. Alle später eingereichten Schreiben können nicht mehr in die Bewertung einbezogen werden.“

Unverständliches Gemurmel, naja, nicht einmal ich verstand zuweilen meinen Humor – in diesem Fall aber doch!

„Hat der Tote ein Testament hinterlassen?“

Das war die Frage, die auf alles eine Antwort geben konnte, naja, darauf, ob dieses eine Mädchen, das ich neulich im Präsidium gesehen und das mich so nett angelächelt hatte, sie arbeitet, glaube ich, neuerdings in der Vermisstenabteilung, nun auf mich steht oder nicht wohl nicht, aber immerhin darauf, wer der Erbe war – und für sowas machte man ja gemeinhin ein Testament.

„Wir warten noch auf den Anwalt“, sagte Frau Gorn.

„Das heißt nicht, dass Sie nicht wissen, was drinsteht!“

„Junger Mann“, ich war einer, „wenn Sie darauf anspielen möchten, dass ich als die Ehefrau einen Großteil des Vermögens bekommen würde, muss ich Sie leider enttäuschen. Seit ich mit Philibalt“, sie streichelte seinen Arm, um darauf aufmerksam zu machen, wen sie wohl meinen könnte oder um ganz allgemein ihre Zuneigung zu ihm zu zeigen oder weil es ihn da gerade juckte, „zusammen bin, hat er mich aus seinem Nachlass gestrichen.“

„Klingt ganz vernünftig. Nichtsdestotrotz bekommen Sie als Ehefrau, wenn ich da nicht völlig falsch informiert bin, immer noch eine ausreichend hohe Summe, nicht wahr?“

„Wenn wir uns endlich hätten scheiden lassen, hätte er mir eine, wie Sie es nennen, ausreichend hohe Summe als Abfindung gezahlt, von den Alimenten gar nicht zu sprechen.“

„Demnach wollen Sie Herrn... Gärtner nicht heiraten?!“

Sie sah mich überrascht an, dann nickte sie. „Würde mein Mann noch leben, hätten wir in ‘wilder Ehe’ gelebt.“ Ich hätte es, hätte man mich in eine solche Situation gesteckt, nicht anders gemacht. Es schien also so, als hätte sie vorerst kein Motiv. Schade.

„Hmmmm, hat irgendjemand eine Ahnung, wer im neuen Testament berücksichtigt worden ist? Also, ich meine jetzt nicht Jesus oder so, sondern Gorns neues Testament!“

„Ja, die habe ich!“ Claudia Gorn, die Tochter, sah mich herausfordernd an. „Ich erbe!“

„Aha.“ Sie war zwar oberflächlich hübsch, schien aber einen unsympathischen Charakter zu haben, unfreundlich und humorlos zu sein, gar nicht mein Typ. „Alles?“

„Nein.“ Diesmal war es wieder Karola Köln. „Ich erbe auch.“ Immerhin war sie die Geliebte, oh, es war alles so klischeebeladen, viktorianische Beziehungssysteme, jene war mit jenem liiert, alle hatten untereinander Verhältnisse, aber den Mord wollte dann wieder keiner begangen haben.

„Warten wir, bis der Anwalt kommt“, murmelte ich und sah ein bisschen direkt in Gilliams Richtung. Natürlich merkte er dies und starrte zurück, bis er fragte: „Was starren Sie mich so an?“

„Hmmm, ich wüsste gerne, naja...“

Er hatte gesagt, er sei ein Konkurrent und Gorn habe ihn eingeladen, über das Wochenende zu bleiben, um ein paar geschäftliche Fragen zu klären. Es konnte ja sein, dass man an einem Punkt des Gesprächs zu keiner Einigung mehr gelangen konnte, außer vielleicht durch Mord. Gilliam schien meine Gedanken zu erraten. Oder auch nicht. Er wartete, bis ich meinen Satz fortsetzte, was ich aber nicht tat, weil mir nichts einfiel. Zur Abwechslung könnte der Mörder ja auch einfach mal gestehen, dann sparte ich mir viel Arbeit und konnte in einer Stunde wieder zu Hause sein. War heute nicht Fußball im Fernsehen? Oh Gott, ja, und nichts auf allen anderen Kanälen, nur Heimatfilme. Und zu den Dingen, die ich wirklich nicht ausstehen konnte (die Liste dieser Dinge zog sich wahrscheinlich bis weit über Alpha Zentauri hinaus) gehörten nun mal Fußball und Heimatfilme. Mit anderen Worten: ich konnte hier noch locker rumhängen und ein paar dumme Sprüche machen.

„Inspektor?“

„Hmmm?“ Gilliam schien noch immer auf die Vollendung meines Satzes zu warten. „Oh, äh, was hab ich denn als letztes gesagt?“

„Sie sagten, Sie wüssten gerne...“

„Oh! Oh, ja, ich wüsste gerne... was ich eben hatte sagen wollen. Nun gut“, mit Schwung erhob ich mich aus dem Sessel, „ich werde mich jetzt erstmal im Haus umsehen. Mit Ihnen allen möchte ich mich später noch unterhalten. Ich muss Sie natürlich bitten, das Haus nicht zu verlassen und so weiter, Sie kennen ja sicher die einschlägigen Floskeln aus dem Fernsehen. Gut, dann sehe ich mich jetzt mal ein wenig um!“

In der Eingangshalle trat mir Petermann in den Weg. „Haben Sie schon was herausgefunden?“ fragte er.

„Petermann... haben Sie sich schon mal so gefühlt, als wären Sie nur eine Figur in einer Kriminalgeschichte?“

„Häh?“

„Na kommen Sie, das müssen Sie doch merken. Dies hier ist ein abgelegenes Haus, wir haben eine Leiche in der Bibliothek und alle Verdächtigen die wir brauchen auch gleich hier. Das klingt ein bisschen nach Agatha Christie, finde ich, wenn das Ambiente auch mehr auf Sherlock Holmes verweist. Letzten Endes scheint aber alles darauf hinzudeuten, dass eine der hier versammelten viktorianisch-anmutenden Personen den Mord begangen hat und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man sie herausgefunden hat. Und nun seien wir mal ehrlich: klingt das so, als würde es sich in einer Wirklichkeit außerhalb einer Kriminalgeschichte abspielen?“

„Sie lesen zuviel, Rhode! Warum sollte das nicht... was rede ich denn da, natürlich ist das die Realität!“

„Aber warum sollte jemand diesen Mord begehen, wenn er genau weiß, dass die Anzahl der Verdächtigen nur sehr begrenzt sein wird?“

„Wahrscheinlich, weil er nicht so viel Quatsch gelesen hat wie Sie! Haben Sie eine Spur?“

„Oh, ich halte alle für potentiell verdächtig! Hmmm, es sollte doch wohl... ja, ich glaube, ich habe eine Spur.“

„Und wie sieht die aus?“

„Nun, da dies eindeutig eine Agatha-Christie-Situation ist, liegt es doch wohl nahe, ‘die grauen Zellen arbeiten zu lassen’ und somit die Lösung des Falles der Autorin zu übertragen. Hmmm, unglücklicherweise habe ich nicht genug Erfahrung auf dem Gebiet der Agatha Christie...“

„Wovon reden Sie da eigentlich?“

„Ich werde mich auf die Schemata besinnen, nach denen bei den Poirot-Filmen, die ich gesehen habe, die Mörder verteilt gewesen sind, d.h. nach welchem Prinzip wer wie ermordet worden ist und aus welchem Grund. Die Poirot-Filme deshalb, weil ich keine Zeit habe, noch eben alle Bücher zu lesen und Miss Marple scheidet ja wohl aus, weil ich nicht alt genug dafür bin, tja... Ich werde mich übrigens auf die Filme mit Peter Ustinov beschränken. Meiner Meinung nach war er nämlich der beste Poirot der Filmgeschichte. Hmmm, ‘Mord im Orient-Express’ scheidet als Fallbeispiel wohl schon deswegen aus, weil wir hier keine 12 Verdächtigen haben, obwohl er toll besetzt war, aber... tjaaa, ich denke, wir haben hier eine gute Spur...“

„Das hat mit Polizeiarbeit nicht das Geringste zu tun! Das ist...“

„...originell! Hmm, ich denke, auf diese Weise hat noch niemand versucht, ein Verbrechen zu lösen und ich finde, es ist der Situation durchaus angemessen!“

„Rhode, Sie sind ein Wahnsinniger!“

„Das ist auch nicht gerade neu! Und wie sieht es mit Ihnen aus, Petermann, haben Sie eine Spur?“

„Ich? Äh...“

„Ich hatte schon so etwas erwartet. Gut, ich werde mich jetzt ein bisschen im Haus umsehen.“

Ich schlenderte die Haupttreppe hinauf, während ich mir überlegte, was die ganzen Verdächtigen wohl die ganze Zeit im Wohnzimmer machten, ob sie, dem Bilde das sie abgaben verpflichtet, erstarrt auf ihren Positionen verharrten oder sich gegenseitig anschrieen und Vorwürfe oder Verdächtigungen aussprachen? Eines musste man diesem Gorn lassen: er hatte ein riesiges Haus. Gehabt! Wer würde es erben? Wie groß war sein Vermögen? Und wer würde das erben? Und was würde ich bekommen, wenn ich den Mörder, respektive die Mörderin herausfinden würde? Ein freundliches Lächeln? Nein. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass überführte Mörder nur sehr selten ein freundliches Lächeln für mich übrig hatten.

Auch oben sah alles wie die Dekoration eines Sherlock Holmes Filmes aus. Irgendwie musste ich ein bisschen in der falschen Zeit gelandet sein, also machte ich mich daran, etwas zu suchen, das mir bestätigen sollte, dass ich noch in meiner Zeit und auch tatsächlich wach war. Ein Fernseher, Radio und die ziemlich moderne Einrichtung der Küche (ich hatte mich oben inzwischen zur Genüge umgesehen) im Erdgeschoss brachten mich dann in meine Zeit zurück, vielleicht sogar etwas darüber hinaus. Ich latschte in die Bibliothek, die Leiche hatte man inzwischen weggeräumt, sah mir die Bücher an, es war wirklich eine sehr gut sortierte Bibliothek. Nach ein paar Minuten ließ ich mich dann mit einem Buch meiner Wahl im nächstgelegenen Sessel nieder und wurde nach 7 Seiten von Petermann unsanft aus meiner Lektüre gerissen.

„Was...?“ war das einzige, das er hervorbrachte, kein schlechter Schnitt bei ihm. „Sie...“ Ich sah auf, da stand er, den Mund ziemlich weit offen, das Gesicht von ungläubigem Nichtverständnis zu einer Grimasse des Unfassbardämlichen verzogen und alles in allem den Bezug zur Realität vollends verloren zu haben scheinend. Es war wirklich verwunderlich, was Petermann bei genauer Betrachtung doch für eine vielschichtige Figur war – die noch dazu in der Lage war, all dies mit einem einzigen Gesichtsausdruck zu zeigen, wofür ein Schriftsteller ca. 3 Zeilen brauchte. „Ich...“

„Petermann, es ist ja durchaus legitim, in Einwortsätzen kommunizieren zu wollen, aber sind Sie dafür nicht ein bisschen zu alt?“ Vielleicht hatte er ja durch einen Schock die Sprache verloren, aber es war nicht anzunehmen, dass dieser Tag etwas Gutes bringen würde. „Haben Sie den Fall geklärt?“ Eine rhetorische Frage.

„Das...“ Sollte es schon wieder losgehen? „...ist ein Mordfall! Und was machen Sie? Sie lesen?“

„War das mehr eine Frage oder eine Feststellung?“ Ich musste mir wohl eingestehen, dass ich den Mord ein wenig verdrängt hatte und dass es eigentlich meine Sache wäre, Verhöre zu führen, Daumenschrauben anzulegen, Verdächtige brutal zu foltern, um Antworten aus ihnen herauszupressen... ähm, vielleicht sollte ich doch noch ein Weilchen weiter lesen?

„Wenn das der Chef wüsste!“

„Ach, der vergibt mir das, wenn er sieht, dass ich beim Friseur war. Haben denn Sie inzwischen was herausgefunden?“

„Ich habe mich ein bisschen umgesehen. Es ist völlig unmöglich, dass jemand in das Haus eingedrungen ist, es gibt keine Spuren.“

„Ich dachte, das wüsste ich schon.“

„Oh.“

„Macht ja nichts. Soll ich jetzt die Verdächtigen verhören?“

„Sie haben die Verdächtigen noch nicht vernommen?“

„Offensichtlich wohl nicht. Okay, die wollten nen viktorianischen Krimi haben, sollen sie einen bekommen.“ Ich legte das Buch beiseite. „Rufen Sie... hmmm, mit wem könnte man mal anfangen? Ach, beginnen wir mit der Witwe und arbeiten uns dann langsam über die näheren Verwandten bis zu den Geschäftsleuten und Hausmädchen durch. Also gut, Petermann, die Witwe!“

„Sie denken, ich habe ihn getötet?“ Emilie Gorn saß gerade im Lesesessel des Ermordeten, während ich mich an eines der Regale lehnte. Ihr Blick war kühl, sie war eine rationale Frau, aber keineswegs gefühllos.

„Die Chancen stehen eins zu fünf. Warum sollten Sie Ihren Mann nicht getötet haben?“

„Ich glaube, ich sagte schon, dass ich von seinem Tod keine Vorteile hätte.“

„Ja, das sagten Sie, aber das muss ja nicht die Wahrheit sein. Vielleicht hätte er sich ja geweigert, Sie und Ihren Geliebten weiterhin zu finanzieren.“

„Das, mein lieber Inspektor, wird sich wohl schwerlich feststellen lassen.“

„Das macht die ganze Sache ja so verzwickt! Oh, es wäre viel einfacher, wenn der Ermordete noch sprechen könnte, nachdem man ihn ermordet hat. Das würde uns (mir!) viel Arbeit ersparen.“

„Aber Sie übersehen dabei, dass er auch lügen könnte.“

„Naja, ich habe sowieso meine Zweifel daran, dass man seine Aussage vor Gericht akzeptieren würde. Zumal er im Kreuzverhör wahrscheinlich einen lausigen Zeugen abgäbe. Aber um auf den eingangs erwähnten Punkt zurückzukommen, Sie haben mich noch immer nicht überzeugt, dass Sie Ihren (Ex)Mann nicht getötet haben.“

„Wie soll ich Sie denn davon überzeugen?“

„Das ist wieder einer von diesen Punkten, bei denen völlige Unklarheit herrscht. Genau genommen weiß ich nämlich auch nicht, wie Sie mich davon überzeugen könnten.“

„Ich habe das Gefühl, Inspektor, Sie scheinen selbst nicht zu wissen, was Sie wollen oder wie Sie es erreichen wollen.“

„Da liegen Sie nicht ganz falsch, fürchte ich. Ich... meine Güte, es ist Sonntag und noch ziemlich früh...“

„Zwölf Uhr!“