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"Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe." -- Buch- und Filmbewertungen (über: Koste es, was es wolle) In diesem lang erwartetem Debüt einer epischen Spionage-Thriller-Serie des #1 meistverkauften Autors Jack Mars, werden die Leser in einem Action-Thriller nach Europa geführt, wo der mutmaßliche CIA Agent Kent Steele, der von Terroristen, der CIA und seiner eigenen Identität gejagt wird, eine Reihe von Mysterien entschlüsseln muss. Wer ist hinter ihm her, wer ist er, welches ist das anstehende Ziel der Terroristen—und was hat es mit der wunderschönen Frau auf sich, die er immer wieder vor seinem geistigen Auge sieht? Kent Steele, 38, ein brillanter Professor für Europäische Geschichte an der Columbia Universität, lebt mit seinen zwei Teenager Töchtern in einem New Yorker Vorort ein ruhiges Leben. All das verändert sich, als es eines Abends an seiner Tür klopft und er von drei Terroristen entführt wird—er wird quer über den Ozean geflogen, um in einem Pariser Keller verhört zu werden. Sie sind überzeugt davon, dass Kent der tödlichste Spion ist, den die CIA je kannte. Er ist sich sicher, dass sie den falschen Mann haben. Aber stimmt das? Inmitten einer Verschwörung, mit Gegenspielern, so schlau wie er selbst und einem Auftragskiller dicht auf seinen Fersen, beginnt ein wildes Katz und Maus Spiel, das Kent auf einen verhängnisvollen Weg führt—einen Weg, der ihn zurück nach Langley führen könnte—und zu einer schockierenden Entdeckung über seine eigene Identität. AGENT NULL ist ein Spionage Thriller, der dich bis spät in die Nacht an sich fesseln wird. "Ein Thriller der Extraklasse." -- Midwest Book Review (über: Koste es, was es wolle) Außerdem erhältlich ist Jack Mars #1 meistverkaufte LUKE STONE THRILLER Serie (7 Bücher), die mit "Koste es, was es wolle" (Buch #1) beginnt, einem kostenlosen Download mit über 800 5-Sterne-Bewertungen!
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Veröffentlichungsjahr: 2019
A G E N T N U L L
(EIN AGENT NULL SPIONAGE THRILLER—BUCH 1)
J A C K M A R S
Jack Mars
Jack Mars ist der USA Today Bestseller Autor der LUKE STONE Thriller Serie, welche sieben Bücher umfasst (und weitere in Arbeit). Er ist außerdem der Autor der neuen WERDEGANG VON LUKE STONE Vorgeschichten Serie und der AGENT NULL Spionage-Thriller Serie.
Jack würde sich freuen, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie seine Webseite www.Jackmarsauthor.com und registrieren Sie sich auf seiner Email-Liste, erhalten Sie ein kostenloses Buch und gratis Kundengeschenke. Sie können ihn ebenfalls auf Facebook und Twitter finden und in Verbindung bleiben!
BÜCHER VON JACK MARS
LUKE STONE THRILLER SERIE
KOSTE ES, WAS ES WOLLE (Buch #1)
AMTSEID (Buch #2)
LAGEZENTRUM (Buch #3)
AGENT NULL SPIONAGE SERIE
AGENT NULL (Buch #1)
INHALTSVERZEICHNIS
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
EPILOG
Die erste Unterrichtsstunde des Tages war immer die Schlimmste. Die Studenten schoben sich in den Hörsaal der Columbia Universität wie lebensunfähige, halbtote Zombies, ihre Sinne getrübt von nächtelangem Lernen oder einem Kater oder einer Kombination von beidem. Sie trugen Jogginghosen und ihre T-Shirts von gestern und klammerten sich an Styroporbecher, die mit Soja Mokka Latte oder hausgemachtem, hellgerösteten Filterkaffee gefüllt waren oder was auch immer es war, was die Kinder heutzutage tranken.
Professor Reid Lawsons Job war es zu unterrichten, aber er erkannte auch die Notwendigkeit für einen morgendlichen Energieschub – eine mentale Stimulierung, die das Koffein unterstützte. Lawson gab ihnen einen Moment Zeit ihre Plätze zu finden und es sich bequem zu machen, während er seinen sportlichen Tweed Mantel auszog und über die Lehne seines Stuhls legte.
„Guten Morgen“, sagte er laut. Die Begrüßung ließ mehrere Studenten aufschrecken, die ganz plötzlich zu ihm aufsahen, als hätten sie nicht bemerkt, dass sie in ein Klassenzimmer gelaufen waren. „Heute werden wir über Piraten sprechen.“
Das erregte etwas Aufmerksamkeit. Müde Augen schauten ihn an und blinzelten durch den Schleier des Schlafentzugs und versuchten herauszufinden, ob er wirklich gerade „Piraten“ gesagt hatte oder nicht.
„In der Karibik?“, witzelte ein Zweitsemester in der ersten Reihe.
„Genau genommen, im Mittelmeer“, korrigierte ihn Lawson. Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen ging er langsam auf und ab. „Wie viele von Ihnen haben Professor Truitts Kurs zu Antiken Imperien belegt?“ Ungefähr ein Drittel der Klasse hob die Hand. „Gut. Dann wissen Sie auch, dass das ottomanische Reich für, oh, fast sechshundert Jahre eine Weltmacht war. Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, dass die ottomanischen Korsaren oder auch genannt, die Barbaresken-Piraten, für den Großteil dieser Zeit Raubzüge auf den Meeren geführt haben, von der Küste Portugals durch die Straße von Gibraltar und in weiten Bereichen des Mittelmeers. Was denken Sie, was sie wollten? Irgendjemand? Ich weiß, dass Sie am Leben sind.“
„Geld?“, fragte ein Mädchen in der dritten Reihe.
„Schätze“, sagte der Zweitsemester von vorn.
„Rum!“, rief ein männlicher Student von hinten aus dem Klassenzimmer und löste damit ein Kichern in der Klasse aus. Reid grinste auch. Es gab also doch etwas Leben in dieser Gruppe.
„Alles gute Ideen“, sagte er. „Aber die Antwort ist, ‚Alles oben genannte’. Sehen Sie, die Barbaresken-Piraten hatten es hauptsächlich auf europäische Handelsschiffe abgesehen und sie würden alles nehmen – und ich meine wirklich alles. Schuhe, Gürtel, Geld, Hüte, Waren, das Schiff selbst … und seine Crew. Man glaubt, dass in den zwei Jahrhunderten von 1580 bis 1780 mehr als zwei Millionen Menschen von den Barbaresken-Piraten gefangen genommen und versklavt wurden. Sie brachten alles zurück in ihr nordafrikanisches Königreich. Das ging für Jahrhunderte so weiter. Und was denken Sie, taten die europäischen Nationen dagegen?“
„Erklärten Krieg!“, rief der Student von hinten.
Ein unscheinbares Mädchen mit einer Hornbrille hob leicht seine Hand und fragte, „Haben sie einen Friedensvertrag ausgehandelt?“
„So ungefähr“, antwortete Reid. „Die Machthaber von Europa stimmten zu, den Barbaresken Nationen Tribut zu zahlen, in der Form von riesigen Summen von Geld und Waren. Ich meine damit Portugal, Spanien, Frankreich, Deutschland, England, Schweden, die Niederlande … Sie alle bezahlten die Piraten, damit sie sich von ihren Booten fernhielten. Die Reichen wurden reicher und die Piraten zogen sich zurück – überwiegend. Aber dann zwischen dem späten achtzehnten und dem frühen neunzehnten Jahrhundert passierte etwas. Es gab ein Ereignis, welches der Katalysator für das Ende der Barbaresken-Piraten werden würde. Möchte irgendjemand eine Vermutung äußern?“
Niemand sprach. Rechts von ihm, sah Lawson einen Studenten, der in seinem Telefon suchte.
„Mr. Lowell“, sagte er. Der Student sah auf. „Eine Vermutung?“
„Ähem … Amerika passierte?“
Lawson lächelte. „Fragen Sie mich oder ist das Ihre Antwort? Seien Sie selbstbewusst mit Ihren Antworten, dann wird der Rest von uns wenigstens denken, dass Sie wissen, wovon Sie reden.“
„Amerika passierte“, sagte er noch einmal, dieses Mal mit Nachdruck.
„Das stimmt! Amerika passierte. Aber, wie Sie wissen, waren wir zu diesem Zeitpunkt noch eine sehr junge Nation. Amerika war jünger, als die meisten von Ihnen es sind. Wir mussten Handelsrouten mit Europa erschaffen, um unsere Wirtschaft anzukurbeln, aber die Barbaresken-Piraten begannen unsere Schiffe zu stehlen. Als wir sagten, ‚Was zum Teufel, Jungs?’ verlangten sie Tribut. Wir hatten gerade mal so eine Staatskasse, aber es war nicht wirklich etwas darin. Unser Sparschwein war leer. Welche Wahl hatten wir also? Was konnten wir tun?“
„Krieg erklären!“, erklang die bereits bekannte Stimme von hinten aus dem Klassenzimmer.
„Genau! Wir hatten keine andere Wahl, als Krieg zu erklären. Nun, Schweden hatte zu diesem Zeitpunkt die Piraten bereits seit einem Jahr bekämpft und mit ihnen gemeinsam nahmen wir zwischen 1801 und 1805 den Hafen von Tripolis ein und dann die Stadt Darna gefangen, was schlussendlich den Konflikt beendete.“ Lawson lehnte sich gegen den Rand seines Schreibtischs und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Natürlich beschönigt dies viele der Details, aber das hier ist eine europäische Geschichtsstunde, keine amerikanische. Wenn Sie aber die Chance haben sollten, lesen Sie etwas über Leutnant Stephen Decatur und die USS Philadelphia. Aber ich schweife ab. Warum unterhalten wir uns über Piraten?“
„Weil Piraten cool sind?“, fragte Lowell, der inzwischen sein Telefon weggelegt hatte.
Lawson kicherte. „Das kann ich nicht abstreiten. Aber nein, das ist nicht der Grund. Wir unterhalten uns über Piraten, weil der Tripolitanische Krieg etwas repräsentiert, was es nur selten in den Annalen der Geschichte zu sehen gibt.“ Er stellte sich gerade hin und scannte mit den Augen den Raum, wobei er Blickkontakt mit verschiedenen Studenten suchte. Jetzt konnte Lawson zumindest ein Leuchten in ihren Augen sehen, einen Funken, der zeigte, dass die meisten Studenten an diesem Morgen am Leben waren, wenn nicht sogar aufmerksam. „Buchstäblich jahrhundertelang wollte keine der europäischen Mächte sich den Barbaresken-Nationen entgegenstellen. Es war leichter, sie einfach zu bezahlen. Es brauchte Amerika – welches damals für den Großteil der entwickelten Welt ein Witz war – um die Veränderung herbeizuführen. Es brauchte eine Verzweiflungstat von einer Nation, die aberwitzig und hoffnungslos waffentechnisch unterlegen war, um eine Veränderung der Kräftedynamik auf einer der wertvollsten Handelsrouten der Welt zu bewirken. Und darin liegt die Lektion.“
„Leg dich nicht mit Amerika an?“, schlug jemand vor.
Lawson lächelte. „Nun, ja.“ Er hob einen Finger in die Luft, um seinen Punkt zu verstärken. „Aber umso mehr, dass Verzweiflung und die totale Abwesenheit möglicher Optionen, historisch gesehen, zu den größten Triumphen, die die Welt je gesehen hat, führen kann und geführt hat. Die Geschichte lehrt uns wieder und wieder, dass es kein Regime gibt, das zu groß ist, um es zu stürzen, kein Land zu klein oder zu schwach ist, um eine wirkliche Veränderung herbeizuführen.“ Er zwinkerte. „Denken Sie das nächste Mal daran, wenn Sie sich für nichts mehr als einen kleinen Fleck in dieser Welt halten.“
Am Ende der Stunde gab es einen sichtbaren Unterschied zwischen den langsamen und müden Studenten, die das Klassenzimmer betreten hatten und der lachenden, schnatternden Gruppe, die jetzt den Hörsaal füllte. Ein Mädchen mit pinkfarbenen Haaren kam auf dem Weg nach draußen zu seinem Schreibtisch und kommentierte lächelnd: „Großartige Vorlesung, Professor. Wie war der Name des amerikanischen Leutnants, den Sie erwähnt hatten?“
„Oh, das war Stephen Decatur.“
„Danke.“ Sie schrieb es auf und eilte aus dem Klassenzimmer.
„Professor?“
Lawson blickte auf. Es war der Zweitsemester aus der ersten Reihe. „Ja, Mr. Garner? Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe mich gefragt, ob ich Sie um einen Gefallen bitten kann. Ich bewerbe mich für ein Praktikum beim Museum für Natürliche Geschichte und äh, könnte ein Empfehlungsschreiben gebrauchen.“
„Sicher, kein Problem. Aber ist Ihr Hauptfach nicht Anthropologie?“
„Ja. Aber, äh… ich dachte, ein Brief von Ihnen wäre etwas gewichtiger, wissen Sie? Und, äh …“ Der Junge schaute auf seine Schuhe. „Dies hier ist sozusagen mein Lieblingsfach.“
„Ihr Lieblingsfach bis jetzt.“ Lawson lächelte. „Ich mache es gern. Ich habe morgen etwas für Sie fertig – oh, genau genommen, habe ich heute Abend eine wichtige Verpflichtung, die ich nicht verpassen kann. Wie klingt Freitag?“
„Keine Eile. Freitag wäre fantastisch. Danke, Professor. Bis dann!“ Garner eilte aus dem Hörsaal und ließ Lawson hinter sich allein.
Er blickte sich im leeren Auditorium um. Dies war seine liebste Tageszeit, zwischen den Unterrichtsstunden – die gegenwärtige Zufriedenheit der vergangenen Stunde gemischt mit der Vorfreude auf die nächste.
Sein Handy piepte. Es war eine SMS von Maya. 17:30 Uhr zu Hause?
Ja, antwortete er. Ich würde es nicht verpassen. Die „wichtige Verpflichtung“ an diesem Abend war der Spieleabend bei den Lawsons zu Hause. Er wusste die Qualitätszeit mit seinen beiden Mädchen sehr zu schätzen.
Gut, schrieb seine Tochter zurück. Ich habe Neuigkeiten.
Was für Neuigkeiten?
Später, war ihre Antwort. Er runzelte wegen der ungenauen Nachricht seine Stirn. Plötzlich würde sich der Tag sehr lang anfühlen.
*
Als der Unterrichtstag zum Ende kam, packte Lawson seine Kuriertasche, zog seinen Daunenwintermantel an und eilte zum Parkplatz. Februar in New York war typischerweise bitterkalt und in der letzten Zeit war es sogar noch schlimmer als sonst. Das kleinste bisschen Wind war regelrecht eisig.
Er startete den Motor des Autos und ließ ihn für ein paar Minuten warm laufen, rieb sich die Hände und blies warmen Atem auf seine gefrorenen Finger. Dies war sein zweiter Winter in New York und es schien nicht so, als würde er sich in der Kälte akklimatisieren. In Virginia hatte er gedacht, fünf Grad im Februar waren eisig. Zumindest schneit es nicht, dachte er. Ein Hoffnungsschimmer.
Die Fahrt vom Columbia Campus nach Hause war nur elf Kilometer weit, aber der Verkehr zu dieser Tageszeit war dicht und andere Autofahrer waren generell irritierend. Reid überkam dies mit Hörbüchern, auf welche ihn seine ältere Tochter vor kurzem gebracht hatte. Momentan arbeitete er sich seinen Weg durch Umberto Ecos Der Name der Rose, obwohl er heute die Worte kaum wahrnahm. Er dachte an Mayas kryptische Nachricht.
Das Haus der Lawsons war ein braun verklinkerter, zweistöckiger Bungalow in Riverdale am nördlichen Ende der Bronx. Er mochte die rustikale vorstädtische Nachbarschaft – die Nähe zur Innenstadt und zur Universität und die gewundenen Straßen, die weiter südlich in breite Boulevards übergingen. Die Mädchen liebten es auch und wenn Maya an der Columbia Universität angenommen werden würde oder an ihrer Zweitwahl der NYU, musste sie nicht von zu Hause ausziehen.
Reid wusste sofort, dass etwas anders war, als er das Haus betrat. Er konnte es in der Luft riechen und er hörte die gedämpften Stimmen, die aus der Küche am Ende des Flurs erklangen. Er legte seine Kuriertasche ab und zog leise seinen Mantel aus, bevor er vorsichtig auf Zehenspitzen durchs Foyer ging.
„Was um alles in der Welt geht hier vor sich?“, fragte er zur Begrüßung.
„Hallo, Daddy!“ Sara, seine vierzehn Jahre alte Tochter, wippte auf den Ballen ihrer Füße, während sie ihrer älteren Schwester Maya dabei zusah, wie sie ein verdächtiges Ritual über einer Auflaufform aus Glas vollführte. „Wir kochen Abendessen!“
„Ich koche das Abendessen“, murmelte Maya ohne aufzusehen. „Sie ist nur ein Zuschauer.“
Reid blinzelte überrascht. „Okay. Ich habe Fragen.“ Er schaute über Mayas Schulter, die eine leicht lilafarbene Glasur über einige ordentliche aufgereihte Schweinerippchen strich. „Beginnend mit … Hä?“
Maya sah noch immer nicht auf. „Schau mich nicht so an“, sagte sie, „wenn Hauswirtschaft zu einem Pflichtkurs gemacht wird, werde ich es eben nützlich anwenden.“ Endlich sah sie ihn an und lächelte leicht. „Und gewöhne dich nicht daran.“
Reid hob seine Hände abwehrend. „Auf keinen Fall.“
Maya war sechzehn und gefährlich klug. Sie hatte ganz klar ihren Intellekt von ihrer Mutter geerbt; sie würde im kommenden Schuljahr bereits eine Oberstufenschülerin sein, was daran lag, dass sie die achte Klasse übersprungen hatte. Sie hatte Reids dunkles Haar, sein nachdenkliches Lächeln und einen Hang zur Dramatik. Sara im Gegensatz dazu, hatte ihr gesamtes Aussehen von Kate. Während sie zu einem Teenager heranwuchs, schmerzte es Reid manchmal in ihr Gesicht zu sehen, obwohl er es nie zeigte. Sie hatte außerdem Kates feuriges Temperament geerbt. Meistens war Sara ein wirklicher Engel, aber ab und zu würde sie explodieren und die Auswirkungen waren verheerend.
Reid sah mit Staunen, wie die Mädchen den Tisch deckten und das Abendessen servierten. „Das sieht fantastisch aus Maya“, kommentierte er.
„Oh, warte. Noch eine Sache.“ Sie holte etwas aus dem Kühlschrank – eine braune Flasche. „Belgisches magst du am liebsten, richtig?“
Reid zog die Augen zusammen. „Wie hast du …?“
„Keine Sorge, Tante Linda hat es für mich gekauft.“ Sie öffnete die Flasche und goss das Bier in ein Glas. „Gut. Jetzt können wir essen.“
Reid war extrem dankbar, dass Kates Schwester Linda nur ein paar Minuten entfernt wohnte. Seine Professorenstelle zu halten, während er zwei Mädchen zu Teenagern aufzog, wäre ohne sie eine unmögliche Aufgabe gewesen. Es war eine der Hauptmotivationen für den Umzug nach New York gewesen, damit die Mädchen einen positiven weiblichen Einfluss in der Nähe hatten. (Obwohl er zugeben musste, dass er nicht wirklich begeistert war, dass Linda seiner Tochter Bier kaufte, egal für wen es war.)
„Maya, das ist großartig“, sagte er nach dem ersten Bissen.
„Dankeschön. Es ist Chipotle-Glasur.“
Er wischte sich seinen Mund ab, legte seine Serviette hin und fragte: „In Ordnung, es ist verdächtig. Was hast du angestellt?“
„Was? Nichts!“, bekräftigte sie.
„Was hast du kaputtgemacht?“
„Ich habe nichts …“
„Bist du suspendiert worden?“
„Dad, komm schon …“
Reid griff melodramatisch den Tisch mit beiden Händen. „Oh Gott, erzähl mir nicht, dass du schwanger bist. Ich besitze nicht einmal eine Waffe.“
Sara kicherte.
„Würdest du aufhören?“, schimpfte Maya. „Ich darf nett sein, weißt du.“ Sie aßen für eine Minute schweigend weiter, bevor sie beiläufig hinzufügte: „Aber da du es schon erwähnst …“
„Oh, Mann. Hier kommt es.“
Sie räusperte sich und sagte: „Ich habe eine Art Verabredung. Für den Valentinstag.“
Reid erstickte fast an seinem Rippchen.
Sara grinste. „Ich habe dir doch gesagt, dass er komisch darauf reagiert.“
Er fing sich und hielt seine Hand hoch. „Warte, warte. Ich bin nicht komisch. Ich dachte nur nicht … Ich wusste nicht, dass du … Gehst du mit jemandem aus?“
„Nein“, sagte Maya schnell. Dann zuckte sie mit den Schultern und sah hinunter auf ihren Teller. „Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Aber er ist ein netter Typ und er möchte mich in der Stadt zum Abendessen ausführen …“
„In der Stadt“, wiederholte Reid.
„Ja, Dad, in der Stadt. Und ich bräuchte ein Kleid. Es ist ein schicker Ort. Ich habe nicht wirklich etwas zum Anziehen.“
Es gab viele Zeiten, zu denen sich Reid verzweifelt wünschte, dass Kate da war, aber dieses Mal übertraf sie alle. Er war immer davon ausgegangen, dass seine Töchter irgendwann beginnen würden, Verabredung zu haben, aber er hatte gehofft, dass das nicht passierte, bis sie fünfundzwanzig waren. Es waren Zeiten wie diese, wenn er sich auf sein Lieblings-Elternakronym besann, WWKS – was würde Kate sagen? Als Künstlerin und selbstbestimmter Freigeist würde sie die Situation wahrscheinlich ganz anders handhaben, als er es würde und Reid versuchte, sich dies bewusst zu machen.
Er musste ganz besonders besorgt ausgesehen haben, weil Maya jetzt leicht lachte und ihre Hand auf seine legte. „Bist du in Ordnung, Dad? Es ist nur eine Verabredung. Nichts wird passieren. Es ist keine große Sache.“
„Jaaa“, sagte er langsam. „Du hast recht. Natürlich ist es keine große Sache. Vielleicht sehen wir, ob Tante Linda dich am Wochenende ins Einkaufszentrum mitnehmen kann und –“
„Ich möchte, dass du mit mir gehst.“
„Wirklich?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich meine, ich würde nichts kaufen wollen, was dir nicht gefällt.“
Ein Kleid, Abendessen in der Stadt und irgendein Junge ... Darüber hatte er tatsächlich noch nie zuvor nachgedacht.
„Also gut“, sagte er. „Wir gehen am Samstag. Aber ich habe eine Bedingung – ich darf mir das heutige Spiel aussuchen.“
„Hmm“, sagte Maya. „Du bist ein harter Brocken. Lass mich mit meiner Kollegin beraten.“ Maya wandte sich an ihre Schwester.
Sara nickte. „Gut. Solange es nicht Risiko ist.“
Reid spottete. „Du weißt nicht, wovon du redest. Risiko ist das Beste.“
Nach dem Abendessen räumte Sara den Tisch ab, während Maya heiße Schokolade machte. Reid baute eins ihrer Lieblingsspiele auf, Zug um Zug, ein klassisches Spiel, in welchem man Eisenbahnstrecken durch Amerika bauen musste. Als er die Karten und Plastikzüge verteilte, kam er nicht umhin sich zu fragen, wann all dies passiert war. Wann war Maya so schnell erwachsen geworden? Für die letzten zwei Jahre, seitdem Kate gestorben war, hatte er die Rolle beider Elternteile gespielt (mit der sehr geschätzten Hilfe von ihrer Tante Linda). Sie beide brauchten ihn noch immer, zumindest erschien es so, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis sie zum College gingen, ihre Karrieren begannen und dann …
„Dad?“, Sara kam ins Esszimmer und setzte sich ihm gegenüber. Als würde sie seine Gedanken lesen, sagte sie: „Vergiss nicht, ich habe nächsten Mittwochabend in der Schule eine Kunstvorführung. Du wirst da sein, oder?“
Er lächelte. „Natürlich, mein Schatz. Das lasse ich mir nicht entgehen.“ Er klatschte in die Hände. „Jetzt! Wer ist bereit, zunichtegemacht zu werden – ich meine, wer ist bereit, ein familienfreundliches Spiel zu spielen?“
„Versuch's doch mal, alter Mann“, rief Maya aus der Küche.
„Alter Mann?“, sagte Reid entrüstet. „Ich bin 38!“
„Ich bleibe dabei.“ Sie lachte, als sie ins Esszimmer kam. „Oh, das Spiel mit den Zügen.“ Ihr Grinsen wurde zu einem schmalen Lächeln. „Das war Moms Lieblingsspiel, nicht wahr?“
„Oh … ja.“ Reid zog eine Grimasse. „Das war es.“
„Ich bin blau!“, erklärte Sara und griff nach den Spielfiguren.
„Orange“, sagte Maya. „Dad, welche Farbe? Dad, hallo?“
„Oh.“ Reid wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Entschuldige. Ähem, grün.“
Maya schob ein paar Spielfiguren in seine Richtung. Reid zwang sich zum Lächeln, obwohl seine Gedanken besorgt waren.
*
Nach zwei Spielrunden, die beide Maya gewonnen hatte, gingen die Mädchen ins Bett und Reid zog sich in sein Büro zurück, ein kleines Zimmer in der ersten Etage, welches vom Foyer abführte.
Riverdale war keine billige Gegend, aber es war Reid wichtig sicherzustellen, dass seine Mädchen in einer sicheren und glücklichen Umgebung aufwuchsen. Es gab nur zwei Schlafzimmer, also hatte er diesen kleinen Raum als Büro eingerichtet. Alle seine Bücher und Erinnerungsstücke waren in fast jeden möglichen Zentimeter des drei-mal-drei Meter Raumes gequetscht. Mit seinem Schreibtisch und dem Ledersessel darin konnte man nur noch ein ganz kleines Stück des abgetretenen Teppichs darunter sehen.
Er schlief oft in diesem Sessel ein, nach langen Abenden, an denen er Notizen machte, Vorlesungen vorbereitete und zum wiederholten Male Biografien las. Er begann deshalb Rückenprobleme zu bekommen. Wenn er mit sich selbst ehrlich war, fiel es ihm aber nicht leichter in seinem eigenen Bett zu schlafen. Der Ort mag sich verändert haben – er und die Mädchen sind, kurz nachdem Kate gestorben war, nach New York gezogen – aber er hatte noch immer die extra große Matratze mit Bettgestell, die ihre gewesen war, seine und Kates.
Er hätte gedacht, dass der Schmerz Kate zu verlieren, inzwischen etwas weniger geworden wäre, zumindest ein bisschen. Manchmal war es so, kurzzeitig, und dann kam er an ihrem Lieblingsrestaurant vorbei oder sah ein Stück eines ihrer Lieblingsfilme im Fernsehen und der Schmerz kam mit geballter Kraft zurück, so frisch, als wäre alles erst gestern passiert.
Sollten die Mädchen etwas Ähnliches fühlen, dann sprachen sie nicht darüber. In der Tat sprachen sie sehr oft offen über ihre Mutter, etwas was Reid selbst immer noch nicht konnte.
Es gab ein Bild von ihr auf einem seiner Bücherregale, welches bei der Hochzeit eines Freundes vor einem Jahrzehnt aufgenommen worden war. An den meisten Abenden war das Bild umgedreht, sonst würde er seine gesamte Zeit damit verbringen, es anzustarren.
Wie unglaublich unfair die Welt sein konnte. An einem Tag hatten sie alles – ein schönes Zuhause, wunderbare Kinder, großartige Karrieren. Sie lebten in McLean, Virginia; er arbeitete als außerordentlicher Professor an der nahegelegenen George Washington Universität. Wegen seiner Arbeit reiste er oft zu Seminaren und Gipfeltreffen und als Gastdozent für europäische Geschichte zu Schulen überall im Land verteilt. Kate arbeitete in der Restaurationsabteilung des Smithsonian American Art Museums. Ihre Mädchen gediehen prächtig. Das Leben war perfekt.
Aber wie Robert Frost berühmterweise gesagt hatte, kein Gold kann bleiben. An einem Winternachmittag fiel Kate auf Arbeit in Ohnmacht – oder zumindest ist es das, was ihre Kollegen dachten, als sie plötzlich schlaff wurde und von ihrem Stuhl rutschte. Sie riefen einen Krankenwagen, aber es war bereits zu spät. Sie wurde im Krankenhaus für tot erklärt. Eine Embolie, hatten sie gesagt. Ein Blutgerinnsel hatte sich in ihrem Gehirn gebildet und einen ischämischen Schlaganfall verursacht. Die Ärzte benutzten, so oft sie konnten, schwer verständliche medizinische Begriffe in ihrer Erklärung, so als würde es den Schock irgendwie abmildern.
Das Schlimmste von allem war, Reid war unterwegs gewesen, als es passierte. Er war bei einem Studentenseminar in Houston, Texas, gewesen, um Vorlesungen über das Mittelalter zu halten, als er den Anruf bekam.
Das war, wie er herausfand, dass seine Frau gestorben war. Ein Anruf vor der Tür eines Konferenzraums. Dann kam der Flug nach Hause, die Versuche seine Töchter inmitten seiner eigenen fürchterlichen Trauer zu trösten und irgendwann der Umzug nach New York.
Er drückte sich selbst aus dem Sessel hoch und drehte das Foto herum. Er mochte es nicht, über all das nachzudenken, das Ende und das Danach. Er wollte sie so in Erinnerung behalten wie in dem Foto, Kate, wie sie strahlte. Er wählte, sich nur daran zu erinnern.
Da war noch etwas anderes, etwas am Rande seines Bewusstseins – eine Art verschwommene Erinnerung, die versuchte an die Oberfläche zu kommen, als er das Bild anstarrte. Es fühlte sich fast wie ein Déjà-Vu an, nur nicht im jetzigen Moment. Es war, als würde sein Unterbewusstsein versuchen, irgendetwas an die Oberfläche zu bringen.
Ein plötzliches Klopfen an der Tür holte ihn in die Realität zurück. Reid zögerte und fragte sich, wer es sein könnte. Es war fast Mitternacht; die Mädchen waren bereits seit ein paar Stunden im Bett. Das kurze Klopfen erklang erneut. Aus Furcht es könnte die Kinder wecken, eilte er zu Tür. Schließlich lebte er in einer sicheren Nachbarschaft und hatte keinen Grund sich zu fürchten, die Tür zu öffnen, Mitternacht oder nicht.
Der raue Winterwind war nicht, was ihn auf der Stelle gefrieren ließ. Überrascht starrte er auf die drei Männer auf der anderen Seite. Sie waren eindeutig aus dem Nahen Osten, alle mit dunkler Haut, einem dunklen Bart und tiefliegenden Augen, gekleidet in dicken schwarzen Jacken und Stiefeln. Die zwei an jeder Seite des Ausgangs waren lang und großgewachsen; der dritte, hinter ihnen, war breitschultrig und massig, mit einem vermutlich andauernd finsterem Blick.
„Reid Lawson“, sagte der großgewachsene Mann auf der linken Seite. „Sind Sie das?“ Sein Akzent klang iranisch, war aber nicht sehr stark, was darauf schließen ließ, dass er bereits seit längerer Zeit in den Staaten lebte.
Reids Hals wurde trocken, als er über ihre Schultern hinweg bemerkte, dass dort am Straßenrand ein grauer Transporter mit laufendem Motor und ausgeschalteten Scheinwerfern stand. „Es tut mir leid“, sagte er zu ihm. „Sie müssen das falsche Haus haben.“
Der großgewachsene Mann auf der rechten Seite, der seine Augen nicht von Reid abwandte, hielt ein Telefon hoch, sodass seine zwei Kollegen es sehen konnten. Der Mann auf der linken Seite, der die Frage gestellt hatte, nickte einmal.
Ohne Vorwarnung sprang der massige Mann vorwärts, trügerisch schnell für seine Größe. Eine fleischige Hand griff nach Reids Hals. Reid wandte sich versehentlich ab, gerade außer Reichweite, indem er rückwärts stolperte und fast über seine eigenen Füße fiel. Er fing sich, als er mit den Fingerspitzen den gefliesten Fußboden berührte.
Als er rückwärts ging, um seine Balance wiederzufinden, kamen die drei Männer ins Haus. Er verfiel in Panik und dachte nur an die Mädchen, die in der oberen Etage in ihren Betten schliefen.
Er drehte sich herum und rannte durch das Foyer in die Küche und schlitterte um die Kücheninsel herum. Er blickte über seine Schulter – die Männer verfolgten ihn. Mobiltelefon, dachte er verzweifelt. Es lag auf seinem Schreibtisch im Büro und seine Angreifer versperrten ihm den Weg.
Er musste sie vom Haus wegführen, weg von den Mädchen. Zu seiner Rechten war die Tür zum Garten. Er öffnete sie schnell und rannte hinaus auf die Terrasse. Einer der Männer fluchte in einer fremden Sprache – arabisch, wie er vermutete – als sie hinter ihm her rannten. Reid sprang über das Geländer der Terrasse und landete in seinem kleinen Garten. Ein stechender Schmerz schoss bei der Landung durch sein Fußgelenk, aber er ignorierte ihn. Er rannte um die Ecke des Hauses und presste sich gegen die Klinkerfassade, während er verzweifelt versuchte, sein heftiges Atmen unter Kontrolle zu bringen.
Die Mauer fühlte sich eisig an und die leichte Winterbrise schmerzte auf seiner Haut wie Messerstiche. Seine Zehen waren bereits taub – er war nur in Socken aus dem Haus gerannt. Gänsehaut machte sich auf allen seinen Gliedmaßen breit. Er konnte hören, wie sich die Männer zuflüsterten, heiser und drängend. Er zählte die einzelnen Stimmen – eine, zwei und dann drei. Sie hatten das Haus verlassen. Gut; das bedeutete, sie waren nur hinter ihm her und nicht hinter den Mädchen.
Er musste zu einem Telefon gelangen. Er konnte nicht zurück ins Haus gehen, ohne die Mädchen in Gefahr zu bringen. Ebensowenig konnte er einfach an der Tür des Nachbarn klopfen. Moment – es gab ein gelbes Notfalltelefon, das in einem Kasten am Ende des Blocks installiert war. Wenn er dorthin gelangen könnte …
Er atmete tief durch und sprintete durch den dunklen Garten, wobei er es wagte, den leichten Schein der Straßenlaternen zu betreten. Sein Fußgelenk pochte protestierend und der Schock der Kälte sandte stechende Schmerzen durch seine Füße. Aber er zwang sich, so schnell wie er nur konnte zu rennen.
Reid blickte über seine Schulter. Einer der großgewachsenen Männer hatte ihn entdeckt. Er rief seinen Kollegen etwas zu, rannte ihm aber nicht hinterher. Seltsam, dachte Reid, hielt aber nicht an, um darüber nachzudenken.
Er erreichte das gelbe Notfalltelefon, öffnete den Kasten und presste mit seinem Daumen hart gegen den roten Knopf, was einen Alarm an den lokalen Rettungsdienst senden würde. Wieder sah er über seine Schulter. Er konnte keinen von ihnen sehen.
„Hallo?“, zischte er in die Gegensprechanlage. „Kann mich irgendjemand hören?“ Wo war das Licht? Ein Licht sollte aufleuchten, wenn der Knopf für den Anruf gedrückt wurde. Funktionierte das überhaupt? „Mein Name ist Reid Lawson, da sind drei Männer hinter mir her, ich wohne –“
Eine starke Hand griff eine Faustvoll von Reids kurzen braunen Haaren und zog ihn ruckartig zurück. Seine Worte erstickten in seinem Hals und entflohen als nichts anderes als ein heiseres Keuchen.
Ehe er sich versah, spürte er raues Material über seinem Gesicht, er konnte nichts sehen – ein Sack über seinem Kopf – und im selben Moment wurden seine Arme hinter seinen Rücken gezwungen und in Handschellen gelegt. Er versuchte sich zu wehren, aber die starken Hände hielten ihn fest und verdrehten seine Handgelenke so sehr, dass sie fast brachen.
„Warten Sie!“, schaffte er es zu schreien. „Bitte …“ Ein Schlag traf seine Magengegend so hart, dass die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Er konnte nicht atmen, geschweige denn sprechen. Schwindelerregende Farben verschwammen vor seinen Augen, als er fast ohnmächtig wurde.
Dann wurde er gezogen, seine Socken kratzten über das Pflaster des Gehwegs. Sie stießen ihn in den Transporter und schlossen die Schiebetür hinter ihm. Die drei Männer tauschen kehlige ausländische Worte miteinander, die vorwurfsvoll klangen.
„Warum?“, schaffte es Reid endlich herauszubringen.
Er fühlte das scharfe Stechen einer Nadel in seinem Oberarm und die Welt um ihn herum verschwand.
Blind. Kalt. Brausend, ohrenbetäubend, drängend, schmerzend.
Das Erste, was Reid bemerkte, als er aufwachte, war, dass die Welt schwarz war – er konnte nichts sehen. Der beißende Geruch von Benzin füllte seine Nase. Er versuchte seine pochenden Glieder zu bewegen, aber seine Hände waren hinter seinem Rücken zusammengebunden. Ihm war kalt, aber es gab keine Brise; nur kalte Luft, so als würde er in einem Kühlschrank sitzen.
Langsam, wie durch einen Nebel, kehrten die Erinnerungen an das, was passiert war, zu ihm zurück. Die drei Männer aus dem Nahen Osten. Der Sack über seinem Kopf. Die Nadel in seinem Arm.
Er verfiel in Panik, zerrte an seinen Fesseln und schüttelte seine Beine. Schmerz schoss durch seine Handgelenke, von der Stelle, wo sich das Metall der Handschellen in seine Haut grub. Sein Fußgelenk pulsierte und sendete Schockwellen sein linkes Bein hinauf. Er hatte einen starken Druck in seinen Ohren und konnte nichts hören, nichts außer einem laufenden Motor.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er in seinem Bauch das Gefühl zu fallen – ein Resultat negativer Vertikalbeschleunigung. Er befand sich in einem Flugzeug. Und dem Klang nach zu urteilen, war dies kein gewöhnliches Passagierflugzeug. Das Dröhnen, der extrem laute Motor, der Geruch von Benzin … Er realisierte, dass er sich in einem Frachtflugzeug befinden musste.
Wie lange war er bewusstlos gewesen? Was hatten sie ihm gespritzt? Waren die Mädchen sicher? Die Mädchen. Tränen schossen ihm in die Augen, als er entgegen aller Hoffnung trotzdem hoffte, dass sie sicher waren, dass die Polizei genug von seiner Nachricht gehört hatte und die Behörden zu seinem Haus geschickt wurden …
Er rutschte auf seinem Metallsitz umher. Trotz der Schmerzen und der Heiserkeit in seinem Hals versuchte er zu sprechen.
„H-Hallo?“ Es kam als ein kaum hörbares Flüstern heraus. Er räusperte sich und versuchte es noch mal. „Hallo? Irgendjemand …?“ Er bemerkte dann, dass der Lärm des Motors ihn für jeden, der nicht direkt neben ihm saß, unhörbar machen würde. „Hallo!“, versuchte er zu rufen. „Bitte … kann mir jemand sagen, was –“
Eine schroffe männliche Stimme zischte ihn auf Arabisch an. Reid schreckte zurück; dieser Mann war nach nicht mal einen Meter von ihm entfernt.
„Bitte, sagen Sie mir einfach, was vor sich geht“, bettelte er. „Was passiert hier? Warum tun Sie das?“
Eine andere Stimme rief drohend etwas auf Arabisch, dieses Mal auf seiner rechten Seite. Reid zuckte wegen der scharfen Zurechtweisung zusammen. Er hoffte, dass das Rütteln des Flugzeugs den Fakt verbarg, dass seine Glieder zitterten.
„Sie haben die falsche Person“, sagte er. „Was wollen Sie? Geld? Ich habe nicht viel, aber ich kann – Moment!“ Eine starke Hand schloss sich mit festem Griff um seinen Oberarm und einen kurzen Moment später wurde er aus seinem Sitz gerissen. Er taumelte, versuchte zu stehen, aber das Schwanken des Flugzeugs und der Schmerz in seinem Fußgelenk besiegten ihn. Seine Knie gaben nach und er fiel auf die Seite.
Etwas Hartes und Schweres traf ihn in der Körpermitte. Schmerz zog sich wie ein Spinnennetz durch seinen Oberkörper. Er versuchte zu protestieren, aber seine Stimme kam nur als unverständliches Schluchzen heraus.
Ein anderer Stiefel trat ihn in den Rücken. Noch einer, dieses Mal ins Kinn.
Trotz der grauenvollen Situation kam Reid ein bizarrer Gedanke. Diese Männer, ihre Stimmen, die Schläge wiesen alle auf einen persönlichen Rachefeldzug hin. Er fühlte sich nicht nur angegriffen. Er fühlte sich verabscheut. Diese Männer waren wütend – und ihre Wut richtete sich gegen ihn wie der Lichtpunkt eines Lasers.
Langsam ließ der Schmerz nach und machte Platz für eine kalte Taubheit, die seinen Körper überkam, als er bewusstlos wurde.
*
Schmerz. Scharf, pochend, schmerzend, brennend.
Reid wachte wieder auf. Die Erinnerungen an die Vergangenheit … er wusste nicht einmal, wie lange es gewesen war und auch nicht, ob es Tag oder Nacht war und wo er sich befand, dass es Tag oder Nacht sein könnte. Aber die Erinnerungen kamen wieder, unzusammenhängend, wie einzelne Aufnahmen, die aus einem Film geschnitten und auf dem Boden liegengelassen worden waren.
Drei Männer.
Der Notrufkasten.
Der Transporter.
Das Flugzeug.
Und jetzt …
Reid traute sich die Augen zu öffnen. Es war schwer. Seine Lieder fühlten sich an, als wären sie zusammengeklebt. Hinter der dünnen Haut konnte er sehen, dass es ein helles, grelles Licht auf der anderen Seite gab. Er konnte dessen Hitze auf seinem Gesicht fühlen und das Netzwerk der winzigen Kapillaren durch seine Lider erkennen.
Er blinzelte. Alles was er sehen konnte, war dieses gnadenlose Licht, hell und weiß, welches sich in seinen Kopf brannte. Gott, sein Kopf tat weh. Er versuchte zu stöhnen und bemerkte durch einen plötzlichen Stoß erneuter Schmerzen, dass sein Kiefer ebenfalls wehtat. Seine Zunge fühlte sich fett und trocken an und er hatte einen metallenen Geschmack im Mund. Blut.
Seine Augen, wie er dann bemerkte – waren so schwer zu öffnen gewesen, weil sie in der Tat zusammengeklebt waren. Die Seite seines Gesichts fühlte sich heiß und klebrig an. Blut war seine Stirn hinunter und in seine Augen gelaufen, zweifellos von den unnachgiebigen Tritten, die zur Bewusstlosigkeit im Flugzeug geführt hatten.
Aber er konnte das Licht sehen. Der Sack war von seinem Kopf entfernt worden. Ob das gut oder schlecht war, blieb abzuwarten.
Als sich seine Augen langsam eingewöhnten, versuchte er wieder verzweifelt, seine Hände zu bewegen. Sie waren noch immer zusammengebunden, aber dieses Mal nicht mit Handschellen. Dicke, raue Seile hielten sie an Ort und Stelle. Seine Fußgelenke waren ebenfalls an die Beine eines hölzernen Stuhls gebunden.
Endlich hatten sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt und es formten sich vage Umrisse. Er befand sich in einem kleinen fensterlosen Raum mit unebenen Betonwänden. Es war heiß und stickig, genug dass sich Schweißperlen auf der Rückseite seines Nackens bildeten und doch fühlte sich sein Körper kalt und teilweise taub an.
Er konnte sein rechtes Auge nicht vollständig öffnen und es brannte, wenn er es versuchte. Entweder war er dort getreten worden oder seine Entführer hatten ihn weiter geschlagen, während er bewusstlos war.
Das grelle Licht kam von einer Verhörlampe auf einem hohen, dünnen Gestell auf Rädern, die so eingestellt war, dass sie auf sein Gesicht hinunter schien. Die Halogenleuchte war unerbittlich. Wenn es irgendetwas hinter dieser Lampe gab, konnte er es nicht sehen.
Er zuckte zusammen, als ein schweres Geräusch durch den kleinen Raum hallte – das Geräusch eines Riegels, der zur Seite geschoben wurde. Türangeln knarrten, aber Reid konnte keine Tür sehen. Sie schloss sich mit einem dissonanten Klang.
Eine Silhouette blockierte das Licht und warf einen Schatten auf ihn, als sie über ihm stand. Er zitterte und traute sich nicht aufzuschauen.
„Wer sind Sie?“ Die Stimme war männlich, etwas höher, als die seiner vorherigen Entführer, aber noch immer mit einem Akzent des Nahen Ostens.
Reid öffnete seinen Mund, um zu sprechen – um ihnen zu sagen, dass er nichts mehr war als ein Geschichtsprofessor, dass sie den falschen Mann hatten – aber er erinnerte sich schnell an das letzte Mal, als er dies versucht hatte und dafür bis zur Gefügigkeit getreten wurde. Stattdessen entfloh seinen Lippen ein kleines Wimmern.
Der Mann seufzte und entfernte sich vom Licht. Etwas kratzte über den Betonboden; die Beine eines Stuhls. Der Mann stellte die Lampe so ein, dass sie leicht von Reid weg leuchtete und setzte sich dann ihm gegenüber auf den Stuhl, so dass sich ihre Knie fast berührten.
Reid sah langsam auf. Der Mann war jung, höchstens dreißig, mit dunkler Haut und einem sauber getrimmten schwarzen Bart. Er trug eine runde silberne Brille und eine weiße Kufi, eine randlose, runde Kappe.
Hoffnung machte sich in Reid breit. Dieser junge Mann schien ein Intellektueller zu sein, nicht wie die Barbaren, die ihn angegriffen und ihn aus seinem Haus gerissen hatten. Vielleicht konnte er mit diesem Mann verhandeln. Vielleicht hatte er hier das Sagen …
„Wir werden einfach anfangen“, sagte der Mann. Seine Stimme war sanft und ruhig, die Art, wie ein Psychologe mit einem Patienten sprechen würde. „Wie lautet Ihr Name?“
„L … Lawson.“ Seine Stimme versagte beim ersten Versuch. Er hustete und war leicht besorgt, als er die Flecken von Blut auf dem Boden sah. Der Mann vor ihm zog angewidert seine Nase in Falten. „Mein Name ist … Reid Lawson.“ Warum fragten sie immer wieder nach seinem Namen? Den hatte er ihnen doch schon gesagt. Hatte er unwissentlich irgendjemandem etwas getan?
Der Mann schniefte langsam durch seine Nase ein und aus. Er stützte sich mit seinen Ellbogen auf seine Knie und lehnte sich vor, wobei er seine Stimme noch weiter senkte. „Es gibt eine Menge Leute, die in diesem Moment gerne in diesem Raum wären. Zum Glück für Sie, sind es nur Sie und ich. Wie dem auch sei, wenn Sie nicht ehrlich mit mir sind, habe ich keine andere Wahl, als die Anderen auch einzuladen. Und die haben nicht so viel Mitgefühl wie ich.“ Er setzte sich aufrecht. „Also ich frage Sie noch mal. Wie … lautet … Ihr … Name?“
Wie konnte er ihn davon überzeugen, dass er, er selbst war. Reids Herzschlag verdoppelte sich im Tempo, als ihm plötzlich etwas klar wurde. Es war sehr gut möglich, dass er in diesem Raum starb. „Ich sage Ihnen die Wahrheit!“, versicherte er. Und plötzlich flossen die Worte wie ein Schwall aus seinem Mund. „Mein Name ist Reid Lawson. Bitte sagen Sie mir einfach nur, warum ich hier bin. Ich weiß nicht, was hier passiert. Ich habe nichts getan –“
Der Mann schlug Reid mit der Rückseite seiner Hand über den Mund. Sein Kopf flog in die andere Richtung. Er keuchte, als er den Stich seiner frisch aufgeplatzten Lippe spürte.
„Ihr Name.“ Der Mann wischte Blut von seinem goldenen Ring an der Hand.
„Ich h-habe es Ihnen gesagt“, stammelte er. „M-Mein Name ist Lawson.“ Er verschluckte sich an einem Schluchzen. „Bitte.“
Er wagte es aufzusehen. Sein Vernehmer starrte ihn passiv und kalt an. „Ihr Name.“
„Reid Lawson!“ Reid fühlte Hitze in sein Gesicht aufsteigen, als sich der Schmerz langsam in Wut umwandelte. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte, was sie von ihm hören wollten. „Lawson! Es ist Lawson! Sie können meinen … meinen …“ Nein, sie konnten seinen Ausweis nicht prüfen. Er hatte seine Brieftasche nicht bei sich gehabt, als die drei muslimischen Männer ihn entführt hatten.
„Na, na, na!“, sagte sein Vernehmer missbilligend und schlug seine knochige Faust in Reids Solarplexus. Wieder wurde die Luft aus seinen Lungen heraus gezwungen. Für eine ganze Minute lang konnte Reid nicht einatmen; dann kam endlich das schmerzverzerrte Keuchen. Seine Brust brannte heiß. Schweiß tropfte von seinen Wangen und brannte auf seiner aufgeplatzten Lippe. Sein Kopf hing schlaff, sein Kinn zwischen den Schlüsselbeinen und er kämpfte gegen eine Welle der Übelkeit an.
„Ihr Name“, wiederholte der Vernehmer ruhig.
„Ich … Ich weiß nicht, was Sie von mir hören wollen“, flüsterte Reid. „Ich weiß nicht, wonach Sie suchen. Aber ich bin es nicht.“ Verlor er den Verstand? Er war sich sicher, er hatte nichts getan, was eine derartige Behandlung verdiente.
Der Mann mit der Kufi lehnte sich wieder nach vorn, dieses Mal hob er Reids Kinn langsam mit zwei Fingern hoch. Er hob seinen Kopf und zwang Reid, ihm in die Augen zu sehen. Seine dünnen Lippen formten ein halbes Lächeln.
„Mein Freund“, sagte er, „das hier wird erst sehr viel schlimmer werden, bevor es besser wird.“
Reid schluckte und hatte wieder den metallenen Geschmack in seinem Hals. Er wusste, dass Blut ein Brechmittel war; fünfhundert Milliliter davon und er würde sich übergeben müssen, ihm war bereits jetzt übel und schwindlig. „Hören Sie mir zu“, flehte er. Seine Stimme klang furchtsam und ängstlich. „Die drei Männer, die mich entführt haben, sie kamen zu meinem Haus in der Ivy Lane 22. Mein Name ist Reid Lawson. Ich bin ein Professor für europäische Geschichte an der Columbia Universität. Ich bin ein Witwer mit zwei Teen …“ Er stoppte sich. Bislang hatten seine Entführer noch kein Zeichen verlauten lassen, dass sie über seine Mädchen Bescheid wussten. „Wenn das nicht ist, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen nicht helfen. Bitte. Das ist die Wahrheit.“
Der Vernehmer starrte ihn für einen langen Moment, ohne zu blinzeln an. Dann bellte er etwas Kurzes auf Arabisch. Reid zuckte wegen des plötzlichen Ausbruchs zusammen.
Der Riegel an der Tür bewegte sich wieder. Hinter der Schulter des Mannes konnte Reid den Umriss der dicken Tür erkennen, als sie sich öffnete. Sie schien aus irgendeiner Art Metall gemacht zu sein, Eisen oder Stahl.
Dieser Raum, wie er dann bemerkte, war als Gefängniszelle gebaut.
Eine Silhouette erschien im Türrahmen. Der Vernehmer rief noch etwas in seiner Muttersprache und die Silhouette verschwand. Er grinste Reid an. „Das werden wir sehen“, sagte er schlicht.
Es gab ein verräterisches Quietschen von Rädern und die Silhouette tauchte wieder auf. Dieses Mal schob sie einen Stahlwagen in den kleinen Betonraum. Reid erkannte den Transporteur als den stillen, massigen Brutalo, der zu seinem Haus gekommen war. Er hatte noch immer den gleichen finsteren Blick.
Auf dem Wagen befand sich eine altertümliche Maschine, ein brauner Kasten mit dutzenden Knöpfen und Reglern und dicken schwarzen Kabeln, die in die Seite gesteckt waren. Auf der anderen Seite sah man eine Rolle mit weißem Papier mit vier Nadeln, die dagegen pressten.
Es war ein Polygraf – wahrscheinlich fast so alt wie Reid selbst, aber trotzdem ein Lügendetektor. Er atmete ein halb erleichtertes Seufzen. Zumindest würden sie wissen, dass er die Wahrheit sagte.
Was sie hinterher mit ihm tun würden … darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
Der Vernehmer schickte sich an, die Sensoren mit Klettband an zwei von Reids Fingern zu befestigen, eine Manschette um seinen linken Oberarm zu wickeln und zwei Kabel um seine Brust zu legen. Er setzte sich wieder, zog einen Bleistift aus seiner Tasche und steckte sich das Ende mit dem Radiergummi in den Mund.
„Sie wissen, was das ist“, sagte er schlicht. „Sie wissen, wie es funktioniert. Wenn Sie irgendetwas anderes sagen, als die Antworten auf meine Fragen, werden wir Ihnen wehtun. Haben Sie das verstanden?“
Reid nickte einmal. „Ja.“
Der Vernehmer legte einen Schalter um und drehte an den Reglern der Maschine. Der finster aussehende Brutalo stand hinter ihm, blockierte das Licht von der Verhörlampe und starrte Reid an.
Die dünnen Nadeln tanzten leicht auf der Rolle des weißen Papiers und hinterließen vier schwarze Spuren. Der Vernehmer markierte das Blatt mit einem Gekritzel und richtete dann seinen kalten Blick zurück auf Reid. „Welche Farbe hat mein Hut?“
„Weiß“, antwortete Reid ruhig.
„Welcher Spezies gehören Sie an?“
„Mensch.“ Der Vernehmer erstellte eine Basislinie für die nachfolgenden Fragen – für gewöhnlich vier bis fünf bekannte Wahrheiten, damit er danach potenzielle Lügen aufdecken konnte.
„In welcher Stadt wohnen Sie?“
„New York.“
„Wo befinden Sie sich jetzt?“
Reid spottete fast: „Auf einem … auf einem Stuhl. Ich weiß es nicht.“
Sein Vernehmer markierte das Papier wieder. „Wie lautet Ihr Name?“
Reid versuchte sein bestes, seine Stimme ruhig zu halten. „Reid. Lawson.“
Alle drei blickten auf die Maschine. Die Nadeln liefen ungestört weiter; es gab keine signifikanten Höhen oder Tiefen in den gekritzelten Linien.
„Was ist Ihr Beruf?“, fragte der Vernehmer.
„Ich bin ein Professor für europäische Geschichte an der Columbia Universität.“
„Wie lange sind Sie schon ein Universitätsprofessor?“
„Dreizehn Jahre“, antwortete Reid wahrheitsgemäß. „Ich war für fünf Jahre ein Assistenzprofessor und für weitere sechs Jahre ein außerordentlicher Professor in Virginia. Seit zwei Jahren bin ich Dozent in New York.“
„Waren Sie jemals in Teheran?“
„Nein.“
„Waren Sie jemals in Zagreb?“
„Nein!“
„Waren Sie jemals in Madrid?“
„N – ja. Einmal, ungefähr vor vier Jahren. Ich war dort zu einem Gipfeltreffen im Auftrag der Universität.“
Die Nadeln blieben ruhig.
„Sehen Sie es nicht?“ So sehr Reid auch brüllen wollte, er zwang sich ruhig zu bleiben. „Sie haben die falsche Person. Nach wem auch immer Sie suchen, ich bin es nicht.“
Die Nasenflügel des Vernehmers weiteten sich, aber sonst gab es keine Reaktion. Der Brutalo faltete seine Hände, seine Venen waren deutlich unter seiner Haut zu sehen.
„Haben Sie jemals einen Mann namens Scheich Mustafar getroffen?“, fragte der Vernehmer.
Reid schüttelte seinen Kopf. „Nein.“
„Er lügt!“ Ein großer dünner Mann kam in den Raum – einer der beiden anderen Männer, die ihn in seinem Haus angegriffen hatten, der gleiche, der ihn zuerst nach seinem Namen gefragt hatte. Er kam mit langen Schritten herein, sein feindlicher Blick war auf Reid gerichtet. „Diese Maschine kann überlistet werden. Wir wissen das.“
„Es würde irgendein Zeichen geben“, antwortete der Vernehmer ruhig. „Körpersprache, Schwitzen, Vitalwerte … alles hier deutet darauf hin, dass er die Wahrheit sagt.“ Reid kam nicht umhin zu denken, dass sie zu seinen Gunsten Englisch sprachen.
Der große Mann drehte sich weg und lief im Betonraum auf und ab, während er wütend etwas auf Arabisch murmelte. „Frage ihn nach Teheran.“
„Das habe ich“, antwortete der Vernehmer.
Der großgewachsene Mann drehte sich wütend zu Reid um. Reid hielt die Luft an und wartete darauf, wieder geschlagen zu werden.
Stattdessen ging der Mann weiter auf und ab. Er sagte kurz etwas auf Arabisch. Der Vernehmer antwortete. Der Brutalo starrte Reid an.
„Bitte!“, sagte er laut, um ihre Unterhaltung zu übertönen. „Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Ich habe keine Erinnerung an irgendetwas, was Sie mich fragen …“
Der großgewachsene Mann verstummte und riss plötzlich seine Augen weit auf. Er schlug sich fast selbst gegen die Stirn und sprach dann aufgeregt mit dem Vernehmer. Der passive Mann mit der Kufi strich sich übers Kinn.
„Möglich“, sagte er in Englisch. Er stand auf und nahm Reids Kopf zwischen seine beiden Hände.
„Was soll das? Was machen Sie da?“, fragte Reid. Die Fingerspitzen des Mannes suchten langsam seine Kopfhaut ab.
„Ruhe“, sagte der Mann schlicht. Er testete Reids Haaransatz, seinen Nacken, seine Ohren – „Ah!“, sagte er endlich. Er plapperte wieder auf Arabisch mit seinen Kollegen, die hinüberkamen und Reids Kopf gewalttätig auf eine Seite drückten.
Der Vernehmer ließ seinen Fingern über Reids linken Warzenfortsatz gleiten, der kleine Abschnitt des Schläfenbeins, direkt hinter dem Ohr. Dort gab es eine längliche Beule unter der Haut, kaum größer als ein Reiskorn.
Der Vernehmer bellte den großgewachsenen Mann an und der verschwand schnell aus dem Raum. Reids Hals schmerzte von dem seltsamen Winkel, in dem sie seinen Kopf festhielten.
„Was? Was ist los?“, fragte er.
„Diese Beule hier“, sagte der Vernehmer und ließ seinen Finger wieder darüber gleiten. „Was ist das?“
„Es ist … es ist ein Knochensplitter“, sagte Reid. „Ich habe ihn seit einem Autounfall in meinen Zwanzigern.“
Der großgewachsene Mann kam schnell wieder. Dieses Mal mit einem Plastiktablett. Er stellte es auf den Wagen neben den Lügendetektor. Trotz des gedämmten Lichts und dem merkwürdigen Winkel seines Kopfs konnte Reid klar sehen, was sich auf dem Tablett befand. Angst schnürte ihm die Kehle zu.
Auf dem Tablett lag eine Reihe scharfer, silberner Werkzeuge.
„Wofür sind die?“ Seine Stimme war panisch. Er wand sich in seinen Fesseln. „Was machen Sie da?“
Der Vernehmer gab eine kurze Anweisung an den Brutalo. Der trat vorwärts und das plötzlich grelle Licht der Verhörlampe ließ Reid fast erblinden.
„Warten Sie … Warten Sie!“, schrie er. „Sagen Sie mir einfach, was Sie wissen wollen.“
Der Brutalo griff Reids Kopf mit seinen großen Händen und hielt ihn fest, zwang ihn stillzuhalten. Der Vernehmer wählte ein Werkzeug – ein Skalpell mit dünnem Messer.
„Bitte nicht … Bitte nicht …“, Reids Atmung war kurz und keuchend. Er hyperventilierte fast.
„Schhh“, sagte der Vernehmer ruhig. „Sie werden stillhalten wollen. Ich möchte nicht gerne Ihr Ohr abschneiden. Zumindest nicht aus Versehen.“
Reid schrie, als das Messer die Haut hinter seinem Ohr aufschlitzte, aber der Brutalo hielt ihn ruhig. Jeder Muskel in seinen Gliedmaßen war angespannt.
Ein seltsamer Klang erreichte seine Ohren – eine sanfte Melodie. Der Vernehmer sang ein arabisches Lied, während er Reids Kopf aufschnitt.
Er ließ das blutige Skalpell auf das Tablett fallen, während Reid kurzatmig durch seine zusammengebissenen Zähne Luft holte. Dann griff der Vernehmer nach einer Nadelzange.
„Ich befürchte, das war nur der Anfang“, flüsterte er in Reids Ohr. „Der nächste Teil wird wirklich wehtun.“
Die Zange griff etwas in Reids Kopf – war es sein Knochen? – und der Vernehmer zog. Reid schrie mit Höllenqualen, als der unermessliche Schmerz durch sein Gehirn schoss und in den Nervenenden pulsierte. Seine Arme zitterten. Seine Füße traten gegen den Boden.
Der Schmerz wurde stärker und stärker, bis Reid dachte, er konnte auf keinen Fall mehr ertragen. Blut rauschte in seinen Ohren und seine eigenen Schreie klangen, als wären sie weit weg. Dann dimmte sich das Licht der Verhörlampe und alles um ihn wurde dunkel, als er langsam in die Bewusstlosigkeit sank.
Als Reid dreiundzwanzig Jahre alt gewesen war, war er in einen Autounfall verwickelt gewesen. Die Ampel war auf grün gesprungen und er war auf eine Kreuzung gefahren. Ein Lieferwagen fuhr über die rote Ampel und krachte in seine vordere Beifahrerseite. Sein Kopf wurde gegen das Fenster geschleudert. Er war für mehrere Minuten bewusstlos gewesen.
Seine einzige Verletzung war ein gebrochenes Schläfenbein in seinem Schädel. Es heilte gut; der einzige Beweis für den Unfall war eine kleine Beule hinter seinem Ohr. Der Arzt sagte ihm, es wäre ein Knochensplitter.
Die seltsame Sache bezüglich des Unfalls war, dass er, obwohl er sich an den Vorfall erinnern konnte, sich an keinerlei Schmerzen erinnerte – nicht, als es passierte und auch nicht hinterher.
Aber er konnte sie jetzt fühlen. Als er wieder zu Bewusstsein kam, war der kleine Knochen hinter seinem Ohr quälend schmerzhaft. Die Verhörlampe schien wieder in seine Augen. Er blinzelte und stöhnte leicht. Seinen Kopf auch nur ein wenig zu bewegen, verursachte erneute Schmerzen in seinem Hals.
Plötzlich hatte er so etwas wie einen Geistesblitz. Das helle Licht in seinen Augen war überhaupt nicht die Lampe.
Die Nachmittagssonne scheint heiß aus einem blauen wolkenlosen Himmel. Eine A-10 Warthog flog über seinen Kopf, steuerte nach rechts und verlor an Flughöhe über den flachen, grauen Dächern von Kandahār.
Die Erinnerung war nicht durchgängig. Sie kam in Stücken, wie mehrere Fotos in einer Sequenz nacheinander; so, als würde man jemanden beim Tanzen unter einer Blitzlampe beobachten.
Du stehst auf dem beigefarbenen Dach des teilweise zerstörten Hauses, ein Drittel davon ist in die Luft gegangen. Du bringst den Hinterschaft auf deine Schulter, siehst durch das Zielfernrohr und peilst auf einen Mann unten auf der Straße …
Reid zuckte mit seinem Kopf und stöhnte. Er war in dem Betonraum unter dem kritischen Blick der Verhörlampe. Seine Finger zitterten und seine Gliedmaßen fühlten sich kalt an. Schweiß tropfte seine Augenbrauen hinunter. Es war gut möglich, dass er in Schock verfiel. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass die linke Schulter seines Hemdes mit Blut vollgesaugt war.
„Knochensplitter“, sagte die gelassene Stimme des Vernehmers. Dann kicherte er höhnisch. Eine schlanke Hand erschien in Reids Sichtweite und griff nach der Nadelzange. In der Zange steckte etwas Winziges, etwas Silbernes, aber Reid konnte keine Details ausmachen. Sein Blick war verschwommen und der Raum leicht geneigt. „Wissen Sie, was das ist?“
Reid schüttelte langsam seinen Kopf.
„Ich muss zugeben, ich habe so etwas bisher auch nur einmal gesehen“, sagte der Vernehmer. „Ein Chip zur Erinnerungsunterdrückung. So etwas ist sehr nützlich für Menschen in Ihrer speziellen Situation.“ Er ließ die blutige Zange und das kleine silberne Korn auf das Plastiktablett fallen.
„Nein“, grunzte Reid. „Unmöglich.“ Das letzte Wort kam ein bisschen lauter, als nur ein Murmeln hervor. Erinnerungsunterdrückung? So etwas war Science-Fiction. Damit so etwas funktionierte, musste es das gesamte limbische System des Gehirns beeinflussen.
Die fünfte Etage des Ritz in Madrid. Du richtest deine schwarze Krawatte, bevor du die Tür mit einem kräftigen Tritt direkt über der Türklinke eintrittst. Der Mann im Raum wird überrascht; er springt auf seine Füße und greift nach einer Pistole auf seinem Schreibtisch. Aber bevor der Mann sie auf dich richten kann, greifst du nach der Waffenhand und drehst sie nach unten und weg. Die Kraft bricht das Handgelenk problemlos …
Reid schüttelte die verworrene Szene aus seinem Gehirn, als der Vernehmer erneut ihm gegenüber Platz nahm.
„Sie haben mir irgendetwas getan“, murmelte er.
„Ja“, stimmte der Vernehmer zu. „Wir haben Sie aus Ihrem mentalen Gefängnis befreit.“ Er lehnte sich mit einem knappen Schmunzeln vor und suchte in Reids Augen nach irgendetwas. „Sie erinnern sich. Es ist faszinierend, dabei zuzusehen. Sie sind verwirrt. Ihre Pupillen sind ungewöhnlich geweitet, trotz des Lichts. Was ist real ‚Professor Lawson‘?“
Der Scheich. Koste es, was es wolle.
„Wenn unsere Erinnerungen versagen …“
Letzter bekannter Ort: der Unterschlupf in Teheran.
„Wer sind wir?“
Eine Kugel klingt in jeder Sprache gleich … Wer hat das gesagt?
„Zu wem werden wir?“
Du hast das gesagt.
Reid fühlte, wie er wieder in die Leere fiel. Der Vernehmer ohrfeigte ihn zweimal und rüttelte ihn zurück in den Betonraum. „Jetzt können wir ernsthaft weitermachen. Ich frage Sie also noch mal. Wie … lautet … Ihr … Name?“
Du betrittst den Verhörraum allein. Der Verdächtige ist an einen schlaufenförmigen Bolzen am Tisch gekettet. Du greifst in deine Innentasche und ziehst eine in Leder eingebundene Ausweismarke heraus und öffnest sie …
„Reid. Lawson.“ Seine Stimme war unsicher. „Ich bin ein Professor … für europäische Geschichte …“
Der Vernehmer seufzte enttäuscht. Er signalisierte dem brutalen, finster aussehenden Mann mit einem Finger. Eine schwere Faust traf sein Gesicht. Ein Backenzahn flog mit einem Schwall frischen Bluts über den Fußboden.
Für einen Moment gab es keinen Schmerz; sein Gesicht war taub und pulsierte vom Einschlag. Dann kamen erneute nebulöse Höllenqualen über ihn.
„Nnggh...“ Er versuchte Worte zu formen, aber seine Lippen wollten sich nicht bewegen.
„Ich frage Sie noch einmal“, sagte der Vernehmer, „Teheran?“
Der Scheich versteckte sich in einem Unterschlupf, der als verlassene Textilfabrik getarnt war.
„Zagreb?“
Zwei iranische Männer wurden auf einem privaten Flugplatz festgenommen, als sie ein gechartertes Flugzeug nach Paris besteigen wollten.
„Madrid?“
Das Ritz, fünfte Etage: eine aktivierte Schläferzelle mit einer Kofferbombe. Mutmaßlicher Angriffsort: der Plaza de Cibeles.
„Scheich Mustafar?“
Er verhandelte im Tausch für sein Leben. Gab uns alles, was er wusste! Namen, Orte, Pläne. Aber er wusste nur so viel …
„Ich weiß, dass Sie sich erinnern“, sagte der Vernehmer. „Ihre Augen betrügen Sie … Null.“
Null. Ein Bild erschien in seinem Kopf: Ein Mann mit Fliegersonnenbrille und einer dunklen Motorradjacke. Er steht an einer Straßenecke in irgendeiner europäischen Stadt. Bewegt sich mit den Massen. Niemand bemerkt etwas. Niemand weiß, dass er hier ist.
Reid versuchte wieder, die Bilder aus seinem Kopf zu verjagen. Was passierte mit ihm? Die Bilder tanzten in seinem Kopf wie Stop-motion Sequenzen, aber er weigerte sich, sie als Erinnerungen anzuerkennen. Sie waren falsch. Implantiert, irgendwie. Er war ein Universitätsprofessor mit zwei Töchtern im Teenageralter und einem bescheidenen Haus in der Bronx …
„Erzählen Sie uns, was Sie über unsere Pläne wissen“, forderte der Vernehmer kategorisch.
Wir reden nicht. Niemals.
Die Worte hallten durch die Höhle seiner Gedanken, wieder und wieder. Wir reden nicht. Niemals.
„Das dauert zu lange!“, rief der großgewachsene iranische Mann. „Zwinge ihn.“
Der Vernehmer seufzte. Er griff nach dem Metallwagen – aber nicht, um den Lügendetektor einzuschalten. Stattdessen stoppten seine Finger über dem Plastiktablett. „Ich bin für gewöhnlich ein geduldiger Mann“, sagte er zu Reid. „Aber ich muss zugeben, die Frustration meines Kollegen ist irgendwie ansteckend.“ Er nahm das blutige Skalpell, das gleiche Werkzeug, das er benutzt hatte, um das kleine silberne Korn aus seinem Kopf zu schneiden und presste die Spitze des Messers leicht gegen Reids Jeans, ungefähr zehn Zentimeter über dem Knie. „Alles, was wir wissen wollen, ist, was Sie wissen. Namen. Daten. Mit wem Sie über das, was Sie wissen, gesprochen haben. Die Identität der anderen Agenten, mit denen Sie arbeiten.“
Morris. Reidigger. Johansson. Namen schossen durch seine Gedanken und mit jedem von ihnen ein Gesicht, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Ein jüngerer Mann mit dunklen Haaren und einem frechen Grinsen. Ein nett aussehender Typ mit rundem Gesicht in einem gestärkten weißen Hemd. Eine Frau mit wallendem blonden Haar und stählernen grauen Augen.
„Und was wurde aus dem Scheich.“
Irgendwie wusste Reid auf einmal, dass der gefragte Scheich festgenommen und in ein Geheimgefängnis in Marokko gebracht worden war. Es war keine Vision. Er wusste es einfach.
Wir reden nicht. Niemals.
Es lief Reid kalt den Rücken hinunter, während er Schwierigkeiten hatte, den Anschein geistiger Zurechnungsfähigkeit zu bewahren.
„Reden Sie“, drängte ihn der Vernehmer.
„Ich weiß es nicht.“ Die Worte fühlten sich seltsam an, als sie von seiner geschwollenen Zunge rollten. Alarmiert schaute er auf und sah, wie der andere Mann ihn angrinste.
Er hatte die Aufforderung in der fremden Sprache verstanden … und in tadellosem Arabisch geantwortet.
Der Vernehmer drückte die Spitze des Messers in Reids Bein. Er schrie auf, als das Messer den Muskel seines Oberschenkels penetrierte. Instinktiv versuchte er, sein Bein wegzuziehen, aber seine Fußgelenke waren an die Stuhlbeine gebunden.
Er biss fest seine Zähne zusammen, sein Kiefer schmerzte protestierend. Die Wunde in seinem Bein brannte heiß.
Der Vernehmer grinste und neigte seinen Kopf leicht zur Seite. „Ich muss zugeben, Sie sind ein härterer Brocken, als die meisten, Null“, sagte er auf Englisch. „Schade für Sie, aber ich bin ein Profi.“ Er griff nach unten und zog langsam eine von Reids dreckigen Socken aus. „Ich muss diese Taktik nicht sehr oft anwenden.“ Er setzte sich auf und starrte Reid direkt in die Augen. „Hier ist, was als Nächstes passieren wird: ich werde kleine Teile von Ihnen abschneiden und Ihnen jedes Stück zeigen. Wir fangen mit ihren Zehen an. Dann die Finger. Danach … werden wir sehen, wie es aussieht.“ Der Vernehmer kniete sich hin und presste das Messer gegen den kleinen Zeh seines rechten Fußes.
„Warten Sie“, bettelte Reid. „Bitte warten Sie einfach.“
Die anderen beiden Männer im Raum kamen näher und sahen ihn interessiert an.
Verzweifelt fingerte Reid an den Seilen, die seine Handgelenke fesselten. Es war ein eingebetteter Knoten mit zwei gegenüberliegenden Schlaufen, die mit halben Anschlägen verbunden waren …
Ein intensiver Schauer breitete sich vom Ende seiner Wirbelsäule hinauf in seine Schultern aus. Irgendwie wusste er es einfach. Er hatte das intensive Gefühl eines Déjà-vus, als wäre er schon einmal in dieser Situation gewesen – oder besser gesagt, diese wahnsinnigen Visionen, die irgendwie in seinem Kopf eingepflanzt waren, ließen ihn wissen, dass es so war.
Aber am wichtigsten war, dass er wusste, was er tun musste.
„Ich werde es Ihnen sagen!“, keuchte Reid. „Ich sage Ihnen, was auch immer Sie wissen wollen.“
