Aingeru Aroha - Band 1 - Jadelyn Kaya - E-Book
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Aingeru Aroha - Band 1 E-Book

Jadelyn Kaya

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Beschreibung

Schon seit vielen Jahrhunderten tobt in Galdur ein Krieg zwischen Engeln auf den Himmelsinseln und den Dämonen, die in den Tunneln unter dem Meer leben. Generationen wurden auf Krieg geschult und trotzdem gibt es noch immer einige von ihnen, die sich Frieden wünschen. Darunter nicht nur der Engel Aaron, sondern auch die Dämonin Saori, die er bei seinem Streifzug findet und kurzherhand mitnimmt. Er ahnt nicht, wie anders die Dämonin ist und wie sehr sie sein Leben auf den Kopf stellen wird.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

 

Autor: Jadelyn Aurora & Kaya Hetalia

Herausgeber: Sabrina Nieminen

Tupamäentie 20

41800 Korpilahti

-Finnland-

 

Covergestaltung: Unter Verwendung von Shutter-stock-Motiven

Herstellung und Vertrieb:

tolino media GmbH & Co. KG, München

Erschienen 2022 im Selbstverlag

Ab Auflage 2 liegen die Rechte bei Jadelyn Aurora

 

 

 

 

 

 

Vorwort

 

Wir schreiben Geschichten, wie wir sie euch erzählen wollen.

Mögen auch manche Stellen vielleicht langatmig, nicht wichtig erscheinen, seid euch bewusst, jede Szene unserer Geschichte hat einen Grund. Man muss nur die Augen offenhalten und vielleicht erschließen sich einige Dinge auch erst, wenn man tiefer in der Geschichte steckt.

 

Wir bedanken uns bei all unseren fleißigen Lesern und wünschen euch viel Spaß.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

 

 

Der Wind streifte seine himmelblauen Federn und ließ ein angenehmes Gefühl durch seine Flügel wandern. Die kühle Nachtluft hatte er sehr vermisst, weil es auf Lindor Istana immer sehr heiß war.

Nun glitt der Engel durch die Dunkelheit und betrachtete die vielen, kleinen Inseln der adligen Engel, die mit Lichtern geschmückt waren. Er selbst besaß eine sehr große Insel, die er sein Eigen nennen durfte, doch dort gab es nur an einigen Stellen Lichter, so dass die Insel zum größten Teil in Dunkelheit lag. Daher war er mit dieser vertraut und fühlte sich in ihr wohl. So wie jetzt.

An seinem Hals lag ein dunkler Stein, der ihn in Dunkelheit und Schatten hüllte und unsichtbar für die anderen Engel machte, die durch die Lüfte glitten.

Aaron wusste, dass er nicht allein in diese Richtung fliegen sollte und dennoch setzte er dazu an, wie ein Pfeil nach unten zu schießen. Weit nach unten. So weit, dass er die Himmelsinseln bald nicht mehr sehen konnte. Dafür erkannte er das glitzernde Wasser des heiligen Brunnens, der die Inseln der Menschen speiste. Es fiel wie ein riesiger Wasserfall vom Himmel und floss über fast alle Inseln von Galdur, bis er im großen Meer landete.

Kurz betrachtete er das Farbenspiel im Licht des Mondes, bevor er sich von diesem entfernte und auch die großen Scheiben, auf denen sich die Welten der anderen befanden, hinter sich ließ. Sein Ziel waren die Inseln im Meer. Die Inseln, wo die Dämonen vermutet wurden.

Ärger stieg in ihm auf, wenn er daran dachte, was der Krieg ihm alles genommen hatte. Seine ganze Familie war gefallen und hatte ein tiefes Loch in seinem Herzen hinterlassen.

Sein Ziel war Rache an den Dämonen, die das verantworteten, doch seit längerem war es still geworden. Es gab kaum noch Angriffe in der Nähe der Himmelsinseln. Viele hießen das gut, doch nicht Aaron. Er rechnete damit, dass sich die Dämonen zusammenrotteten und einen größeren Angriff planten. Dem wollte er jetzt nachgehen und sich umsehen. Allein war das viel besser als in einer großen Gruppe. Die Möglichkeit, mit den anderen Engeln entdeckt zu werden, war viel größer.

So viel er wusste, würden die Dämonen keinen Halt machen und sie abschlachten, sollten sie entdeckt werden.

Der Geruch von Meer kam ihn entgegen und Aaron legte die Flügel so, dass sein Fall abgemildert wurde. Ihn empfing der Dunst des Wassers, sodass er seine Richtung änderte und nun sanft und versteckt über das Meer glitt.

Seine Finger fuhren durch das Wasser und er gab einen zufriedenen Laut von sich. Dieses Wasser war viel schöner als das, was aus den Kristallen ihrer Insel kam. Es war nicht so klar, doch hatte etwas Angenehmes an sich. Dieses hier beherbergte Leben.

Aaron richtete seinen eisblauen Blick auf die Umgebung, die in Dunkelheit lag. Trotzdem erkannte er einige Inseln, die sein erstes Ziel waren.

Diese lagen im Schatten, wie Dämonen es am liebsten hatten. Hier und da waren kleine Lichter zu sehen, die wohl von den magischen Steinen stammten. Manchmal wurden diese eingesetzt, um den Weg zu weisen, oder auch für Festlichkeiten.

Der Dunst des Wassers hüllte die Inseln teilweise ein, sodass sie oft nicht sichtbar waren. Ein schwacher Lichtschein, der vom Mond kam, leuchtete auf das Wasser und gab diesem ein gespenstisches Aussehen. Obwohl sie sehr weit unten waren, kam das Licht des Mondes ab und zu hierher und verirrte sich in der Dunkelheit. Die schwebenden Inseln, die wie eine Pyramide angeordnet waren, sorgten dafür, dass gerade hier unten so gut wie nie Licht hinkam. Nur dann, wenn der Mond oder die Sonne günstig standen.

Aaron konnte die Silhouetten der verschiedenen Inseln trotzdem erkennen.

Manche waren nur von Geröll überschüttet, sodass man sich fragte, ob man dort überhaupt wohnen konnte. Andere hatten sogar kleine Lavaströme, die im Meer endeten und dort zu neuem Gebiet wurden. Der Dampf der heißen Flüssigkeit, welches mit dem kühlen Meerwasser kollidierte, erzeugte ein ständiges Zischen. Was hier unten noch gruseliger wirkte, wenn man nur die hellen Lavaströme sah.

Es gab sogar ein paar Inseln, die kleine Gärten hatten. Was dort allerdings angebaut wurde, war nicht zu sagen, denn diese Dunkelheit, die hier oft herrschte, war nicht fördernd für Blumen und Gemüse. Vielleicht sollten sie auch einfach nur verwirren.

Aaron sah einen kleinen Teil der vielen Inseln, die genau wie bei ihm im Himmelsreich, aufgeteilt waren. Einige sahen sehr verkümmert aus, was darauf schließen ließ, dass dort arme Bewohner lebten. Vielleicht aber auch niemand. Er wusste es nicht genau.

Dafür gab es auch einige, die sehr gepflegt aussahen. Diese gehörten dem Adel, welcher reich und mächtig war. Sie waren in sehr viele Kämpfe verwickelt gewesen und ernstzunehmende Gegner.

Je mehr eine Dämonenfamilie getötet und gekämpft hatte, desto höher stieg ihr Status und manchmal bekamen sie sogar deshalb neue Inseln zugeteilt. Das war es zumindest, was die Engel über die Dämonen wussten.

Plötzlich sah Aaron eine schattenhafte Bewegung auf einer der Inseln und hielt langsam im Flug inne.

Er erkannte eine Person, die gerade aus einem Loch stieg, welches wohl ein Eingang darstellen sollte. So richtig war der Eingang in der Finsternis nicht zu erkennen. Auch am Tag war dieser wohl gut getarnt, damit nicht einfach jemand auftauchen konnte.

Das Mondlicht schien auf den Dämon, sodass es aussah, als würde er strahlen. Die silbernen Haare, die mit leichtem Violett durchzogen waren, glänzten durch das Licht in der Dunkelheit. Sofort erkannte der Engel die Hörner. Sie besaßen die gleiche Farbe, wie die Haare, sodass sie im Licht schimmerten. Auch ein Schwanz, der sich immer wieder bewegte und zuckte, war zu erkennen.

So anmutig wie sich der Dämon bewegte, erkannte Aaron sofort, dass es sich um ein Mädchen handeln musste. Der Engel konnte ein leichtes Klingeln vernehmen, welches von der kleinen Glocke, die sich an ihrem Dämonenschwanz befand, ausging.

Ausgiebig streckte sich das Mädchen und ließ den Blick über die anderen Inseln schweifen. Die Fledermausflügel, welche für die Dämonen typisch waren, waren schwarz und mit leicht silbernen Fäden durchzogen. Allerdings wirkten sie bei ihr ungewöhnlich klein.

Der knielange, schwarze Rock drehte sich sehr schön bei ihren Bewegungen. Das weiße Oberteil ging an ihrem Hals nach oben, ließ aber die Schultern komplett frei. Auch ihr Bauch war teilweise zu sehen und Aaron erkannte, wie schlank sie war. Viel zu schlank für ihre Größe.

Sie setzte sich in Bewegung, um sich wohl die Beine zu vertreten, bevor sie sich am Rand der Insel setzte und ihre Füße in das Wasser baumeln ließ. Dazu hatte sie ihre schwarzen, kniehohen Stiefel ausgezogen und neben sich gestellt.

Sie war so ganz anders als die Dämonen, die er bisher gesehen hatte. Durch das Schimmern hatte sie etwas ganz Eigenes an sich, das Aaron neugierig machte.

Er hasste die Dämonen, weil sie mordeten und Krieg führten, doch das hieß nicht, dass er sie zwingend tot sehen wollte. Außerdem schien diese Frau jung zu sein. Vielleicht war sie noch nicht von dem angesteckt, was die anderen zu mordenden Irren machte. Dabei sollte er sich nicht davon leiten lassen, denn Dämonen waren gerissen und spielten einem oft etwas vor.

Seine Hand glitt zu dem Schwert, das an seiner Hüfte hing, bevor er sich lautlos seiner Beute näherte und vorsichtig, fast sanft, auf der Wiese landete. Seine Flügel ließen das Gras nicht mehr wackeln, als es die Windböen taten, die hier sowieso ständig wehten.

Trotz der Dunkelheit gab es hier Pflanzen, die sich der Umgebung angepasst hatten und so konnte er an seinen nackten Füßen sanfte Blüten und den Tau auf dem Gras spüren.

Noch immer nutzte er den Zauber des Steins, der ihn einhüllte, während er langsam auf die junge Dämonin zu ging, um sie erst einmal zu beobachten. Dazu umrundete er sie lautlos, so gut es möglich war.

Das Mädchen schien mit den Gedanken weit entfernt zu sein. Leicht ließ sie die Füße im Wasser baumeln und sah in die Dunkelheit. So, als würde sie etwas erkennen wollen.

Oft kam sie nicht hierher, denn sie mochte das Gebiet nicht wirklich. Die Dämonen nutzten es meistens zum Jagen oder aber als Lande- und Abflugplatz, wenn sie irgendwohin unterwegs waren. Meistens dann, wenn sie zu einem Krieg aufbrachen.

Saori hasste den Weg hierher, denn sie musste jedes Mal durch die vielen Tunnel gehen, die unterhalb der Inseln lagen. Vor allem in der Nacht war es dort sehr dunkel und obwohl sie ein Dämon war, konnte sie sich nicht immer damit anfreunden. Auch, weil sie wusste, wie brutal und unnachgiebig ihre Familie mit Eindringlingen oder Feinde umging. Hier war es jedoch in Ordnung, denn der Mond spendete zumindest an einigen Stellen fahles Licht.

Sie hatte dennoch Angst gehabt, dass ihre Eltern, aber auch ihre Brüder durch die Geräusche, die sie beim Laufen durch die Gänge gemacht hatte, aufgeweckt wurden.

Manchmal war Saori in der Nacht aufgewacht, als sie Schreie gehört hatte. Schreie, die sich einem ins Gedächtnis brannten, aber auch die Bilder, die sie gesehen hatte, blieben unvergessen. Sie selbst galt als verweichlicht, weil sie sich weigerte, andere zu töten. Oft genug musste sie sich das auch anhören. Ihre Familie kannte keine Nachsicht.

Doch nun, als sie hier draußen in der Dunkelheit saß, entspannte sie sich Stück für Stück. Die Kühle, welche ihre Füße umgab, empfand sie als erfrischend. Sie hatte einfach einen Ort gebraucht, an dem sie sich zurückziehen konnte und sie wusste, dass es hier still war, da es zurzeit keinen Krieg gab und die Jäger bis zum Morgengrauen warteten, um erneut auf die Jagd zu gehen. Nachts gab es zum Glück wenig Beute in dieser Gegend.

Die Worte ihrer Eltern hallten in ihren Ohren: Du verlässt nicht allein die Tunnel, dort ist es gefährlich. Was sollte hier bitte gefährlich sein? Das einzig Gefährliche hier waren die Dämonen.

Saori setzte sich gerne über das Verbot hinweg, weil sie einfach allein sein wollte und ihre Ruhe brauchte. Außerdem war es ihren Eltern bestimmt egal, wenn ihr etwas passierte. Oft genug hatte sie das Gefühl, dass diese sie loswerden wollten.

Dass die Gefahr ihr jedoch im Nacken saß, war ihr überhaupt nicht bewusst.

Der Engel war langsam an sie herangetreten und musterte sie von hinten, bevor er vorsichtig um sie herum ging und ein Symbol auf ihrer Stirn erkannte, das seine Wut mit einem Schlag entfachte. Ein symbolisches Feuer war auf ihrer Haut abgebildet und sein Griff um sein Schwert verfestigte sich. Sie gehörte dieser Familie an! Das hatte er nicht erwartet. Für einen brutalen Dämonen war sie viel zu zierlich. Die Mitglieder der Akilah Familie hatte er sich definitiv anders vorgestellt.

Wut und Trauer stiegen in ihm hoch und er schlug mit den Flügeln, um sich direkt vor sie zu positionieren. Das Schwert direkt an ihre Kehle gelegt und dann erst ließ er den Sichtschutz fallen, sodass sie den Engel mit den himmelblauen Flügeln, den silbernen Haar und den eisblauen Augen erkennen konnte. Er starrte kalt und wütend zu ihr hinab.

Erschrocken und entsetzt keuchte Saori auf und starrte auf den Mann, der vor ihr stand. Die eiskalten, blauen Augen funkelten sie zornig und böse an. Ihre hingegen waren vor Angst geweitet und ein leises Geräusch verließ ihre Lippen. Ein Angstlaut, der nicht richtig zu deuten war. Sie traute sich nicht, sich zu bewegen, sondern starrte den Engel einfach nur an. Angst hatte ihren Körper im Griff und hielt ihn an Ort und Stelle.

Saori hatte nicht bemerkt, dass sich ihr jemand genähert hatte. Was machte er hier? Engel kamen normalerweise nicht oder nur sehr selten in diese Gegend.

Das Mädchen versuchte, sich rückwärts von ihm und seinem Schwert an ihrem Hals, fortzubewegen. Sie musste ihren Körper dazu zwingen, dass dieser wieder auf ihre Befehle reagierte. Es war schwerer, als sie geglaubt hatte.

Ihr Schwanz mit dem Glöckchen zuckte aufgeregt, sodass dieses eine kleine Melodie von sich gab und ihre kleinen Flügel flatterten aufgeregt, wobei sie einen eiskalten Windhauch entfachten. Jedoch nicht stark genug, um den Engel von sich zu stoßen. Für ihn fühlte es sich eher wie eine kühle Brise an.

Sie sah, wie sich die Luft mit einem silbrig-weißen Staub füllte und als er ihre Haut berührte, spürte sie, wie jede Bewegung immer schwerer wurde. Je mehr sie sich bewegte, desto mehr schien sich der Staub auf ihr abzusetzen. Wie unsichtbare Fäden, welche sie einwebten.

Der Engel trat näher an sie heran, bis seine Schwertspitze erneut an ihrem Hals lag. „Genießt du die Dunkelheit, Dämon?“, fragte Aaron kalt und spuckte das Wort am Ende regelrecht aus.

Allerdings konnte er auch ihre Gefühle spüren und die Angst, die sie ausstrahlte, glitt wie scharfe Klauen über seine Haut. Das war ungewöhnlich, denn die meisten Dämonen, denen er begegnet war, hatten keine Angst. Zumindest nicht in dieser Form. Nicht so rein und roh.

Bewegungslos und in Todesangst saß Saori auf dem Boden. Tränen traten in ihre blauen Augen und ihr Mund wurde so trocken, dass es sich anfühlte, als würde er ihr Sand in den Mund stopfen. Deshalb konnte sie gar nicht erst auf seine Frage antworten. Sie hätte nicht einmal gewusst, was.

Saori konnte die Macht, die von dem Engel ausging, spüren und wusste, dass es sehr schnell vorbei sein würde, wenn er es sich nicht doch noch überlegte und sie quälte. Das war schwer zu sagen.

Ihre Angst, die scheinbar ständig stärker wurde, regte seine Instinkte an und am liebsten hätte er sich wieder zurückgezogen. Engel waren nicht von Natur aus brutal und gefährlich. Das hatte erst der Krieg mit ihnen gemacht.

So lange, wie der Krieg schon lief, hatte die Zeit gereicht, um die sanftmütigen Wesen in etwas zu verwandeln, das Aaron als krank bezeichnete.

Statt die Gefühle wie Liebe und Hoffnung, die er selbst bevorzugte, zu essen, hatte einige Engel den Geschmack von Angst und Panik, sowie Hoffnungslosigkeit lieben gelernt. In seinen Augen waren diese Engel genau solche Monster, wie die Dämonen. Doch sie waren die besten und angesehensten Kämpfer. Sein Vater war ein solcher gewesen und seine Mutter die Sanftmut in Person. So wie sie wollte er sein, doch mit jedem Tag glich er seinem Vater mehr. Immer, wenn die Wut begann, ihn von Innen aufzufressen. Noch waren es seltene Momente, doch es wurde mit jedem Tag, den er für die Königin kämpfte, schlimmer.

Aaron schluckte und änderte den Staub, der durch die Luft flog und sie festhielt. Er wurde blau und würde sie in einen Schlaf wiegen, in dem sie nichts mehr spüren würde. Zumindest das konnte er für sie tun.

„Lasst mich gehen ... bitte ...“, flehte sie und ihre Worte wurden von einem kleinen Windhauch getragen. Ihre Stimme versagte vor Angst und ihr Herz klopfte so schnell, dass sie es im Hals fühlen konnte. Ein Kloß stieg darin auf und nahm ihr den Atem, sodass ein Schluchzer über ihre Lippen glitt. Die ganze Panik schnürte ihr regelrecht den Hals zu.

Sobald sie spürte, dass dieser Staub, der im Mondschein leicht glitzerte, sich änderte, wagte sie erneut, sich zu bewegen. Doch das ging nicht. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr und sie fühlte sich plötzlich müde. Ihr Kopf senkte sich nach unten, sodass ihr silbernes Haar beinahe ihr Gesicht komplett verdeckte.

Aaron kniete sich zu der Dämonin und fuhr ihr mit der Hand sanft über die Wangen. „Es wird schnell gehen“, versprach er leise und verheißungsvoll, während er darauf wartete, dass sein magischer Staub den Rest erledigte. So schnell, wie sie darauf ansprang, war sie noch sehr jung und unerfahren. Bei Älteren hätte diese Menge an Staub nicht annähernd ausgereicht, damit sie so schnell schliefen, wie es die junge Frau tat.

Ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen und starrten in die Nacht. Die Bewegungslosigkeit lastete schwer auf ihr, sodass sie nicht einmal mehr ihren Kopf drehen konnte. Allerdings bekam sie jede Berührung und jedes Wort von Aaron mit. Ein leichtes Zittern ging durch ihren Körper, während er die Worte sprach. Wenigstens ließ er sie nicht leiden.

„Danke ...“, flüsterte sie leise und ihre Tränen flossen an ihren Wangen herab, bevor sie ihre Augen schloss und einschlief.

Ihre Worte ließen ihn schlucken, doch davon durfte er sich nicht beirren lassen. Er schob es darauf, dass ein Dämon sich nicht bedankte und sie ihn verwirren wollte. Vielleicht aber auch nur, um an seine gute Seite zu appellieren. Es war egal. Es sollte egal sein.

Aaron hob das Schwert und blickte auf das ohnmächtige Dämonenmädchen vor sich. Seine Hände zitterten, als ihn das Gespräch mit seiner Mutter in den Sinn kam.

„Sie sind alle Monster.“ Hatte er damals zu ihr gesagt und sie hatte ihm ein sanftes Lächeln geschenkt.

„Auch Engel können Monster sein.“ Hatte sie ihm erklärt und als Kind hatte er es nicht verstanden, doch mittlerweile tat er es.

Seine Hände zitterten noch mehr. Er wollte kein solches Monster sein, wie die Dämonen. Trotz seiner Rachegelüste und Wut wollte er kein so junges Leben nehmen. Sie war doch nur ein Mädchen. Vielleicht sogar noch unschuldig. Wer konnte das schon sagen. Er hatte nicht gesehen, wie sie getötet hatte.

Frustriert senkte er das Schwert und fuhr sich durch seine langen, weißen Haare, die zu einem Zopf gebunden waren. Es war gut, dass er ohne die anderen Engel hier war. So würde niemand sehen, wie er versagt hatte. Doch was sollte er jetzt mit ihr tun? Töten konnte er sie definitiv nicht.

Kurzerhand hob er sie vom Boden auf. Dabei stellte er fest, dass sie sehr leicht war. Sogar leichter, als sie hätte sein sollen.

Aaron schüttelte den Kopf, streckte seine Flügel und machte einen Senkrechtstart hinauf in die Wolken. Er konnte sie nicht töten, doch frei herumlaufen lassen konnte er sie auch nicht.

In seinem Schloss auf Lindor Istana gab es den perfekten Ort für eine Frau wie sie.

 

 

Tief in ihrem Inneren spürte sie eine Leere. Diese umgab das Mädchen und sie hatte das Gefühl, zu fliegen. Ihre Angst, die sie verspürt hatte, wurde durch ein seltsames Licht abgeschwächt und Saori fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben schwerelos und sorgenfrei. Fühlte sich der Tod, wenn er vor der Tür stand, so an?

Wo würde ihre Reise hingehen? Was hatte dieser Engel gesagt? Es wird schnell gehen.

Warum blieb sie dann in dieser Leere zurück und das Licht über ihr kam nicht näher? Die Angst in ihr machte sich erneut breit. Was, wenn er sie gerade folterte und so den Tod nur verzögerte?

Seine Worte konnten auch gelogen sein, doch das konnte Saori nicht sagen.

Die Kälte breitete sich in ihrem zierlichen Körper aus und sie gab sich dem Gefühl, verschlungen zu werden, hin.

Es kam ihr sogar so vor, als würde sie manchmal einen Windhauch spüren. Einer, der sie weit davontragen würde.

Plötzlich war alles dunkel um sie herum. Kein Licht war mehr zu sehen und panisch begann Saori, Wände abzutasten. Sie engten die Dämonin ein und drohten, ihr den Atem zu rauben, damit sie erstickte.

Keuchend und schweißgebadet wachte sie auf und wusste nicht, wo sie war. Warum saß sie? Sie spürte kühles Metall an ihren Hand- aber auch Fußgelenken. Orientierungslos sah sie sich um und konnte in der Dunkelheit nicht wirklich viel erkennen.

Etwas hinderte sie daran, sich genauer umzusehen und als sie die Hände hob, was die Ketten klirren ließ, trafen ihre Finger an ihrem Hals auf kaltes Metall.

Ein Zittern ging durch ihren Körper, als sie mit ihren Fingern versuchte etwas zu finden, womit sie diese Fessel lösen konnte. Doch es war nichts da. Sie berührte nur die Wand, an der ihr Körper durch dieses eine einzige Eisenband gehalten wurde. Beine und Arme konnte sie trotz Ketten fast vollständig bewegen. Nur konnte sie ihren Kopf nicht drehen, was ihre Sicht einschränkte.

Panisch versuchte sie es trotzdem und das Klirren der Ketten verschreckte sie noch mehr. Ihr Schwanz, der nervös zuckte, ließ ihre Glocke läuten. Saori schluckte heftig. Wo war sie? Die Wand an ihrem Rücken fühlte sich warm an, als hätte sie dort schon eine Weile gesessen.

Generell war es ungewöhnlich warm im Raum. Viel wärmer, als sie es erwartet hatte. Dabei sah sie keinen Kamin, der für die Wärme sorgte. Sie sah generell nichts anderes, als Wände, die so eng standen, dass ihre Zehenspitzen die gegenüberliegende Wand fast erreichen konnten. Aber nur fast. Allerdings bemerkte sie auch, dass von dort die Ketten kamen, die ihre Fußgelenke umschlossen.

Die Ketten von ihren Armen liefen nach links und rechts, doch was dort war, konnte sie nicht ausmachen.

Sie träumte nicht!

Der Raum machte ihr Angst, da er so eng war, dass sie sich nicht viel bewegen konnte. Aber die meiste Panik verursachte das Metall um ihren Hals. Es ließ ihr genügend Luft zum Atmen, dennoch hatte sie das Gefühl, zu ersticken. Sie konnte nicht einmal ihre Kräfte einsetzen und das Metall entweder zum Erhitzen oder Erkalten bringen. Was war das nur?

Saori versuchte, einen Finger zwischen ihrem Hals und dem Metall zu bringen und dieses von dort aus zu lösen, doch es funktionierte nicht.

Es war so eng, dass nicht einmal ihr zierlicher Finger hineinpasste.

Ein Geräusch ertönte, doch sie konnte den Ursprung nicht ausmachen. Es klang, wie eine Tür, die jemand geöffnet hatte. Doch bisher hatte sie keine Tür gesehen.

Ein plötzlicher Ruck an den Ketten zog ihre Arme zur Seite und ihre Beine nach vorn, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Scharf sog sie die Luft ein, weil es für einen Moment weh tat.

Dann trat ein Engel in ihr Blickfeld.

Seine himmelblauen Flügel waren wunderschön und er präsentierte sie förmlich, sodass man die silbernen Spitzen an jeder Feder erkennen konnte.

Der durchtrainierte Körper steckte in einer weißen Tunika und das silberne Haar stand ihm verwegen vom Kopf ab. Doch die eisblauen Augen lagen mit einer Spur Hochmut und Verachtung auf ihr.

Ihre Gelenke fühlten sich steif und kalt an, obwohl es warm war. Saori fühlte sich unwohl und heiß, weil sie die Hitze nicht gewohnt war.

Sofort versteifte sich ihr Körper, als sie den Mann vor sich sah. Es war der gleiche Engel, dem sie begegnet war.

Nur er war zu erkennen, der Rest des Raumes blieb in Dunkelheit. Sein Blick veranlasste sie dazu, sofort den Kopf senken zu wollen, doch durch das Metall ging das nicht, weshalb sie stattdessen ihren Blick senkte. Seinen eisblauen Augen konnte sie nicht standhalten. Sie hatte Angst vor dem Mann, der sie umbringen wollte. Und Saori wurde bewusst, dass er sie wohl gefangen hielt, um sie zu foltern.

Es raschelte leise und Saori bemerkte, wie er sich vor sie hockte und einen Finger an ihr Kinn legte. „Heb deinen Blick“, forderte er mit kalter Stimme und sein Finger drückte ihren Kopf ein Stück nach oben, sodass es durch den Halsring noch unangenehmer wurde.

Die Stimme verursachte ihr eine unangenehme Gänsehaut. Dennoch weigerte sich Saori, ihre Augen zu öffnen und dem Engel zu gehorchen. Für was sollte sie das auch? Sie wollte niemand sein, mit dem man spielte. Wenn er sie umbringen wollte, sollte er es gleichtun.

Seine starke Präsenz, die von ihm ausging, war spürbar und engte sie noch mehr ein, sodass sie sogar die Luft anhielt.

Der Druck seiner Finger wurde stärker. „Wie heißt du?“, wechselte er die Frage, doch er ließ sie nicht los. Er wollte eine Antwort haben und so lange würde er sie halten, auch wenn er sich durchaus bewusst war, dass er ihr wehtat. Aber noch war es nur unangenehm für sie und nicht das, was Dämonen sonst mit Engeln anstellten, wenn sie ihnen Schmerzen zufügten.

Saori versuchte, ihren Kopf zu bewegen, um sich von seiner Hand, die für sie unangenehm grob war, zu befreien. Als sie ihre Beine und Arme zur Hilfe nehmen wollte, spürte sie, dass sie diese nicht mehr bewegen konnte. Wahrscheinlich hatte der Engel die Ketten mit Magie versehen, bevor er an diesen gezogen hatte.

Der Druck auf ihren Hals stieg noch mehr, als sie das versuchte und Saori schluckte hart. Dabei presste sie ihre Lippen aufeinander, um keine Angst zu zeigen, doch diese war so stark, dass sie das nicht ganz kontrollieren konnte.

„Du könntest einfach antworten, dann lass ich dich los“, bemerkte Aaron nüchtern, der von dem Widerwillen der jungen Frau durchaus überrascht war. Doch er wusste aus Erfahrung, dass Dämonen abgehärtet waren und Schmerzen normalerweise kaum spürten. Doch bei ihr schien es anders. Als wäre sie viel empfindlicher als die anderen.

Ein unwilliger Laut kam aus dem Mund des Mädchens, was sich wie das Zischen eines Drachens anhörte. Ihr Atem ging hektisch, sodass sich ihr Brustkorb hob und senkte. Sie war diesem Mann völlig ausgeliefert und fragte sich, warum er sie nicht gleich umgebracht hatte.

Durch den Druck auf den Hals öffnete sie ihren Mund, um nach Luft zu schnappen.

Sie war aber auch nicht bereit, dem Mann zu antworten. Trotzdem öffnete sie leicht die Augen, um auf seinen Körper zu sehen, anstatt in sein Gesicht.

Sie spürte, wie der Druck leicht nachließ, als wäre er zufrieden damit. Leider verschwand er nicht komplett. „Siehst du. Es geht doch“, sagte der Engel mit einer Spur Zufriedenheit in der Stimme. „Wenn du nicht so bockig bist, lass ich mich vielleicht dazu überreden, deine Position für dich angenehmer zu gestalten“, bot er an, wobei er fast freundlich klang.

„Ich brauche Eure Freundlichkeit nicht!“, zischte Saori ihn an. Durch die Angst und Unsicherheit reagierte sie häufig mit Unfreundlichkeit. So war Saori jedoch gar nicht. Nur die Angst trieb sie dazu, so zu reagieren.

Ihre Augen schlossen sich erneut, damit sie ihn nicht mehr ansehen musste. Vor allem, weil das Weiß seiner Tunika sie geblendet und in ihren Augen geschmerzt hatte.

Seine Überheblichkeit gefiel ihr überhaupt nicht. Und die Stimme ließ ihr einen erneuten Schauer über den Rücken fließen.

Wieder schluckte sie hart, um den Kloß, der sich in ihrem Hals befand, abzuschütteln. Sie konnte nicht einmal Feuer speien und ihn verletzen, was sie ärgerte. Ihr war bewusst, dass sie nur hier war, um gequält zu werden. Warum sonst hatte er sie hierhergebracht?

Ihr Schwanz zuckte noch schneller vor Nervosität. Saori versuchte, das zu unterdrücken, doch es gelang ihr überhaupt nicht.

„Sicher, dass du sie nicht brauchst?“, fragte er lauernd. „Sie wird entscheiden, wie du dein restliches Leben verbringst“, belehrte er sie. „Ich bin sicher, auf dem Sklavenmarkt bekommt man für dich einiges.“ Mit diesen Worten ließ er ihr Kinn nun komplett los.

Sofort keuchte Saori auf und musste husten, um wieder Luft zu bekommen.

„Was macht es schon für einen Unterschied, von Euch oder jemand anderen gequält und getötet zu werden?“, zischte sie und spuckte die Worte bitter aus.

Durch ihre Familie wusste sie, dass sich die Dämonen mit den Engeln im Krieg befanden. Beide Seiten hatten angefangen, sich gegenseitig zu töten, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten.

„Außerdem habt Ihr gesagt, es wird schnell gehen“, bemerkte sie spitz.

„Nachdem, was deine Familie meinen Eltern angetan hat, müsste ich dich genauso leiden lassen“, sagte er und hob die Hand, was die Ketten dazu bewog, ihre Arme noch weiter auseinanderzuziehen. Dann ließ er die Hand fallen und der Zug nahm ab. „Aber im Gegensatz zu dir, bin ich kein Monster. Ich will deine Eltern leiden sehen, wenn sie um deinen Tod trauern. Nicht dich. Nicht viele von uns machen diesen Unterschied.“

„Als ob sie um mich trauern würden! Wer trauert schon um ein Weichei?“, zischte Saori bitter. Hatte ihre Familie etwa seine ausgelöscht? Warum war er dann noch am Leben?

Der Zug hatte ihr so wehgetan, als würde er sie bei lebendigem Leib auseinanderreißen wollen. Da sie ihren Kopf nicht senken konnte, schloss sie ihre Augen wieder.

Sein Finger berührte ihr Kinn. „Vielleicht sollte ich ihnen einen Finger von dir schicken, so wie sie mir einen meiner Mutter geschickt haben“, schlug er vor. „Oder deine Zunge? Dann kannst du nicht mehr schreien, sollte ich auf die Idee kommen, eines deiner Augen dazuzulegen“, flüsterte er kalt, wobei seine Hand ihre Wange sanft streichelte.

Bei den Gedanken erschauerte das Mädchen mit den silbernen Haaren und zuckte verängstigt zusammen. Genau wie ihre Eltern das immer bei den anderen machten, wenn sie jemanden gefangen genommen hatten. So wohl auch bei seinen Eltern, wie er es verlauten ließ.

Saori sagte nichts dazu, denn wenn er es tatsächlich tun würde, konnte sie sich nicht wehren.

Soweit das Metall es zuließ, senkte sie ihren Kopf. Weit war das jedoch nicht. Schon jetzt konnte sie sich die Schmerzen vorstellen, die er verursachen konnte und Tränen rollten erneut über ihre Wange, die er sanft streichelte. Seine Berührung war zärtlich, viel zu sanft für die Art, wie er mit ihr umging. Es passte nicht zusammen. Bestimmt war das ein Spiel. Er wollte Saori einlullen und dann schreckliche Dinge mit ihr anstellen.

Aarons Daumen fing die Träne auf, die ihre Wange hinabrollte und er hob die Hand vor sein Gesicht, um eben jene zu betrachten. Ein weinender Dämon. Das war ihm neu und noch nie untergekommen.

Er spürte ihre Angst und Trauer, die nicht nur gespielt war, wie er es erwartet hatte. „Du kannst natürlich auch brav sein, dann wird dir nichts passieren“, erklärte er, während er noch immer ihre Tränen zwischen seinen Fingern rieb. Sie war echt, daran bestand kein Zweifel.

Darauf antwortete Saori gar nicht erst. Ihr Wille zum Überleben war gebrochen. Selbst wenn er die Drohungen wahr machte, konnte sie es nicht ändern. Sie wagte trotz allem erneut einen Versuch, sich zu befreien, indem sie an den Ketten riss, aber alles, was sie davon bekam, war Schmerz.

Ihre Frage, ob er sie gleich töten würde, hielt sie zurück, denn anscheinend war er nicht gewillt, ihr einfach so das Leben zu nehmen.

Ein Seufzen erklang. „Du bist so stur“, bemerkte er leise. „Solange ich nichts über dich erfahre, wirst du wohl hierbleiben müssen“, seufzte er und klang so, als würde er es wirklich bedauern. Was durchaus der Wahrheit entsprach. Solange er nicht wusste, wer und was sie war, musste er sie möglichst so festhalten, dass sie niemanden etwas tun konnte. Deshalb auch die Ketten. Hier gab es viele Frauen, die sich nicht wehren konnten, wenn ein Dämon Amok lief.

„Was bringt es Euch, etwas über mich zu erfahren? Ihr habt viel mehr davon, meiner Familie Leid zuzufügen als meinen Namen zu wissen“, murmelte Saori und schluckte. Das Metall grub sich in ihre Haut, als sie sich dagegen lehnte, aber es gab nicht nach.

„Was es mir bringt, hat dich gar nicht zu interessieren“, sagte er fast schon sanft. „Und wenn ich es wollte, könnte ich dir viel mehr Schmerzen zufügen, als ich es im Moment tue“, bemerkte er und fuhr mit seinem Finger über das Metall, hinab zu ihren entblößten Schultern.

„Dann hört auf, zu fragen und tut es doch!“, zischte Saori ihn ungehalten an und ihre blauen Augen funkelten. Seine Finger waren unangenehm, als sie über ihre Haut fuhren und sie wünschte sich, dass er damit aufhörte. Die Art, wie er sprach, zeigte ihr, dass er durchaus brutal werden konnte. Aber auch, dass er sich lustig über sie machte.

Ein raues Lachen erklang. „Das willst du nicht wirklich. So zerbrechlich wie du bist, würdest du nicht einmal eine halbe Stunde das aushalten, was deine Eltern mit meinen angestellt haben“, sagte er kalt. „Außerdem ist deine Angst nicht gerade appetitlich. Trotzdem werde ich keine unartigen Sklaven belohnen.“

Sklaven? Er würde sie versklaven ...

„Ich bin nicht zerbrechlich!“, fuhr sie ihn an. Der Engel machte sie wirklich wütend und Saori versuchte, seine Hand von sich abzuschütteln. „Und ich habe keine Angst!“, behauptete das Mädchen, wobei sie durchaus wusste, dass sie log. Sie hoffte sehr, dass er es nicht bemerkte, aber sie konnte auch nicht wissen, dass er ihre Gefühle spüren konnte.

Das Lachen wurde lauter. „Du vergehst fast vor Angst“, sagte er herablassend, aber in seine Augen trat ein leichtes Glitzern. Vielleicht war sie wirklich nicht so zerbrechlich, wie er gedacht hatte. Dennoch war sie nicht das, was er von einem Dämon erwartet hatte. Ihre Gefühle waren so roh und kraftvoll, dass sie eher ein Engel sein könnte. Außerdem waren sie sehr lecker. Selbst ihre Angst hatte einen angenehmen Nachgeschmack. Wie ein Gewürz, das manchmal sehr lecker war, aber auf Dauer einen Würgereiz hervorrief.

„Ich hasse Euch“, brachte Saori keuchend hervor. Wenn er sie schon quälen wollte, sollte er es einfach tun. Diese Art von Männern war ihr zuwider, weshalb sie die Männer aus ihrer Familie auch verabscheute. „Lasst mich endlich frei oder es passiert was“, knurrte sie vor Angst gereizt. Ein Zittern ging durch ihren Körper, als sie sich gegen die Fesseln warf und versuchte, Feuer zu speien oder ihre Flügel, die qualvoll an der Wand lagen, zu bewegen.

Aaron verengte die Augen. „Dass du mich hasst, ist mir durchaus klar“, bemerkte er und betrachtete ihren Körper sehr genau. Ihm entging nicht, dass ihre Flügel zu schmerzen schienen und sie sich bewegen wollte. „Was wirst du tun, wenn ich den Halsring löse?“, fragte er neugierig.

Was sollte sie tun können? Wenn die Fesseln das waren, was ihre Kräfte unterdrückte, würde es ihr nicht viel bringen, wenn ihr Hals wieder frei war. Andererseits begann er durch die steife Haltung zu schmerzen.

Saori zuckte mit den Schultern, da sie selbst nicht wusste, was sie tun würde. „Meinen Kopf endlich senken“, murmelte sie trotzdem leise und undeutlich. Schon allein, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen.

Aaron schnalzte mit der Zunge. „Ich möchte aber, dass du mich ansiehst“, meinte er und zuckte seinerseits mit den Schultern. „Solange du das nicht freiwillig tust, wird der wohl dranbleiben müssen“, meinte er, als wäre es ihm egal.

„Von mir aus“, sagte Saori leise. Die Angst kroch erneut in ihr hoch und sie versuchte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Bereits jetzt hatte sie ihre Augen gesenkt und sah auf die Beine, die vor ihr standen.

Aaron schüttelte den Kopf. „Ich würde verstehen, dass du dich weigerst, wenn ich von dir will, dass du vor mir auf die Knie fällst und mir die Füße leckst“, meinte er nüchtern. „Aber doch nicht bei so einer Kleinigkeit. Sieh mich an und ich mache dir den Halsring ab“, sagte er noch einmal.

„Ich werde weder das eine noch das andere tun“, sagte sie leise und ballte ihre Hände zu Fäusten. Diesem Sadisten gefiel es wohl, jeden herumzukommandieren. Er war nicht anders als ihre Familie. Wenn sie sich jedoch fügte, würde es hoffentlich schneller gehen. Wobei sie bei ihm nicht sicher sein konnte. Noch immer verstand Saori nicht, warum er sie nicht einfach umgebracht hatte. Noch dazu, dass er anscheinend schnell seine Launen wechselte. Von sanft zu gemein.

Es war die Angst, die es ihr unmöglich machte, in seine eisblauen Augen zu sehen. Sein erster Blick, als er sie hatte töten wollen, blieb in ihrer Erinnerung. So kalt und gefühllos hatte er sie angesehen. Wobei sie es verstehen konnte, wenn ihre Familie seine umgebracht hatte.

Das Einzige, was Saori schaffte, war ihren Blick auf seine langen Beine zu legen. Weiter nach oben ging sie jedoch nicht.

„Weiter“, befahl er ihr. „Ein Stück wirst du ja wohl noch schaffen. So kratzbürstig wie du bist“, meinte er und beobachtete sie genau.

Ganz leicht schüttelte sie den Kopf. Soweit es das Metall zuließ. Diese Blöße würde sie sich nicht geben. Ihre Augen waren starr nach vorne gerichtet und Saori weigerte sich, noch einmal seinen kalten, blauen Blick zu sehen.

Aaron seufzte. „Du musst mir ja nicht einmal in dir Augen schauen, wenn du das nicht ertragen kannst, aber Brust sollte schon machbar sein“, bot er ihr einen Kompromiss an. Wann verstand sie, dass sie kooperativ sein musste, wenn sie sich die Lage erleichtern wollte?

Tatsächlich schaffte sie es, ihre Augen ein Stückchen weiter wandern zu lassen, doch an seinem Bauch blieb sie erneut hängen. Obwohl er eine Tunika trug, konnte sie erahnen, was für ein Körper sich dahinter versteckte. Wohl einer mit breiten Schultern und Muskeln. Doch das wollte sie nicht herausfinden.

„Brav. So ist es gut. Gib dir Mühe“, lobte er, als wäre sie ein Hündchen, das dabei war, einen neuen Trick zu lernen.

Diese Verachtung, der Spott und Hohn in seiner Stimme ließen sie sofort ihren Blick wieder senken. Er machte sich lustig über sie und ihre Angst.

Leise atmete sie aus und schloss die Augen. Vielleicht half es, ihn zu reizen, dass er nicht mehr zögerte und es hinter sich brachte.

Er streichelte vorsichtig ihre Wange. „Du hast es wenigstens versucht“, sagte er mit einem Lächeln und strich über ihren Hals. Es gab ein leises Klicken und das Halsband ging auf und gab sie frei.

Sofort senkte sie keuchend den Kopf, sodass ihre silbernen Haare über ihre Brust fielen und von dem Glanz des Engels angestrahlt wurden. Dabei schimmerten sie leicht violett, genau wie ihre Hörner. Wenigstens verdeckten sie nun teilweise ihr Gesicht, was ihr ein leichtes Gefühl von Sicherheit gab.

Seine Berührung war unangenehm gewesen, als würde er mit ihr spielen. Ihr Nacken fühlte sich steif an und schmerzte, aber auch die Hitze, die hier herrschte, war unangenehm.

Aaron seufzte. „Willst du, dass ich dich gleich wieder bestrafe?“, fragte er und seine Finger fuhren zu ihrem Nacken, wo er sie leicht drückte, sodass sie spürte, wie die Schmerzen weniger wurden.

Dann fuhr er zu ihrem Hals und hob ihr Kinn so weit an, dass sie selbst mit gesenkten Lidern sein Gesicht sehen konnte.

Hektisch schüttelte sie heftig ihren Kopf, um seine Finger abzuschütteln. Sie hatte ihn nicht gebeten, ihr die Schmerzen zu nehmen.

So fest sie konnte, presste sie ihre Augen zusammen. Ihr war bewusst, dass sie ihn direkt anblicken würde, sobald sie diese öffnete. Ihre vollen Lippen waren ebenfalls zusammengepresst, um keinen Ton hervorzubringen. Wie er sie berührte und mit ihr umging, löste Angst in ihr aus.

Aaron seufzte. „Weißt du, dass du mir so nur noch mehr zuspielst? Ich mag es, die Leute zu erziehen“, erklärte er und ließ von ihr ab.

Saori stieß langsam den Atem, den sie angehalten hatte, aus. Nachdem sie ihren Kopf nun wieder bewegen konnte, senkte sie ihn erneut. Hoffentlich ließ er sie einfach allein und vergaß, dass sie existierte. Wobei sie sich sicher war, dass er seinen Kopf durchsetzen würde. Auf die eine oder andere Art und Weise.

Das Mädchen zog wieder an den Fesseln, die ihren Körper in eine unangenehme Position gebracht hatten, doch diese gaben nicht nach.

Ein leises Schluchzen entwich ihrem Mund, was sie verzweifelt versucht hatte, zurückzuhalten. Das führte zu einem Schluckauf, der sich anhörte, als würde sie quietschen.

Der Engel begann zu lachen, als er sie hörte. „So ein ungeduldiger, kleiner Dämon“, sagte er und silberne Fäden zogen sich durch die Luft. Damit zwang er sie, aufzusehen.

Saori wehrte sich, so sehr sie konnte, doch letztendlich musste sie Aaron anblicken. Ihre Augen waren geweitet, als ihr klar wurde, dass er wirklich alles mit ihr machen konnte, was auch immer ihm beliebte. Ihr Widerstand ließ nach, während sie gleichzeitig versuchte, ihren Kopf hinunterzudrücken. Was leider nicht funktionierte.

„War das so schlimm?“, fragte er und musterte ihr Gesicht. Das hatte er schon getan, als sie geschlafen hatte. Jetzt wirkte es allerdings nicht mehr so jung und unschuldig. Viel mehr verzweifelt und wütend.

Ein Klopfen erklang und kurz darauf trat eine Frau ein. Sie stellte eine kleine Schale ab, verneigte sich und ging wieder hinaus.

Saoris wollte ihren Kopf in die Richtung der Tür drehen, doch Aarons silbrige Fäden hielten sie an Ort und Stelle. Ihre leichte Schminke war durch die Tränen verschmiert.

Auf seine Frage antwortete sie gar nicht erst. Was erwartete er von ihr? Dass sie ihm um den Hals fiel und Dankbarkeit darüber heuchelte, dass er sie nicht gleich umgebracht hatte?

Dafür zuckte ihr Schwanz gegen die Wand, um ein Klopfen zu verursachen. Die kleine Glocke konnte einen ganz schönen Krach machen. Das allerdings war eine Abwehrreaktion ihres Körpers, als würde er um Hilfe rufen wollen.

Seine eisblauen Augen wanderten zur Ursache des Geräuschs und er hob eine Augenbraue. Ohne etwas zu sagen, ließ er die Schüssel zu sich schweben und stellte sie vor Saori, deren Namen er immer noch nicht kannte. „Iss“, befahl er und löste die Ketten, die sie hielten und lockerte auch die Fäden. Sollte sie ihn angreifen, würde er reagieren können.

Für einen Moment war sie tatsächlich versucht, anzugreifen. Doch sie spürte, dass sie ihre Kräfte nicht einsetzen konnte. Mit zitternden Händen griff sie nach der Schüssel, die sehr heiß war, sodass sie sich verbrannte und diese deswegen fallen ließ. Saori war es nicht gewohnt, so heiße Speisen zu essen, daher war sie nicht darauf gefasst gewesen und verbrannte ihre Hände. Der Inhalt verteilte sich auf dem Boden, während die leere Schüssel klirrte.

Aaron seufzte und konnte deutlich den Schmerz an ihren Händen spüren. „Schusseliges Ding“, sagte er und packte ihre Hände, um diese zu betrachten.

Sofort entriss sie ihm diese und drückte sie fest an ihren Körper. „Lasst mich allein“, flüsterte sie aufgeregt. Sie konnte es selbst heilen, doch nicht in diesem Zustand. Weder wollte sie von ihm angefasst werden, noch wollte sie sein geheucheltes Mitleid sehen.

„Du wirst keine Magie einsetzen können, also sei nicht so dumm, meine Freundlichkeit abzuweisen“, sagte er und hielt ihr auffordernd die Hände hin. „Erst, wenn ich sie geheilt habe, bekommst du ein neues Gericht.“

„Ich will keines“, brachte sie keuchend hervor. Und geheilt werden wollte sie von ihm auch nicht.

Ihre Beine hatte sie an sich gezogen, als würden sie ein Schutzschild bilden wollen. So sehr Saori konnte, presste sie sich an die Wand. Lieber würde sie verhungern, als noch einmal so ein heißes Gericht in die Hand zu nehmen.

Bei ihnen zuhause hatte es höchstens lauwarmes Essen gegeben.

Aaron musterte sie von oben bis unten. „Du bist tatsächlich noch ein Kind“, stellte er fest, denn das war der Grund, warum er sie nicht getötet hatte. Ihre Reaktion auf ihn und ihre unkontrollierten Gefühle waren für ihn ein offenes Buch. Alles an ihr sagte, dass sie ein Dämon war und doch waren ihre Gefühle so roh und offensichtlich, dass es nicht passte. Sie stellte nicht das Bild der Monster dar, die er jagte. Dennoch war sie gefährlich. Nur würde er noch herausfinden müssen, wie gefährlich sie war.

Leicht hilflos zuckte sie mit den Schultern. Sie war die Jüngste, aber auch die Schwächste ihrer Familie. Diese hatte sich immer über sie lustig gemacht, weil sie nicht töten wollte, sondern lieber schöne Dinge ansah.

Das würde sich auch nicht ändern, zumindest, wenn es nach ihr ginge.

Aaron erhob sich und seufzte. Er hob einen Finger und kurz darauf spürte Saori erneut den Zug an ihren Gelenken und auch ihr Hals wurde wieder gegriffen und an die Wand gedrückt.

Sie japste nach Luft, wehrte sich aber nicht mehr. Obwohl sie nun wieder Schmerzen in den Flügeln und im Hals bekam, machte sie keinen Anschein mehr, als wolle sie Ärger machen.

Saori schloss wieder die Augen, als würde es sie nicht interessieren, was mit ihr passierte.

Aaron trat auf die Tür zu und öffnete diese. „Würdest du bitte die Sauerei beseitigen? Keine Angst, sie kann dir nichts tun“, sagte er leise zu der jungen Frau mit den schwarzen, kinnlangen Haaren auf der anderen Seite der Tür.

„Natürlich, Aaron“, sagte diese mit einem leichten Kopfnicken. Ihre Augen lagen auf dem Engel und schmachtend sah sie ihn an. Sie war froh, etwas für ihn tun zu können. Niemals hätte Tabitha gedacht, für ihn so arbeiten zu dürfen, nachdem er sie auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte. Eigentlich war sie frei, doch die Schwarzhaarige hatte sich entschieden, für den hübschen Engel zu arbeiten, denn sie mochte seine Nähe sehr gern. Darum sprach sie ihn auch nicht höflich oder mit Meister an, wie es die anderen hier eigentlich taten. Auch wenn er es ihr nicht angeboten hatte. Sie hatte es sich herausgenommen und er hatte sie nicht zurechtgewiesen.

Er war ein sehr freundlicher und fairer Arbeitgeber. Besser als die anderen Engel, doch selbst er war nicht in der Lage, jeden seiner Sklaven zu befreien. Trotzdem gab es hier kaum Wesen, die ohne ihren Willen hier waren. Die Dämonen in den Kerkern bildeten eine Ausnahme.

Sie waren eingekerkert, damit sie niemanden mehr schaden konnten. Warum war es diese hier nicht?

Das konnte der Engel wohl nur selbst beantworten. Tabitha war es ein Rätsel.

Saori hatte die Frauenstimme gehört, aber sie regte sich nicht. Wer wusste schon, was sie mit ihr tun würde.

Tabitha trat ein und begann, die Sauerei auf dem Boden zu beseitigen. Sie warf nur einen kurzen, neugierigen Blick auf Saori, die elendig in den Ketten hing.

Diese war froh, dass sie den Engel los war und leise seufzte sie vor Erleichterung auf.

Allerdings stand Aaron nur in der Tür und beobachtete sie dabei. Immerhin wollte er nicht, dass sie vielleicht doch noch Tabitha angriff. Die Arme war schon oft genug von den Dämonen im Kerker fast angefallen worden. Dennoch war sie die Einzige, der Aaron es zumuten wollte, mit den Dämonen in Kontakt zu kommen. Sie war hart im Nehmen.

Weswegen ihre Stellung bei ihm gestiegen war. Aaron hatte schnell herausgefunden, dass die junge Frau mit den grünen Augen gut damit umgehen konnte. Und wenn sie verletzt wurde, heilte er sie.

Tabitha war das einzige private Dienstmädchen, das ihm seine Wünsche erfüllte. Die anderen waren nicht so eng mit ihm vertraut.

Allerdings besaß er trotzdem einen großen Harem mit den unterschiedlichsten Frauen. Das war auch wichtig, immerhin musste er sich von diesen ernähren.

Aaron beobachtete, wie Tabitha ihrer Arbeit nachkam und als diese fertig und zurück an der Tür war, löste er den Halsring von Saori wieder und auch die Ketten, die ihre Arme und Beine gestreckt hielten. Sie sollte sich etwas ausruhen. Immerhin wollte er sie nicht unnötig quälen.

Nur zögernd fiel Saori in sich zusammen, als würde sie ihm dabei nicht trauen und legte sich auf den warmen Boden, wobei sie ihre Beine nahe an sich zog und mit den Armen umschlang. Die Position war weitaus angenehmer und das Mädchen mit den silbernen Haaren versuchte zu schlafen. Wobei sie eher hoffte, aus diesem Albtraum aufzuwachen.

Tabitha warf dem Engel einen lächelnden Blick zu, sobald sie aus der Tür war.

Bevor sie jedoch an ihm vorbeihuschen konnte, zog er sie noch einmal zu sich und bat sie flüsternd, ihm ein kaltes Gericht zu bringen und zusätzlich einen Eimer Eiswürfel.

„Sofort, Aaron“, erwiderte sie und wandte sich zum Gehen. Es war nicht schwer, diese Dinge zu besorgen. Dabei fragte sie sich, warum ihr Meister das überhaupt tat. Die anderen Dämonen bekamen nicht solche Rechte.

Sie bekamen regelmäßig Nahrung, das schon, doch wenn sie sich danebenbenahmen, was diese Frau eindeutig getan hatte, wurden sie gemaßregelt und nicht verhätschelt.

Diese Maßregelungen waren niemals angenehm und Tabitha konnte nicht verstehen, warum er bei ihr eine Ausnahme machte. Sie spürte einen kleinen Stich der Eifersucht. Was, wenn er etwas für sie übrighatte?

Währenddessen versuchte Saori wirklich, zu schlafen und die Präsenz des Engels, der noch immer in der Tür stand, auszublenden.

Aaron beobachtete sie nachdenklich. Sie schien erschöpft zu sein, was er ihr nicht übelnehmen konnte. Allerdings wusste er noch immer nicht, wie gefährlich sie war. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihren Namen zu erfahren und sie dann zumindest in ein anderes Zimmer zu verfrachten, doch so wie es jetzt war, musste sie hierbleiben.

Saoris Schwanz wedelte leicht, doch er wurde ruhiger, was ihm verriet, dass sie tatsächlich dabei war, einzuschlafen. Ihr Glöckchen am Schwanz legte sich auf ihrer Hüfte ab, als wolle es sie beschützen und gleichzeitig beruhigen.

Aaron entschied sich, die Tür zu schließen und sie erst einmal schlafen zu lassen. Tabitha wies er an, den Eimer und das Essen in eine Ecke zu stellen.

Das Dienstmädchen kam dieser Aufforderung nach und ließ sie dann allein.

Die junge Dämonenfrau schlief tief und fest und bemerkte es nicht einmal. Doch schon nach kurzer Zeit begann ihr Körper zu zucken. Die Hitze verfolgte sie im Traum, in dem sie vor der Sonne wegrannte. Nur kam diese immer näher und Saori spürte, dass sie von ihr verbrannt wurde. Dabei rannte sie und flog sogar mit den kleinen Flügeln, aber es half alles nichts.

Schweißgebadet erwachte sie aus diesem Traum und fuhr erschrocken nach oben. Die Dunkelheit, die sie umgab, beruhigte sie etwas. Die Hitze und die Fesseln hingegen nicht.

Wie warm war es hier? Ihr lief bereits der Schweiß über die Haut und ihr war, als würde sie langsam ersticken.

Als sie ihren Blick durch das Zimmer wandern ließ, bemerkte sie etwas in der Ecke und verengte die Augen.

Vorsichtig näherte sie sich dem Eimer und sah das Eis, welches bereits angefangen hatte, zu schmelzen. Gierig tauchte sie ihre Hände in das Wasser und seufzte für einen Moment auf. Die Kühle tat so gut, dass sie den Eimer sogar nahm und langsam das kalte Wasser über ihren erhitzten Körper laufen ließ.

Dass Aaron sie dabei beobachtete, war ihr überhaupt nicht bewusst.

Der Raum war mit magischen Steinen ausgelegt, sodass der Engel sie sehen konnte. Es waren besondere Steine, die zur Überwachung dienten. Kleinere konnte man in einem Raum auslegen und ein größerer fungierte an einem Spiegel wie ein Fenster. Mit diesem konnte man durch die anderen Steine hindurchsehen.

Nachdenklich runzelte er bei ihrer Aktion die Stirn. Er hatte ihr das Wasser für die Hände hingestellt, doch dass es ihr so warm war, war ihm nicht bewusst.

Ihre Kleidung war durchnässt, was ihr half, sich etwas abzukühlen. Dennoch trocknete der Stoff sehr schnell. Es war gut gewesen, dass sie nicht sofort das ganze Wasser verbraucht hatte, sondern nur einen Teil.

Das Glöckchen begann wieder zu klingeln, da ihr Lebensgeist dadurch wiedererwacht war. Sie warf nur einen kurzen Blick auf das Essen, welches neben dem Eimer stand, ignorierte es aber.

Vermutlich wollte er sie vergiften und sie damit foltern. Und eine Vergiftung war etwas, was einem wirklich schwere Schmerzen zufügen konnte.

Saori stellte den Eimer neben sich ab und lehnte den Kopf gegen die Wand. Ihre blauen Augen starrten in die Dunkelheit, die sie schätzen und mögen sollte. Doch sie löste Angst in ihr aus. Auch die Tatsache, dass es ein sehr kleiner Raum war, gefiel ihr nicht.

Das Mädchen war ein ungewöhnlicher Dämon, der sogar manchmal Angst in der Dunkelheit hatte. Nicht immer, aber ab und an.

Die Tür öffnete sich erneut und der Engel trat ein. „Wirst du mir jetzt deinen Namen verraten oder möchtest du die nächste Zeit hier verbringen?“, fragte er neugierig. Er wollte es noch einmal versuchen und vielleicht hatte er auch etwas gefunden, womit er ihr drohen konnte.

Undeutlich nuschelte das Mädchen den Namen, wagte es aber nicht, aufzusehen. Also war das bereits ein Teil der Folter. Sie der Hitze aussetzen, bis sie womöglich von innen heraus vertrocknete.

Völlig erschöpft ließ Saori ihren Kopf wieder hängen, als hätte sie es aufgegeben, Widerstand zu leisten.

Aaron verengte die Augen. Sie reagierte sehr heftig auf die Wärme, obwohl es hier nicht einmal warm war. Nicht wärmer als im restlichen Schloss.

Er hockte sich zu ihr und hob sanft ihr Kinn. „Setzt dir die Wärme wirklich so sehr zu?“, fragte er neugierig.

„Geht weg“, fauchte sie ihn an und zog ihren Kopf von ihm weg. Sollte er sie eben hierlassen.

Saori erwartete gar nicht erst, dass es einen besseren Ort als diesen geben würde.

Anscheinend war er blind, wenn er nicht sehen konnte, wie die Wärme ihr zusetzte. Das war schon ein Grund, warum sie eigentlich fast immer in den Tunneln gewesen war. Dort war es angenehm kühl gewesen.

Aaron seufzte. „Du hast wirklich nichts gelernt, oder?“, fragte er kopfschüttelnd. Sie war sehr kratzbürstig. Allerdings wollte er sie auch nicht mit etwas quälen, was er nicht kontrollieren konnte. Dennoch war es eine interessante Tatsache, dass sie scheinbar so stark auf Hitze reagierte. „Weißt du, es geht auch noch wärmer. Was denkst du, passiert, wenn ich den Kamin anmache? Das hier war einmal eine Sauna“, erklärte er ihr im Plauderton.

Wenn er das wirklich tun würde, würde es nicht lange dauern, bis sie ein Häufchen Asche war. Sie konnte ihre Körpertemperatur nicht wie die anderen Dämonen regeln, sodass jeder Platz, der wärmer als ihr zuhause war, ihr immer zusetzte.

Er hatte also ihre Schwäche herausgefunden, warum sollte sie es ihm dann noch unter die Nase binden? „Dann verbrenne ich ...“, kamen die leisen Worte aus ihrem Mund.

„Und ich bin mir ganz sicher, dass du das nicht möchtest“, sagte er weiter, als würde er mit ihr plaudern, doch es klang auch wie eine Frage.

Leicht zuckte sie mit den Schultern. „Es ist egal, auf welche Weise Ihr mich foltert, der Tod wird unvermeidbar sein“, flüsterte sie heiser. Natürlich hatte sie gewaltige Angst, falls das passieren sollte. Aber ändern konnte Saori es nicht. Also war es besser, es so hinzunehmen.

„Das ist richtig“, bestätigte Aaron emotionslos. „Daher solltest du schön brav sein und tun, was ich dir sage. Dann wirst du auch keine Probleme haben, hier zu überleben.“

Leicht schüttelte sie den Kopf. „Lieber sterbe ich, als Euch zu dienen ...“, erwiderte sie trotzig. So einem Sadisten wollte sie nicht bedienen, wobei ihr wohl keine andere Wahl blieb.

„Ach“, meinte er überrascht und mit einem Lächeln. „Du solltest mich ansehen und deinen Namen verraten. Die einfachsten Formen der Höflichkeit und du verweigerst schon das, obwohl es für dich Schmerzen heißt. Ich kann verstehen, wenn du dich weigerst, wenn ich dich unsittlich berühre“, begann er und schüttelte erneut den Kopf. „Deine Prioritäten sind mir ein Rätsel.“

„Wenn Ihr mir nicht zuhört, wenn ich meinen Namen sage, ist das Euer Problem und nicht meins“, presste sie hervor. Sie hatte ihren Namen verraten, als er sie gefragt hatte. Sollte er sie weiter foltern, dann war es hoffentlich auch bald vorbei.

„Das erste Mal hast du dich geweigert“, sagte er überrascht und hob eine Augenbraue. „Du hast mehrere Anläufe gebraucht“, erinnerte er sie und klang sogar tadelnd.

„Ich habe ihn Euch gesagt“, protestierte sie, wobei sie einfach in die Dunkelheit starrte. Sie hatte ihn genannt, als er zurückgekommen war und sie erneut gefragt hatte. Da war ihr Name leise über ihre Lippen gekommen.

Tadelnd hob er den Finger. „Mir zu widersprechen ist auch etwas, das du dir sehr schnell abgewöhnen solltest, Saori“, ermahnte er sie streng.

„Für was? Damit Ihr ein Hündchen habt, welches hinter Euch herläuft und Männchen macht, wenn Ihr es verlangt?“, fragte sie sarkastisch. Hätte sie ihm bloß den Namen nicht gesagt. Die Art, wie er ihn aussprach, gefiel ihr nicht. Sie fand den Namen sowieso albern und fragte sich, warum sie ausgerechnet so einen hatte.

„Ja“, war die schlichte Antwort auf ihre Frage. „Anders wirst du unter Engeln nicht überleben können.“

„Habe ich auch nicht vor“, murmelte Saori und fuhr sich durch ihre langen Haare. Es gab auch noch andere Möglichkeiten, der Sklaverei zu entgehen.

Aaron seufzte und hob die Hand. Die Ketten fielen klirrend zu Boden und lösten sich in Luft auf. Die Schellen um ihre Hände und Füße blieben jedoch. Mit einem Ruck wurden ihre Hände hinter ihren Rücken gezogen und hielten dort wie Handschellen zusammen.

Das schmerzte an ihren Gelenken, da sie dabei nicht so beweglich war, wie es normalerweise sein sollte. Das lag nur daran, dass ihr die Hitze und die ungewöhnliche Position zusetzte. „Was habt Ihr vor?“, fragte sie mit panischer Stimme.

Aaron ergriff sie am Arm und zog sie nach oben. Dabei bemerkte er ihr Gewicht, das kaum der Rede wert war. „Stell dich hin“, wies er sie an und hielt sie unbarmherzig fest.

Saori versuchte, sich von seinem Griff zu befreien, wobei sie sich sogar an die Wand presste. Sie wollte nirgendwo anders hin, wo es noch wärmer war als hier. „Lasst mich los“, keuchte sie erschrocken auf.

„Hör auf zu zicken“, seufzte Aaron. „Oder soll ich nachhelfen?“, fragte er und hielt sie weiterhin eisern fest.

Noch ein bisschen wehrte sie sich, doch als er sie nicht losließ, ließ ihr Widerstand nach. Sein Griff war so fest, dass er ihr damit wehtat.

Als sie jedoch aufhörte, sich zur Wehr zu setzen, wurde sein Griff fast schon sanft. Dennoch schob er sie bestimmt aus dem Raum und in einen Gang, der hohe Fenster hatte. Sie waren teilweise mit Buntglas besetzt, welches wunderschöne Mosaike bildete. Dennoch konnte man nach draußen blicken und dort eine Kuppel erkennen, unter der sich ein großer Garten befand. Außerdem bemerkte Saori, dass sie sehr weit oben im Gebäude waren.

Die Hitze war hier sogar noch unerträglicher als in dem kleinen Raum. Deshalb drehte sie sich auf dem Absatz um und wollte zurück in das Zimmer rennen. Sie wusste, hier konnte sie nicht überleben. Vor allem, nachdem die Sonne hineinschien und den Flur eventuell noch mehr aufheizte.

Aaron ließ es nicht zu. Er zog sie unbarmherzig weiter den Flur entlang, sodass sie fast schon über die feinen Teppiche stolperte, die auf dem Boden ausgelegt waren.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen, wobei sie ihren Widerstand nicht ganz aufgab. Der Atem der jungen Frau ging hektisch, da die Hitze drohte, sie zu ersticken. Immer wieder versuchte sie, Aarons Hand von sich zu schütteln und umzukehren.

Auch wenn sie nicht wusste, wohin sie überhaupt musste, um zu fliehen.

„Jetzt hör schon auf, dich zu wehren, sonst wird dir noch wärmer“, seufzte er frustriert und führte sie eine Treppe nach unten und dann einen weiteren Flur entlang. Hier konnte sie durch die Fenster sehen, dass sie draußen nur Sand erwartete.

Schon jetzt lief ihr das Wasser aus allen Poren und sie spürte, wie die Kraft sie verließ. Ihre Kehle war vor Angst trocken und nervös befeuchtete sie sich ihre Lippen. Sie war unglaublich durstig, nachdem sie so viel geschwitzt hatte.

Wohin führte er sie? Es wäre ihr Ende, wenn sie nach draußen gehen müsste.

Jedoch führte er sie tiefer und sie spürte, wie es kühler wurde. Nicht so viel, aber mit jeder Treppe mehr. Allerdings wurde es auch dunkler. „Vorläufig wirst du mir hier zumindest nicht mehr am Hitzeschlag sterben“, meinte er und öffnete eine Tür.

Das Zimmer war spärlich eingerichtet, doch es gab ein Bett und einen kleinen Tisch mit Stuhl, sowie einen Kleiderschrank. Außerdem eine Tür, die wahrscheinlich in ein Bad führte. „Setz dich“, wies er sie an und drückte sie auf einen Stuhl, dann erst schloss er die Tür. Ein magisches Schloss würde dafür sorgen, dass sie nicht ausbrechen konnte.

„Warum tut Ihr das nur?“, fragte sie ängstlich. Warum würde er das für sie tun? Sie war ein Dämon, deren Familie seine ausgelöscht hatte. Nur ungern setzte sie sich hin und rutschte aufgeregt hin und her. Sie verstand den Engel nicht und konnte nicht mit ihm umgehen.

Die Kühle fühlte sich auf jeden Fall besser an. Doch vielleicht war das nur ein Spiel für ihn, um sie kurz darauf wieder zu foltern.

Es war ihr unangenehm, zu sitzen, weshalb sie aufstand. Wieder war sie mit ihm allein, was ein unbehagliches Gefühl in ihr verursachte.

„Setzen“, befahl er erneut und holte aus dem Bad ein Glas Wasser. Er hielt es in der Hand und blickte sie abwartend an. „Setzen“, wiederholte er noch einmal.

Nur langsam folgte sie seinem Befehl und ließ sich auf den Stuhl gleiten. Durch ihre Nervosität verfehlte sie allerdings die Sitzfläche ein bisschen, sodass sie zur Seite kippte und auf dem Boden landete. Dabei fiel sie ungünstig auf ihre Hände, die noch immer schmerzten.