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Was passiert, wenn eine ehrgeizige Psychologin mit Hang zur Perfektion und eine impulsive Schauspielerin eine Beziehung vortäuschen? Claire Renshaw hat das perfekte Leben: eine erfolgreiche Karriere als Paartherapeutin, einen anstehenden Buchvertrag für ihren Beziehungsratgeber und eine baldige Hochzeit mit ihrer Traumfrau. Doch alles fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, als ihre Verlobte mit ihr Schluss macht. Deshalb könnte nun sogar der Buchvertrag in Gefahr sein, denn Leser lassen sich nicht gerne Ratschläge von einer Frau geben, die nicht einmal ihre eigene Beziehung retten kann. Deshalb macht sich Claire auf die Suche nach einer Frau, die die Rolle ihrer Verlobten übernehmen kann. Die Schauspielerin, die zum Vorsprechen erscheint, ist nicht gerade Claires ideale Kandidatin. Lanas unverblümte Offenheit und die Unordnung, die sie überall hinterlässt, treiben Claire in den Wahnsinn. Aber wenigstens ist ausgeschlossen, dass sie sich in jemanden wie Lana verlieben könnte. Doch schon bald kann Lana sie für sich gewinnen mit ihrem großen Herzen, ihren Kitzelattacken und Kohlenhydraten am Abend. Je länger die beiden das frisch verliebte Paar spielen, desto echter fühlen sich ihre Küsse an, bis die Grenze zwischen Realität und Rolle völlig verschwimmt. Werden sie getrennte Wege gehen, sobald Claire den Buchvertrag unterschrieben hat, oder ist mittlerweile nicht mehr alles nur gespielt?
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Seitenzahl: 515
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Alles nur gespielt
Aus dem Gleichgewicht
Perfect Rhythm – Herzen im Einklang
Hängematte für zwei
Herzklopfen und Granatäpfel
Vorsicht, Sternschnuppe
Cabernet und Liebe
Die Hollywood-Serie:
Liebe à la Hollywood
Im Scheinwerferlicht
Affäre bis Drehschluss
Die Portland-Serie:
Auf schmalem Grat
Rosen für die Staatsanwältin
Die Serie mit Biss:
Zum Anbeißen
Coitus Interruptus Dentalis
Die Gestaltwandler-Serie:
Vollmond über Manhattan
Inhaltsverzeichnis
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DANKSAGUNG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
EPILOG
Über Jae
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Affäre bis Drehschluss
Wette mit Folgen
Küsse in Amsterdam
All the Little Moments - Weil jeder Augenblick zählt
DANKSAGUNG
Wie immer möchte ich mich ganz herzlich bei meinem hervorragenden Korrekturleserinnen-Team bedanken, das fleißig meine Tippfehler korrigiert: Christiane, Sandra, Stephie und Susanne. Ihr seid Gold wert!
KAPITEL 1
»Wir müssen reden«, sagte Abby hinter ihr.
Claire konnte sie über dem Klappern der Teller, die sie auf dem Büfett-Tisch stapelte, kaum verstehen. Sie warf einen Blick über die Schulter und lachte. »Du solltest dir meine letzte Podcast-Episode anhören, Schatz. Ich habe meinen Zuhörern eben gesagt, dass sie Gespräche mit ihrem Partner oder der Partnerin nie mit diesen drei Worten beginnen sollen. Das hört sich immer so an, als ginge es um etwas Schlimmes.«
»Aber wir müssen wirklich reden«, sagte Abby.
»Einen Moment, Schatz.« Claire rückte die Blumen in der Tischmitte etwas mehr nach rechts. »Kannst du mal nachsehen, ob der Barkeeper alles hat, was er braucht?«
»Claire, bitte.«
Irgendetwas an Abbys Tonfall ließ die Härchen auf Claires Nacken zu Berge stehen, doch sie schob das Gefühl beiseite. Heute war der Tag ihrer Verlobungsparty. Unangenehme Gedanken hatten da nichts verloren. Sie drehte sich um.
Abby stand mitten im Esszimmer, mit bleichem Gesicht und ohne das Cocktailkleid, das Claire ihr für die Party ausgesucht hatte.
Claire runzelte die Stirn. »Was ist los? Wieso bist du noch nicht umgezogen? Unsere Gäste werden jeden Moment da sein.«
»Ich weiß, aber …« Abbys Blick glitt zu dem Barkeeper und zu der Cellospielerin, die während der Party unaufdringliche Hintergrundmusik spielen sollte. »Können wir kurz in der Küche reden?«
Nach einem letzten Blick zum Büfett, um sicherzugehen, dass alles perfekt war, nickte Claire und folgte ihr.
Abby schob ihr einen Stuhl von der Kücheninsel hin. »Setz dich.«
Wieder meldete sich die unangenehme Vorahnung. Sie beäugte skeptisch den Stuhl. »Wir haben keine Zeit. Kann das nicht warten?«
»Nein«, sagte Abby mit steinerner Miene. »Kann es nicht. Ich versuche schon den ganzen Tag lang, mit dir zu reden, aber du hast nicht eine Minute still gesessen.«
Hitze stieg Claire ins Gesicht. »Ich möchte bloß sichergehen, dass alles perfekt ist.«
Abby schloss die Augen und öffnete sie dann wieder. Zum ersten Mal seit sieben Jahren konnte Claire den Ausdruck in ihren vertrauten blauen Augen nicht deuten. »Hör zu, Claire. Ich liebe dich.«
Claire strahlte. »Ich liebe dich auch.« Sie lachte. »Und das ist auch gut so, immerhin haben wir vor zu heiraten.«
»Aber ich bin nicht mehr in dich verliebt«, fügte Abby hinzu.
Der Boden unter Claires Füßen schien plötzlich zu schwanken. Sie hielt sich am Stuhl fest. »W-was? H-hast du gerade gesagt …?«
»Ich kann dich nicht heiraten.«
Ein Dröhnen pulsierte durch Claires Ohren. »Das meinst du nicht ernst.«
Abby sah sie mit ernster Miene an. »Doch, leider schon.« Ihre Stimme war leise und zittrig, doch zugleich lag eine unumstößliche Gewissheit in ihrem Ton.
»Aber warum? Hast du eine andere Frau kennengelernt?« Der Gedanke traf sie wie ein Dolchstoß in die Brust.
»Nein. Aber die Hochzeit durchzuziehen, würde uns nur unglücklich machen.«
»Unglücklich?«, wiederholte Claire. Das traf auf die Patienten zu, die zu ihr in Therapie kamen, aber doch nicht auf Abby und sie. »Wie kannst du so etwas sagen? Wir passen perfekt zueinander!«
»Perfekt?« Abby lachte, aber es schwang keine Spur von Humor mit. »Wir sehen einander kaum. Was ist daran perfekt?«
»Nun ja, wir haben beide anspruchsvolle Jobs.«
»Nein, Claire.« Abby schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe einen anspruchsvollen Job. Du hast eine Besessenheit. Ich bin es leid, immer die zweite Geige zu spielen.«
Claire biss sich auf die Lippe. »Ich könnte unserer Bürodame sagen, dass sie in Zukunft meine Sechs-Uhr-Termine nicht mehr vergeben soll. Dann wäre ich eine Stunde früher zu Hause.«
Abbys verschlossene Körperhaltung öffnete sich nicht. Ihre Arme waren so fest über ihrer Brust verschränkt, dass Claire sich fragte, wie sie überhaupt atmen konnte. »Das wird auch nicht helfen. Selbst, wenn du zu Hause bist, hörst du nicht auf zu arbeiten. Du machst eine Menge Dinge, die nicht zwingend notwendig sind. Wenn du nicht gerade an deinem Buch arbeitest, nimmst du deine Podcasts auf oder du planst dein nächstes Seminar. Andere Psychologinnen machen das alles nicht.«
»Ja, aber andere Psychologinnen möchten auch nicht eines Tages das Therapiezentrum übernehmen. Wenn ich mir einen Namen machen möchte, reicht es nicht, nur Therapiesitzungen anzubieten.« Claire versuchte, nicht zu defensiv zu klingen, hatte aber das Gefühl, dass sie kläglich scheiterte. »Aber jetzt habe ich das Buch fertig und nichts hält uns davon ab, mehr Zeit miteinander zu verbringen.«
Abby seufzte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt noch will. Selbst in deinem Privatleben planst du alles bis ins letzte Detail.« Sie zeigte in Richtung des Büfetts. »Das ist ermüdend.«
Die Aussage und Abbys Tonfall trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht. Claire zuckte zurück. »Ich versuche doch nur, uns ein gemütliches Zuhause zu gestalten.«
»Das funktioniert für mich aber nicht, Claire. Ich will dich nicht verletzen, aber es funktioniert einfach nicht.«
»Und das fällt dir jetzt ein, fünf Minuten vor unserer Verlobungsfeier? Wenn du Zweifel an uns hast, warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen, als ich dir den Antrag gemacht habe?«
»Das wollte ich ja. Wirklich. Aber …« Abby zuckte mit den Schultern und starrte ins Leere. »Ich wusste einfach nicht, wie ich es ansprechen sollte, deshalb habe ich versucht, es zu ignorieren, und gehofft, dass es von alleine besser wird.«
Es klang wie ein schlechter Witz. Sie war eine erfolgreiche Paartherapeutin, die Seminare über Kommunikation in Beziehungen hielt, und ihre Verlobte konnte nicht einmal mit ihr reden?
Claire starrte auf den Drei-Karat-Ring an Abbys Finger, dann auf den Ring, den Abby ihr wenige Wochen nach ihrem Antrag gekauft hatte. Es kam ihr alles wie ein Albtraum vor. Jeden Moment würde sie aufwachen und dann würden Abby und sie gemeinsam über diesen albernen Traum lachen.
»Okay, du hast also Zweifel.« Sie schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an. »Aber das ist noch lange kein Grund, alles hinzuwerfen. Vielleicht bist du nur nervös wegen der Hochzeit oder gestresst von all den Vorbereitungen für die Party. Jede Beziehung macht mal solche Krisen durch.«
Genau das sagte sie ihren Patienten, doch sie hätte nie geglaubt, dass sie selbst eines Tages in eine solche Krise geraten würde. Es hatte nicht die geringsten Anzeichen dafür gegeben. Oder hatte Claire sie nur nicht sehen wollen?
»Wir bekommen das hin.« Sie versuchte, Abby zu berühren, aber diese zog ihren Arm weg. »Wir könnten in Paartherapie gehen. Ich bin sicher, Renata könnte uns eine gute Thera…«
»Nein. Du würdest nur der Therapeutin vorschreiben, wie sie ihren Job zu tun hat. Das ist das Letzte, was wir brauchen.«
»Das würde ich nicht tun.«
Abby schnaubte. »Doch, würdest du. Es ist Schluss, Claire. Ich werde gleich morgen früh ausziehen.«
Schluss. Ausziehen. Die Worte hallten durch Claires Kopf und füllten jeden Winkel ihres Seins, wo noch vor wenigen Minuten Glück und Vorfreude geherrscht hatten.
Es klingelte an der Tür.
Claire erwachte aus ihrer Erstarrung. Unsere Gäste! Sie presste beide Hände auf ihren Mund. »Oh Gott! Was sollen wir bloß unseren Freunden und Kollegen erzählen? Und meinen Eltern?«
»Du bist diejenige, die sich darum schert, was die Leute denken. Dir wird schon etwas einfallen.« Abby schob sich an ihr vorbei und verließ die Küche. An der Bar blieb sie kurz stehen und leerte ein Glas Champagner.
Claire sank auf den Stuhl und starrte ihr nach.
KAPITEL 2
Zwei Monate später
Als ihr Handy klingelte, sah Claire von der Patientenakte auf. Seit zwanzig Minuten starrte sie auf denselben Satz hinab, ohne auch nur ein Wort zu begreifen. Es kam ihr vor, als hätte sie seit zwei Monaten nichts anderes getan, als zu starren: erst auf die Umzugshelfer, die die Kartons mit Abbys Hab und Gut an ihr vorbeigetragen hatten, dann auf Abby, als diese ihr den Schlüssel und ihren Verlobungsring zurückgegeben hatte, und schließlich auf Abbys Foto auf dem Schreibtisch. Noch immer hatte sie sich nicht dazu durchringen können, das gerahmte Bild zu entfernen.
Ihr Handy klingelte erneut.
Sie straffte die Schultern. Komm schon. Nimm ab. Womöglich war es ein Patient, der Hilfe brauchte. Doch ein Blick aufs Display zeigte, dass es Mercedes war, ihre Freundin und Agentin.
Na toll. Mercedes war beruflich viel auf Reisen und deshalb hatten sie seit einer Weile nicht miteinander gesprochen. Nicht, seit Abby die Verlobung gelöst hatte. Hatte Mercedes nun, da sie aus Europa zurück war, von ihrem Beziehungsaus gehört?
Eine Sekunde lang zog Claire in Betracht, nicht abzunehmen. Sie wollte ihre gescheiterte Beziehung vergessen und nicht erneut jemandem die schmerzhaften Einzelheiten erzählen müssen. Doch sie war erwachsen und musste sich der Situation stellen. Zögernd hob sie das Handy ans Ohr. »Hallo, Mercedes.«
»Rate mal, was es Neues gibt?«
Claire war nicht in der Stimmung für Ratespielchen, aber sie war daran gewöhnt, ihre eigenen Gefühle im Zaum zu halten. Geduldig sagte sie: »Du hast im Lotto gewonnen und ziehst nach Hawaii.«
Mercedes schnaubte. »Schön wär’s. Nein, das ist es nicht, aber ich habe trotzdem gute Nachrichten.«
»Die kann ich dringend gebrauchen«, murmelte Claire und fügte dann lauter hinzu: »Was ist passiert?«
»Erinnerst du dich noch an den Verlag, an den ich dein Manuskript geschickt habe?«
Claire umklammerte das Handy fester. »Sie wollen es veröffentlichen?«
»Es ist noch keine feste Zusage, aber das Exposé und die ersten fünf Kapitel haben ihnen sehr gefallen. Wenn wir es geschickt anstellen, hast du den Verlagsvertrag so gut wie in der Tasche.«
»Wow, das ist … wow!« Seit zwei Jahren arbeitete sie schon daran, ihr Buch zu schreiben und zu veröffentlichen. Jetzt war es endlich fast so weit. Wenigstens etwas in ihrem Leben lief richtig. »Wie geht es jetzt weiter?«
»Wie sieht dein Terminkalender in der letzten Juniwoche aus? Ms. Huge, die Lektorin, die für die Auswahl von Ratgebern zuständig ist, möchte den Rest des Manuskripts lesen und dich dann kennenlernen. Es wäre prima, wenn du dir ein paar Tage freinehmen könntest, um nach New York zu fliegen.«
Claire griff nach ihrem Terminkalender und blätterte zur richtigen Seite. Bis Ende Juni waren es noch fast zwei Monate. Das würde ihr ausreichend Zeit geben, all ihre Termine zu verschieben. »Das lässt sich machen.«
»Gut. Dann werde ich Ms. Huge wissen lassen, dass du und Abby euch gern mit ihr treffen werdet. Mal vorausgesetzt, dass Abby sich auch ein paar Tage freinehmen kann.«
»Klar.« Dann wurde ihr bewusst, was sie eben gesagt hatte. »Ähm, wieso denn Abby?«
»Ms. Huge sagte, sie freut sich darauf, dich und deine Verlobte kennenzulernen.« Mercedes lachte. »Ich schätze, sie will die Frau kennenlernen, die dich dazu inspiriert hat, ein Buch über die Geheimnisse eines glücklichen Liebeslebens zu schreiben.«
Claire nahm ihre Brille ab und massierte ihre Nasenwurzel. Sie starrte auf das leicht verschwommene Foto von Abby, die sie aus dem Bilderrahmen heraus anlächelte. »Ähm, da gibt es leider ein Problem. Abby und ich …« Sie atmete durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Egal, wie oft sie es jemandem erzählte, es wurde nicht leichter. »Wir haben die Verlobung gelöst.«
Ein Keuchen drang durch die Leitung. Dann trat für einen Moment Stille ein.
»Was hast du eben gesagt?«
Claire weigerte sich, es zu wiederholen. Es einmal auszusprechen, war schon schwer genug.
»Himmel, Claire! Wann ist das denn passiert? Vor nicht einmal zwei Monaten, als ich in London war, habt ihr noch eine Verlobungsfeier abgehalten!«
»Äh, ja, um die Zeit herum ist es passiert.«
»Warum hast du mir das nicht früher erzählt?«
»Ich schätze, ich war noch nicht so weit, darüber zu reden.« Bisher hatte sie nur ihrem engsten Umfeld davon erzählt.
»Das tut mir schrecklich leid.« Mercedes stöhnte. »Verdammt. Vermutlich springt der Wunschbrunnenverlag ab, sobald sie davon hören.«
»Wie bitte? Aber das ändert doch nicht das Geringste!«
»Es ändert alles. Im Sachbuchbereich sind die Autorin und ihre Vermarktungsfähigkeit genauso wichtig wie der Inhalt des Buches. Du hattest Glück, dass sie mit keiner Wimper gezuckt haben, weil du lesbisch bist. Aber wenn sie herausfinden, dass du single bist, werden sie nicht glücklich sein.«
»Dann sagen wir ihnen einfach, dass ich mich für eine Weile ganz meiner Karriere und dem Buch widmen will. Was ist denn schlimm daran?«
»Nichts – wenn du ein Buch über Karriereziele veröffentlichen wolltest. Aber letztes Jahr habe ich dem Verlag ein richtig gutes Manuskript über Kindererziehung angeboten. Es war so ziemlich das Beste, das ich zu dem Thema je gelesen habe. Aber sie haben es abgelehnt, nur weil die Autorin selbst keine Kinder hatte. Es geht ihnen um Glaubwürdigkeit. Wie können sie von ihren Lesern erwarten, dass sie ein Buch über erfolgreiche Beziehungen kaufen, wenn die Autorin nicht einmal selbst in einer glücklichen Beziehung ist?«
Claire schnappte nach Luft und rieb sich die Brust. Das war der Haken an der Sache. Als Abby die Verlobung gelöst hatte, hatte sich mehr als nur Claires Beziehungsstatus geändert. Nun war ihr Leben ein Trümmerhaufen.
Das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge, bis Mercedes sich räusperte. »Es tut mir leid.«
»Gibt es denn gar nichts, was wir tun könnten?« Der Traum vom eigenen Buch war in greifbarer Nähe gewesen und sie war nicht bereit, zuzusehen, wie er sich, genau wie ihre Beziehung, in Rauch auflöste.
»Wenn du nicht gerade eine Ersatzverlobte irgendwo herumliegen hast, dann ist der Zug wohl abgefahren.« Mercedes hielt inne. »Oh, Moment mal! Das könnte sogar funktionieren!«
»Was könnte funktionieren?«
»Wenn wir jemanden finden, der mit dir nach New York fliegt und vorgibt, deine Verlobte zu sein …«
Claire schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt.«
»Ich dachte, Psychologinnen dürfen solche Ausdrücke nicht verwenden?«
»Für deinen verrückten Vorschlag würde die APA eine Ausnahme machen. Mal im Ernst, Mercedes! Wie sollten wir überhaupt eine Frau finden, die sich auf so etwas einlassen würde? Eine Annonce in der Zeitung schalten? Scheinverlobte gesucht, Erfüllung ehelicher Pflichten nicht nötig.«
»Nein«, sagte Mercedes. »In einer solch delikaten Situation würde ich nicht mit Amateuren arbeiten. Wir würden einen Profi dafür bezahlen.«
»Du willst, dass ich ein Callgirl miete?«, platzte es aus Claire heraus. Ups. Sie presste eine Hand auf den Mund und schielte zur Tür. Hoffentlich hatte niemand im Empfangsbereich des Therapiezentrums sie gehört. Gerüchte darüber, dass sie Callgirls bezahlte, konnte sie nicht auch noch gebrauchen.
»Nicht die Art von Profi«, sagte Mercedes. »Wir sind in L.A., der Stadt des Smogs und der arbeitslosen Schauspielerinnen. Ich wette, wir würden eine finden, die die Rolle deiner Verlobten spielen würde.«
Einen Moment lang war Claire versucht, auf den Vorschlag einzugehen. Eine rein geschäftliche Partnerschaft mit klaren Rollen und Erwartungen war so viel einfacher als eine richtige Beziehung. Aber wahre Chemie zwischen zwei Menschen konnte man nicht vortäuschen. Darauf würde niemand hereinfallen. Und selbst wenn doch, so wäre es vollkommen unethisch. »Nein, es würde nicht funktionieren.«
»Mit der richtigen Person schon. Vertrau mir.«
Vertrau mir, wiederholte Claire in Gedanken. Das war genau das Problem. Sie konnte niemandem mehr vertrauen, nicht einmal ihrem eigenen Urteilsvermögen. Besonders nicht ihrem eigenen Urteilsvermögen.
»Nein«, sagte sie erneut. »Ich schätze, wir werden das Manuskript an andere Verlage schicken müssen.«
Es klopfte an der Tür und Tanya, die Verwaltungsassistentin des Therapiezentrums, streckte den Kopf in Claires Büro. »Dr. Renshaw, Ihre nächsten Klienten sind da.«
Claire nickte ihr zu. »Sagen Sie ihnen bitte, sie sollen reinkommen.« Zu Mercedes sagte sie: »Ich muss Schluss machen.«
Zum Glück benötigte sie für ihren Termin mit den Varneys nicht viel therapeutisches Geschick. Die beiden waren seit einem Jahr bei ihr in Therapie und heute war ihre letzte Sitzung.
Claire saß in ihrem Ledersessel und betrachtete das Paar über den Couchtisch hinweg. Welch ein Unterschied zu ihrer allerersten Sitzung! Damals hatten die Varneys an gegenüberliegenden Enden des Sofas gesessen, so weit voneinander entfernt wie nur möglich. Nun hielten sie sich an den Händen.
Normalerweise wäre Claire überglücklich gewesen. Solche Erfolgsmomente waren ein Highlight ihrer Karriere. Aber heute erinnerte es sie daran, dass ihre eigene Beziehung gescheitert war. Warum hatten Abby und sie nicht wie die Varneys für ihre Beziehung gekämpft? Hatte Abby nicht gefunden, dass sie es wert war, dafür zu kämpfen? Tränen brannten in ihren Augen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Mrs. Varney.
Oh Gott, wie unprofessionell!Noch nie hatte sie während einer Sitzung derart die Kontrolle über ihre Emotionen verloren. Sie rang sich ein Lächeln ab, nahm ein Taschentuch aus der Schachtel, die für ihre Klienten auf dem Tisch stand, und fuhr sich damit über die Augen. »Ja, natürlich. Ich freue mich einfach nur so für Sie beide. Sie haben es geschafft. Sie haben es wirklich geschafft.«
»Tja, wir hatten ja auch die beste Therapeutin in L.A., die uns dabei geholfen hat.« Mr. Varney lächelte ihr zu.
Claire schmunzelte. »Danke, aber Sie beide haben all die harte Arbeit selbst gemacht.«
Die Varneys strahlten erst sie, dann einander an.
Ihr glückliches Strahlen schmerzte, aber diesmal hatte Claire sich im Griff und wechselte in den Therapeutinnenmodus zurück. Sie sah zwischen den beiden hin und her. »Was müsste passieren, damit Ihre Beziehung weiterhin so glücklich bleibt wie jetzt?«
Fünfundvierzig Minuten später zeigte die kleine, silberne Uhr auf dem Tischchen neben Claire an, dass die Sitzung sich dem Ende zuneigte. Sie wünschte den Varneys alles Gute für die Zukunft und begleitete sie zur Tür.
Als die beiden das Therapiezentrum verließen, sank sie gegen den Türrahmen und starrte ihnen nach. Himmel, sie musste sich wirklich zusammenreißen und dieses ständige Starren in den Griff bekommen!
»Hallo, Claire.«
Die Stimme neben ihr ließ sie zusammenzucken. Als sie herumwirbelte, sah sie sich so ziemlich der letzten Person gegenüber, die sie sehen wollte: Dr. Vanessa West, eine der neun Psychologinnen des Therapiezentrums und ihre größte Rivalin um die Position der Leiterin, sobald Renata in ein paar Jahren in Rente gehen würde.
Claire setzte ihre professionelle Maske auf. »Hallo, Vanessa.«
Vanessa trat näher und berührte sie am Arm.
Was zum Teufel …? Claire starrte auf die Hand auf ihrem Arm. Was sollte das denn? Vanessa und sie waren alles andere als befreundet.
»Ich habe von deinem Beziehungsaus gehört. Es tut mir leid.«
Vanessa klang aufrichtig, aber Claire grummelte dennoch. Wie hatte Vanessa bloß davon erfahren? Claire wollte nicht, dass jeder im Therapiezentrum davon wusste. Hier sollte sie diejenige sein, zu der andere kamen, wenn sie Hilfe brauchten, nicht diejenige, die das Problem hatte. Sie hatte nicht einmal ein paar Tage freigenommen, damit sie sich zu Hause die Augen aus dem Kopf weinen konnte. »Danke«, sagte sie. »Aber es geht mir gut. Wirklich.«
»Es steht dir zu, ein gebrochenes Herz zu haben, weißt du? Du musst diese Gefühle zulassen.«
Claire mochte es nicht, wenn in dieser Therapeutinnenstimme zu ihr gesprochen wurde. »Das würde ich, wenn ich wirklich ein gebrochenes Herz hätte.«
Vanessa blinzelte. »Du bist wirklich nicht am Boden zerstört? Aber Linda sagte, dass Abby diejenige gewesen sei, die Schluss gemacht hat.«
Na prima. Warum konnte Abbys beste Freundin ihre vorlaute Klappe nicht halten? Musste sie Claire unbedingt vor allen blamieren? Claire versuchte, eine neutrale Miene beizubehalten. »Wir haben uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt und das auch schon vor zwei Monaten. Wir sind beide darüber hinweg.«
Vanessa hob ihre perfekt gezupften Augenbrauen und sah sie mit ihrem allwissenden Therapeutinnenblick an. »Tatsächlich?«
»Ja, tatsächlich«, sagte Claire. »Ich bin inzwischen sogar wieder in einer neuen Beziehung.«
Sie starrten einander an.
Claire war genauso überrascht wie Vanessa. Warum hatte sie das gesagt? Das sah ihr gar nicht ähnlich, aber jetzt konnte sie es nicht wieder zurücknehmen, ohne sich noch mehr zu blamieren. Mit einem Therapeutinnenpokerface hielt sie Vanessas Blick stand.
»Na wenn das so ist«, sagte Vanessa dann. »Ich freue mich für dich. Aber wenn du jemals darüber reden möchtest, lass es mich wissen.«
Da würde eher die Hölle zufrieren, bevor das geschah. Vanessa würde jegliches Anzeichen von Schwäche sofort ausnutzen. »Danke. Aber meine neue Freundin ist eine wundervolle Zuhörerin.«
»Du musst sie mir unbedingt vorstellen.« Vanessa tätschelte Claires Arm. »Bring sie doch mit zu Renatas Party.«
»Äh, ich weiß noch nicht, ob sie Zeit hat. Und jetzt musst du mich entschuldigen. Ich muss vor meinem nächsten Termin noch meine Dokumentation erledigen.« Sie trat in ihr Büro und schloss die Tür zwischen ihnen, bevor sie sich in ihren Bürostuhl sinken ließ.
Gott, was hatte sie sich nur dabei gedacht? Jetzt erwartete Vanessa, dass sie eine völlig in sie vernarrte neue Freundin mit zur Party brachte, doch Claire war noch nicht einmal für ein erstes Date bereit. Sie hatte sich in eine Zwickmühle manövriert, aus der es nur einen Ausweg gab.
Ihr Blick wanderte zu ihrem Handy. Sollte sie Mercedes anrufen und …? Nein. Das war albern. Lächerlich. Gefährlich. Hätte ihr je ein Patient von einem solchen Plan erzählt, dann hätte sie ihm oder ihr definitiv davon abgeraten.
Aber wenn sie nicht bald eine neue Freundin oder sogar Verlobte vorweisen konnte, würde ihr Buch nicht veröffentlicht werden. Aus der erfolgreichen Paartherapeutin würde eine bemitleidenswerte Frau werden, die nicht einmal ihre eigene Beziehung retten konnte, geschweige denn die von anderen Leuten.
Sie griff zum Handy.
Als Mercedes abnahm, gab sich Claire keine Zeit, es sich anders zu überlegen, sondern sagte sofort: »Ich mache es.«
»Äh, du machst was?«, fragte Mercedes.
Abbys blaue Augen schienen sie vom Bild auf ihrem Schreibtisch aus zu beobachten und zu verspotten.
Claire nahm das gerahmte Foto. Sie fuhr mit dem Daumen über die vertrauten Gesichtszüge, aber diesmal brachte es ihr nicht das Gefühl von Sicherheit, so wie es früher gewesen war.
»Was willst du machen?«, fragte Mercedes erneut.
Nach einem letzten kurzen Zögern warf Claire das Bild in den Papierkorb und atmete tief durch. »Mir eine Scheinverlobte zulegen.«
KAPITEL 3
Zwei Tage später sprang Claire aus dem Besucherstuhl in Mercedes’ Büro auf. »Sag das noch mal! Du hast was getan?«
»Ich habe ein Casting ausgeschrieben.«
»Du weißt aber schon, dass du nicht Steven Spielberg bist, oder? Es geht hier um mein Leben, nicht um einen Kinofilm!«
Mercedes hob beschwichtigend die Hände. »Wie lange kennen wir einander nun schon?«
»Seit du Renata dabei geholfen hast, einen Verlag für ihr Buch zu finden, also so ungefähr fünf Jahre, schätze ich.«
»Und in diesen fünf Jahren, habe ich dich je schlecht beraten?« Mercedes fuhr fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Regisseure halten aus gutem Grund Castings ab. Wenn es darum geht, die Rollen in einem Liebesfilm zu besetzen, werden die Schauspieler zu einem Chemietest einbestellt.«
Claire musste sofort an Bunsenbrenner und Reagenzgläser denken. »Chemietest?«
»Ja, du weißt schon. Um zu prüfen, ob die Chemie zwischen den beiden Schauspielern stimmt. Sonst nehmen die Zuschauer es ihnen nicht ab, dass sie Hals über Kopf ineinander verliebt sind.«
Die Chemie hatte bei Filmpaaren wie Bogart und Bacall oder Powell und Loy definitiv gestimmt. Claire nickte. Das ergab Sinn. »Was hast du deinen Kontakten in der Filmbranche erzählt?« Dass du auf der Suche bist nach einer Schauspielerin, die gewillt ist, die Verlobte einer kläglichen Paartherapeutin zu spielen, die nicht einmal ihre eigene Beziehung retten konnte?
»Ich habe so wenig wie möglich gesagt«, antwortete Mercedes. »Nur, dass es ein ganz besonderes Projekt ist, bei dem absolute Diskretion vonnöten ist.«
Diskretion war gut. Claires Anspannung ließ etwas nach. »Wie viele Schauspielerinnen warten da draußen?« Sie zeigte zum Empfangsbereich von Mercedes’ Literaturagentur.
»Heute erst mal nur eine. Wenn es mit der nicht klappt, dann habe ich noch ein paar weitere vielversprechende Kandidatinnen. Aber ich dachte mir, wir sollten den Kreis erst einmal klein halten und mit der Schauspielerin anfangen, die meine Bekannte Jill empfohlen hat.«
»Ist es jemand, den ich kenne?«, fragte Claire.
Mercedes schüttelte den Kopf. »Wenn du sie aus einem Film kennen würdest, dann könnte Ms. Huge oder jemand anderer aus dem Verlag sie ebenfalls erkennen. Wir brauchen jemanden, der zwar Schauspielerfahrung hat, die aber keine bekannte Fernsehgröße ist. Außerdem kannst selbst du es dir nicht leisten, Angelina Jolie anzuheuern.«
»Stimmt.« Claire musterte ihre Agentin aus zusammengekniffenen Augen. »Hast du so etwas schon einmal gemacht?« Normalerweise war Claire immer diejenige, die mit einem detaillierten Schlachtplan an alles heranging, aber diesmal war es Mercedes, die scheinbar an alles gedacht hatte.
»Ein Vorsprechen für eine Scheinverlobte abgehalten?« Mercedes lachte. »Nein. Aber es macht irgendwie Spaß, meinst du nicht?«
»Spaß?« Claires Vorstellung von Spaß war ein Schaumbad und ein Glas Pinot Noir, nicht ein verzweifelter Versuch, die kümmerlichen Überreste ihres Lebens vor weiterem Schaden zu bewahren.
»Ja. Komm schon.« Mercedes klopfte ihr auf den Rücken. »Lass uns gehen und zusehen, wie sie dir schöne Augen macht.«
»Wie bitte?«
»Der Chemietest. Schon vergessen?«
»Oh Gott.« Warum zum Teufel hatte sie sich bloß auf diese verrückte Idee eingelassen?
Seltsam. Lana sah sich im Wartezimmer um und warf dann einen Blick auf die Uhr. Sie war nur wenige Minuten zu früh dran. Wo blieben bloß die anderen Schauspielerinnen? Wenn eine Assistentin ihr nicht gesagt hätte, wo sie warten solle, dann hätte sie womöglich gedacht, sie wäre am falschen Ort.
Normalerweise war sie bei Vorsprechen umgeben von einem Dutzend Schauspielerinnen, die alle wie sie aussahen: füllige Brünette Ende zwanzig, die nervös ihren Text einstudierten und die Konkurrenz beäugten.
Aber diesmal war sie allein im Wartebereich und es gab auch kein Drehbuch zum Einstudieren. Wollte der Besetzungschef, dass sie improvisierte?
Ihre Freundin Jill hatte ihr kaum etwas über diesen Film erzählt. Scheinbar hatte die Person, die Jill von der Rolle erzählt hatte, sich sehr bedeckt gehalten und nur verraten, dass sie eine unkonventionelle Schauspielerin für ein unkonventionelles Projekt benötigten, am liebsten eine lesbische oder bisexuelle Frau.
Vermutlich war es irgendein billiger Indie-Film, von dem noch nie jemand gehört hatte. Aber mittlerweile war Lana nicht mehr wählerisch, was ihre Rollen anging.
Seit ihrem Unfall vor zwei Jahren hatte sie nur eine Leiche in einer Krimiserie gespielt. Mit einer Handvoll Werbespots und ihrem Job im Café konnte sie sich kaum über Wasser halten.
»Ms. Henderson?«
Lana sah auf. »Ja?«
Eine lateinamerikanische Frau um die vierzig stand vor ihr. »Ich bin Mercedes Soto. Danke fürs Kommen.«
»Gern geschehen.« Lana erhob sich und bemühte sich, nicht zu humpeln, als sie der Frau den Gang hinab folgte.
Als sie den Vorsprechraum betrat, fiel ihr sofort auf, dass es keine Kamera und keinen Kameramann gab. Scheinbar sollte das Vorsprechen nicht aufgezeichnet werden. Wie mickerig war das Budget für diese Produktion?
Aber eine schlecht bezahlte Rolle war immer noch besser als gar keine.
Lana umklammerte die Mappe mit ihrem Portraitfoto, ihrem Lebenslauf und der zugegebenermaßen ziemlich bescheidenen Liste ihrer schauspielerischen Erfahrungen. Sie lächelte der einzigen anderen Person im Raum zu. Die Fremde war nur wenige Jahre älter als sie selbst. War sie die Assistentin der Besetzungschefin?
Doch dazu war sie zu schick angezogen. Alles an ihr war elegant: die hochgesteckten blonden Haare, der türkisfarbene Seidenschal, der ihren hellgrauen Augen einen grünlichen Schimmer verlieh, und der figurbetonte Bleistiftrock, der sich um ihre schlanken Hüften schmiegte.
Als die Frau aufstand, um Lana die Hand zu geben, fiel Lanas Blick auf ihre Schuhe. Die Pumps mit mittelhohen Absätzen kosteten vermutlich mehr als Lanas monatliche Wohnungsmiete.
Die Fremde war eindeutig nicht nur eine Assistentin. Vielleicht war sie eine Sponsorin des Films.
Wer sie auch war, ihr Stirnrunzeln hatte nichts Gutes zu bedeuten. Die Frau starrte sie missmutig an. Hatte sie sich einen anderen Typ für die Rolle gewünscht, vielleicht eines dieser superdünnen Klappergestelle? Oder lag es an der Narbe oder an dem Tattoo, das unter dem kurzen Ärmel der Bluse hervorschaute, die sie für das Vorsprechen gekauft hatte?
Lana hielt den Kopf hoch erhoben und sah ihr in die Augen. Diese Einstellung war ihr im Showbusiness schon oft begegnet und sie würde sich auf keinen Fall davon einschüchtern lassen oder deswegen ihr Aussehen ändern.
Als hätte sie Lanas Gedanken erraten, setzte die Frau schnell eine neutrale Miene auf. »Hallo. Ich bin Claire Renshaw.« Ihr Tonfall verriet nicht, was sie dachte, und sie fügte nichts hinzu, was darauf schließen ließ, was sie mit dem Film zu tun hatte.
»Lana Henderson. Schön, Sie kennenzulernen.«
Die Hand der Fremden war schlank und fühlte sich angenehm in ihrer eigenen an, obwohl ihre Finger etwas feucht waren. Warum war sie bloß so nervös? War sie ebenfalls eine Schauspielerin, die zum Vorsprechen hier war?
Lana sah sich um. Kein Drehbuch lag auf dem Tisch. Das war kein Problem. Lana hatte gelernt, mit unerwarteten Situationen zurechtzukommen und zu improvisieren.
»Hier ist Ihr Auftrag«, sagte Ms. Soto. »Überzeugen Sie mich, dass Sie Hals über Kopf in Claire verliebt sind. Es macht Ihnen doch nichts aus, einer Frau, ähm, nahe zu sein, oder?«
Lana lächelte. Endlich war es einmal von Vorteil, lesbisch zu sein. »Nicht im Geringsten.« Eine romantische Szene mit Claire Renshaw zu spielen, war kein großes Opfer. Zwar war sie zu spießig und verkrampft für Lanas Geschmack, doch sie war unzweifelhaft attraktiv. »Irgendwelche besonderen Regieanweisungen?«
»Nein«, sagte Ms. Soto. »Zeigen Sie mir einfach, wie Sie jemanden davon überzeugen würden, dass Sie beide frisch verliebt sind.«
»Na schön.« Lana nahm sich einen Moment, um sich zu sammeln, schob alle Gedanken an ihre Miete und die Rechnungen vom Krankenhaus beiseite und schlüpfte in die Rolle von Claires neuer Flamme. »Claire.« Sie senkte ihre Stimme zu einem verführerischen Raunen.
Claires Blick glitt zu ihr herüber. Eine Falte grub sich auf ihrer glatten Stirn ein.
Oh Mann. Das sieht mehr nach Bauchkrämpfen aus, nicht nach Verliebtheit. Wer immer Claire auch war, sie war keine professionelle Schauspielerin, so viel stand fest. Sie machte Lana ihren Job nicht gerade leicht. Gott, ich hasse es, mit Amateuren zu arbeiten. Aber sie wollte diese Rolle unbedingt, deshalb trat sie einen Schritt näher an Claire heran, bis sie ihre Körperwärme spürte.
Ein unaufdringlicher, frühlingshafter Duft stieg ihr in die Nase. Mmm. Nett. Sie nutzte die instinktive Reaktion ihres Körpers, um glaubhaft zu machen, sie wäre in Claire verliebt, und lehnte sich ihr entgegen.
Unter anderen Umständen hätte Lana vielleicht versucht, den Besetzungschef mit einem heißen Kuss zu überzeugen, aber sie hatte das Gefühl, dass ihr das eine Ohrfeige statt der Rolle eingebracht hätte. Deshalb nahm sie sanft Claires Hand und hob sie zu ihrem Mund.
Claire sah mit großen Augen zu. Ihre Hand hing schlaff in Lanas Griff.
Sie hatte definitiv kein Talent fürs Improvisieren.
Lana drehte Claires Hand herum und ließ ihren Atem über die helle Haut auf der Innenseite ihres Handgelenks gleiten, bevor sie einen Kuss auf den Puls hauchte, der hektisch unter ihren Lippen klopfte.
Ein merkliches Zittern durchlief Claire. »Äh, ich glaube, das reicht jetzt.« Sie zog ihre Hand weg und trat zurück.
Das reicht? Sie hatten noch nicht einmal eine Unterhaltung improvisiert.
»Würden Sie bitte kurz draußen warten?«, fragte Ms. Soto.
Lana strahlte. Sie hatte fast damit gerechnet, dass sie weggeschickt werden würde. Hatte ihre schauspielerische Leistung die Besetzungschefin derart überzeugt, dass sie nun den Hauptdarsteller oder die Hauptdarstellerin des Films hinzurufen würde, um sie zusammen eine Szene spielen zu lassen?
»Natürlich. Ich warte vor der Tür.« Trotz ihres steifen Beins hüpfte sie fast aus dem Raum. In ihrer Vorstellung sah sie bereits, wie ihr Name im Abspann eines Liebesfilms über den Bildschirm rollte.
Mercedes strahlte sie an. »Was meinst du? Sie war perfekt, oder?«
»Perfekt?« Das Wort erinnerte Claire plötzlich an die Unterhaltung, als Abby mit ihr Schluss gemacht hatte. Sie hielt inne und atmete tief durch, um das flaue Gefühl in ihrer Magengrube loszuwerden. »Sie ist ungefähr so wenig perfekt wie es nur geht! Niemand wird auch nur eine Sekunde lang glauben, dass ich mit jemandem wie ihr verlobt sein könnte!«
»Warum? Was stimmt denn nicht mit ihr?«
»Sie ist nicht mein Typ.« Claire mochte Frauen, die erfolgreich, gebildet und zuverlässig waren. Frauen wie Abby. Sie seufzte. Lana Henderson ähnelte Abby nicht im Geringsten. »Hast du das Tattoo gesehen?«
Die kurzen Ärmel der Bluse hatten ein Tattoo enthüllt, das wie ein Greifvogel aussah. Seine Flügel und die langen Schwanzfedern leuchteten in allen Farben des Regenbogens, während der Kopf und der Körper des Vogels rot und orangefarben schimmerten, so als stünde das Tier in Flammen.
»Hast du die Narbe gesehen?«, gab Mercedes leise die Frage zurück.
Claires Ärger verrauchte und sie senkte den Blick. »Ja, habe ich.«
Eine gezackte, rote Narbe verlief horizontal über Lanas linken Arm, direkt über der Armbeuge. Der tätowierte Vogel spreizte seine Flügel darüber und umfasste die Narbe mit seinen Klauen, als wäre sie eine Schlange.
An ihrer Stelle hätte Claire ein Tattoo gewählt, das die Narbe versteckte, statt sie zu betonen. Nicht, dass sie sich je ein Tattoo hätte stechen lassen. Schon gar nicht hätte sie während eines Vorsprechens eine Kurzarmbluse getragen, die die Narbe freiließ.
Warum um Himmels willen hatte Mercedes gedacht, eine Frau wie Lana Henderson würde für die Rolle ihrer Verlobten taugen?
Claire atmete scharf aus. »Hör zu, ich möchte nicht gemein klingen.«
Die Ärmste hatte es nicht verdient, dass man sie so hart beurteilte. Vermutlich war sie nett und obwohl sie nicht Claires Typ entsprach, war sie definitiv hübsch. Sie hatte ein bezauberndes, natürliches Lächeln und wellige, hellbraune Haare. Ihre Stimme war sexy und erinnerte Claire an Lauren Bacall oder eine der anderen sinnlichen Stars aus den Schwarz-Weiß-Filmen, die sie mochte. Hätte sie sich besser gekleidet, hätte Claire sie vermutlich attraktiv gefunden.
»Aber sie ist nicht die Richtige. Wir brauchen eine, die Klasse hat. Himmel, das Etikett ragte noch aus der Bluse, die sie anhatte!«
»Und genau deshalb ist sie so perfekt für die Rolle deiner Verlobten.« Mercedes hielt ihrem Blick stand. »Ohne dich beleidigen zu wollen, Claire, aber du kannst ein wenig einschüchternd auf andere Frauen wirken.«
Claire verschränkte die Arme. »Was soll das denn heißen?«
»Du bist ständig so gefasst. So perfekt. Hast eine stinkreiche Familie, einen Doktortitel von einer teuren Privatuni und ein Haus, das aussieht, als stammte es aus Schöner Wohnen. Damit kann kaum eine Frau mithalten. Wir brauchen eine Frau an deiner Seite, die weniger unnahbar ist. Jemand, mit dem sich deine Leserinnen identifizieren können. Eine Frau mit Kurven, Tattoos und kleinen Kleiderpannen.«
Claire lockerte ihre Abwehrhaltung. »Du bist die Expertin. Aber bitte sag mir, dass du sie wenigstens sorgfältig überprüft hast.«
»Natürlich. Sie hat keinerlei Leichen im Keller. Und Jill sagt, sie ist offen lesbisch. Es wird sich also niemand wundern, wenn sie plötzlich verkündet, dass sie mit einer Frau verlobt ist.«
»Gut, aber das ist es nicht, was mir Sorgen macht.«
»Ich habe alle möglichen Erkundigungen über sie eingeholt, Claire. Wirklich. Sie ist okay. Ich würde dich doch nicht zwingen, mit einer durchgeknallten Massenmörderin zusammenzuziehen.«
Claires Magen krampfte sich zusammen. »Zusammenziehen? Moment mal! Wer hat gesagt, dass wir zusammenziehen?«
»Wenn du alle davon überzeugen möchtest, dass ihr euch liebt und in einer ernsthaften Beziehung seid, dann könnt ihr nicht getrennte Wohnungen haben.«
»Wer sagt, dass wir nicht glücklich miteinander sein können, während wir getrennt leben?«
»Du.« Mercedes öffnete eine Schreibtischschublade und nahm einen Stapel Papier heraus. »Kapitel fünf.« Sie schlug das Manuskript auf, suchte nach der betreffenden Stelle und las dann laut vor: »Schon vor der Ehe zusammenzuziehen, wird Ihnen eine realistische Vorstellung davon vermitteln, welche niedlichen und weniger niedlichen Eigenheiten Ihr Partner mitbringt. Außerdem lernen Sie so, im Alltag als Team zu fungieren.« Sie klatschte das Manuskript vor Claire auf den Schreibtisch. »Das sind deine Worte, Claire. Wenn du möchtest, dass man dich ernst nimmt, dann musst du dich daran halten, was du anderen vorschreibst.«
»Kann ich nicht stattdessen das Kapitel umschreiben?«, grummelte Claire.
Mercedes sah sie nur an.
Oh Gott. Das muss ein Albtraum sein. Claire rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Okay«, sagte sie schließlich. »Ich mache es.«
Mercedes legte das Manuskript in die Schublade zurück. »Dann kann ich ihr also sagen, dass sie die Rolle hat?«
Claire seufzte. Vielleicht war es von Vorteil, eine Frau zu wählen, die nicht ihr Typ war. Wenigstens lief sie dann nicht Gefahr, sich in die Schauspielerin zu verlieben. Es würde eine reine Geschäftsbeziehung sein, mehr nicht. »Ja. Ich schätze, sie muss reichen.«
Lanas Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen, als sie Mercedes Soto zurück in den Vorsprechraum folgte. Oh bitte, bitte, bitte! Sie musterte die beiden Frauen und versuchte, aus ihren Mienen schlau zu werden.
Ms. Soto lächelte sie an, aber Claire sah ungefähr so glücklich aus wie jemand, der gerade zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war.
War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
»Setzen Sie sich doch bitte, Ms. Henderson«, sagte Ms. Soto.
Lana setzte sich neben Claire, während Ms. Soto hinter dem Schreibtisch Platz nahm.
»Bevor wir Ihnen die Details verraten, müssen Sie zunächst dieses Dokument unterschreiben.« Ms. Soto schob zwei Blätter über den Tisch.
Lana konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Heißt das, ich habe die Rolle?«
»Ja.«
Ein Hochgefühl überkam Lana. Fast hätte sie die Hand zur Siegerfaust geballt. »Super.« Sie nickte Claire zu. »Wird sie den anderen Part übernehmen?«
»Das kann man so sagen.«
»Das ist, ähm, wundervoll.« Lana rang sich ein möglichst begeistertes Lächeln ab. »Mit einer Schauspielerin zu arbeiten, die neu im Geschäft ist, ist immer so aufregend.« Sie sah zu Claire und nickte ihr ermutigend zu. »Ich meine, wir haben alle mal klein angefangen. Und keine Sorge, ich kann Ihnen gern Tipps geben. Es sei denn, Sie möchten lieber nicht in einem lesbischen Liebesfilm mitspielen.« Vielleicht war die Nachwuchsschauspielerin deshalb so hölzern gewesen. Sie wandte sich Ms. Soto zu und versuchte, nicht allzu hoffnungsvoll dreinzublicken, als sie sagte: »Dann wäre es natürlich besser, Claires Rolle neu zu besetzen.«
Sobald sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass sie sich womöglich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Schauspielerinnen, die seit zwei Jahren keine wirkliche Rolle mehr ergattert hatten, konnten nicht wählerisch sein, mit wem sie spielten. Was, wenn Claire mit dem Produzenten befreundet war und deshalb die Rolle bekommen hatte?
Claire funkelte sie an. Selbst jetzt wirkten ihre Gesichtszüge noch elegant.
Ms. Soto kicherte. »Ich fürchte, eine Neubesetzung ist keine Option.«
»Ich wünschte, es wäre möglich«, murmelte Claire.
»Kein Problem.« Lana hatte schon zuvor mit untalentierten Schauspielern gearbeitet. Es war besser, als gar keine Arbeit zu haben. »Wo soll ich unterschreiben?«
»Ähm, immer langsam«, sagte Ms. Soto. »Vielleicht möchten Sie die Rolle doch nicht, wenn Sie erst einmal alle Details kennen.«
Warum sollte sie es sich anders überlegen? Rollen für kurvige Schauspielerinnen waren in Hollywood nicht gerade in Hülle und Fülle vorhanden. Sie würde so gut wie jede Rolle annehmen. Es sei denn …
»Es ist doch kein Porno, oder?«
Claire verschluckte sich und begann zu husten. Ihre blassen Wangen färbten sich rot. »Nein! Nichts dergleichen.«
»Ganz im Gegenteil. Der Vertrag hat sogar eine Enthaltsamkeitsklausel«, fügte Ms. Soto hinzu.
Eine Enthaltsamkeitsklausel? Was soll das denn? Es war doch kein christlicher Film, oder?
»Ich erkläre gleich alles. Aber zuerst möchte ich, dass Sie das hier unterschreiben.« Ms. Soto nickte auf die zwei Blätter auf dem Schreibtisch hinab.
Lana beugte sich vor und nahm das oberste Blatt. Sie hatte einen Vertrag erwartet, aber stattdessen lautete die Überschrift Verschwiegenheitserklärung. Sie sah zwischen Ms. Soto und Claire hin und her. Himmel, was für eine Sorte Film wollten sie drehen?
Tja, ich schätze, du wirst es herausfinden, sobald du unterschrieben hast. Sie nahm einen Stift von Ms. Soto entgegen, setzte ihre Unterschrift auf die gepunktete Linie und schob die Erklärung über den Tisch.
Ms. Soto ließ sie in einer Schublade verschwinden. »Möchtest du ihr deine Lage erklären, Claire?«
Claire rieb mit den Händen über ihren schwarzen Rock, als wollte sie unsichtbare Falten ausbügeln. »Ich bin in Wirklichkeit keine Schauspielerin.«
Sag bloß. Lana lächelte. »Das habe ich mir fast schon gedacht. Aber wie gesagt, wir fangen alle mal irgendwo an.«
»Nein, Sie missverstehen mich. Ich habe keinerlei Ambitionen, Schauspielerin zu werden. Ich bin Psychologin.«
»Oh. Es geht also um eine Dokumentation oder um eine Art Reality TV? Bitte sagen Sie mir, ich soll keine Patientin spielen. Denn um ehrlich zu sein, ist das die einzige Couch, die ich um jeden Preis vermeiden möchte. Na ja, das und die Besetzungscouch.« Lana versuchte, es wie einen Scherz klingen zu lassen, aber sie meinte es ernst.
Claire schüttelte den Kopf. »Nein, keine Sorge. Ich möchte nicht, dass Sie meine Patientin spielen.« Sie atmete tief ein und aus, als müsste sie sich wappnen, bevor sie weitersprach. »Ich möchte, dass Sie meine Partnerin werden.«
Einen Moment lang konnte Lana sie nur anstarren. Sollte das ein Witz sein? Dann musste sie lachen. »Sollten Sie mich nicht wenigstens erst mal zum Essen ausführen?«
Ms. Soto kicherte hinter vorgehaltener Hand.
Claire lachte nicht. Sie funkelte Lana an.
»Könnte mir mal jemand erklären, worum es geht?«, fragte Lana.
»Claire versucht, ihren Beziehungsratgeber zu veröffentlichen«, sagte Ms. Soto.
Lana unterdrückte ein Stöhnen. So eine war Claire also. Eine selbsternannte Beziehungsexpertin, die verzweifelte Leute ausbeutete. Leute wie Lanas Mutter. »Und was wäre dabei meine Rolle?«
»Nun, Claires Verlobte hat vor Kurzem mit ihr Schluss gemacht und wenn der Verlag das herausfindet, dann könnte der Vertrag in Gefahr sein. Wenn man ein Buch über glückliche Beziehungen verkaufen will, dann sollte man selbst in einer sein.«
»Klingt sinnvoll.« Lana drehte den Kopf, um Claire anzusehen, die mit beiden Händen die Armlehnen ihres Stuhls umklammerte. »Habe ich das richtig verstanden, Ms. Renshaw? Sie möchten, dass ich Ihre Freundin spiele.«
»Meine Verlobte, genau genommen«, sagte Claire. »Und es muss Dr. Renshaw heißen.«
»Wow. Ich bin nicht sicher, dass ich zu so etwas beitragen möchte.«
»Ich kann Ihre Bedenken verstehen«, sagte Ms. Soto. »Ich meine, es ist eine höchst ungewöhnliche Situation. Sicher haben Sie etwas anderes erwartet, als Sie heute hierher kamen.«
Das war es nicht, was Lana zögern ließ. Wollte sie Claire wirklich dabei helfen, ihren Beziehungsratgeber zu veröffentlichen? Noch ein weiteres Buch, das Frauen wie ihrer Mutter vorgaukelten, sie müssten in einer Beziehung sein und all ihr Geld für Intimitätsworkshops und Lerne-deine-Gefühle-zuzulassen-Wochenenden ausgeben, um glücklich zu sein.
Aber ihrem Vermieter war ihre persönliche Meinung zu solchen Ratgebern sicher egal, wenn sie ihre Miete nicht bezahlen konnte.
»Welche Bezahlung würde ich denn erhalten?«
Ms. Soto nahm ein weiteres Dokument aus der Schublade und schob es ihr hin. »Diese Information befindet sich auf Seite zwei des Vertrags.«
Lana blätterte um und fand sofort die Zahl. Heilige Scheiße. Fünfzigtausend? So viel hatte sie mit ihrer Schauspielerei in den letzten beiden Jahren nicht verdient. Wenn Claire so viel Geld für einen Schwindel wie diesen ausgeben konnte, dann bekamen Psychologen definitiv zu viel Geld.
»Außerdem übernehme ich natürlich alle Kosten für neue Kleidung, die Sie womöglich brauchen«, fügte Claire hinzu.
War das eine abfällige Bemerkung über ihren Kleidungsstil? Lana zog es vor, Claires Worte zu ignorieren. »Was wird für diese Summe von mir erwartet? Wir müssten doch nicht wirklich heiraten, oder?«
Claire riss die Augen auf. »Nein!«
Mann, ganz so schrecklich müsste sie den Gedanken, mich zu heiraten, nicht klingen lassen.
»Nein«, wiederholte Claire leiser. »Ich denke, eine lange Verlobung würde ausreichen. Das wäre in der Tat glaubhaft, denn ich arbeite viel.«
»Von welchem Zeitraum reden wir?«, fragte Lana.
Claire zuckte mit den Schultern. »So lange, bis ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich treffe mich Ende Juni mit der Lektorin. Vermutlich wird es höchstens zwei oder drei Monate dauern. Sobald der Vertrag unterschrieben ist, können wir unauffällig unsere Verlobung lösen.«
Das klang annehmbar. Immerhin hatte sie für die nächsten Monate keine Rollen in Aussicht. »Ich stehe zur Verfügung. Wenn es etwas länger dauert, dann wäre das auch möglich.« Für eine kleine zusätzliche Bezahlung natürlich.
»Sehr schön. Aber ich hoffe, das wird nicht notwendig sein«, sagte Claire.
»Was wären denn meine Pflichten als Ihre Verlobte während dieses Zeitraums? Sie erwarten doch keine Schlafzimmerprivilegien, oder?« Sie setzte ihr schauspielerisches Können ein, um ihrer Stimme einen entsetzten Unterton zu verleihen, als Rache, weil Claire beim Gedanken, sie heiraten zu müssen, so panisch geklungen hatte.
»Nein, natürlich nicht! Es wäre eine reine Geschäftsbeziehung, die nur auf dem Papier besteht, nicht wenn wir allein sind.«
»Außerdem erwarten wir, dass Sie auch sonst mit niemandem schlafen oder ausgehen, während der Vertrag besteht«, fügte Ms. Soto hinzu. »Wir wollen vermeiden, dass jemand denkt, Sie würden Claire betrügen. Wäre das ein Problem?«
»Nicht im Geringsten.« Lana war seit zwei Jahren single und hatte nicht vor, das in nächster Zukunft zu ändern. Sie las sich den Rest des Vertrags durch. Die Enthaltsamkeitsklausel und eine Verfügbarkeit rund um die Uhr waren kein Problem. Dann hielt sie inne und sah auf. »Wir sollen zusammenziehen?«
Claire seufzte. »Sonst nimmt man uns nicht ab, dass wir ein glückliches Paar mit ernsten Absichten sind.«
»Könnten wir kein glückliches Paar sein, das erst nach der Ehe Haus und Bett teilen möchte?«
Ms. Soto lachte. »Ich sehe schon. Ihr zwei werdet euch gut verstehen.«
Lana und Claire sahen einander an.
Claire wirkte genauso wenig überzeugt davon wie Lana selbst. Schließlich sagte Claire: »Es ist ja nicht für lange.« Es klang, als müsste sie vor allem sich selbst Mut zusprechen. »Sie können ausziehen, sobald ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich werde allen erzählen, dass wir Schluss gemacht haben, weil ich gemerkt habe, dass ich doch noch nicht über meine Verlobte … Ex-Verlobte hinweg bin.«
Lana dachte darüber nach. Fünfzigtausend Dollar waren viel Geld und es war eine Rolle, die ihr schauspielerisches Können forderte, auch wenn sie diese nicht in ihrem Lebenslauf aufführen konnte. Sie konnte sogar die Kosten für Strom und Wasser sparen, während sie bei Claire lebte.
Bevor sie es sich ausreden konnte, nahm sie den Kugelschreiber und unterschrieb den Vertrag. »Herzlichen Glückwunsch, Schatz.« Sie klimperte mit den Wimpern. »Wir sind jetzt verlobt.«
KAPITEL 4
Lana legte ihre Rollschuhe in einen Umzugskarton, schloss ihn und sah zu, wie ihre Freundin Jill ihn mit Klebeband versiegelte.
»Wie war das Vorsprechen letzte Woche?«, fragte Jill, als sie einen weiteren Karton packten.
»Eine Katastrophe.« Lana setzte ihre schauspielerischen Fähigkeiten ein, um zu verbergen, dass es kein normales Vorsprechen gewesen war. »Meine Filmpartnerin war so talentiert wie ein Stück Holz und als ich nach Hause kam, merkte ich, dass das Etikett hinten aus der Bluse ragte.«
»Also hast du die Rolle nicht bekommen?«
Lana grunzte nichtssagend.
»Tut mir leid. Ich war mir ganz sicher, dass sie dich nehmen. Die Beschreibung, die mir meine Bekannte gegeben hat, traf genau auf dich zu: eine unkonventionelle Schauspielerin, keines der üblichen Hollywood-Sternchen.«
»Ist schon okay«, sagte Lana. Sie wollte nicht, dass Jill sich schlecht fühlte. »Wenigstens habe ich so mehr Zeit für meine neue Beziehung.«
Jill ließ den Umzugskarton sinken und richtete sich auf. »Weißt du, ich wollte eigentlich nichts sagen. Immerhin dränge ich dich ständig, endlich wieder auszugehen und Frauen kennenzulernen. Aber das ist einfach verrückt.« Sie strich sich eine Strähne ihres roten Haars aus dem Gesicht und betrachtete Lana kopfschüttelnd. »Es ist erst ein paar Tage her, dass du mir zum ersten Mal von dieser Frau erzählt hast, und jetzt zieht ihr schon zusammen! Wie lange kennst du sie überhaupt?«
Lana ignorierte die Frage. »Hey, du und Crash seid auch ziemlich schnell zusammengezogen, oder nicht?«
Jills Partnerin Crash schob sich mit einem weiteren Umzugskarton an ihnen vorbei. »Nicht so schnell, wie ich gern gewollt hätte. Diese wunderschöne Frau war zu sehr damit beschäftigt, uns beide zu überzeugen, dass das zwischen uns nur eine rein sexuelle Sache ohne tiefere Gefühle ist.« Sie blieb hinter Jill stehen und hauchte einen Kuss auf ihren Nacken.
Ein sichtlicher Schauder durchrieselte Jill und sie lehnte sich zurück. »Na ja, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es ein Happy End für uns geben konnte. Aber ich habe mich gern eines Besseren belehren lassen.«
Als Jill sich umdrehte und die beiden sich küssten, sah Lana weg, um ihnen etwas Privatsphäre zu geben.
Schließlich löste sich Crash von Jill und trug den Umzugskarton nach draußen.
Jill fächelte sich mit beiden Händen Luft zu. »Wenn deine neue Freundin wie Crash ist, dann kann ich es dir nicht verdenken, dass du dich Hals über Kopf in sie verliebt hast.«
Sie drehten sich beide um und sahen zu, wie Crash die Wohnung verließ.
Schweiß glänzte auf ihren nackten Armen, die von ihrer Arbeit als Stuntfrau durchtrainiert waren. Crash blickte über die Schulter zurück und warf Jill eines ihrer selbstbewussten, sexy Grinsen zu. In ihren abgewetzten Jeans und dem Tank Top sah sie aus, als gehörte sie nicht einmal zur selben Spezies wie Claire.
»Nein«, sagte Lana. »Sie ist kein bisschen wie Crash. Sie ist …« Vornehm und prüde. »… schwer zu beschreiben.« Sie stieß ein verträumtes Seufzen aus. »Worte können ihr einfach nicht gerecht werden.«
»Hast du ein Bild von Wonder Woman?«
Mist. Daran hätte sie denken sollen, bevor sie Jill von ihrer angeblichen neuen Beziehung erzählt hatte. Sie hatte keinerlei Erfahrung darin, ihre Freundinnen anzulügen. Sie hasste es, sie so in die Irre zu führen, aber sie hatte die Verschwiegenheitserklärung unterschrieben. Falls sie irgendjemandem von ihrer Vereinbarung erzählte, würde Claire sie vermutlich verklagen.
»Sie ist nicht Wonder Woman«, sagte Lana, um sich Zeit zu kaufen.
»Doch. Immerhin hat sie es geschafft, dass du nach Katrina wieder an die Liebe glaubst.«
Lana wollte nicht über ihre Ex sprechen, deshalb zog sie ihr Handy aus der Hosentasche. Therapeutinnen wie Claire hatten doch sicher eine Webseite, oder? Sie tippte Claire Renshaw, Paartherapeutin in die Suchmaschine.
Volltreffer! Da war sie.
Claire trug einen Hosenanzug in Pastelltönen und sah lächelnd in die Kamera. Sie wirkte wie eine einfühlsame, aber distanzierte Therapeutin.
Lana überflog den Text auf ihrer Webseite. Claire – oder vielmehr Dr. Renshaw – hatte so viele Titel und akademische Grade, dass sie vermutlich ihr Büro mit den Diplomen tapezieren konnte. Sie hatte einen Einser-Abschluss von der University of Southern California, einer Uni, die Lana sich nie hätte leisten können, selbst wenn sie an einem Studium interessiert gewesen wäre.
Jill setzte sich auf einen Umzugskarton und zog Lanas Hand nach unten, sodass sie das Display sehen konnte. »Ist sie das?«
»Ja, das ist Claire.«
Jill betrachtete das Bild und stieß einen bewundernden Pfiff aus. »Sie ist heiß. Na ja, zumindest, wenn man auf Frauen steht, die ein wenig …«
»… reserviert und hochnäsig sind?« Lana lachte.
»Äh, ja, so ähnlich. Das soll aber keine Beleidigung sein.«
»Kein Problem. Ich weiß, sie ist eigentlich nicht mein Typ, aber …« Lana zögerte und suchte nach einer glaubhaften Ausrede.
»Tja, manchmal ist die Person, von der wir es am wenigsten erwarten, genau das, was wir brauchen«, sagte Jill sanft. Ihr Blick war auf die Tür gerichtet.
Lana unterdrückte ein Schnauben. Claire Renshaw hatte ganz bestimmt nichts, was sie brauchte. Von ihrem Geld mal abgesehen. »Ich schätze, du hast recht.«
Jill drehte den Kopf und sah sie an. Ihre grünen Augen schienen Lana zu durchbohren. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein?«
»Vielleicht, weil du eine Frage mit einer Frage beantwortest? Meine Therapeutin nennt das ein Ablenkungsmanöver.«
»Du hast eine Therapeutin? Ausgerechnet du?« Jill wirkte wie eine unerschütterliche Optimistin. Als sie einander vor vier Jahren am Set einer Fernsehserie kennengelernt hatten, war Lana sofort von Jills ständig guter Laune beeindruckt gewesen. Auch nach einem anstrengenden Vierzehn-Stunden-Tag am Set hatte Jill noch Witze gemacht.
Jill betrachtete ihre Turnschuhe. »Du weißt doch, wie es in Hollywood zugeht. Vorsprechen sind kein Zuckerschlecken fürs Selbstvertrauen, selbst für kerngesunde Schauspielerinnen. Aber wenn man dann auch noch MS hat …«
Sie sprach nicht weiter. Es war nicht nötig.
Lana berührte die Narbe an ihrem Arm.
In stillem Verstehen sahen sie einander an.
Dann erhob sich Jill von ihrem Umzugskarton. »Dann lass uns mal den Rest einpacken.« Sie hielt inne. »Oh, was ist mit deinen Möbeln? Die passen nicht in Crashs Geländewagen.«
»Ähm.« Lanas Gedanken überschlugen sich. Sie konnte ihrer Freundin nicht sagen, dass sie nur für zwei Monate auszog. Ihrer Mitbewohnerin hatte sie gesagt, dass sie für ein paar Wochen wegen einer Rolle weg sein würde, was irgendwie ja auch der Wahrheit entsprach. »Das meiste habe ich an meine Mitbewohnerin verkauft. Ich brauche es nicht mehr. Claire hat ein Bett und alles andere, was ich brauche.«
Jill grinste. »Kann ich mir vorstellen.« Als Lana sie in die Hüfte kniff, lachte sie nur. »Komm. Je schneller wir die Kartons gepackt haben, desto eher kannst du uns Wonder Woman vorstellen.«
Oh Mist. Lana wollte ihre Freundinnen nicht in dieses Lügentheater mit hineinziehen, aber sie konnte sich nicht weigern, sonst würde Jill Verdacht schöpfen.
Sie konnte nur hoffen, dass Claires Improvisationstalent sich seit letzter Woche verbessert hatte. Scheinbar würden sie ihre schauspielerischen Fähigkeiten früher als gedacht auf die Probe stellen müssen.
Lana lebte schon seit über zehn Jahren in L.A., doch in diesem Teil der Stadt war sie noch nie gewesen. Bisher hatte sie auch keinen Grund gehabt, sich in einem so vornehmen Viertel aufzuhalten. Palmen und elegante Villen säumten die Straße. Ihr in die Jahre gekommener VW Golf passte nicht zu all den BMWs, Audis, Bentleys und anderen Luxusschlitten, die am Straßenrand geparkt waren.
Sie blickte auf ihr Handy, das auf dem Beifahrersitz lag, um sicherzugehen, dass sie vor dem richtigen Haus stand.
Ja, das war die Adresse, die Claire ihr geschickt hatte.
Lana spähte durch das Seitenfenster.
Hinter einem frisch gemähten Rasen lag eine einstöckige Villa im spanischen Baustil. Die rotbraunen Terrakottafliesen auf der überdachten Veranda glänzten im Licht der Nachmittagssonne und ließen die schneeweißen Wände noch weißer wirken. Säulen flankierten die Eingangstür.
Wow. Vielleicht war die Gemeinsamer-Haushalt-Klausel im Vertrag doch nicht so schlimm, wenn sie dafür in einem solchen Haus leben durfte. Es war allemal besser als die winzige Wohnung, die sie sich mit ihrer Mitbewohnerin teilte.
Lana atmete tief durch und stieg aus.
Crash stieß einen Pfiff aus, als sie aus ihrem mitternachtsblauen Geländewagen kletterte. »Wow! Sieht so aus, als hätte Lana sich eine Sugar-Mama geangelt!«
»Crash!« Jill ging um den Geländewagen herum und schlug ihr spielerisch auf die Schulter.
Lana sagte nichts. Crashs scherzhafte Bemerkung war gar nicht so falsch, denn immerhin bezahlte Claire sie tatsächlich. Aber nun war es für Skrupel zu spät. Wie man sich bettet, so liegt man. Hoffentlich nur im übertragenen Sinn. Soweit sie Claire verstanden hatte, würden sie getrennte Schlafzimmer haben.
Jede nahm einen Umzugskarton und trug diesen den gefliesten Weg entlang. Lana übernahm die Führung. Sie sah sich nicht groß um, damit sie den Eindruck erweckte, dass sie schon hundert Mal hier gewesen war.
Wäre dem so gewesen, dann hätte sie gewusst, dass die Sprinkleranlage um diese Zeit angestellt wurde.
Ein zischendes Geräusch warnte sie, aber mit dem Umzugskarton in den Armen konnte sie dem Strahl nicht rechtzeitig entkommen. Wasser durchtränkte ihr T-Shirt und den Karton. Einen Moment lang stand sie erstarrt da. Als der nächste Strahl sie traf, stieß sie ein Quieken aus und rannte die drei Stufen zur Veranda hinauf.
Wasser tropfte auf die Fliesen. Sie schüttelte sich. »Das ist ja eine schöne Begrüßung!«
Lachend gesellten sich Jill und Crash zu ihr auf die Veranda.
Lana hielt den Umzugskarton mit einer Hand gegen ihre Brust gedrückt, während sie mit der anderen den Klingelknopf drückte. Sie hoffte, dass ihre Finger nicht zitterten.
»Hast du keinen Schlüssel?«, fragte Jill.
»Äh, nein, noch nicht.«
Die Tür schwang auf.
Claire war fünf Zentimeter kleiner als Lanas eins fünfundsiebzig, aber da eine weitere Stufe ins Haus führte, hatte Claire einen Höhenvorteil. Sekundenlang starrte sie auf Lana und ihr durchnässtes T-Shirt herab, als würde Lana ein Paket ausliefern, das sie nie bestellt hatte.
Lana schenkte ihr ein oscarreifes verliebtes Lächeln. »Hallo, Schatz.«
»Äh, hallo.« Claires Blick glitt über Lana.
Bildete sie sich das nur ein oder verweilte ihr Blick einen Moment lang auf ihren Brüsten?
Lana schielte über ihre Schulter zu Jill und Crash. Es war wohl an der Zeit, ihre Schauspielkünste auszutesten. Sie setzte den Karton ab und schlang in einer zärtlichen Umarmung die Arme um Claire.
Claires schlanker Körper versteifte sich, sodass Lana beschloss, dass es besser war, sie nicht auch noch zu küssen. Wenn sie sich eine Ohrfeige einhandelte, wäre die Illusion von ihnen als Paar ein für alle Mal zerstört. Aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich eng an Claire zu pressen – nicht weil es sich erstaunlich gut anfühlte, sondern vor allem, um Claires Bluse nass zu machen, als Strafe dafür, dass sie nicht besser mitspielte.
Als Lana sie losließ, trat Claire zurück und zupfte an ihrer nun feuchten Bluse. »Du bist vollkommen nass. Was ist passiert?«
Lana konnte nicht widerstehen. Es machte einfach zu viel Spaß, die verkrampfte Claire zu necken. Mit einem schelmischen Lächeln beugte sie sich vor und flüsterte gerade so laut, dass Jill und Crash es noch hören konnten: »Das passiert jedes Mal, wenn ich in deiner Nähe bin.«
Claire kniff die Augen zusammen. Ihre Lippen zuckten. Es sah mehr nach einem nervösen Leiden als nach einem Lächeln aus.
Oh Mann. Wenn sie nicht lockerer wird und lernt, mitzuspielen, dann können das lange zwei oder drei Monate werden!
Zum Glück räusperte sich Jill, bevor das Schweigen sich in die Länge ziehen konnte. »Deine Sprinkleranlage hat wohl gedacht, unsere verknallte Freundin hier könnte eine kleine Abkühlung gebrauchen.« Sie trat neben Lana und musterte Claire. »Du bist also Wonder Wom… Ich meine, du bist also Claire. Ich bin Jill und das ist meine Partnerin Kristine. Aber auf den Namen hört sie nicht. Du solltest sie lieber Crash nennen.«
Claires Augenbrauen wölbten sich, aber sie sagte nichts zu diesem Spitznamen. »Schön, euch kennenzulernen.«
»Ich würde dir ja die Hand geben, aber …« Jill nickte auf den Umzugskarton in ihren Armen hinab.
»Oh. Tut mir leid. Kommt doch bitte rein.« Claire trat beiseite, um sie ins Haus zu lassen.
Lanas nasse Turnschuhe quietschten über die beigefarbenen Fliesen. Der Flur ging in ein geräumiges Wohnzimmer über, an das sich ein Esszimmer anschloss.
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zu der hohen, gewölbten Decke. Ein Oberlicht und zwei riesige, bogenförmige Fenster ließen das Wohnzimmer noch größer wirken, als es ohnehin schon war. Eine weinrote Ledercouch und ein Sessel in derselben Farbe waren einem großen Flachbildfernseher zugewandt, der an der Wand montiert war. Zwei Bücherregale standen zu beiden Seiten des offenen Kamins und eine Glasschiebetür führte hinaus in den Garten.
Irgendwie schien dieses helle, großzügig geschnittene Haus nicht so recht zu Claire zu passen. Diese stand steif daneben, während ihre Gäste das Wohnzimmer betrachteten.
Ups. Lana bemerkte, dass sie nicht sonderlich gut darin war, die unbeeindruckte Freundin zu spielen, die das Haus bereits gut kannte. Zum Glück waren Jill und Crash abgelenkt und hatten es nicht bemerkt.
Während sie so tat, als wäre sie damit beschäftigt, den Umzugskarton abzustellen, sah Lana sich weiter um. Mann, hier war es so sauber und aufgeräumt wie in einem Museum. Lediglich einige Ausgaben der Zeitschrift für Paartherapie lagen auf dem Couchtisch.
Mit einem ihrer flachen Gucci-Schuhe schob Claire den durchnässten Umzugskarton aus dem Wohnzimmer und auf die Fliesen im Eingangsbereich. »Würde es dir etwas ausmachen, die Schuhe auszuziehen?« Sie deutete auf Lanas Turnschuhe, die Wassertropfen auf dem glänzenden Parkett hinterließen.
»Oh. Klar. Tut mir leid.« Lana schlüpfte aus ihren nassen Schuhen und stellte sie neben den Umzugskarton. »Ich sollte mich umziehen gehen.« Sie sah sich suchend um. Wo zum Teufel war das Bad? Und wo war ihr Schlafzimmer?
»Am besten komme ich mit, dann können wir, ähm, uns unter vier Augen hallo sagen«, meinte Claire.
Lana grinste. Vielleicht war Claire ja doch kein hoffnungsloser Fall, was diese ganze Scharade anging. »Gute Idee, Schatz.« Zu Jill und Crash sagte sie: »Wisst ihr, sie ist etwas schüchtern, was Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit angeht.«
Claire warf ihr einen bösen Blick zu. »Wenn ihr uns bitte kurz entschuldigen würdet. Stellt die Kartons einfach irgendwo ab und macht es euch bequem. Wir sind gleich wieder da.« Sie griff nach Lanas Hand und zog sie hinter sich her.
Sobald sich die Tür des Gästezimmers hinter ihnen geschlossen hatte, ließ Claire Lanas Hand los.
Wie konnte ein Spritzer Wasser von der Sprinkleranlage sie derart durchnässen? Claire hoffte, dass ihre Scheinverlobte nicht immer so tollpatschig war, sonst würde sie Claire vor ihren Kollegen und den Leuten des Verlags blamieren. Ihre Haare klebten an ihrem Kopf, sodass sie wie ein nasser Pudel wirkte.
