App in den Himmel - Interview mit einem User - Lele Frank - E-Book

App in den Himmel - Interview mit einem User E-Book

Lele Frank

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Beschreibung

Amelie ist eine echte Berufs-Wiedereinsteigerin. Vor mehr als zwanzig Jahren, hatte sie als Journalistin, bei einer Demonstration, einen Polizeiknüppel zu spüren bekommen. Die Platzwunde, die sie am Kopf davon getragen hatte, war aber nicht ausschlaggebend dafür, dass sie sich aus diesem Metier verabschiedet hatte, nein. Es war die grenzenlose Ungerechtigkeit, mit der sie sich nicht arrangieren konnte. Zwar hatte man den Polizisten ausfindig gemacht-, er konnte aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Der Staat stellte ihm einen rabiaten, gewieften Anwalt zur Seite. Sie hatte keine Chance. Amelie beschloss Hausfrau und Mutter zu werden, und nebenher, als Kolumnistin bei einer Frauenzeitschrift, ein paar Euros dazuzuverdienen. Heute war die Ehe längst geschieden, der Sohn aus dem Haus, und Amelie wagte einen zweiten Anlauf. Diesmal aber ließ sie die Finger von der Politik. Dafür fühlte sie sich zu alt, um auf diesem Parkett noch einmal Fuß zu fassen. Sie rechnete zwar nicht damit, dass man sich um sie reißen würde, bekam aber den ausgeschriebenen Job bei einer kleinen Berliner Zeitung. Zwei Wochen ist sie erst in der Redaktion, und muss mit einem großen Satz ins kalte Wasser springen. Der Kollege, der das Interview mit diesem Spinner führen sollte, hatte einen Autounfall, und lag mit einer gebrochenen Schulter in der Charité. Die anderen Kollegen waren alle schon verplant, Amelie musste also ran, ob sie selbst wollte, oder nicht. Ein verwirrter Computerjunkie sollte interviewt werden. Und …, dummerweise war er der Sohn von einer sehr bekannten Politgröße aus der Regierung. Er erzählte Unfassbares. Perfides.

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Seitenzahl: 246

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Lele Frank

App in den Himmel

„Interview mit einem User“

Buch 14

Das Buch

Amelie ist eine echte Berufs-Wiedereinsteigerin. Vor mehr als zwanzig Jahren, hatte sie als Journalistin, bei einer Demonstration, einen Polizeiknüppel zu spüren bekommen. Die Platzwunde, die sie am Kopf davon getragen hatte, war aber nicht ausschlaggebend dafür, dass sie sich aus diesem Metier verabschiedet hatte, nein. Es war die grenzenlose Ungerechtigkeit, mit der sie sich nicht arrangieren konnte. Zwar hatte man den Polizisten ausfindig gemacht-, er konnte aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Der Staat stellte ihm einen rabiaten, gewieften Anwalt zur Seite. Sie hatte keine Chance. Amelie beschloss Hausfrau und Mutter zu werden, und nebenher, als Kolumnistin bei einer Frauenzeitschrift, ein paar Euros dazuzuverdienen. Heute war die Ehe längst geschieden, der Sohn aus dem Haus, und Amelie wagte einen zweiten Anlauf. Diesmal aber ließ sie die Finger von der Politik. Dafür fühlte sie sich zu alt, um auf diesem Parkett noch einmal Fuß zu fassen. Sie rechnete zwar nicht damit, dass man sich um sie reißen würde, bekam aber den ausgeschriebenen Job bei einer kleinen Berliner Zeitung. Zwei Wochen ist sie erst in der Redaktion, und muss mit einem großen Satz ins kalte Wasser springen. Der Kollege, der das Interview mit diesem Spinner führen sollte, hatte einen Autounfall, und lag mit einer gebrochenen Schulter in der Charité. Die anderen Kollegen waren alle schon verplant, Amelie musste also ran, ob sie selbst wollte, oder nicht. Ein verwirrter Computerjunkie sollte interviewt werden. Und …, dummerweise war er der Sohn von einer sehr bekannten Politgröße aus der Regierung. Er erzählte Unfassbares. Perfides.

App in den Himmel

„Interview mit einem User“

Lele Frank

Impressum

© 2015 Lele Frank

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-6488-5

Printed in Germany

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

“Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, dann gibt es keine Hoffnung für sie.“

Albert Einstein (14. März 1879 – 18. April 1955)

„Rezi,hieß er für alle aus der Branche. Reziist Redaktionschef, und ein unbeliebter Kolleriger,so,wie er im Buche stand. Im richtigen Leben hieß er allerdings Detlef. Er hasst diesen Namen wie Galle. Er duldete allein deswegen, diesen absurden Spitznamen, der ihn als Klugscheißer abstempelte. Detlef – also Rezi – rezensierte alles was er nur zu fassen bekommen konnte. Auch seine Mitarbeiter. Am allerliebsten hätte er auch noch ihre Gedanken rezensiert, aber er war ja nicht Gott, Gott sei Dank. Im Moment jedenfalls, tobte er wie ein Derwisch durch das Großraumbüro, und plärrte seinen Unmut hinaus. Schweißgebadet, und mit einer knallroten Birne, machte er dem verunfallten Kollegen, die übelsten Vorwürfe. Ein Idiot sei er, zu dumm zum Autofahren. Empathie war für ihn ein Begriff aus Böhmen. Empathie kannte er nicht, nie gehört. Jasmin – eine Kollegin, die für kommunale Angelegenheiten zuständig war – warf Amelie einen vielsagenden Blick zu, tippte sich an die Stirn. Sie flüsterte: „Es ist mal wieder soweit. Der Alte spinnt komplett. Seine Sommerloch-Paranoia, immer das Gleiche. Jedes Jahr. Nicht zum Aushalten. „Hast du uns was zu sagen, Prinzessin Jasmin?“, plärrt Rezi, quer durch den Raum. Er hatte es mit-bekommen, dass die beiden Frauen leise flüsterten.

Selbst in seiner Hysterie, waren seine Ohren überall. Angst – das Gegenteil von Glauben – war seit geraumer Zeit, zu Rezis Steckenpferd geworden. Rezi, war ein Spielball seiner Angst. „Nee, Chef. Ich sagte nur zu Amelie, dass mir das mit Johannes Leid tut, er hatte sich so auf dieses Interview gefreut, und war super vorbereitet.“ Wutschnaubend schoss Rezi auf Jasmin zu, und stampfte sie mit seinem irren Blick, in den abgetreten Vinylboden. Zwischen den beiden Frauen stehend, flog sein Kopf hin und her. „Leid, Leid, Leid …, mir tut es auch Leid, weil ich jetzt auf der Stelle einen Ersatzmann brauche. Auf-der-Stelle, verdammte Scheiße. Wer von euch Flachpfeifen geht jetzt dahin, verdammte Axt. Du Josh …, was ist mir dir?“ –„Nee, sorry, hab` schon was vor, Termin im Bundestag, kann ich nicht absagen, verstehste.“ -„Wo ist eigentlich Ulf, diese Tran Suse. Kann der nicht einmal da sein, wenn man ihn braucht. Hat ihn jemand gesehen? Ich werde noch kirre, in diesem Irrenhaus.“ –„Der Ulf, diese Tran Suse ist hier Chef“, sagte Ulf ganz gelassen, und nippte an seinem Kaffeebecher. Er kam um die Ecke geschlendert, und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Jemand der ihn nicht kannte, hätte ihn für einen Penner gehalten. Alles andere als salonfähig, sah er aus. Seine verwaschene Jeans hing auf halb acht, seine struppige Haarpacht bis zu den Schultern. In seinem kantigen, schönen Gesicht wucherte ein ungepflegter Fünftagebart, sein Hemd war meistens zerknittert, und seine nackten Füße, lugten aus zerschlissenen Jesuslatschen. Zwischen seinen Zehen lag etwas Asche, die von seiner, lässig im Mundwinkel hängender Kippe, heruntergefallen war. Ulf hatte hier quasi Narrenfreiheit, weil er der einzige im ganzen Laden war, der sich in die Brennpunkte der Stadt wagte, und einen heißen Draht zur Polizei aufgebaut hatte. Man wusste nicht immer so genau, was er gerade trieb, und hinter vorgehaltener Hand wurde getuschelt, dass er für die Bullen, nebenher als Informant arbeitete. Mit rechten Dingen ging es jedenfalls nicht zu, wie er mit dem Auge des Gesetzes umging. Rezi, behandelte ihn mit Samthandschuhen, weil er genau wusste, wer sein bestes Pferd im Stall war. Deshalb schaltete er auch einen Gang runter, als er Ulf bat, diesen Termin wahrzunehmen. Belohnt wurde seine Schleimerei, mit einem süffisanten Lächeln, und einem Kopfschütteln. Ulf genoss es, ihn zu quälen, weil er Rezi eigentlich nicht ausstehen konnte. Er war ihm zu berechnend, und nicht einen Hauch authentisch. Es ging ihm nur um den Erfolg, und nicht um die Menschen, hatte er vor kurzem zu Amelie gesagt. Sie solle sich vor ihm – Rezi - in Acht nehmen, er sei eine Natter. Auf die Frage, warum er denn überhaupt für ihn arbeiten würde, antwortete er: „Hier habe ich die Freiheit, die ich brauche, um überhaupt zu funktionieren. Er lässt mich in Ruhe. Geld ist mir nicht so wichtig, Spaß muss es machen, und reinreden darf mir Keiner.“ Amelie musste nicht lange darüber nachdenken, um für sich selbst festzustellen, dass ihr diese Haltung gefiel. Da wollte sie auch hin.

Die Luft im Raum war zum Schneiden dick. Jene uralten Fenster der langen Glasfront des fabrikähnlichen Raumes, waren allesamt fest verschlossen, und mit Jalousien abgedunkelt, weil man es sonst nicht ausgehalten hätte. Unerträglich war die Hitze. Der strenge Sommer hatte die Absicht, die arbeitende Bevölkerung, in gut durchgegarten Tafelspitz zu verwandeln, was aber nicht heißen soll, dass alle Menschen Rindviehcher waren. Beinahe vierzig Grad waren es draußen, mitten in der Stadt, mitten in Charlottenburg, abseits, in einem Hinterhof, und Jahre schon in diesem alten Bürogebäude, mit einfachverglasen Stahlfenstern, weil der Eigentümer nichts investieren wollte. Dafür musste man im Winter heizen, als gäbe es kein Morgen, sonst hätten alle Mitarbeiter, kleine Eiswürfel gehustet. Der eigentliche Verleger, dem, war es schnurzegal, was er letztlich dafür an Unterhaltskosten berappen musste. Er schwamm förmlich im Geld, und genoss seinen Wohlstand, irgendwo, in den einsamen Wäldern des Hunsrücks, dort, wo schon vor langer Zeit eine regelrechte Entvölkerung stattgefunden hatte, weil jeder in eine Stadt wollte. Für ihn war dieser kleine Verlag sowieso nur eine reine Image-Angelegenheit. Ihm war es nur wichtig, auch in der Regierungshauptstadt eine Zeitung herauszugeben, in deren Impressum eine Berliner Geschäftsadresse zu lesen war, um seine flächendeckende, prestigeträchtige Macht, lückenlos zu vervollständigen. Der Gottvater des Verlagswesens, machte sich nicht einmal mehr die Mühe, persönlich hier zu erscheinen. Nicht im Zeitalter von Skype VI, das man allerdings nicht mehr mit den Möglichkeiten der Jahre, um 2027 vergleichen konnte, denn heutzutage hatte man das Gefühl, derjenige stünde direkt neben dir. Und selbst dafür hatte er seine ergebenen Sklaven, obwohl er seine Skype fähige Multifunktionsuhr, so gut wie fast niemals ablegte. Diese Uhr war eine Art Kommando- und Kontrollzentrale, und längst Alltag. Und rauchen …ja, rauchen war hier in diesem kahlen Raum, selbstverständlich erlaubt, sonst hätte Rezi keine guten Mitarbeiter gefunden. Journalismus-, und diese, von der Öffentlichkeit diskriminierte Sucht, gehörten offensichtlich unzertrennbar zusammen, wie Hänsel und Gretel, die vor vielen Jahren Geschichte geschrieben hatten. Rauchen, war ebenso ein sentimentales Überbleibsel aus der guten, alten Zeit, wie die Printausgabe einer Zeitung. Nötig war sie längst nicht mehr, diese Printausgabe, aber schön. Amelie hatte auch wieder mit dieser verbotenen Raucherei angefangen, nachdem sie vom gemeinsamen Haus-, draußen in Dahlem, hierher, mitten in die Stadt gezogen war. Rauchen durfte man eigentlich nur noch in seinen eigenen vier Wänden. Und das nur dann, wenn die Wohnungstür keine Gerüche durch ließ. Aus Amelies früheren, knappen, bescheidenen dreihundert Quadratmetern, waren nun großzügige fünfzig Quadratmeter geworden. Diese Veränderung hatte aber etwas unbestreitbar Positives. Die Sklaverei einer Haushälterin, Putzfrau, Gärtnerin, Köchin, Aufräumerin, Krankenpflegerin, Einkäuferin, und Rückenfreihalterin, hatte mit einem finalen Schlag ein Ende. Ihr Mann hatte sie durch ein jüngeres, beweglicheres, faltenfreieres, und devoteres Modell ersetzt, welches die Masche mit der grenzenlosen Bewunderung, aus dem „ff“ beherrschte. So, wie es Frauen aus Russland immer noch gewohnt sind, weil das dortige System, wieder einmal mit aller Macht, die Rechte der Frauen am Boden hielt. Fragt sich nur wie lange. Wie lange würde es dauern, bis es damit vorbei wäre, und aus Bewunderung würde Alltag, weil sie – diese Frau – sich vollständig hier, akklimatisiert hatte. Das war nicht mehr ihr-, Amelies Problem. Sie hatte lange genug aus Bequemlichkeit weggesehen, und nach außen hin so getan, als wäre ihre Ehe, eine schöne, heile Welt. Jetzt war sie frei.

Die Hälfte ihrer zahlreichen Klamotten war bereits wieder zurück, in eine der vielen, neuen Altkleider-Recycling-Fabriken gewandert, oder sie fanden in einem der unzählbaren Second-Hand-Shops, vorläufig ein neues zu Hause. Schuhe und Taschen ließen sich hervorragend verticken, stellte sie fest. Die Rohstoffknappheit trieb die Preise für getragene Garderobe und Accessoires, in schwindelerregende Höhen. Und was sie noch feststellte, war die Tatsache, dass es ungeheuren Spaß machte, den ganzen Krempel loszuwerden. Wenn aus ihrem neuen Job, ein sicherer Arbeitsplatz geworden wäre, wollte sie ihren SUV auch zu Geld machen, denn einen Parkplatz in der Stadt zu finden, glich einem Sechser im Lotto. Sie bevorzugte die mittlerweile komfortable U-Bahn, mit all ihren Vorzügen. Der Service dieser-, früher eher unbeliebten Art sich fortzubewegen, glich heutzutage eher einem First-class-Flug. Randale in U-Bahnen-, so wie es früher der Fall gewesen war, den gab es heute nicht mehr. Kameras und Sicherheitskräfte waren allgegenwärtig. Wer Dreck am Stecken hatte, mied diese eleganten Massentransportmittel wie die Pest. Elektronische Geruchs-Detektoren-, flächendeckend installiert, meldeten jede noch so kleine Drogenmenge, außer Cannabis. Das war seit dem Erlass des neuen Gesetzes aus dem Jahre 2026, zum Eigenverbrauch, legalisiert worden. Allerdings rationiert, und nur in staatlichen Apotheken erhältlich. Mogeleien waren ausgeschlossen, das System war dicht. Amelie überlegte, dass es ein kleiner Stadtwagen auch tun würde, um zu Terminen zu fahren, die außerhalb dieses Netzes stattfanden. Eine Familienkutsche war längst nicht mehr erforderlich, und viel zu groß. Amelie konnte in nur fünfzehn Minuten in die Redaktion laufen, ihr Wagen hätte sowieso kaum noch etwas zu tun. Nicht gut, für so einen großvolumigen Motor. Mikael, ihr Sohn, hatte seit vier Jahren einen eigenen Wagen, und ließ sich ohnehin nur noch sehen-, wenn er Geld brauchte, oder Liebeskummer hatte. Im November zog er nach Hamburg, um als Anwalt ins Berufsleben einzusteigen. Er hatte auch weiß Gott lange genug studiert, und sich sämtliche Titel einverleibt, die man in diesem trockenen Metier, überhaupt ergattern konnte. Schon bald würde er sein eigenes Geld verdienen, und seine Besuche würden sicherlich zur Seltenheit. Der Lauf der Dinge, ging auch an ihr nicht vorbei, und verschonte sie nicht. Deshalb hatte Amelie sich auch für diese kleine Wohnung entschieden. Sie reichte aus. Platz genug für eine Person. Das Geld, aus dem Verkauf ihres Elternhauses im Spreewald, und aus der problemlosen Scheidung, lag immer noch unangetastet auf ihrem Konto. Die Bedürfnisse, durch unsinnige Einkäufe, vorhandene Defizite zu übertünchen, waren nach dem Umzug in die kleine Wohnung, komplett verschwunden. Keine Klamotten mehr, die noch mit dem Preisschild, ungetragen im Kleiderschrank dahin vegetierten. Das war vorbei. Ihr Geld hätte ausgereicht, um sich eine kleine Eigentumswohnung anzuschaffen, aber sie wollte nichts mehr besitzen, damit sie mehr Zeit zum Leben hätte. Ihre Honorare als Kolumnistin, dienten dazu, um Dinge zu kaufen, die sie nicht von ihrem Mann geschenkt haben wollte, was ihn immer ziemlich ärgerlich gemacht hatte, weil sie so, nicht vollkommen abhängig von ihm war. Das …, so beschloss Amelie, das würde sie jederzeit wieder so machen. Aber es würde kein Jederzeit mehr geben, schwor sie sich. Solange wie möglich, würde Amelie für dieses anspruchslose Frauenmagazin noch weiterschreiben. So lange, bis endgültig feststand, dass sie sich richtig entschieden hatte, wieder als Journalistin zu arbeiten. Drei Monate, hatte Amelie sich Zeit gegeben, dann müsste es raus sein, ob sie den Anschluss komplett verloren hatte, oder vielleicht doch nicht. Wenn sie sich nicht rundherum wohlfühlen würde-, das hatte Amelie sich fest vorgenommen, dann würde sie sich neu orientieren.

„Hallo …, jemand zu Hause“, beffte Rezi, und verpasste Amelie einen Stoß an die Schulter, dass sie erschrocken zu ihm hochblickte. „Ich …, was denn …, wie bitte? Ähm …, um was geht es?“ –„Na du machst mir Spaß, Amelie. Hörst du überhaupt zu, um was es hier geht? Wir sitzen in der Klemme, und das vom Feinsten. Und du gehst mit deinen Gedanken spazieren …, was? Josh kann seinen Termin nicht verschieben, er ist bereits unterwegs, Jasmin muss zum Verdi-Arschloch, und Ulf hat einen Termin bei der Volksverwaltung. Und was ist mit dir? Hältst du hier deinen Stuhl warm, oder was machst du hier gerade? Darf man daran teilhaben, Gnädigste? Muss ich dir eine Einladung schicken, damit du uns deine günstige Gunst schenkst?“ Amelie wetzte ihre inneren Messer, und ließ die Rollladen herunter, um keinen taktischen Fehler zu machen. Das könnte schnell ins Auge gehen, denn sie wollte diesen Job unbedingt. „Was ist mit dir jetzt? Hättest du vielleicht die Güte, für Johannes einzuspringen, nachdem sonst niemand mehr da ist, ja? Wie du siehst, siehst du nichts. Das ganze Büro ist leer, ta, taaa …, toll was? Som-mer-ur-laub, You now?“ Amelie glaubte sich verhört zu haben. Ihr Spezialgebiet war: alles rund um die Gesundheit, Glauben, Selbstfindung, Spiritualität, neue Rezepte, Mode, Kosmetik, Frauenthemen eben. Alles was man so mit knapp sechzig Jahren, eben einigermaßen auf die Reihe kriegen kann. „Iiich …? Iiich soll einen Computer-junkie interviewen? Ich bin froh, wenn ich in der Frühe die Redaktion finde, und weiß wo das Klo ist. Davon-, eingearbeitet zu sein, ist noch lange nicht die Rede, Rezi. Das kann nicht wirklich dein ernst sein.“ –„Ist es aber. Mir bleibt leider keine andere Wahl, als unser Käseblatt in deine zarten Hände zu legen, und damit eine grenzenlose Blamage zu riskieren. Ich würde selbst einspringen, kann aber wohl kaum einen Termin mit dem Bürgermeister höchst Selbst, platzen lassen, nachdem ich monatelang dafür an seiner Tür gekratzt habe. Das leuchtet euer Gnaden doch ein, ja?“ Amelie war den Tränen nahe, weil sie begriff, dass Rezi, dass tatsächlich im ernst meinte, was er da sagte. „Ich sterbe, bei dem was du da von mir verlangst. Das ist wahrhaft ein Thema, mit dem ich mich überhaupt nicht auskenne. Ich bin froh, dass ich weiß, wo der Schalter ist, um dem Ding Leben einzuhauchen. Ich kann damit arbeiten, mehr auch nicht. Ich kann das nicht, Rezi. Wirklich.“ –„Nix da …, im Sommer wird nicht gestorben. Im Sommer werden Löcher gefüllt. Löcher …, verstehst du. Damit unsere Leser etwas zu lesen haben. Das hat eine Zeitung nun mal so an sich, dass man sie liest. Leere Seiten machen sich nicht gut, die Konkurrenz liest mit. Und jetzt heb` deinen Arsch von diesem Stuhl hoch, und fahre in die Charité` um dir die Unterlagen von Johannes geben zu lassen. Er wird es dir erklären, worauf es bei dem Interview ankommt, und was du fragen musst. Du hast genau dreieinhalb Stunden Zeit, dann sitzt du mit diesem Gaga-Typen im Studio, und fragst ihn mit weiblichem Charme an die Wand, und Löcher in seinen verhungerten Bauch. Ich will das Sommerloch in seinem Bauch, nicht in unserer Zeitung, ist das klar? Ich erwarte von dir, dass du dich in einen Reinhold Messner der Karriereleiter verwandelst. Auf der Stelle. Hopp, hopp. Und mach ein schlaues Gesicht dabei, das wirst du doch wohl noch hinkriegen.“ –„Oh, oh …, was meinst du mit „Studio“, wenn ich kurz nachfragen darf. „Du meinst doch nicht ein Fernsehstudio, oder doch?“ –„Genau das meine ich, Amelie. Genau das. Das ganze Interview wird aufgezeichnet, damit man in entsprechenden Sendungen, ein kleines Stückchen, nur ein Ausschnittchen davon, senden kann, weil die ganze Welt sich brennend für dieses Thema interessiert. Außer dir, kann nämlich die ganze Welt mit einem Computer umgehen, verstehst du? So jemand wie du, der gehört in den Zoo, am besten hinter Glas, das gibt es doch auf keinem Schiff. Ist ja nicht zu fassen. Wo sind wir denn hier. Selbst wenn neunundneunzig Prozent davon nur Schrott ist, ich flehe dich an, Amelie …, liefere mir bitte ein Prozent verwertbares Material, weil du damit unser aller Leben rettest.“ Amelie überlegt kurz, und rechnete sich ihre Chancen aus. „Ein Prozent nur, sagst du? Echt jetzt?“ Rezi nickte wie irre mit dem Kopf, und wischte sich mit dem Handrücken über seine hohe Stirn. Sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Himbeere. Direkt vor Amelies Augen, ging sein merkwürdig aussehender Kugelbauch – so, als hätte er Tatsache einen Ball verschlungen – auf und ab. Mit Schönheit war er nicht gestraft, der gute Rezi. Nein, damit nicht. Bei der Verteilung von Schönheit, stand er am falschen Platz. Den nervösen Puls des Redaktionsleiters, konnte man von außen sehen. Überall in Rezis Körper war was los. Eine tickende Zeitbombe. „Also gut“, sagte Amelie. „Ich mach `s. Ich muss nur noch schnell mein Auto holen. Bis zur Charité` kann ich ja schlecht laufen, und mit dem Aufnahmegerät will ich nicht in die Öffentlichen. Und wo ist überhaupt dieser Sender? Welcher denn? Hoffentlich ein Kleiner. Ein Prozentchen …, na gut. Das ist ein Wort. Mann, habe ich die Hosen voll.“ Um Amelie zu erklären, dass er das nicht so wirklich wörtlich gemeint hätte, dass mit dem einen Prozent, dazu war Rezi viel zu schwach. Er hatte sich so sehr verausgabt, dass er eine Pause brauchte. Dringend. Mit letzter Kraft …, auf dem letzten Loch pfeifend, bat er Amelie, bitte gütigst sein Auto zu nehmen. Es stünde vor der Türe, und würde unnötigen Zeitverlust vermeiden. Es sei auch ein Fahrzeug, bei dem man noch selbst fahren müsse, und sie könne ihn auch zu Klump fahren, ihm wäre alles egal, wenn sie nur endlich verschwände. Den wahren Grund, warum er nicht selbst diesen seltsam wichtigen Termin wahrnahm, den verheimlichte er seiner Crew. Der Termin beim Bürgermeister war gestern schon. Er hatte gelogen, und mit Absicht seinen Bericht zurückgehalten, so als hätte er etwas vorausgeahnt. Johannes wäre souverän genug gewesen, diese irrsinnige Geschichte abzubiegen, und in eine bessere Richtung zu lenken, ohne dem Vater dieses Verrückten, auf den Schlips zu treten. Doch Johannes hatte es ja vorgezogen, sich die Schulter zu brechen, während er sein Auto demolierte. Ulf stand immer noch in der Tür zur Kaffeeküche, und beobachtete diese absurde Hysterie. „Irgendwie ist hier was faul“, dachte er.

„Das Tor ist geöffnet“, stöhnte McKenzie, rieb sich die roten Augen, und streckte seinen Rücken so extrem weit über die Stuhllehne seines abgenutzten Vitras, dass er fast hinten überkippte. Wieder zurück, in einer normalen Sitzposition, sagte er mit siegreichem Lächeln, und vollkommen fertig: „So Leute, das wär`s. Wir sind jetzt Millionäre. Doppelte, um genau zu sein. Wir haben es geschafft. Wir sind drauf, auf dem gesamten Word wide Web. Drei Sekunden ungläubiges Schweigen, dann brach die Gruppe von vier Männern, in lautes Jubelgeschrei aus. Dort unten, in dem gut gesicherten Kellerbüro, konnte sie niemand hören. Alles schalldicht, und gegen Einbruch gesichert, besser als die Weltbank. Dort unten, in der Kelleretage eines Bürogebäudes, von der nur wenige Menschen etwas wussten. Dort unten, in der Nähe der Berliner Ruhrstraße, mit einem unsichtbaren, unterirdischen, nur für Befugte begehbaren Tunnel-Zugang, der sich ein paar Häuser weiter befand. Dort unten hatte man unterirdisches Programmiert. Tief dort unten schrieb man Weltgeschichte, ohne es zu wissen, weil der geheimnisvolle Auftraggeber sich für eine Lüge-, und gegen die Wahrheit entschieden hatte. Ja, unterirdische Weltgeschichte. So könnte man es nennen, was hier in Gang gesetzt wurde. Die Inbetriebnahme würde die Welt sehr verändern, Existenzen und Fortbestand sichern, Hunger wäre Geschichte. Armut Schnee von vorgestern. Die Massentierhaltung würde abgeschafft werden können, ausschließlich hochwertige und faire Nahrungsmittel gäbe es bald überall zu kaufen, Krankenkassenbeiträge würden wieder bezahlbar, Ärzte hätten mehr Freizeit, oder gingen vollständig in die Pleite. Kollateralschäden ließen sich nicht vermeiden. Hier ging es um mehr, als um ein paar drittklassige Mediziner, die vielleicht auf der Strecke blieben. Hier wurde nach jahrzehntelanger, harter Arbeit, und hohen- unglaublich hohen Investitionskosten, eine komplett neue Welt erschaffen, die eine exorbitant hohe Lebensqualität zusichern sollte. Die Geburt dieser geheimen Mission, war über den gesamten Globus verteilt, um so, einen unliebsamen Fingerzeig zu vermeiden, und alle Länder gleichsam schuldig zu machen. Was allerdings nur einer kleine Gruppe von Menschen bekannt war, war die Tatsache, dass in den mittlerweile, durch Länderteilungen entstandenen, zweihundertvier Ländern, jeweils eine Schattenregierung am Werk war, von der nicht einmal die Regierungen selbst, etwas ahnten oder wussten. Beschlüsse wurden hier – in diesen Schattenregierungen - nur einstimmig verabschiedet, oder eben gar nicht. Man arbeitete eng vernetzt, und Hand in Hand. Primär, aber unter höchster Geheimhaltung. Die Öffentlichkeit war noch nicht bereit für diese Wahrheit. Das würde dauern, denn auf lange Sicht, ließe sich die Veränderung nicht verbergen. Ginge alles glatt und reibungslos vonstatten, würde schon bald der Wohnungsmarkt, eine nie dagewesene Entspannung erleben. Die Mieten blieben bezahlbar, man würde – mit etwas Glück – bald, in Ballungszentren, innerstädtisch, einen echten, leibhaftigen Parkplatz finden. Staus würden sich Zusehens reduzieren, man käme wieder vorwärts. Emissionswerte glitten ins erträgliche Maß zurück. Auch China sollte wieder atmen und sehen können. Sukzessive, gerieten so, die gefährdeten Rohstoffressourcen wieder ins gesunde Gleichgewicht. Die unsicheren, stets im Focus stehenden Rentenkassen, würden ihre allgegenwärtige, äußerst lästige Zukunftsangst, ihre chronische Schwindsucht, mit spitzen Fingern, in der hintersten Ecke, die sich nur finden ließ, für immer und ewig ablegen. Den Begriff „Arbeitslosigkeit“, hätte man sicherlich in ein paar Jahren vergessen. Natürlich würde dieses Vergessen seine Zeit beanspruchen, denn dazu müssen erst alle Erinnerungen, biologisch abgebaut werden. Logisch, war das eine Herausforderung, aber auch die würde man meistern. An einer Lebenszeit von deutlich mehr als hundertdreißig Jahren, wurde seit langem schon mit Hochdruck gearbeitet. Man stand quasi kurz vor dem Durchbruch. Alle zweihundert ausgewählten Testpersonen - bestehend aus hochqualifizierten Männern und Frauen die in der Forschung arbeiteten, alle mittleren Alters - hatten die Medikamentierungen bisher unbeschadet, und sehr gut überstanden. Sie befanden sich bereits auf der langen Reise in ein hohes Lebensalter. Auf diese Weise schuf man Menschen, die ihr kostspielig angehäuftes Wissen, über einen-, endlich angemessenen Zeitraum, der Welt zur Verfügung stellen konnten. Somit, würden hohe-, oft ins Leere laufende Ausbildungskosten, zu Gunsten der maroden Staatskassen, in Zukunft, minimiert-, bis komplett beseitigt werden können. Der Begriff „Staatsverschuldung“, sollte in einigen Jahren aus der Literatur, der Politik, und dem Gedächtnis der Menschen, radikal und für immer, verschwunden sein.

Die Weltrauminstallation-, getarnt als Satellit, war funkbereit und startklar. Das tonnenschwere Ding aus Metall, PC, Steuerungsgeräten, und Solarzellen, sollte das Kommando „Go“ empfangen, und in seinen schauerlichen Dienst treten. So, wie man den vier jungen Wissenschaftlern des Hightech-Zeitalters es als Auftrag verkauft hatte, würde es allerdings nicht laufen. Der Koloss hatte zu keinem Zeitpunkt die Aufgabe, weltweit die Computersysteme zu überwachen, um den gesamten Terrorismus frühzeitig aufzuspüren, und so, verhindern zu können. Ebenso wenig wie die zweihundertvier Ultrarechner, die weltweit installiert-, bereits vor drei Tagen auf den Betriebsmodus geschaltet waren. Nein, seine Aufgabe war eine gang andere. Seine Aufgabe war eine Endgültige. Eine-, bei der es keine Pannen und Reklamationen geben würde. Nicht geben durfte.

Vier rotäugige, ausgebleichte, junge Männer umarmten sich euphorisch. Sie freuten sich auf ihren wohlverdienten, überfälligen Urlaub, bevor sie wieder zurückkehren sollten, um „ihr Baby“, wie sie es nannten, am Laufen zu halten. Nur …, das würde nie geschehen. Alle, an der Geburt dieser Mission Beteiligten, wurden nach vollendeter Arbeit eliminiert, und durch neue Mitarbeiter ersetzt, die keine Ahnung hatten, was für eine Aufgabe das System erledigte, welches sie da zu betreuen hatten. In treuem Glauben, wären sie – die Neuen - davon überzeugt, hier, für eine „Gute Sache“, ihren Dienst zu verrichten, und an der Erschaffung einer neuen, gesunden, glücklicheren Welt beteiligt zu sein, mit einer App, die Selbstheilungskräfte in Gang setzt, und zum allgemeinen Schutz der Menschheit dienen sollte. Ein angebliches Krankheitsfrühwarnsystem, sei die Hauptaufgabe dieser geheimnisvollen neuen App, die kostenlos, für Jedermann, jederzeit zur Verfügung stehen würde. Man müsste sie nur tragen, diese neuen Armbänder, die den Personalausweis ersetzten. Mit dieser weltweiten Gesetzesverabschiedung hatten die Regierungen, den Schattenregierungen, einen Bärendienst erwiesen, und überhaupt die Voraussetzungen geschaffen. Ohne diese Bänder, wäre die geheime Mission nur erschwert möglich gewesen. Und von Terrorismusbekämpfung war keine Rede mehr. Dieses Märchen war sowieso nur für die „Geburtshelfer“ bestimmt.

In weniger als einer Woche, wären McKenzie aus Dublin, Jeff Booga aus Pretoria, Jacco Heilmann aus Stuttgart, und Stevie Fisher aus Albuquerque, wie vom Erdboden verschluckt. Die vier Männer würden am Morgen des kommenden Freitags, von einem angeblichen Regierungsfahrzeug abgeholt werden, und zum Flughafen gebracht, damit sie ihren wohlverdienten Urlaub antreten konnten, auf den sie sich alle so freuten. Man hatte ihnen eine elegante Wohnung zur Verfügung gestellt, in der sie bisher als Wohngemeinschaft hausten. Bis zum verborgenen Eingang des Labors, waren es nur ein paar Schritte. Es fehlte ihnen an nichts, außer an Bewegungsfreiheit, denn jeder ihrer Schritte wurde überwacht, und dokumentiert, alle Gespräche abgehört. Keine Privatsphäre, solange sie an dieser Überlagerung arbeiteten. Keine Frauengeschichten. Dazu hatten sie sich vertraglich verpflichtet. Sie würden am Freitag alle übermütig in einen riesigen, intelligenten Van einsteigen, und es sich gemütlich machen. Zwischen Fond und Fahrgastraum, würde nach der Begrüßung, eine gepanzerte Scheibe leise hochgleiten, und für eine effektive Abtrennung sorgen. Auf dem Weg zum Airport, würde eine unbemerkte, aber wirkungsvolle, hochdosierte Dosis CO, besser bekannt als Kohlenmonoxid, einströmen, und den vier jungen Männern den sicheren Tod bringen. Durch die verdunkelten Scheiben des Fahrzeugs, könnte niemand sehen was da – von eiskalter Hand geplant – vor sich gehen würde. Risiken, dass etwas misslingen könnte, die gab es nicht. Auch dieses System war dicht. Anstelle zum Airport, würde der Wagen dann, wie geplant zu einem abgelegenen Gelände, außerhalb der Stadt fahren, und sich seiner Fracht entledigen. Das metallene Tor der ultramodernen Einäscherungsanstalt-, die als Tierverwertung getarnt war, würde lautlos aufgleiten, und das Fahrzeug einlassen. Ohne seine Fahrgäste würde es kurze Zeit später wieder hinausfahren, und in die Innenstadt zurückkehren, wo es im dichten Verkehr der Massen verschwand. Die Republik-, und keines der am Projekt beteiligten Länder, ganz gleich, welchen Systems, konnte sich Mitwisser leisten. Selbst dann nicht, wenn sie eigentlich nicht wirklich wussten, an was genau, sie da gearbeitet hatten, weil es nur ein Stückwerk vom großen Ganzen gewesen ist. Ihr Schicksal war unabwendbar, und besiegelt. Ein hoher Preis ohne Valuta.

Rezi war es speiübel. Nachdem er die Redaktion verlassen hatte-, weil er ja angeblich einen Termin beim Bürgermeister wahrnehmen musste, ließ er sich von einem Taxi, in den Berliner Osten chauffieren. Ein Stückchen ging er noch zu Fuß, bis er eine einsame Bank ausmachte, auf die er sich niederließ, um auf das langsam fließende Wasser des Kanals zu starren. Die friedliche Schönheit dieser kleinen, idyllischen, stillen Uferpromenade erreichte seine Sinne nicht. Rezi hatteAngst. Eine scheißangst, wenn er ehrlich war. Das war nicht in seinem Sinne gewesen, dass er Amelie opferte. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Interview aus dem Ruder lief, die lag bei einem ganz schlechten, geringen Prozentsatz, dass es vielleicht doch nicht geschehen würde. Rezi hoffte nur, dass der Kameramann, der dieses unselige Zusammentreffen aufzeichnete, alleine wäre, und überhaupt nicht zuhörte, was Oliver zu sagen hatte. Und mit noch mehr Glück, würde er nur ein kleines, unbedeutendes Stückchen herausschneiden, um es zu senden. Mit unermesslichem Glück, würde man geschlossen den Kopf schütteln, und zusehen, dass man diesen Spinner wieder loswürde. Einsperren sollte man ihn, diesen Irren. Sedieren, bis zum Ende seiner Tage. Das, was er da angeblich aufdecken wollte, gehörte eindeutig ins Land der Fantasie. Er wolle, so behauptete er, die Jahre schon zurückliegende NSA-Affäre in den sprichwörtlichen Schatten stellen, und dem BND klar machen, dass man im Begriff war, ihn abzuschaffen, um eine bessere Alternative ins Leben zu rufen. Wissen sei einzudämmen, und nur noch einem gewissen, elitären Personenkreis zugänglich zu machen. Wissen sei gefährlich. Wissen sei oft die Wurzel allen Übels, referierte er, in seiner übernervösen, fahrigen Art. Alle Lücken und Schwachstellen, sollten umgehend beseitigt werden. Schwachsinn. So ein ausgemachter Schwachsinn das Ganze. Und ausgerechnet zu ihm – Rezi – musste dieses Balg angewackelt kommen, und ihn um diesen Interviewscheiß bitten. Ausgerechnet. Zugegeben: das Wort „Bitten“, war hier doch eher fehl am Platze. Viel Wahl blieb ihm nicht, er hatte da so seine Verpflichtungen. Trotzdem. Sämtliche Überredungskünste, er möge doch damit im Internet ein Forum gründen, wies er von sich, dieser klepperdürre Freak. Man würde seine Beiträge schneller löschen, als eine Katze, den berühmten Baum hoch wäre, behauptete er. Mag ja sein, dass er damit recht hatte, aber das wäre auch gut so. Wenn an der Geschichte nur ein winziger Hauch Wahrheit wäre, dann stünden wir vermutlich vor dem vierten Weltkrieg. Und alles nur, weil er mit seinem Vater die Schulbank gedrückt hatte, und alles nur, weil er ein Gespräch belauscht hatte, dass er mit seinem Vater – diesem Fettsack – geführt hatte. Und alles nur, weil sein Vater ihm