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Ein Rückblick, im Hinblick, mit Durchblick; mal anders, ganz anders und doch irgendwie biographisch. In guter, in bester, in gehobener, hoher Gesellschaft; höher geht´s nimmer. Oh doch... Es geht noch höher, aber erst... am Ende unserer Reise. Nicht jetzt, heute, und hoffentlich noch nicht morgen. Dazu ist es immer zu früh. Immer. Ein schöner Mann aus besonderer Struktur, eine echte, eine betroffene Frau. Zwei namen- lose im ehrlichen Dialog. Sie, die beiden namenlosen, machen rezensierende Konversation auf unterschiedlichen Ebenen, wie sie - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht unterschied- licher sein könnte. Einer von oben, die andere von unten, und doch, so nah beieinander.
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Seitenzahl: 241
Veröffentlichungsjahr: 2016
Die Autorin Lele Frank wurde 1957 in Bad Kreuznach geboren, ist Bauingenieurin, und hat über 35 Jahre in dieser Branche gearbeitet. 2012 hat sie Beruf und Firma aus persönlichen Gründen aufgegeben. Wegen einer höchst dramatischen Beziehung, entdeckte sie, die Liebe zur Schriftstellerei.
Mit ihrem ersten Buch „Tanz der Optimisten“, welches eigentlich einen therapeutischen Zweck erfüllen sollte, hat sie sich ins Leben zurückgeschrieben.
Sie lebt an der Ostsee und bezeichnet ihre jetzige Tätigkeit als:
„Das Leben genießen.“
„Gottes schöne Kleider“,
oder: Eine kleine Rezension, heißt es hier… hier in diesen Seiten die nun kommen werden. Rückblickend-, hinblickend, vorausschauend in ein kleines Leben mit Höhen und Tiefen, so, wie es jeder von sich selbst am besten kennt; ein Lied davon singen kann, weiß wovon die Rede ist. Kein Rad wird neu erfunden, keine Weisheit geboren, nur ein Leben näher betrachtet. Eines von vielen.
Die Philosophie wollen wir denen überlassen die wirklich etwas davon verstehen. Denjenigen, die sich auszudrücken wissen, und nicht - wie in diesem Fall, sich in der langen Leine unendlicher Kettensätze so verheddern würden, dass sie sich um ein Haar selbst erdrosselten. Einem guten, wortgewandten Philosophen kann das nicht passieren, schon klar. Er spielt mit Worten wie mit einer leichten Feder. Damit kann hier nicht gedient werden, nein. Hier steht Klartext; zielorientiert auf dem Weg zu einer Punktlandung. Klare-, manchmal sehr deutliche Worte, eingebettet in ein freiwilliges-, längst überfälliges Glaubenseingeständnis, eng umschlungen von schmerzhaften Erkenntnissen, und dennoch: Motivation genug, es nach dieser kleinen Lektüre einmal selbst zu tun; die Sache mit der - meist nach hinten raus geschobenen Einsicht-, der Erkenntnis, dem biegsamen Veränderungsvorhaben überall. Dem Glauben.
An Humor soll es nicht mangeln, ist er doch - in seiner sauberen, aufrichtigen Form, stets ein Pflaster zur Hand.
Lele Frank
© 2016
Lele Frank
Umschlag, Illustration:
Lele Frank
Verlag:
tredition GmbH, Hamburg
Paperback:
ISBN
978-3-7345-5801-6
e-Book: :
ISBN
978-3-7345-5802-3
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.
Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.
(Georg Christoph Lichtenberg)
Wann hat sie angefangen… diese Nachdenklichkeit? Liegt sie in der Natur der Sache weil wir mit zunehmendem Alter eine andere Sichtweise auf die Dinge annehmen? Eher hinsehen-, anders wegsehen, analysierend zurückblicken-, uns ansehen, die Menschen betrachten und nach vorne schauen; glauben durchzublicken, zu verstehen und zu erkennen? Warum? Was ist denn bloß passiert, wodurch-, weshalb und wieso sich, diese Nachdenklichkeit ganz schleichend und leise-, unbemerkt eingestellt hat? Welche Dinge müssen geschehen, dass man sich so verändert in seiner Hybris, seiner Denk- und Sichtweise? Dinge? Oder nur ein Ding? Ja. Ein Ding! Eins, keine zwei oder drei… Eins alleine reicht aus - nur ein Ding, ein Ereignis reicht aus, das ein ganzes, kleines Leben aus den Fugen geraten kann und uns derart verändert. Innen und außen. Lassen wir lieber die Finger vom Plural; an einem einzigen Ereignis haben wir schon genug zu tragen. Stellt sich die Frage: Haben wir es verursacht, dieses eine Ding, dieses Ereignis? Oder wurde es uns von außen zugetragen und wir sind ohne Verantwortung zu betrachten? War es uns am Ende sogar vorbestimmt? Haben wir einen fatalen Fehler begangen, plagt uns lange Zeit die Reue, die Scham und die schmerzhafte Niederlage. Wäre es von außen - also unverschuldet über uns gekommen, ließe sich ganz leicht eine bequeme Schuld zuweisen. Es wäre so herum viel einfacher; das wäre fein für uns, nicht wahr? Ja, es wäre einfacher. Wie man es auch drehen oder wenden mag, dieses Ding, dieses Ereignis: Später, wenn man nur lange genug darüber nachdenkt und ehrlich zu sich selbst ist, erkennt man auch seinen eigenen Fehler, und mit etwas Glück, das „Warum.“ Man könnte so tun als sei man blind und einfach wegsehen, aber es holt uns immer wieder ein, ist schneller als unser Bestreben, davonzueilen. Und irgendwann… vielleicht mit noch mehr Glück, entdeckten wir das Gute im Schlechten, wenn wir doch nur genauer hinsähen.
Wir reden hier aber nicht von Krieg oder Kriegen. Hier müssen wir wieder aufs Plural zurückgreifen, denn mit nur einem Krieg auf dieser Welt, ist es derzeit nicht getan. Überall herrscht Krieg und Terror, wo man auch hinsieht. Das macht uns traurig und entsetzt; so hilflos und ausgeliefert. Machtlos. Aber lassen wir die Kriege hier mal außen vor. Sie, diese schrecklichen, unnötigen Kriege sind nicht damit gemeint. Es geht ausschließlich um uns selbst. Nur um uns, um unser eigenes kleines, einziges Leben. Um dieses wundervolle Geschenk, wenn aus - mit dem bloßen Auge kaum erkennbar - einer winzigen Zygote ein Mensch entstehen darf. Wenn man das Glück hatte betroffen zu sein, eine Zygote zu sein, auserwählt zu sein. Dann ist man plötzlich dabei, im bunten Karussell des Lebens. Zunächst ist es noch kein „ man“, sondern nur eine Zelle, eine mikroskopisch kleine, winzige, biologische Masse. Ein lebendiges Ding, das sich erst noch entwickeln muss, und langsam zu einem Wunder wird. Einem wundervollen Wunder: Ein Mensch. Einem Menschen der längst noch nicht weiß, was ihn, den neuen Menschen der dort entsteht, dort draußen erwarten wird. Erst sicher wie in Evas Schoß, aufgehoben und geborgen im Leib einer Mutter. Aber dann: Licht und Luft setzen dieser Sicherheit ein jähes-, ein schnelles Ende. Mit dem ersten Atemzug gehen die Probleme los. Lautstark muss man sich bemerkbar machen, dass der Hunger gestillt- die Windel gewechselt wird. Der einoder andere Mensch behält sie ein Leben lang bei, diese brüllende Schreierei, weil er, irrtümlich denken mag, damit, mit diesem Gebrüll, besser ans Ziel zu gelangen-, sich verständlicher zu machen, wenn er immerzu, und bei jeder noch so banalen Gelegenheit, sofort lautstark losplärrt als trachte man ihm nach seinem kleinen Leben. Als Säugling hat es doch auch bestens funktioniert; warum nicht später damit weitermachen? Wir, wir Stillen, wir mögen sie nicht diese Schreihälse. Wir, die Vernünftigen, wir argumentieren lieber sanft aber nachdrücklich, leise und möglichst unauffällig. Man schiebt auffälliges-, unangenehmes, lautes Verhalten, als Rechtfertigung, als Entschuldigung, nur zu gerne auf die Kindheit zurück. Rechtfertigt sie, die gern benutze Kindheit, mit einer gewissen Schwere. Egal. Sei sie, die Kindheit, geborgen oder hart gewesen, irgendwas fällt uns als Ausrede schon ein, wenn wir-, oder jemand anderer, ausschert aus der erwünschten, der leisen, der genormten Norm. Die liebe Rechtfertigung, sie wird unser ständiger Begleiter werden, sein und bleiben. Wenn wir sie nicht hätten, diese dumme Rechtfertigung, stünden wir manchmal ganz schön dumm da. Dumm. Ja, dumm. Die Dummheit ist aus anerzogenem Leichtsinn-, aus einer Unachtsamkeit der Alten bedingt, rechtfertigen wir unsere Fehler, die wir, im Laufe unseres Lebens, reihenweise machen, falls wir sie überhaupt erkennen. Oder wir behaupten, keine Zeit gehabt zu haben, um zu wachsen. Die Arbeit, die Pflichten, der Stress. Uns fällt immer etwas ein. Ganz sicher. Selten werden wir um eine Ausrede, eine Rechtfertigung verlegen. Wenn dem so ist, wenn wir sie tatsächlich selbst erkennen sollten, unsere eigene Dummheit, dann behalten wir sie lieber für uns, sagen sie nicht weiter, erzählen niemandem davon; allerhöchstens einem einzigen Menschen dem man zutiefst vertraut, nahe steht, wenn überhaupt. Verantwortung schmeckt nicht. Wir sehen sie lieber im Teller der Anderen. Geschehen Dinge die unser kleines Leben aus den Fugen heben, benutzen wir unseren Zeigefinger mit Fleiß. Wir weisen Schuld zu. Dafür ist unser Zeigefinger bestens geeignet; Spiegel meiden wir. In Spiegel zu sehen ist schmerzvoll, beschämend. Imponderabilien. Ein sehr beliebtes Wort, gerne zur Hand- und in den Mund genommen als Rechtfertigung, als Erklärung für unzureichende, unbefriedigende Argumente; benutzt und gesprochen von den Gebildeteren unter uns. „Die anderen sind immer schuld“, sagen simpel die anderen, die nicht so Gebildeten. Gemeint ist das Gleiche. Jedermann versteht das, lässt es gelten, sieht es ein. Und dann? Was passiert dann? Was passiert, wenn sich eine Lösung nicht finden lässt? Das Rad neu erfinden? Nein. Das Rad gibt es schon. Jemand anderer war schneller als wir. Oder macht es Sinn einfach nur abzuwarten, ob sich nicht doch eine Lösung entwickelt im Laufe der Zeit, der belasteten-, der schwer erträglichen, vielleicht peinlichen, unangenehmen Zeit? Mit zunehmendem Alter wird diese Möglichkeit zu einer echten Option. Diese Möglichkeit ist gangbar. Manche Dinge sind eben wie sie sind; sie lassen sich nicht verändern, nur auf verschiedene Weisen ertragen. Und mit etwas Glück sieht man eines Tages zurück, und entdeckt doch, etwas Gutes in alldem was dereinst so schlecht-, so bedrohlich, so beschämend gewesen ist. Die Philosophie greift. Sie tut es tatsächlich. Die Philosophie, die Liebe, der Glaube, sind das Pflaster zur Hand, und nicht minder, intelligenter Humor. Die gute alte, abriebfeste Liebe, die feine Philosophie und der feste Glaube. Ein Leben ohne das ist unvorstellbar. Und dort wo die Wissenschaft endet, und der Glaube beginnt, dort ist heilende Heilung zu finden, in diesem anfangs diffusen, noch unsicheren, vielleicht jungen Glauben, der sich nicht einmal beweisen lässt. Dort liegt Heilung für unsere empfindlichen Seelen, die schon so viel gesehen-, so viel erlebt, und keine gute Liebe gefunden haben. Intuition, mit herübergetragen von irgendwoher, in dieses Leben, in dieses Jetzt. Wir sind.
Ende Mai, das muss ich euch unbedingt erzählen, ist mir wieder einmal mein bildhübscher Schutzengel erschienen. Einfach so. Ohne Voranmeldung oder begründeten Anlass. Es lag nichts Bedrohliches hinter mir, wobei er, seine Fähigkeiten hätte beweisen können. Es herrschte in den vergangenen Monaten wohltuende Ruhe in meinem Leben. Naja… das Übliche halt. Der ganz normale Alltagsärger den jeder so hat. Persönlich zu erscheinen, das hat mein Aufpasser bislang erst vier Mal in meinem Leben getan. Immer dann, wenn ich aus einer sehr prekären Situation mit heiler Haut wieder herauskam, und anschließend, nicht gebührend meine Dankbarkeit dafür gezeigt habe; es als gegebenes Schicksal hinnahm und nicht weiter darüber nachdachte warum dem so war. Darauf, auf die Dankbarkeit, legt die Fraktion der Schutzengel nämlich immer gesteigerten Wert. Sie betrachten Dankbarkeit als eine Art Gage für ihre Bemühungen. Einmal, erinnere ich mich, als er dafür sorgte, das ich mit meinem über alles geliebten Motorrad, das ich Idiotin leichtinniger Weise auf seine Flugtauglichkeit hin überprüfen wollte, eine ganz passable Landung hinlegte, und diese – was ich in diesem Moment selbst kaum glaubte – auch am Stück überlebte. Das war ganz schön knapp kann ich euch sagen. Und er, mein sehr gutaussehender Schutzengel, hat sich damals, nach dem Unfall gezeigt, weil er es mehr als nur leid war, ständig atemlos auf mich aufzupassen. Quasi rund um die Uhr muss er sich mit mir beschäftigen, und alles nur, weil so ein Irrer mir ans Leder wollte, der sich in seinenirre gewordenen Kopf gesetzt hatte, meinem kleinen Leben - welches er bis dahin bereits über dreizehn Jahre lang observierte, aus seiner Hand ein finales Ende zu setzen. Damals kassierte ich von ihm, meinem Schutzengel, eine fette Schellte, weil ich so begriffsstutzig gewesen bin, und nicht erkannte-, nicht erkennen wollte, dass es jemanden über uns Menschen gibt, den man - reinen Herzens wohlgemerkt, um Hilfe bitte darf. Wohlgemerkt deshalb, weil man bei diesem „Jemand“ keine Bestellungen aufgeben kann – ähnlich wie in einem Versandhauskatalog. Heutzutage nennt man es wohl eher Online-Shop. So einfach ist es nämlich nicht. Eine beachtliche Anzahl Erdenbewohner weiß es längst, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Leider. Ich gehöre dazu. Unsereiner, muss immer um allesmögliche kämpfen was man anstrebt zu erreichen. Bei unsereinem will die, teilweise aus dem Land der Elfen und Feen entstammende Esoterik, einfach nicht greifen. Da glaubt man sich die Hirnwindungen wund, und nichts geschieht. Nichts verändert sich zum Positiven.
Jedenfalls…: An diesen „Jemand“ weigerte ich mich vehement zu glauben; hielt ihn für eine praktische, bequeme Erfindung von Menschen, die diesen „Jemand“ immer dann bemühten, wenn sie selbst nicht mehr weiter wussten mit ihrem Latein, und verzweifelt, mit dem Rücken, platt zur Wand standen. Darauf komme ich später noch zu sprechen. Jetzt erzähle ich zuerst einmal wie „Er“ wieder auftauchte, mein hübscher, gutaussehender Schutzengel. Ich kann seinen komplizierten Namen nicht behalten, deshalb sage ich schlicht „Schöner“ zu ihm. Ich glaube er fühlt sich geschmeichelt.
Der Kalender wies mich darauf hin dass wir Mai hatten. Mai 2016, als der Mai nicht wusste dass er ein Mai- und kein April ist. Dieser Mai benahm sich nämlich wie ein typischer April, der, nicht weiß was er will. Als mein „Schöner“ ganz plötzlich aus meiner Wohnung heraus auf den Balkon trat - er hatte diesmal anscheinend die Eingangstür benutzt - glaubte der Mai gerade er sei ein August, so heiß ließ er die Sonne herab scheinen.
Ich saß auf meinem gemütlichen Balkonsessel und schielte unsicher zu meinem Liegestuhl. Unsicher deshalb, weil es immer eine große Herausforderung für mich darstellt, einfach einmal „nichts“ zu tun. Immerzu bilde ich mir ein etwas tun zu müssen. So eine Art des Getrieben seins, ohne ersichtlichen Grund. Mit meinem Gewissen scheint etwas nicht ganz in Ordnung zu sein, glaube ich. Schätzungsweise liegt der Fehler für diesen unangenehmen Defekt in meiner Erziehung. Diese Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, auch wenn unsere lieben Alten, oft und gerne, von sich überzeugt sind, alles richtig gemacht zu haben-, alles besser zu wissen, und ihre Wertvorstellungen, die einzig wahren seien. Und damit, mit diesem ständigen, lästigen „etwastun-müssen-Gefühl“ habe ich schon so manch potenziellen Lebenspartner in die Flucht geschlagen. Es gelingt mir einfach nicht zur Ruhe zu kommen. Was soll ich machen? Es ist wie es ist. Der ein- oder andere wird es nachempfinden können. Und jetzt, heute, wo ich mich selbst, vor zwei Jahren, aus Berufs- und Gesellschaftsleben ausgestöpselt habe, hätte ich weiß Gott Zeit genug, einfach mal „nichts“ zu tun. Es will mir aber selbst jetzt noch nicht gelingen. Mist.
Jedenfalls: Ich saß also auf meinem Sessel und kommunizierte im Geiste mit meinem bereitstehenden Liegestuhl, als er, der „Schöne“, leise aus meiner kleinen Wohnung auf den Balkon heraustrat. Zugegeben, er hat mir einen ganz hübschen Schrecken eingejagt, weil ich mich, ganz sicher, alleine wähnte und meinen Gedanken versonnen nachhing.
„Hallo. Grüß Gott“, sagte er schlicht. „Ich habe gerade gesehen dass du Zeit zu erübrigen hast und überlegte mir spontan, dass das die passende Gelegenheit sei mal wieder bei dir vorbei- zuschauen und ein bisschen zu quatschen. Das Wetter ist auch heute so schön, und da dachte ich mir…“
Er setzte sich ganz selbstverständlich auf den zweiten, freien Sessel der auf der anderen Seite des Tisches stand und grinste mich an.
„Das ist ja eine Überraschung“, sagte ich verblüfft. „Du…? Was verschafft mir die Ehre. Setzt dich doch.“ Aus vergangenen Begegnungen wusste ich, dass Engel weder essen noch trinken, deshalb bot ich ihm nichts an. Nebenbei bemerkt: Alleine diese Tatsache ist für mich ein Grund, warum ich nie im Leben ein Schutzengel werden will. Essen und Trinken sind meine Lieblingsbeschäftigungen, neben laufen, lesen und schreiben. Wenn ich gerade nicht meinen Computer malträtiere, stehe ich meiner winzigen Küche und braue etwas aus den allerneuesten Erkenntnissen gesunder Ernährung zusammen. Um nicht fett zu werden laufe ich mir dann anschließend die Seele aus dem Leib. Verrückt, oder? Würde ich nur die Hälfte von dem verputzen was ich mir tagsüber so schmecken lasse, bräuchte ich mich nicht so abzurackern und auf dem Laufband bis an meine Belastbarkeitsgrenzen zu gehen, wobei es natürlich den einoder anderen innere Schweinehund zu überwinden gilt. Und würde ich aufhören zu rauchen, könnte ich mich womöglich mit einem simplen, ruhigen Spaziergang fit halten. Aber nein… ich muss ja unbedingt qualmen und futtern als gäbe es kein Morgen. Ich plappere hier gerade ganz hübsch aus meinem Nähkästchen Sachen aus, die eigentlich niemanden etwas angehen. Aber ich habe sonst niemanden an meiner Seite der mir teilnahmsvoll zuhören würde. Mein einziger, geduldiger Zuhörer ist ein weißes, jungfräuliches Blatt Papier, dem ich meine Gedanken und Gefühle anvertrauen kann. Das tut gut. Wirklich. Das sollte jeder einmal ausprobieren.
Ich muss zugeben, mir war etwas mulmig zumute als ich meinen hübschen Schutzengel so ansah. War er womöglich aus purer Prophylaxe erschienen? Stand mir womöglich wieder einmal etwas Fürchterliches bevor, und er wollte mich warnen? In diesem Moment dachte ich, es wäre mir lieber gewesen, er bliebe wo der Pfeffer wächst. Wenn das der Grund für seinen Besuch sein sollte, hätte ich gerne auf sein unverhofftes Erscheinen verzichtet. So, wie ich liebend gerne auf unangenehme- oder bedrohliche Ereignisse verzichten würde. Wer nicht? Vielleicht kommt er jetzt vorbei, überlegte ich, weil meine Intuition wieder mal auf Urlaub ist. Vielleicht ist es das? Mit meiner Intuition ist es manchmal leider nicht zum Besten bestellt, muss ich ehrlich zugeben. Aber wer kann das schon immer so genau wissen, ob die Intuition sich gerade an Bord befindet? Verflixt noch Eins. Andrerseits sieht es so aus, dass meine Eltern, 85 und 94 Jahre alt, weder bei annehmbarer Gesundheit-, noch bei klarem Verstand sind. Sie stehen kurz vor knapp vor ihrer letzten Reise. Vielleicht will er mich darauf vorbereiten, dass einer der Beiden, bald die Biege macht. Das wäre allerdings nicht nötig; ich bin vorbereitet und akzeptiere was da auf mich zukommt. Eine andere Alternative gibt es ohnehin nicht. Wozu deshalb also einen unnötigen Kopf machen? Es kommt was kommt. Und wenn ich eines Tages einmal an der Grube stehe, wird sich darüber, auch niemand einen überflüssigen Gedanken machen. Wer denn auch?
„Du brauchst nicht so bedrückt aus der Wäsche zu gucken“, sagt der Schöne plötzlich, und reißt mich aus meinen stillen Überlegungen. „Ich bin wirklich nur gekommen um mit dir ein wenig über dies und das zu plaudern. Es steht nichts an was du nicht ertragen könntest. Ehrlich. Entspanne dich“, sagte er lächelnd, mich in Sicherheit wiegend.
Also entspannte ich mich. Ich versuchte es zumindest. Ich entspannte mich angespannt, und sagte zu ihm, dass es mir schwer fiele ihm das zu glauben, weil er doch sicherlich eine Menge andere Aufträge zu betreuen hätte. Schließlich sei ich ja nicht sein einziger Erdenbewohner der in seiner Obhut stünde. Am liebsten hätte ich ihn gefragt ob ihm gerade langweilig ist, traute mich aber dann doch nicht so eine indiskrete Frage zu stellen. Ich wollte ihm nicht zu nahe treten und ihn womöglich verärgern. Lieber gut Wetter machen und ihn wohlgesonnen halten, überlegte ich. Am Ende würde der Schöne noch beim „Ewigen“ dahingehend intervenieren, dass ich ein Schutzengel werden müsste, wenn ich eines Tages das Zeitliche segne. Und auf diesen Job habe ich nun wirklich partout keine Lust. Nur ein solcher Kandidat wie ich einer bin, der mir zur Betreuung zugewiesen würde, und ich würde umgehend beim „Ewigen“ die Scheidung einreichen. Zu Lebzeiten gebe ich mir wirklich allergrößte Mühe ein guter Mensch zu sein und niemandem zu schaden. Natürlich erhoffe ich mir dafür einen angemessenen Lohn. Den Lohn, kein Schutzengel werden zu müssen. Wenn ich mich in stillen Stunden mit dem „Ewigen“ unterhalte, sage ich ihm jedes Mal, dass ich mir nichts sehnlichster wünsche, dass er mich davor verschonen möge, dass ich noch einmal auf diese Welt kommen müsste, weil man munkelt – ich habe das schon öfter gehört, der Mensch habe mehrere Leben zu absolvieren. Darauf würde ich liebend gerne verzichten, erinnere ich „Ihn“ immerzu und beinahe schon ein bisschen penetrant. So oft, dass es fast schon peinlich ist, und der „Ewige“ denken muss, dass ich ihm, die Alzheimer-Krankheit unterstellen würde. Dabei denke ich doch nur: Lieber einmal Zuviel als Zuwenig. Bei den ganzen Vorfällen die auf der Welt leider so passieren, und „Er“ über Unterbeschäftigung sicherlich nicht klagen kann, besteht immerhin eine gewisse Möglichkeit, dass „Ihm“, auch mal etwas aus dem Gedächtnis flutscht. Ich meine es ja nicht böse, gewiss nicht. Ich will bloß nicht dass „Er“ es vergisst. Mehr nicht. Hätte „Er“ just an dem Tag, an dem ich meine letzte Reise antreten muss, eine schusselige Phase, wäre ich doch der Gelackmeierte. Nun ja. Wie heißt es doch so schön: „Wir heißen euch hoffen.“ Hoffe ich also hoffentlich das Beste für mich. Hoffe ich, dass „Er“ nicht verschusselt, worum ich ihn so oft gebeten habe. Es gibt sicherlich noch eine ganze Reihe anderer Beschäftigungen im Paradies. Es wird sich doch für mich etwas Passendes finden lassen. Alles außer Schutzengel. Das sollen gefälligst andere machen. Ich nicht. Nein.
„Soll ich dir eine Sonnenbrille rausholen“, frage ich meinen Schönen, der mich blinzelnd anstarrt, als hätte er Probleme mit dem Sonnenlicht. Insgeheim hoffe ich jedoch dass er ablehnt, damit ich weiterhin seine schönen Augen sehen kann. Ich mag es nämlich nicht, mich mit jemandem zu unterhalten, dem ich nicht in die Augen blicken kann. Als hätte er meine Gedanken gelesen – natürlich tut er dass, sonst wäre er kein Schutzengel – lehnt er großzügig ab. Dem „Ewigen“ sei Dank.
Zu dumm nur, dass ich es, während ich mich mit ihm unterhalte, immer wieder vergesse dass er meine Gedanken lesen kann. Es ist so ähnlich wie bei dieser abartigen Fernsehsendung, wo sich Menschen freiwillig, rund um die Uhr, der glotzenden Öffentlichkeit aussetzen, und dabei immer wieder vergessen, dass big Brother watching you is. So geht es mir auch. Schreckliche Sendung übrigens. Die Hämorriden in der Medienlandschaft. Wuäh…
Mein Schöner quetscht eine Träne aus seinem schönen, linken Auge. Ich sehe es, und er sieht dass ich es sehe. Wir sehen dass wir es sehen.
„Ich hatte nur eine dumme Wimper im Auge“, sagt der Schöne daraufhin. Dabei beobachte ich ihn, wie er sich heimlich eine zweite Träne aus dem rechten, schönen Augenwinkel wischt. Dass Schutzengel sogar weinen können war mir bislang nicht bekannt. In meinem Kopf schellen sämtliche Alarmglocken.
„Du“, sage ich aufgebracht, weil ich diese Wegwisch-Geste natürlich ganz genau beobachtet habe. „Nicht dass du mir hier was vom Pferd erzählst und mir doch wieder irgendwelche Unannehmlichkeiten bevorstehen. Sage mir lieber gleich was Sache ist, dann ist es raus, und ich kann mich darauf einstellen. Butter bei die Fisch, bitte. Mach hier keine Sperenzchen mit mir, sonst bin ich aber echt sauer auf dich.“
Jetzt lächelt der Schöne, amüsiert über mein unerschöpfliches, altbekanntes Misstrauen. Das kennt er schon zur Genüge. Ich habe mir deshalb schon die ein- oder andere Gardinenpredigt von ihm anhören müssen. Aber ich habe es nicht so mit dem Vertrauensvorschuss. Nicht mehr jedenfalls. Die Vergangenheit hat mich leider, dahingehend eines Besseren belehrt. Das muss er einsehen und verstehen. Misstrauen fällt schließlich nicht einfach so vom Himmel. Misstrauen ist begründet.
„Nein, nein. Reg` dich bloß ab. Es ist alles im Lot. Bis auf die schwarzen Klamotten, die du demnächst wirst anziehen müssen, regelt sich soweit alles in deinem Sinne. Du bist mit dem unumgänglichen, schmerzvollen Wachstumsprozess, den der Chef für fast alle Menschen vorgesehen hat, weitestgehend am Ende angekommen. Ein bisschen noch hier und da, kleinere Korrekturen noch, aber kaum mehr der Rede wert. Nicht nur dass du die doppelte Portionen der üblichen Ration schlucken musstest, du bist ja auch nicht mehr die Jüngste, nicht wahr? Ich weiß es wie kein anderer. Nicht nur weil du mich ganz schön in Atem gehalten hast, sondern auch der ganze Packen an Erkenntnissen, die der Chef dir absichtlich auferlegt hatte, und die du ertragen zu musstest, die werden ab sofort, um einiges weniger werden. Irgendwann muss auch Schluss sein. Sogar für dich.“
Ich ziehe einen tiefen Krater zwischen meine Augenbrauen, genannt Stirnfalte, und sehe ihn skeptisch an. „Ich will es mal glauben, mein Schöner. Ich will dir mal ausnahmsweise glauben, dass du mich nicht auf den Arm nimmst und hier veräppelst. Und vielen Dank für das Kompliment auch.“
„Für welches Kompliment denn?“
„Das ich nicht mehr die Jüngste bin, mein Guter. Ohne deinen freundlichen Hinweis wäre mir das fast entgangen. Nett von dir dass du mich daran erinnerst.“
Ich glaube, ich bin gerade ein bisschen beleidigt. Zumindest passt mir dieser Hinweis nicht so richtig in den Kram. Bislang hatte ich keine Probleme damit älter zu werden. Aber der nächste Geburtstag, der bereitet mir ein paar Schluckbeschwerden, zumal ich dabei zusehen kann, wie Körper, Geist und Gegenwärtigkeit meiner beiden Alten, vor meinen Augen zerfallen. Schön ist das nicht, die Sache mit dem alt werden. Besser würde es mir gefallen wenn der „Ewige“, diesen unseligen Ablauf, noch einmal neu überdenken würde. So zack-, einschlafen und am nächsten Morgen einfach nicht mehr aufwachen und fertig. Ausgestorben und erledigt. Das würde mir besser gefallen. Ja, das wäre gut. Aber nicht so ein ewiges Dahinsiechen und auf fremde Hilfe angewiesen sein. Das ist grausam und Menschenunwürdig. Was „Er“ sich dabei gedacht hat, dass weiß der Geier. Ehrlich. Das ist richtig gemein, was er so mancher Kreatur da zumutet. Wenn es auch heißt, dass man so stirbt wie man gelebt hat, kann ich bei meiner Mutter in ihrer Vergangenheit kein Vergehen finden, wodurch sie so ein beschwerliches Alter verdient hätte. Natürlich ist sie ein etwas herzloser Mensch gewesen. Egoistisch, besserwisserisch und immerzu über andere Menschen urteilend. Aber so… Nee jetzt. Das hat sie meiner Meinung nach nicht verdient. Man könnte fast glauben, wenn man das alles so sieht, dass alle Menschen die ihren Egoismus so freizügig lebten, am Ende so richtig eine vor den Latz geknallt bekommen. Das ist aber nicht der Grund dafür, warum ich eher ein großzügiger Mensch geworden bin, nein. Warum ich großzügig bin, hat nur den Grund, dass ich es gerne sehe wenn sich jemand über etwas so richtig freuen kann. Es gibt keinen schöneren Dank als die ehrliche Freude im Gesicht deines Gegenübers. Mir geht es jedenfalls so. Ob ich richtig damit liege, ist mir ziemlich Wurscht. Ich bin wie ich bin. Basta.
Mein Schöner betrachtet mich schmunzelnd, wodurch er mich ein wenig verunsichert. Früher, als noch das alte „Ich“ in mir wohnte, und ich hinter jedem Baum einen Feind wähnte, hätte ich diesen Blick als spöttisch und überheblich vermutet. Heute weiß ich, dass in einem solchen Blick, nicht immer nur die Heimtücke lauern muss. Es gelingt mir mit zunehmendem Alter immer besser, wertfrei zu bleiben, und mich nicht gleich bis unter die Zähne zu bewaffnen um mich zu verteidigen, weil ich mir immerzu einbildete mich verteidigen zu müssen. Diese Einsicht nimmt mir eine große Portion Stress aus meinem inneren Gefühl.
Ich sehe ihm, meinem Schönen, mit festem Blick in seine überirdisch wundervollen, hellgrauen, irisierenden Engelsaugen, und erkenne darin die Seele eines Menschen, der mir einmal sehr viel bedeutet hat, und von dem ich nicht einmal ansatzweise ahnen konnte dass er mein leiblicher Vater gewesen ist. Leider habe ich die Wahrheit erst erfahren, da war dieser Mensch schon sehr lange tot und meine Mutter schon alt. Alt und uneinsichtig ein Geständnis abzulegen. Am Ende bin ich selbst darauf gekommen, und am Ende haben Mitwisser meine Vermutung bestätigt. Aber erst nachdem ich es ihnen auf den Kopf zugesagt habe. Es dauerte eine ewige Ewigkeit bis ich meiner alternden, sturen, hartherzigen, verschwiegenen Mutter dieses wohlbehütete Geheimnis verzeihen konnte, welches sie mir gegenüber, lebenslang im Verborgenen hielt, um ihren Mann, dessen offizielle Tochter ich nach dem Gesetz bin, zu schonen. Ich bin mir bis heute nicht sicher ob ich das wirklich drauf habe, die Sache mit der Vergebung. Im Moment, jetzt wo ich ihr dabei zusehen kann wie sie verfällt, empfinde ich nur tiefstetes Mitleid mit ihr. Ob Mitleid vielleicht eine Facette der Vergebung sein könnte, weiß ich nicht zu sagen. Möglich ist es. Ich weiß es wirklich nicht. Fest steht nur, dass ich nicht so gehandelt hätte. Ich hätte mein Kind nicht so hinters Licht geführt und einem Fehlglauben überlassen. Nun ist es für eine Klärung der Gründe zu spät. Sie hat es so gehalten, und ich muss mich damit abfinden. Menschen sind nun einmal sehr unterschiedlich. Daran wird sich leider auch in Zukunft nichts ändern. Niemand erklärt dir – gibt genaue Auskunft darüber, warum Menschen individuell so verschieden sind. Sehr verschieden sind, kann man mit Fug und Recht und ohne Zweifel behaupten. Einzig Geburt und Tod verbindet sie miteinander. So wie es aussieht-, ist und bleibt Geburt und Tod, die einzige Gemeinsamkeit überhaupt. Und selbst diese unterscheidet sich in Art und Weise zwischen schwer und leicht-, schmerzvoll oder mit Leichtigkeit, eilend oder schleppend, langwierig, oder in der Kürze der Zeit. Nicht einmal in Geburt und Tod ist ein Gleichklang zu entdecken. Nur in der Sache selbst.