16,99 €
Eve lebt im Nordosten Schottlands auf einer kleinen Insel. Nachdem ihre Schwester Amy vor einem Jahr weggezogen ist, beschließt Eve, ihr Haus zu verkaufen und die Insel ebenfalls zu verlassen. Dafür engagiert sie den attraktiven Makler Ian Preston. Dieser unterbreitet ihr jedoch nicht nur ein Angebot für das Haus, sondern überrascht sie mit einer ungewöhnlichen Abmachung, die Eves Herz in Gefahr bringt. Als dann auch noch Amy zurückkehrt und ein tragisches Ereignis das freudige Wiedersehen überschattet, ist das Gefühlschaos perfekt. Werden Eve und Ian dennoch zueinander finden?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2017
LESEPROBE zu
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2017
© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim
www.rosenheimer.com
Titelfoto: © Klaus G. Förg (oben) und
Jenner – Fotolia.com (unten)
Lektorat: Christine Weber, Dresden
Worum geht es im Buch?
Gabriele Raspel
Auf der Insel des Glücks
Eve lebt im Nordosten Schottlands auf einer kleinen Insel. Nachdem ihre Schwester Amy vor einem Jahr weggezogen ist, beschließt Eve, ihr Haus zu verkaufen und die Insel ebenfalls zu verlassen. Dafür engagiert sie den attraktiven Makler Ian Preston. Dieser unterbreitet ihr jedoch nicht nur ein Angebot für das Haus, sondern überrascht sie mit einer ungewöhnlichen Abmachung, die Eves Herz in Gefahr bringt. Als dann auch noch Amy zurückkehrt und ein tragisches Ereignis das freudige Wiedersehen überschattet, ist das Gefühlschaos perfekt. Werden Eve und Ian dennoch zueinander finden?
1
Weit draußen, nahe der schottischen Nordseeküste auf einer pittoresken Inselgruppe genannt Sister’s Rock beginnt unsere Geschichte. Weshalb Mary’s Head, die größere der Schwesterinseln, nach Marys Kopf und die andere, Martha’s Knee, nach Marthas Knie benannt worden war, lag, wie man sich denken kann, einzig und allein an der Form der Inseln. Mary’s Head wirkt von oben wie ein Mädchenkopf – ein lockiger, wohlgemerkt. Und Martha’s Knee sieht, man vermutet nach männlichem Dafürhalten, von oben dank des weitläufigen Gipfelplateaus wie ein Mädchenknie aus. So weit die Mär. Warum nun Kopf und Knie zwei verschiedenen Mädchen gehörten, verschweigen die Annalen. Aber das interessierte die 1.500 Einwohner von Mary’s Head nicht, ebenso wenig wie den einzigen Bewohner von Martha’s Knee: den Leuchtturmwärter Brad Boyle nebst seinen zwei Hunden Sammy und Shelby.
Eigentlich war an diesem Dienstag alles und doch nichts wie sonst gewesen, überlegte Eve Boyle später. Angefangen bei dem tiefen, lang gezogenen Ruf des Nebelhorns, einem Signalton, der vom Leuchtturm bei extremem Nebel mit einer Reichweite von 5 Kilometern abgegeben wurde, welcher die Schiffe vor Mary’s Head’s gefährlichen »Locken« warnen sollte und Eve um sechs aus dem unruhigen Halbschlaf aufgerüttelt hatte. Nichts hatte die Wirrnisse angekündigt, die in der nächsten Zeit ihr Leben erneut und, falls das überhaupt möglich war, sogar noch stärker aufrütteln würden als vor einem halben Jahr.
Der Schicksalsschlag ereignete sich vor sechs Monaten durch den unerwarteten Tod ihrer Grandma. Einen Tag zuvor hatte sie ihre Enkelin gebeten, sie doch auf einen Spaziergang durch den Naturpark zu begleiten. Obwohl die Großmutter recht blass wirkte, willigte Eve ein, bestand jedoch darauf, dass sie sich im Tal aufhielten. Der Berg stieg zwar sanft an, man hätte jedoch einen ordentlichen Fußmarsch bis zum sanft gewölbten Gipfelplateau zurücklegen müssen. Es war ein strahlender Frühsommertag, und beide hatten den Eindruck, als wäre der Teppich aus Traubenhyazinthen, gelbem Stechginster, von dem die Großmutter behauptete, dass er nach Kokos dufte, lila Rhododendren und rosa Grasnelkenkissen noch farbiger als sonst. Die Oma genoss diesen Ausflug sichtlich, obwohl Eve deren Kurzatmigkeit nicht verborgen blieb. Normalerweise begnügte sie sich mit kürzeren Strandspaziergängen.
Zum Abschluss pflückten sie einige Stängel vom Bärlauch, der noch nicht in Blüte stand. Daraus wollte die Oma frisches Pesto bereiten. Dieser wuchs so üppig, dass sich niemand daran stören konnte. Und auf dem Rückweg hatten sie das Glück, aus der Ferne sogar ein scheues Otter-Pärchen beobachten zu können, das sich in den reinen Inselgewässern wohlzufühlen schien.
Zur Freude der Bewohner war die gesamte Insel in diesem Jahr zum Naturpark erklärt worden, für den nun sogenannte Park-Ranger gesucht wurden – Männer, die sich mit der Flora und Fauna gut auskannten, die Touristen führen und darauf achten sollten, dass diese sich nur auf den zahlreichen Wegen hielten.
Als Eve am späten Nachmittag des folgenden Tages nach der harten Forschungsarbeit aus Hornborough, dem nächstgrößeren Städtchen auf dem Festland, zurückgekehrt war, hatte sie ihre Oma im Ohrensessel vorgefunden.
Anfangs hatte sie sich nach einem kurzen Blick auf die friedlich Ruhende leise zurückgezogen, weil sie der Meinung gewesen war, die Oma hielte ein Nickerchen: die Hände gefaltet auf dem Schoß, die Brille auf der Zeitung neben sich auf dem kleinen Nussbaum-Tischchen. Eve hatte daraufhin unbesorgt in ihrer Wohnung im ersten Stock eine Runde gelesen und telefoniert, nachdem sie seit morgens um sieben auf den Beinen war. Doch als sich gegen sieben immer noch nichts im Haus rührte, wie sonst, wenn Grandma lautstark mit den Töpfen klappernd das Abendessen zubereitete, war sie beunruhigt erneut ins Wohnzimmer hinuntergegangen.
Die Küche wirkte so verlassen, wie sie sie vor zwei Stunden bereits vorgefunden hatte. Nichts, kein Gemüse, kein Braten oder auch nur ein kaltes Abendbrot waren für sie beide zubereitet worden. Sie entsann sich noch genau, wie eine kalte Hand ihr Herz ergriffen hatte, als keinerlei abendliche Küchendüfte heraus in den Flur drangen. Nicht einmal das Radio lief. Sie hatte die Tür aufgerissen, die Küche leer vorgefunden und war ins Wohnzimmer gestürzt, als wüsste sie bereits, dass etwas passiert war.
Die Oma war friedlich entschlafen, wie der Arzt, Dr. Preston, später mitteilte.
»Mit vierundachtzig kann das schon mal so eintreffen, auch wenn die Menschen einen Tag zuvor noch fidel erscheinen. Seien Sie dankbar, Miss Boyle, es war ein sanfter Tod«, hatte er sie zu trösten versucht. Er, den sie extra aus Hornborough hatte herbeirufen müssen. Da die Fähre gerade zum Ablegen bereitstand, war er bereits nach einer Stunde eingetroffen – für die Verhältnisse hier draußen erstaunlich rasch, denn Mary’s Head verfügte über keinen eigenen Arzt. Allerdings kam vom örtlichen Krankenhaus ein Hubschrauber herüber, wenn ein Notfall eintrat.
Um der Trauer und Einsamkeit zu entfliehen, hatte sie sich nach Wochen aufgrund des Drängens ihrer Schwester und ihrer Freunde den bescheidenen Ablenkungen hingegeben, die die Insel und Hornborough zu bieten gehabt hatten: Im Spätsommer hatte beispielsweise die Abschiedsparty der Millers aus Dakota stattgefunden, der Gedanke daran entlockte Eve immer noch ein Lächeln. Die Feier hatte auf einer riesigen Yacht stattgefunden, deren Deck ihrem Häuschen Platz geboten hätte. Wie sie zu der Ehre der Einladung gekommen war, erschien ihr seltsam genug, denn Millionäre gehörten nicht zu ihrem Bekanntenkreis.
Die Gastgeber, er Mode-Mogul, sie Exmodel, beide um die fünfzig, besuchten seit Jahren die Insel und gaben sich die größte Mühe, alljährlich noch genauso knackig auszusehen wie vor zwanzig Jahren, was ihnen mehr oder weniger misslang. Sie gehörten im Sommer zum Schwarm der Inselbesucher. Wie die Schmetterlinge flatterten sie von Blüte zu Blüte, sprich von Party zu Party. Auf den Yachten, wohlgemerkt. Auf einem ihrer seltenen Spaziergänge in Richtung Halbinsel hatten sie das geräumige Wohnhaus von Eve entdeckt, das dank der Kletterhortensien märchenhaft verwunschen wirkte. Die Wände neben der Haustür waren beinahe zur Hälfte überwuchert, was die beiden dermaßen entzückte, dass sie einfach an die Tür klopften und Eve ein sagenhaftes Angebot zum Verkauf des Hauses machten.
Eve, die nicht beabsichtigte, sich jemals vom Haus zu trennen, hatte die Irrsinnssumme abgelehnt und nur gelacht. Aber die beiden, Fred und Elly, waren so lustig und herzlich gewesen, dass sie sie spontan zu Kaffee und Kuchen eingeladen hatte. Es war ein unterhaltsamer Sonntagnachmittag geworden, dem die Einladung zur Abschiedsparty am gleichen Abend folgte, nach der die Millers sich wieder in sonnigere Gefilde aufmachen wollten.
Die Party war anregend gewesen, Eve hatte sich mit vielen Bekannten und Unbekannten unterhalten und gut amüsiert. Gekrönt worden war dieser Abend jedoch von einem Mann, den Eve bisher nur vom Hörensagen kannte: Ian Preston, Sohn des Arztes aus Hornborough und ebenfalls Arzt, würde sich hier niederlassen, was man auf der Insel sehr begrüßte und was auch dringend nötig war. Denn bei besonders schweren Fällen hatte man bislang immer längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bis sein Vater, Dr. William Preston, aus Hornborough eintraf. Natürlich gab es die Hubschrauberrettung, doch es fehlte einfach ein Arzt vor Ort. Und eben dieser Ian Preston würde also derjenige sein, der sie zukünftig betreute. Was ihn bereits jetzt bekannt gemacht hatte, war sein Talent als Immobilienmakler.
Eve starrte ihn an. Ian war ein Prachtexemplar von einem Mann und hatte sie anfangs keines Blickes gewürdigt – in ihren Augen einfach die logische Folge der Tatsache, dass sie ganz sicher nicht in sein Beuteschema passte. Er liebte gewiss blonde, grazile Frauen, sie hingegen war dunkel und kurvig. Entgegen dem größten Teil der Weiblichkeit an Bord hatte Eve versucht, stets in eine andere Richtung zu schauen, wenn er sich ihr näherte, denn sie wollte nicht, dass man ihr wie allen anderen Frauen anmerkte, wie überaus attraktiv sie ihn fand. Wundervoll sein welliges schwarzes Haar, das er entgegen der Mode ein wenig länger als die anderen Männer trug. Obwohl es mit silbrigen Fäden durchwirkt war, vermutete sie, dass er nicht älter als Mitte dreißig war. Sie mochte die distinguierte Art, in der er auftrat, den Sexappeal, den er ausstrahlte. Der starke Ausdruck in seinen braunen Augen, als ihm während einer Diskussion etwas gegen den Strich zu gehen schien, wurde allerdings zusehends verwegener, um nicht zu sagen gefährlicher.
Und dann kam der Moment, der seinem selbstsicheren Auftreten noch mehr Besonderheit verlieh, als er sich mit einem millionenschweren Freund des Yachtbesitzers angelegt hatte. Den Grund für die Auseinandersetzung kannte sie nicht, doch die Aufmerksamkeit der Gäste – ihre eingeschlossen – hatte unumschränkt allein Ian gegolten. Sehr zu ihrem Erstaunen war er anschließend von den Gastgebern nicht von Bord geworfen worden. Allerdings hatte er sich nur kurze Zeit später mit einer reizvollen Blondine im Arm gezeigt – definitiv nicht die Frau, mit der er aufgekreuzt war, denn die hatte es nicht gegeben, wie Eve bemerkte.
Irgendwie beschlich sie das Gefühl, dass dieser Mann in ihrem Leben eine Rolle spielen würde, wahrlich ein Wunschtraum, wenn sie an die blonde Schönheit dachte, die er an jenem Abend gekapert hatte. Und selbst wenn ihr eine Minimalchance geblieben wäre, hatte sie sich diese selbst gründlich vermasselt. Warum nur musste sie lauthals auflachen, als der Streit mit dem Millionär dazu führte, dass Ian Preston eine ordentliche Ohrfeige austeilte? Wahrscheinlich wegen des dummen Gesichts des steinreichen Gurus, der sich danach staunend die malträtierte Wange rieb und sich dann wortlos abwandte.
Und Eve? Sie lehnte ein wenig ruppig Prestons charmantes Angebot ab, ihr ein Glas Champagner zu holen, und machte sich stattdessen, ohne ihn weiter zu beachten, zum dritten Mal über das Buffet her. Dass sein glühender Blick sie beim Verlassen der Yacht gestreift hatte, war hundertprozentig ein Zufall. Ganz gewiss.
Eine hübsche Abwechslung, doch diese lag nun schon über zwei Monate zurück.
An einem kalten Dienstag Anfang Dezember saß Eve nach einer unruhigen Nacht vormittags in der Küche auf dem Sessel am Fenster, noch vor dem Frühstück, was schon seltsam genug war, und starrte blicklos hinaus über die Mauer hinweg in das Grau der aufgewühlten See.
Dabei liebte sie, die studierte Soziologin, ihr Leben als Wissenschaftlerin an einem Institut, das sich mit Raumforschung und Stadtentwicklung beschäftigte, liebte das Haus, das die Großmutter ihr vermacht hatte, ebenso wie die Insel Mary’s Head, die den rauen Stürmen trotzte, resolut und standhaft wie einst Grandma.
Von der Küche aus genoss Eve die freie Sicht auf das Meer, nachdem sie mit der Großmutter noch einen Monat vor deren Tod eine Schneise durch die Hortensien, Rhododendren und zerzausten Sträucher im Garten geschlagen hatte, die im immerwährenden Wind normalerweise kaum einen Meter hoch wuchsen. Wie sehr sie diesen Ausblick liebte! Trotz des Seewinds gedieh hier alles, was man an Pflanzen in den Boden steckte.
Wie die meisten auf der Insel hatten auch Eve und ihre Großmutter den Garten mit einer zwei Meter hohen Mauer umgeben, die nur zum Meer hin etwas niedriger war. Diese mit Flechten überzogenen Mauern und die Rhododendren in den Vorgärten der grauen Steinhäuser gehörten zu den schönsten Wahrzeichen von Mary’s Head, ebenso wie die kleinen Häuser in dem Städtchen mit den verwinkelten Straßen, welches dem böigen Wind nur wenig Angriffsfläche bot und dessen Unübersichtlichkeit die Touristen in den ersten Tagen ihres Aufenthalts in Verzweiflung stürzte. Und natürlich gehörte der berühmte Leuchtturm des winzigen Eilands Martha’s Knee mit zu den herausragenden Erkennungsmerkmalen der Schwesterinseln. Nicht zu vergessen der einzige Berg auf Mary’s Head: Rund und gleichmäßig thronte er in der Inselmitte wie ein Gugelhupf auf der Kuchenplatte. Sein Name? Mary’s Head natürlich, wie sonst. Und natürlich hatte man auch das Städtchen so benannt. Was sollte man sich das Leben beschweren mit einer Vielzahl von Namen, die sich ohnehin kein Mensch merken konnte?
Der Vormittag war üblicherweise die Zeit, in der sich Eve voller Energie in die Arbeit stürzte, in der Regel im Heimbüro. Mindestens einmal wöchentlich fuhr sie jedoch auch nach Hornborough in die Uni, in der sie als Dozentin tätig war, sowie ins Büro des Instituts und nutzte diese Besuche, um danach durch die Stadt zu bummeln oder sich mit Freundinnen zu treffen.
An diesem Morgen jedoch begann sie, ihre saubere Küche auf Hochglanz zu wienern, etwas, das ihr in normalem Zustand arg zu denken gegeben hätte. Sie liebte Ordnung und Sauberkeit, doch sie litt keineswegs unter Putzzwang.
Die Siesta am Mittag hatte ihr ebenfalls keinerlei Entspannung geliefert. Dennoch hatte Eve sich nicht zu der dringenden Arbeit aufraffen können, die sie bis Ende des Monats zu erledigen hatte, sondern den Fernseher eingeschaltet und ohne großes Interesse irgendeine Serie verfolgt. Dabei war die mittägliche Pause eine Unterbrechung des Tages, die sie normalerweise sehr genoss. Ein geblümter Teppich lag vor dem Bett, und die weißen, leichten Voile-Gardinen flatterten am offenen Fenster. Sie liebte es, sich in ihrem hübschen Schlafzimmer nach einem Imbiss in eine weiche Decke auf dem riesigen Sessel einzukuscheln und zu lesen, wobei sie meist einschlummerte, manchmal für fünf Minuten, manchmal auch für eine Viertelstunde. Danach fühlte sie sich erfrischt wie nach einem dreistündigen Tiefschlaf.
Am Nachmittag hatte der Sturm zugenommen, und Eve stellte später zufrieden fest, dass die Rhododendronblüten diese Angriffe erneut überstanden hatten. Dick eingemummelt in den grünen Parka und einen weichen Schal, den sie mehrmals um den Hals geschlungen hatte, um der unangenehmen Kälte des steifen Winds zu trotzen, war sie allein spazieren gegangen. Sie wählte nicht wie sonst den Weg unterhalb der Klippen am Ufer entlang, wo sie normalerweise nach einer besonders hübschen Muschel oder einem ausgefallen geformten Stein für ihre Sammlung Ausschau hielt. Diesmal war sie den schmalen Weg auf den Klippen oberhalb des hufeisenförmigen Strands entlanggewandert, den Heidebüsche säumten, deren Blüte jetzt vorüber war.
Auch diese einsamen Spaziergänge waren ein Novum, erst recht nach dem Tod der Oma. Normalerweise traf Eve sich zum Spaziergang mit einer ihrer beiden Freundinnen, die dabei ihre Hunde ausführte, manchmal allerdings auch mit ihrer Schwester Amy, wenn diese frei hatte.
Das Laufen hatte glücklicherweise die innere Unruhe in einem Maße verscheucht, dass sie sich anschließend ins Arbeitszimmer an den Laptop setzte – in der Hoffnung, an der vor über einem Jahr angefangenen Dissertation weiterarbeiten zu können. Doch nach einer halben Stunde gab sie auf. Ihr fehlte einfach die nötige Konzentration.
Um halb sieben bereitete sie das Essen zu und plauderte angeregt wie in früheren Zeiten mit Amy, die auf der Nachbarhalbinsel wohnte und kurz herübergekommen war, um ihr beim Essen Gesellschaft zu leisten. Die Schwester hatte sich in der Altenpflege selbstständig gemacht und sich in den letzten Jahren damit einen guten Ruf erarbeitet, weshalb sie nicht unter Arbeitsmangel litt. Im Wechsel mit einer Kollegin arbeitete sie immer vier Tage und Nächte hintereinander bei pflegebedürftigen Menschen, die nicht mehr allein leben konnten, ihr Zuhause dennoch nicht verlassen wollten. Im Anschluss daran nahm sie genauso lange frei.
An den Tagen, an denen Amy Dienst hatte, war in letzter Zeit immer öfter Christopher zum Essen herübergekommen, Amys Mann. Eve genoss das, denn sie hatte sich immer noch nicht so ganz an das Alleinsein gewöhnt. Amy hatte erzählt, er wäre heute in Hornborough mit ein paar alten Freunden verabredet und würde erst spät in der Nacht heimkehren.
»Habt ihr endlich überlegt, wie ihr euch die Arbeit besser aufteilen könntet, damit der ganze Haushalt nicht an dir allein hängen bleibt?«, fragte sie Amy und stellte den Topf mit dem Gemüseeintopf und dem Lammfleisch auf einen Korkuntersetzer auf dem Küchentisch. Seit die Großmutter tot war, benutzte Eve keine Wachstuchdecken mehr, sondern jene aus altem Leinen, die sie in dem Aussteuerschrank von Grandma gefunden hatte. Auch die geblümten Stores hatte sie abgenommen und gegen helle, blickdichte ausgetauscht, die sie nur am Abend zuzog. Es waren nur kleine Veränderungen. Die Küchenschränke, Relikte aus Anschaffungen von mindestens drei Generationen, würde sie vielleicht irgendwann austauschen, oder auch nicht. Sie wollte nichts überstürzen, die Zeit würde darüber entscheiden.
Wie gewöhnlich aßen die Schwestern in der Küche.
Amy zuckte mit den Schultern. »Christopher redet sich heraus. Er meint, wenn er vom Fischen heimkommt, kann er nicht auch noch kochen oder im Haushalt helfen«, erwiderte sie mit verkniffenem Gesichtsausdruck. »Und wenn ich ihm dann antworte, dass ich nach vier Tagen mit meinen Senioren genauso müde bin wie er, scheint ihn das irgendwie nicht zu interessieren.«
Eve legte den Arm um die Schultern der Schwester und drückte sie kurz. Amy sah zart und zerbrechlich aus, besaß jedoch die Kraft einer Löwin. Sie holte Besteck und Servietten und setzte sich innerlich seufzend zu Amy an den Tisch.
Ach, liebe Amy, wie oft haben wir dieses Gespräch schon geführt. Wenn du wüsstest, was Christopher so alles über dich bei mir ablädt, dann würdest du staunen. Aber eure Probleme müsst ihr beide allein lösen.
Ihre Schwester war im Gegensatz zu Eve sehr dünn, hatte ein schmales Gesicht mit feinen Zügen und blonde glatte Haare, die glänzten wie frisch gefärbt. Aber, oh Graus, Amy hatte vor Kurzem das erste weiße Haar an sich entdeckt. Das nicht auch noch! Eve hätte es selbst mit einer Lupe sicher nicht vom übrigen Blond unterscheiden können. Auf Amys Wangen zeigten sich kleine Grübchen, wenn sie lachte, was in der letzten Zeit aber immer seltener vorkam. Ihre Augen waren leuchtend, groß und grau. Schiefergrau wie das Meer in diesen kalten Tagen.
»Du siehst rassig aus mit deinem schwarzen Haar und nicht so unscheinbar wie ich mit meinem langweiligen Blond. Ich hätte zu gern so schöne Locken wie du, du Glückliche«, hatte Amy der Schwester früher oft vorgejammert.
Eve musste dann immer schlucken. Warum nur sah Amy nicht, wie hübsch sie war? »Vergiss nicht, dass alle Männer auf Blond stehen«, versuchte sie stets, die Schwester zu trösten.
»Und du hast schöne, volle Lippen und nicht so schmale wie ich. Und deine blauen Augen kontrastieren wunderbar mit dem Schwarz deiner Haare. Du siehst einfach sexy aus, vor allem mit deinen Kurven.«
»Dafür darf ich nicht drauflosessen wie du, sondern werde beim Zuschauen schon dick. Du siehst elegant wie ein Rennpferd aus, ich wie ein gedrungenes Pony«, hatte Eve eingewandt, was nicht der Wahrheit entsprach. Sie fühlte sich nicht wie ein Pferd, sondern war zufrieden mit ihrem Äußeren. Doch sie hatte Amy ein wenig besänftigen wollen.
Nachdenklich gab sie Gemüse auf die Teller.
Schade, dass ihre Schwester momentan so mit sich haderte, vor allem auch mit dem Zustand ihrer Ehe. Dabei war Christopher ein wirklich netter Kerl, die Differenzen mussten sich doch aus der Welt schaffen lassen. Amys Arbeit war anstrengend, Christophers nicht minder. Hinzu kam, dass er nicht nur durch das schwere körperliche Schuften abends geschafft war, sondern auch, dass er diese Arbeit immer mehr hasste – was an dem Unglück vor einem Jahr lag, bei dem sein Freund gestorben war.
Seine Frau und er redeten eben nicht genug miteinander. Wenn sie wirklich einmal Zeit zusammen verbrachten, gab es so viel zu tun, dass sie danach todmüde ins Bett fielen, wo dann auch nichts mehr passierte.
Ein anderer Punkt war, dass er, wenn Amy dienstfrei hatte, nach getaner Arbeit in der Regel als Erstes in der Hafenkneipe einkehrte. Eve konnte verstehen, dass ihre Schwester darüber nicht begeistert war. Aber sollte Amy nicht wenigstens ein bisschen Verständnis dafür zeigen, dass ihr Mann nach einer Fahrt auf schwerer See zum Entspannen ein oder zwei Bier trank? Eve wusste, dass Amy wütend wurde, wenn sie nur die geringste Alkoholfahne an Christopher roch. Beide Schwestern waren sich einig, dass das Bier daheim genauso gut wie in der Kneipe schmeckte. Aber in der Bar kam Christopher kurz zur Ruhe und gab sich dann Amy gegenüber nicht so angespannt, verteidigte Eve ihn in Gedanken.
Dass er allerdings die fälligen Reparaturen am Haus stets verschob, war ein beständiges Ärgernis, das Eve ihrer Schwester nachfühlen konnte. Nicht nur die Wände benötigten dringend einen neuen Anstrich, es begann mittlerweile sogar, durch das Dach zu regnen.
»Wenn ihn meine Anwesenheit derart langweilt, dass er die Kneipe vorzieht, dann … na ja, dann ist schon alles im Eimer. Du hast’s gut und musst auf niemanden Rücksicht nehmen«, murmelte Amy.
Aber du hast einen Mann an deiner Seite, und ich bin allein, dachte Eve einen Moment lang traurig. Eigentlich hatte doch alles so gut begonnen. Anfangs waren die zwei schwer verliebt und für alle sichtbar glücklich gewesen. Das Verhältnis hatte sich erst im letzten Jahr verschlechtert, vermutete Eve, jedenfalls hatten da die Jammertiraden begonnen, mit der die beiden sie abwechselnd beglückten. Zwischen ihnen würde sich schon wieder alles einrenken, da war sie ganz sicher. Um Amy zu entlasten, bat sie die Schwester gern mal zu sich herüber, wenn sie etwas Feines gekocht hatte und Christopher sich auf hoher See befand.
»Und dein Haus fällt auch nicht gleich zusammen, wenn man’s mal schief ansiehst«, grummelte Amy nun.
»Das Haus wirkt nach außen renoviert, aber glaub mir, wenn man hier drinnen genau hinsieht, erkennt man, wie viel da zu tun ist«, entgegnete Eve.
»Egal, bei uns weiß man nicht, wo man zuerst anfangen soll«, maulte Amy weiter, und Eve gab sich Mühe, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
Nach dem Essen gingen sie noch auf einen Tee hinüber ins Wohnzimmer. Hier wurde nur gelesen, telefoniert und ferngesehen. Oder Tee mit der Familie, Freunden oder Nachbarn getrunken, was sie seltsamerweise nie in der Küche taten, dabei war auch dieser Raum einfach, funktional und keineswegs elegant eingerichtet. Doch wie alle Räume in diesem Haus vermittelte er mit seinen gemütlichen Sesseln und dem tiefen, geblümten Sofa, das von runden Tischchen eingerahmt wurde, ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit. Die steinernen Fensternischen mit den Blumentöpfen und den elektrischen Lämpchen, die Eve schon an stürmisch-grauen Nachmittagen wie diesem einschaltete, verstärkten diesen Eindruck noch.
Auch hier hatte sie bis jetzt nur minimale Veränderungen vorgenommen, mit der stummen Bitte um Vergebung an ihre geliebte Oma. Aber die Wände hatten einer entschiedenen Restaurierung bedurft. Die schauderhaften unechten Blumen mitsamt den Wandvasen waren aus dem Raum verbannt worden ebenso wie die vergilbten Bilder. Grandma hatte die aus Zeitungen ausgeschnittenen Fotos geliebt und immer wieder neue hinzugehängt, sodass sie ein buntes Kaleidoskop ihres Lebens darstellten, ohne Rahmen direkt an die Wände gepinnt. Eve hatte die Wände selbst geweißelt, nun wirkte der Raum gleich viel größer und trotzdem heimelig.
Gleich würde Amys Schicht beginnen, um acht wollte sie zu einer betagten Dame aus Hornborough. Wie immer lebte sie dann die vier Tage ununterbrochen in der Wohnung der Pflegebedürftigen – so, wie es auch ihre Kollegin und Freundin Annabell hielt. Dank der Tatsache, dass nur die beiden sich abwechselten, waren die älteren Damen und Herren glücklich, und Amy und Annabell gaben ihr Bestes, strikt die vereinbarten Zeiten einzuhalten. Die älteren Leutchen, die sich ihnen anvertrauten, waren froh, es nur mit zwei Pflegerinnen zu tun zu haben und nicht jeden Tag damit rechnen zu müssen, dass eine neue fremde Person hereinschneite, um ihnen bei der Morgentoilette oder anderen Verrichtungen zu helfen. Sie waren rundum zufrieden mit der Arbeit der Freundinnen, lobten deren Freundlichkeit und Zuverlässigkeit.
Obwohl Amy und ihr Mann recht gut von ihrem Verdienst leben konnten, hatte sich dennoch nach und nach Unzufriedenheit bei ihnen eingeschlichen.
»Christopher behauptet, ich würde immer an allem herummäkeln, dabei ist er es, der ständig stöhnt. Er hasst seinen Beruf seit diesem schrecklichen Unglück«, seufzte Amy und gab sich zwei Löffel Zucker in den Tee – Nervennahrung. Dazu bediente sie sich an den leckeren Haferkeksen, die sie beide seit ihrer Kindheit kannten und die auch Eve nach dem Tod der Oma immer vorrätig hielt. »Er will so gern etwas anderes machen, hat aber noch keinen Schimmer, was«, fuhr sie fort. »Einmal dachte er an ein Fischrestaurant am Hafen. Also, genauer gesagt eine Imbissbude, aber dann hab ich ihn daran erinnert, dass er nicht nur ungern kocht, sondern auch daran, dass man das, was er fabriziert, nicht essen kann«, fügte sie spöttisch hinzu. »Außerdem kostet die ganze Sache eine Stange Geld, selbst wenn man kein Sternerestaurant eröffnet.«
Eve senkte den Kopf und widmete sich rasch ihrem Tee. Doch sie hatte etwas zu viel Zitrone hineingegeben und verzog die Lippen. Hastig schüttete sie noch einen Teelöffel Zucker hinzu, probierte erneut und war zufrieden.
Oh, Amy, vertrau ihm doch einfach, dachte sie. Wenn du ihm ständig den Wind aus den Segeln nimmst, bevor er irgendetwas Neues ins Auge fasst, kann er ja kein Vertrauen in seine Fähigkeiten haben. Soll ich dir mal sagen, wie sehr deine ständige Kritiksucht ihn lähmt? Ahnst du, wie sehr deine Neigung, ihm tagtäglich seine Fehler unter die Nase zu halten, ihn verunsichert? Soll ich dir klarmachen, dass er ständig das Gefühl hat, du hörst ihm nicht richtig zu? Weil du zu müde bist, weil du mit deinen Gedanken bei deiner Arbeit bist und so weiter und so fort?
In der letzten Zeit hatte Christopher sich immer öfter bei ihr über seine Ehe ausgeweint. Selbst spätabends, natürlich nur dann, wenn Amy Dienst hatte. Eve könnte ihrer Schwester so einiges berichten, was er ihr anvertraut hatte. Doch sie bezweifelte, dass das eine gute Idee wäre. Schließlich wurde dem Überbringer schlechter Nachrichten in früheren Zeiten der Kopf abgeschlagen. Dennoch plagte sie ihr Gewissen. Die zwei mussten sich unbedingt aussprechen! »Er könnte sein wertvolles Boot verkaufen, dann hättet ihr genug Geld, um neu anzufangen«, schlug sie vor.
»Könnte, hätte, würde … Mein Christopher hat so viel Energie wie ein Wombat. Der ist doch viel zu träge. Bis der den Hintern hochkriegt, muss viel geschehen«, winkte ihre Schwester ab.
Eve seufzte. Sie würde gern vermitteln, hatten sie und Amy doch früher ein solch gutes Verhältnis zueinander gehabt. Natürlich waren sie sich immer noch sehr nah, doch es war nicht mehr so wie früher. Amy war einunddreißig, ihr Mann zwei Jahre älter. Eve war zwei Jahre jünger als die Schwester. Nach der Hochzeit der beiden vor fünf Jahren und nachdem ihre Eltern vor drei Jahren nach Ibiza ausgewandert waren, wo sie ein kleines Hotel betrieben – die Töchter hatten sich gegen den Heimatwechsel ausgesprochen –, hatte sich das gute Verhältnis zwischen den Schwestern noch verstärkt. Erst seit dem Tod der Großmutter war es schwieriger geworden.
Manchmal beschlich Eve das Gefühl, dass Amy schlicht ein wenig neidisch war: nicht nur auf das große Haus, in dem Eve schalten und walten konnte, wie es ihr gefiel, sondern auch auf ihre Unabhängigkeit. Auf Amy musste es so wirken, dass Eve viel Zeit für sich hatte, da sie zum größten Teil zu Hause arbeiten konnte – was allerdings nicht den Tatsachen entsprach. Aber wer sah schon dabei zu, wenn sie Stunde um Stunde am Computer saß, um Protokolle und Studienergebnisse zu verfassen? Dieser Neid war schleichend, jedoch unaufhaltsam gekommen wie die Flut. So, wie sich das Verhältnis der jungen Eheleute immer mehr verschlechtert hatte. Und beide weinten sich bei der lieben Schwester und Schwägerin aus. Was auch daran lag, dass die zwei schnell bei ihr waren, wohnten sie doch in dem Haus östlich von ihr auf der nächsten Halbinsel, keine zehn Minuten Fußweg entfernt. Gut, »Haus« schien zu viel gesagt, glich es doch eher einer Bruchbude, aber Christopher hatte die Instandsetzung betreffend Besserung versprochen.
Eve hingegen hatte das schöne Haus von Grandma geerbt. Auch dieses war in die Jahre gekommen und bedurfte einer Rundumerneuerung. Dennoch war es längst nicht so marode wie das von Amy und Christopher.
»Amy ist versorgt, deine Eltern sind fort, und du bist die Einzige, die mir geblieben ist. Ich war heute beim Notar. Du wirst dieses Haus einmal erben«, hatte Grandma noch Monate vor ihrem Tod verkündet.
Und in ihrer Freude hatte Eve die Neuigkeit sogleich Amy zugetragen, die sich jedoch nicht so recht mitfreuen konnte, das hatte sie gespürt. Nein, beschloss sie, sollten die beiden doch allein zurechtkommen mit ihren Problemen. Sie würde den Mund halten, um nicht das fragile Gerüst der Eintracht zum Einsturz zu bringen.
Amy schaute auf die Uhr und nahm einen letzten Schluck Tee. »Ich muss los. Die alte Dame in Hornborough ist pflegeleicht, aber trotzdem müssen wir auch bei ihr die exakten Zeiten einhalten. Alles außer der Reihe beunruhigt sie. Essen, schlafen, fernsehen – alles auf die Minute gleich.« Sie lächelte. »Aber sie ist nett und noch mobil. Das heißt, sie kann sich mit ihrem Rollator im Häuschen bewegen, ihre Kinder haben alles seniorengerecht umgerüstet. Sie kann sogar stolperfrei in die Dusche. Ich helfe ihr vor allem bei den häuslichen Verrichtungen. Ein leichter Job.« Sie stand auf und umarmte Eve. »Danke dir für das Essen. Und verwöhn mir nicht meinen Christopher zu sehr mit deinen guten Kochkünsten. Der Mann wird immer pingeliger«, vermeldete sie. Ein Lächeln umspielte dabei ihren Mund, doch es erreichte nicht ihre Augen.
Aha, dachte Eve. Da ist sie wieder, die vermaledeite Eifersucht meiner Schwester. Und wenn du bei ihm auch so viel rummäkelst wie bei mir, dann gute Nacht, Marie. Kein Mensch hielt es aus, wenn der andere in der Partnerschaft nur noch Negatives hervorhob.
Bevor Christopher sich für Amy entschied, hatte er kurz ein Auge auf die Jüngere der beiden geworfen. Aber dann verliebte er sich bei einer ausgelassenen Feier Knall auf Fall in seine Zukünftige. Obwohl es keinen Grund dazu gab, schlummerte seltsamerweise noch immer eine latente Eifersucht im Hinterkopf von Amy, das war aus vielen kleinen Bemerkungen herauszuhören.
Also, jetzt aufgepasst und nicht das Essen mit ihm zur Gewohnheit werden lassen, dachte Eve. Und wenn Christopher irgendwann wieder einmal spätabends bei ihr hereinschneien sollte, würde sie ihn vor die Tür setzen. Oder ihn einfach gar nicht erst hereinbitten. Normalerweise hatten sie hier keine Angst und ließen die Haustüren unverschlossen. Nur wenige machten eine Ausnahme, wenn die Touristen in der Saison einfielen.
»Aber du hast ja auch Zeit, dir in der Küche Mühe zu geben. Bist ja immer zu Hause.«
»Nein, nicht immer«, verteidigte Eve sich leise. Und außerdem arbeite ich auch hier, sitze stundenlang am PC an meiner Forschungsarbeit oder der Dissertation, fahre nach Hornborough ins Institut und plage mich zudem in elend bezahlten Lehrstunden mit Studenten herum, von denen einige den Sinn ihres Studiums noch nicht begriffen haben, fügte sie in Gedanken murrend hinzu.
Amy küsste sie flüchtig. »Mach’s gut, Schwesterherz. Pass auf dich auf. Aber was soll dir hier in deinem kuscheligen Heim auch schon passieren …«
»Nun, ich könnte überfallen und ausgeraubt werden. Und kein Mensch hört mich, weil der nächste Nachbar eine Viertelstunde entfernt wohnt«, zwitscherte Eve.
»Herrje, sag nicht, dass du jetzt, wo du im Haus allein wohnst, Angstzustände entwickelst.«
Eve legte die Hände auf Amys Schultern und drängte sie sanft zur Tür hinaus. »Das war ein Scherz, du Dummerchen«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Dann bis in vier Tagen.«
»Pass du auch auf dich auf.« Sie winkte Amy hinterher und schloss nur die Tür, ohne sie zu verriegeln.
Nachdem die Küche aufgeräumt war, setzte Eve sich erneut an die Dissertation, doch nach einer halben Stunde gab sie auf. Seltsamerweise fühlte sie sich völlig grundlos leer und ausgebrannt. Und von einer irrationalen Unruhe erfüllt.
Sie wollen wissen, wie es weitergeht?
Dann laden Sie sich noch heute das komplette E-Book herunter!
Besuchen Sie uns im Internet:www.rosenheimer.com