Ein Sommer im Moorhaus - Gabriele Raspel - E-Book

Ein Sommer im Moorhaus E-Book

Gabriele Raspel

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Beschreibung

Sophie ist gerade auf dem Weg zum Ferienhaus ihrer Mutter in Sutherland, als sie sieht, wie das Auto vor ihr auf den Bahngleisen plötzlich zum Stehen kommt. Voller Schreck beschließt sie, dem ohnmächtigen Mann zu helfen und zieht ihn aus dem Auto. Finlay ist äußerst angetan von seiner Retterin und verschweigt ihr daher auch, dass die Strecke längst stillgelegt worden ist. Auch Sophie hat ein Geheimnis: Sie kennt ihn von früher. Die beiden waren als Jugendliche einst unzertrennlich, als Finlay plötzlich nichts mehr von ihr wissen wollte. Wie wird er reagieren, wenn er in ihr die Jugendfreundin wiedererkennt?

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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LESEPROBE zu

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2017

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelfoto: © Klaus G. Förg (oben) und

kite_rin – Fotolia.com (unten)

Worum geht es im Buch?

Gabriele Raspel

Ein Sommer im Moorhaus

Sophie ist gerade auf dem Weg zum Ferienhaus ihrer Mutter in Sutherland, als sie sieht, wie das Auto vor ihr auf den Bahngleisen plötzlich zum Stehen kommt. Voller Schreck beschließt sie, dem ohnmächtigen Mann zu helfen und zieht ihn aus dem Auto. Finlay ist äußerst angetan von seiner Retterin und verschweigt ihr daher auch, dass die Strecke längst stillgelegt worden ist. Auch Sophie hat ein Geheimnis: Sie kennt ihn von früher. Die beiden waren als Jugendliche einst unzertrennlich, als Finlay plötzlich nichts mehr von ihr wissen wollte. Wie wird er reagieren, wenn er in ihr die Jugendfreundin wiedererkennt?

1

Sophie lächelte. Gab es wohl etwas Schöneres, als sich auf dem Weg in den Urlaub zu befinden? Und das auch noch mit der Aussicht auf eine neue Stelle?

Sie schaute auf die beleuchteten Zeiger der Uhr im Wageninnern. Beinahe zwanzig Uhr. Grinsend fuhr sie sich durch die Mähne, als sie daran dachte, wie erfolgreich sie heute bereits gewesen war. Das renommierte Inneneinrichtungsstudio in Inverness hatte ihr ein fantastisches Angebot gemacht: Sie würde völlig eigenständig arbeiten, das Gehalt wäre formidabel, und endlich wäre sie am Meer.

Sie dachte noch einmal daran, wie unangenehm dieses erste Bewerbungsgespräch begonnen hatte. Es war eben doch gut, sich nicht alles gefallen zu lassen. Nachdem Mr. Miller, der für die Einstellung zuständig gewesen war, ihre Unterlagen kurz überflogen hatte, hatte er sie über die Gläser seiner kreisrunden Brille mit dem violetten Gestell beäugt und dann genuschelt: »Wenn Sie bei uns überhaupt eine Chance haben wollen, färben Sie sich vorher Ihre roten Locken, Sie sehen ja aus wie ein Feuermelder. Es gibt nicht wenige Menschen, die rote Haare nicht ausstehen können. Und dann schneiden Sie sie ab. Oder binden Sie sie hoch. Sie wollen ja wohl unsere Kunden nicht gleich in der ersten Sekunde vergraulen.«

»Und Sie waschen sich beim nächsten Mal die fettigen grauen Haare, wenn Sie sich mit einer Dame unterhalten. Schönen Tag noch.« Sophie schnappte sich ihre Bewerbungsmappe und rauschte aus dem Büro. Ihr Abgang war nicht von schlechten Eltern gewesen. Und er erreichte seinen Höhepunkt, als sie bei ihrem wutentbrannten Davonstürzen die Tür so heftig aufstieß, dass sie draußen einen Mann traf, der sich stöhnend den Kopf hielt.

Ihr Wutanfall verflüchtigte sich auf der Stelle. »Ach du meine Güte! Hab ich Ihnen etwa wehgetan?«

»Geht schon«, murmelte er gefasst. »Knock-out am Abend – erquickend und labend. Womit hat sich denn unser Mr. Miller Ihren ungestümen Abgang verdient?«

Sie berichtete ihm, dem Chef höchstpersönlich – einem hochgewachsenen Mann in den Fünfzigern, der mit seinen angegrauten Schläfen und den blauen Augen sehr attraktiv aussah –, von dem Gespräch, und eine halbe Stunde später erhielt sie das Angebot, es – dennoch – einmal mit ihnen zu versuchen. Sein Angebot war phänomenal, logisch bei ihren 1-a-Zeugnissen und Referenzen diverser Luxus-Hotels und Firmen, die sie neu eingerichtet hatte, und dennoch bat sie um ein paar Tage Bedenkzeit und entschwand gut gelaunt.

Natürlich würde sie sich nie und nimmer von ihren roten Locken trennen, die Mr. Foster, dem Chef, ausnehmend gut gefallen hatten.

Das war vor zwei Stunden gewesen.

Sie befand sich in einem besonders malerischen Winkel Nordostschottlands, wo sich tiefdunkle Heide und robuster Krüppelwacholder mit moorigen Feuchtgebieten abwechselten und sich immer wieder Blicke aufs Meer erhaschen ließen. Mehrmals schon war sie stehen geblieben, um eine besonders beeindruckende Aussicht auf die schiefergraue See zu genießen, sofern der Nebel es zuließ. Dieser triste Regentag konnte einer zarten Seele schon ganz schön zusetzen. Nun, so zart war ihre Seele nicht – jedenfalls nicht nach außen. Sophie hatte Urlaub, vier Wochen oder länger, denn sie war frei, frei, frei! Und erleichtert, als hätte sie zehn Kilo abgenommen – hatte sie doch von einem Tag auf den nächsten ihre Arbeitsstelle gekündigt, ohne Aussicht auf eine neue. Obendrein hatte sie ihre winzige Eigentumswohnung verkauft, einschließlich sämtlicher Möbel. Nur ihre Bücher- und CD-Sammlung, einige Bilder, die ihre beste Freundin gemalt hatte, sowie Alben mit Fotos ihrer Mutter hatte sie bei einer Freundin im Keller eingelagert. Insgesamt also ein Akt, den sich nur die größten Optimisten zutrauten. Und war ihr Mut nicht belohnt worden? Oh ja, hatte man ihr doch diese wundervolle Stelle in Inverness bereits an ihrem ersten freien Tag angeboten.

Sie genoss die Fahrt durch den stillen, im Nebel unwirklich schemenhaft wirkenden Landstrich. Dass ihre Mutter diese Landschaft ganz besonders geliebt hatte, konnte sie gut verstehen. Aber auch sie hatte ihr Herz damals daran verloren.

Sophie versank einen Moment in die bekannte Melancholie. Es war jetzt drei Monate her, seit ihre Mutter gestorben war, und Sophie vermisste sie sehr. Nun war sie allein, denn es gab weder einen Vater – ihn hatte sie nie kennengelernt, nachdem er kurz nach ihrer Geburt das Weite gesucht hatte und irgendwann seinem Alkoholproblem erlegen war – noch Geschwister. Aber sie hatte keinen Grund traurig zu sein, denn sie war frei: einen Umstand, den sie schätzte wie fast nichts auf der Welt.

Die einsame Allee entlang irgendeines ihr unbekannten Flusses unweit des Meers dehnte sich schier endlos. Gerade als sie begann, dem Navi zu misstrauen, entdeckte sie durch den Regenschleier ein Schild nach Dale. Alles gut. Sie bog ab, und der mehr und mehr vertraute Landstrich mit seinen Seen und Moorflecken erinnerte sie an die Zeit ihrer Jugend. Gleich müsste sie kommen, die Abzweigung zum Moorhaus.

Die Dämmerung begann bereits der Dunkelheit zu weichen. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, schaltete Sophie das Autoradio ein. Im fahlen Licht der Scheinwerfer erblickte sie eine versteckte Einmündung. Der Hohlweg zum Moorhaus, endlich.

Der Jaguar, der bereits seit geraumer Zeit vor ihr hergefahren war, setzte ebenfalls den Blinker und bog ab.

Als das silbrige Schienenband der Lokalbahn am Leanach Moor aufblitzte, jubelte sie innerlich. Sie war den ganzen Tag unterwegs gewesen, hatte eine Bewerbung erfolgreich abgeschlossen, und in weniger als einer halben Stunde würde sie die erste Tasse starken, kochend heißen Tee mit Whisky genießen – den sie nicht vergessen hatte einzupacken, um eventuell den Eintritt in ein neues Leben zu feiern. Wer wusste es? Sie hatte ja genug Zeit, sich dies zu überlegen.

Ein Lächeln überflog ihr Gesicht mit dem energischen Kinn, den hohen Wangenknochen und dem etwas zu breiten Mund. Sie spitzte die Lippen, um die Melodie aus dem Radio mitzupfeifen.

Da kam schon der Bahnübergang, an dem das rote, blinkende Schild jedoch verbot diesen zu passieren! Allerdings war niemand da, der das Einhalten dieser Vorschrift überwachte. Nicht ganz ohne schlechtes Gewissen beschloss sie, ihn dennoch zu benutzen. Die Strecke war links und rechts weithin einsehbar, und eine Umkehr bedeutete einen Umweg von mindestens einer halben Stunde. Genug für heute.

Sie trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Vor ihr schien der Fahrer des Jaguars die gleiche Idee zu haben, wobei es mit der Umsetzung haperte. Wir können dein Auto natürlich auch schieben, dachte sie, als der Wagen das Tempo immer mehr verringerte. Er rollte die Böschung hoch, und sie erinnerte sich, dass ihre Mutter stets von der fröhlichen Gelassenheit der Menschen hier in Sutherland geschwärmt hatte. Jawohl! Und noch ein bisschen langsamer, dachte sie genervt, und nun auch noch stehen bleiben …

Das hatte er anscheinend gehört und befolgte es umgehend. Der Sutherlander, der er anscheinend war, entschied sich tatsächlich zu einer Pause – mitten auf den glänzenden Gleisen.

Sie fluchte innerlich und ließ ihren Blick zum Lenkrad wandern, an dem sich die Hupe befand, die sie beinahe suchen musste, da sie diese so selten nutzte. Als sie die Person geräuschvoll den Müßiggang beenden lassen wollte, bemerkte sie, wie diese sich zurücklehnte und sich mit beiden Händen an den Kopf griff. Und dann sackte sie in sich zusammen.

Oh Mann! Mit klopfendem Herzen wartete sie, dass jemand an unsichtbaren Fäden zog und der Marionette Leben einhauchte. Doch die Figur ruhte wie nach vollendetem Spiel, an einem Ort, der zum Rasten so geeignet war wie eine glühende Kochplatte.

Sophie blieb keine Wahl. Sie stellte das Automatikgetriebe auf die Parkposition, nahm das Handy und stieg aus. War dies nicht eine klassische Methode, einem ahnungslosen Opfer aufzulauern?, dachte sie einen flüchtigen Moment mit Grausen. Sie umfasste das Mobiltelefon fester, wobei ihr ein handlicher Knüppel lieber gewesen wäre, und ging zu dem Jaguar. Angespannt wie ein Jagdbogen bezwang sie ihre Erregung und beugte sich nach vorn, um durch das Fenster zu schauen. Ein Mann – auch das noch! Er hing harmlos wie ein Baby im Sitz, mit geschlossenen Augen, den Mund leicht geöffnet, während seine Arme schlaff neben seinem Körper ruhten. Gut so, lieber ein ohnmächtiges Schaf als ein bedrohlicher Wolf. Sie wusste, dass sie zum Handeln gezwungen war. Hörte sie in der Ferne nicht bereits das Pfeifen des Zuges?

Sie steckte das Mobiltelefon in die Jackentasche ihres Kostüms, öffnete die Tür des Jaguars und schrie leise auf, als der Mann ihr seitlich entgegensackte.

Atemkontrolle … Spiegeltest … Puls … Was war zu tun, wenn er nicht von selbst wieder erwachte? Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie ihre Hände unter seine Arme schob und dann die Finger in seinen Pullover krallte. Ihr brach auf der Stelle der Schweiß aus – vor Anstrengung und Angst.

Keuchend zog sie an der Gestalt, wobei die Füße des Mannes unsanft auf den Boden schlugen, als sie ihn aus dem Jaguar herauszerrte. Du meine Güte, war der Kerl schwer. Ein Glück, dass sie vor der Fahrt die hohen Schuhe gegen Turnschuhe getauscht hatte. Und Gott sei Dank lagen die Gleise erhöht auf einer Böschung, sodass sie ihn leichter hinunterbefördern konnte.

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da rutschte sie auch schon rückwärts auf dem schmierigen Untergrund aus. Den Mann auf dem Bauch hielt sie eisern fest. Keuchend entledigte sie sich seines Körpers, was nicht ganz einfach war, denn er lag kraftlos wie nach vollbrachter Tat auf ihr. Unsanft landete er auf der Seite im nassen Moos, aber immerhin hatte er sie freigegeben. Also kein Gewaltverbrecher. Hoffentlich nicht, durchzuckte es sie.

Sie rappelte sich hoch. Jetzt aber schnell. Auch der Wagen musste von den Gleisen runter, sonst würde der Zug ihn wegsprengen – vorzugsweise in ihre Richtung, das war ja immer so.

»Was ist los? Was machen Sie da?«, erklang es im gleichen Moment hinter ihrem Rücken.

Sie blieb einen winzigen Augenblick stehen und schaute sich um. Der Mann saß aufrecht im Moos, das wie ein Schwamm mit Wasser gesättigt war, und betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen und schmerzverzerrtem Gesicht, vorwurfsvoll, so als hätte sie versucht, ihn niederzumachen.

»Sie sind wach? Oh gut, bleiben Sie ganz ruhig, ich komme gleich wieder.«

Sie hechtete zum Auto des Unbekannten und setzte sich hinein. Ein sanftes Tippen aufs Gaspedal, und der Wagen tat das, was man von einer Limousine dieses Kalibers erwarten konnte: Er rollte wie von selbst über die Gleise. Sie bremste.

Geschafft! Sie nahm die Hände vom Lenkrad, strich sich die Mähne aus dem glühenden Gesicht und spürte, wie ein heißes Triumphgefühl sie übermannte: Sie, Sophie McKinney, geborene Landers, vierunddreißig Jahre alt, Witwe ohne Anhang, genauer gesagt ziemlich einsam, hatte einem Menschen das Leben gerettet.

Einen Moment verspürte sie den widersinnigen Wunsch, es wäre tatsächlich ein Zug gekommen – natürlich erst, nachdem sie die Gleise verlassen hatte. Nun ja, auch so hatte sie sich bewährt, dachte sie hochzufrieden. Nun galt es, sich schnellstens wieder dem hilflosen Mann zu widmen. Der hoffentlich allein zurück ins Auto steigen konnte, denn ihn dort wieder hineinzubefördern, erschien ihr als ein nicht zu bewältigender Akt. Aber wenn er das nicht konnte, dann musste sie ohnehin den Rettungsdienst anrufen. Seufzend ergriff sie die Jacke des Mannes, die dieser auf den Nebensitz gelegt hatte, und stieg aus.

Mittlerweile hatte der feine Landregen an Stärke noch zugenommen und den Hohlweg in ein Bachbett verwandelt, durch welches das Wasser in munteren Kaskaden hinwegplätscherte. Es waren kaum zehn Grad über null und der Wind verstärkte die feuchte Kälte. Sie spürte die Nässe, die durch ihre Kostümjacke gedrungen war. Dies war wahrlich kein schöner Junibeginn.

»Was ist passiert?«, erklang die männliche Stimme, die nichts Bedrohliches an sich hatte, sondern im Gegenteil ganz sympathisch und irgendwie vertraut klang. Auch er wirkte ein wenig ramponiert. Aber er schien nicht mehr so hilflos wie zuvor, als er sich nun aufrappelte und sich die Blätter von seinem Anzug wischte.

Sophie ging zu ihm hinunter, dieses Mal vorsichtig, um nicht erneut auszurutschen. »Unter Einsatz meines eigenen unbedeutenden Lebens habe ich soeben das Ihrige vor dem heranbrausenden Zug gerettet«, sagte sie übermütig nach der überstandenen Gefahr, »und das Ihres Autos«, fügte sie schmunzelnd hinzu.

»Was haben Sie?«, ertönte seine Rückfrage, während er eine Hand an die Wange führte.

»Ihnen das Leben gerettet.«

»Übertreiben Sie da nicht ein bisschen?«

»Nicht die Spur.«

Er stöhnte leise und hielt sich immer noch die Wange, und ihre Besorgnis um ihn gewann erneut die Oberhand. »Fehlt Ihnen etwas, kann ich helfen, oder soll ich Hilfe holen?« Aufmerksam beäugte sie sein schmerzhaft verzogenes Gesicht. Plötzlich stutzte sie. Natürlich, daher war ihr seine Stimme so vertraut vorgekommen.

Sie hatte ihren Spielgefährten aus der Jugend gerettet: Finlay Thomsen. Er schien sie nicht erkannt zu haben: kein Wunder nach all den Jahren und der Tatsache, dass sie einige Kilos abgenommen und ihre Locken damals raspelkurz getragen hatte.

Aber aus einer gewissen Scheu heraus behielt sie ihre eben gewonnene Erkenntnis für sich.

»Ich habe fürchterliche Zahnschmerzen. Ich muss irgendwie eingeschlafen sein oder so … «

»Sie haben das Bewusstsein verloren – und sich dafür praktischerweise den Bahnübergang ausgesucht.«

Er musterte sie von oben bis unten. Von seinen breiten Schultern ging Kraft aus, doch wurde diese momentan ein wenig gemildert dank des ziemlich aufgeweichten Zustands, in dem er sich befand.

»Sie meinen, ich bin hier … mitten auf den Gleisen …?«

» … ohnmächtig geworden«, beendete Sophie seinen Satz, wobei sie bekräftigend nickte und ein wenig theatralisch mit der Hand zur Bahnlinie wies. »Aber dank mir sind Sie mit dem Leben noch mal davongekommen. Ich habe Sie so gerade eben vor dem heranbrausenden Zug retten können.«

»Vor einem was?«

»Zug, Puff-Puff-Eisenbahn, Lokomotive, so ein schwarzes Ding, das immer so mächtig viel Rauch ausstößt. Noch nie davon gehört?« Belustigt begegnete sie seinem Blick aus Augen, die immer noch ein wenig verwirrt schauten.

Finlay ließ die Hand von der angeschwollenen Wange gleiten und betastete die ebenfalls geschwollenen Lippen. Er strich die braunen Haare aus der feuchten Stirn. »Es kam tatsächlich ein Zug?« Mit einer selbstverständlichen Geste zog er seine Jacke unter ihrem Arm hervor, und zum ersten Mal bekundeten seine Augen eindeutiges Interesse.

»Ozeanriesen jedenfalls wurden hier auf den Gleisen in letzter Zeit seltener gesichtet.« Sie schwankte immer noch, ob sie sich nicht endlich zu erkennen geben sollte, doch dann reizte es sie, zu warten, wann er bemerken würde, wen er vor sich hatte.

Er zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Tatsächlich … dann bin ich Ihnen also zu Dank verpflichtet?«

»Sind Sie!«

»Interessant.«

Seine Stimme klang seltsam – aber seltsam war er ja schon immer gewesen.

»Wie kann ich mich also erkenntlich zeigen?« Seine steifen Worte passten nicht im Geringsten zu dem Gesichtsausdruck, der eine Mischung aus Ironie und Amüsiertheit darbot. Einen Moment war sie geneigt, ihm in die wirren dichten Haare zu greifen. Schon früher hatte sie jede Gelegenheit genutzt, diese seidenweiche Flut zu berühren.

Der Blick irritierte sie und ließ eine Unsicherheit entstehen, die sie an früher erinnerte, als er sie am Ende der letzten gemeinsamen Ferien oft so finster betrachtet hatte.

»Nicht nötig. Fahren Sie lieber sofort nach Hause«, sagte sie rasch. »Oder soll ich Sie nicht doch zu einem Arzt bringen?«, fügte sie zögernd hinzu.

Energisch klopfte er sich die Hosen notdürftig sauber. »Unsinn!«

»Oder wollen Sie einen Schnaps?«

Unverhofft hielt er in der Bewegung inne. »Schnaps?«

»Schnaps, Feuerwasser … Whisky, um genau zu sein.«

»Ach das meinen Sie«, erwiderte er gedehnt mit einem belustigten Lächeln.

Sophie schluckte. Wie attraktiv Finlay trotz des ramponierten Zustands doch aussah. Sein Gesicht, das dank der dominierenden Nase nicht als oberflächlich hübsch zu bezeichnen war, wirkte jedoch ungemein anziehend. Eine richtige Frisur war dank seines widerspenstigen Haares immer noch kaum vorhanden, allerdings wirkte es heute dunkler als früher, aber das konnte auch an der Nässe liegen. Damals war es mittelbraun gewesen, doch jetzt glänzte es fast schwarz. Sie atmete tief durch. »Whisky vom Feinsten. Jawohl«, sagte sie heiser.

»Nein, danke. Der wäre jetzt vielleicht zu viel des Guten. Aber geben Sie mir doch Ihren Namen und Ihre Adresse, ich … heute ist mir nicht gut. Sie müssen wissen, mir sind gerade zwei Weisheitszähne gezogen worden. Auf nüchternen Magen … was mir anscheinend nicht besonders bekommen ist«, fügte er erklärend hinzu, während ihm das Wasser übers Gesicht tropfte.

Daher also seine geschwollenen Lippen. »Ich verstehe, dann wäre Alkohol wirklich nicht das Wahre. Aber warum mussten es auch gleich zwei Zähne auf einmal sein, reichte Ihnen fürs Erste nicht einer?« Sophie wischte sich die Locken zurück, von denen dicke Regentropfen in ihr Auge liefen.

»Ich habe keine Zeit, ständig zum Arzt zu rennen. Außerdem bin ich nicht für halbe Sachen. Unangenehme Dinge sollte man sofort und komplett in Angriff nehmen. Den dritten Zahn allerdings verweigerte mir mein Arzt.«

»Der dritte hätte Sie wahrscheinlich schon früher umgehauen und nicht erst auf diesem Bahngleis.«

»Der Fehler lag beim Arzt. Mit der richtigen Spritze wär das nicht passiert!«, befand der Genesende obenhin und zog seine Jacke an. »Heute also kann ich mich nicht revanchieren, aber für morgen … oder sagen wir übermorgen«, verbesserte er sich mit einem schiefen Grinsen, »würde ich Sie gern zum Essen einladen.«

»Nein, danke«, wehrte Sophie ab, »ich freue mich, Ihnen das Leben gerettet zu haben. Sehen Sie lieber zu, dass Sie …«, ins Bett kommen, hatte sie eigentlich sagen wollen, aber das schien ihr zu intim, »gut nach Hause kommen.«

Sie war müde, und nach diesem Erlebnis fühlte sie sich noch erschöpfter. Außerdem war ihr im Moment nicht danach, mit einem alten Gefährten über vergangene Zeiten zu reden.

Genug für heute.

Sie streckte ihm die Hand hin. »Und jetzt auf Wiedersehen.«

Er hielt ihre Hand fest. »Nein, erst möchte ich zumindest wissen, wer mir das Leben gerettet hat. Nebenbei, ich bin Finlay Thomsen, und wohne hier gleich um die Ecke.«

Wie angenehm sich seine Hand anfühlte. Es gab wirklich keinen Grund, jetzt noch ein Geheimnis aus ihrer Person zu machen. Dennoch hielt sie sich zurück. »Freut mich«, sagte sie lächelnd. »Ich bin Sophie McKinney.« Hätte sie hinzugefügt, dass sie eine geborene Landers war, hätte ihm dies natürlich auf die Sprünge geholfen. »War nett, Sie kennenzulernen.«

»Tja dann, vielen Dank nochmal«, sagte er mit Bedauern in der Stimme, »und auf Wiedersehen. Vielleicht sieht man sich mal wieder.« Damit wandte er sich von ihr ab und ging zum Auto.

Lächelnd stieg sie ebenfalls in ihren Wagen.

Finlay Thomsen startete den Motor.

Sophie seufzte. Nur ein Mann brachte es fertig, trotz geschwollener Wange und Lippen attraktiv zu wirken. Und beileibe nicht jede große Nase wirkte so sexy wie bei ihm. Und auch wenn ihr in den letzten Jahren aufgegangen war, dass man auf schöne Stimmen keinen Pfifferling geben konnte, war ihr seine wohlklingende Stimme gerade tief unter die Haut gefahren.

Sie folgte seinem Jaguar, jetzt in normalem Tempo. Nachdem sie zur Linken die altertümliche Schleuse hinter sich gelassen hatten, erreichten sie nach wenigen Hundert Metern die malerische Allee aus knorrigen Eichen. Man hatte sie vor über dreihundert Jahren angelegt, zur gleichen Zeit, zu der das nahe gelegene Herrenhaus, Oak House, errichtet worden war.

Finlay Thomsen setzte den Blinker und bog der Allee folgend nach rechts ab. Erneut seufzte Sophie, diesmal jedoch vor Erleichterung, als sie endlich das Ferienhaus ihrer Mutter sah.

2

Das Moorhaus war nicht groß. Ein exzentrischer Großvater von Frederic Thomsen hatte es gebaut, um hier in Ruhe arbeiten zu können, als Büro und Werft noch nicht miteinander verbunden gewesen waren. Hier hatte John ›Thomson‹ ein hübsches Refugium entstehen lassen, dass ihm vor den lebhaften vier Kindern, die er gezeugt hatte, einen gewissen Schutz bot, welchen er im Haupthaus nicht hatte finden können, wie er betonte. Dass dieses Haus auch ein Schlafzimmer und ein Bad vorwies, hatte er nur damit entschuldigen können, dass er seine Frau nicht hatte stören wollen, wenn die bereits schlafen gegangen war, nachdem er noch bis tief in der Nacht gearbeitet hatte. Seine Ehefrau schien dies geschluckt zu haben, denn die Ehe endete glücklich, wie alle, die John und Mary Thomsen gekannt hatten, auch bekundeten. Der Park reichte an seinem nördlichen Ende an den großen Teich, der jetzt geheimnisvoll schwarz durch die Bepflanzung hindurchschimmerte, die das Grundstück von dem Anwesen der Thomsens trennte. Das Haus, von allen »das Moorhaus« genannt, wurde von zwei Moorbirken flankiert, die wie Soldaten links und rechts der Eingangstür das Haus zu bewachen schienen. Der beruhigende Klang sanfter Wellenschläge bezeugte, dass das Meer nicht weit entfernt war.

Sophie stieg aus, legte den Kopf in den Nacken und genoss mit einem abwesenden Lächeln die wispernden Geräusche der anbrechenden mondlosen Nacht, bis ihr der dichte Regen unangenehm bewusst wurde, da er ihr den Nacken hinunterlief. Sie öffnete die Handtasche, um mit klammen Fingern in der Finsternis nach dem Hausschlüssel zu suchen. Nach einer Weile brach sie die Suche mit einem leisen Aufschrei ab. Oh nein!!

Sie hatte die Metalldose mit diversen Schlüsseln, die keinem Schloss mehr zuzuordnen gewesen waren, zusammen mit anderem diversen Kleinkram, den sie behalten wollte, mit einlagern lassen. Dabei hatte sie sich noch einen Zettel gemacht, der sie daran erinnern sollte, diese mit ins Ferienhaus zu nehmen. So ein Mist.

Einen Moment wanderte ihr Blick unschlüssig durch den Park hinüber zum Oak House. Sollte sie den schmalen Saumpfad zum Gut der Thomsens gehen und Monica, die das Haus und den Garten während ihrer Abwesenheit in Ordnung hielt, um den Reserveschlüssel bitten? Ungern, denn womöglich saß die gesamte Familie beim Abendessen. Doch dann fiel ihr ein, dass ihre Mutter immer einen weiteren Schlüssel versteckt hielt. Ob der Platz immer noch der gleiche war? Sie hob das getöpferte Namensschild mit dem kleinen Krokodil an – ein Geschenk von ihr an die Mutter. Und tatsächlich: Unter der Ausbuchtung war er »versteckt«. Sie lächelte und schloss die Tür auf.

Sie öffnete die grüne Holztür des Hauses, immer noch getragen von einem unbestimmten Hochgefühl. Als sie alle Räume durchwandert hatte, stellte sie fest, dass sich seit ihrem letzten Besuch vor Jahren tatsächlich nichts verändert hatte. Das alte Haus mit dem Schlafzimmer und dem Bad oben, dem Wohnzimmer mit dem offenen Kamin und der Küche mit dem altertümlichen AGA-Herd im Erdgeschoss war, dank Monica, sauber und aufgeräumt. Sie hatte es wahrscheinlich regelmäßig gelüftet, denn es roch weder modrig noch abgestanden. Es besaß sogar ein vom Park abgetrenntes, mit einer Steinmauer umfriedetes Gärtchen und einen winzigen Holzschuppen, in dem das Kaminholz gestapelt lag und sich auch ein Rasenmäher und einige Gartenwerkzeuge befanden.

Tiefe Ruhe hüllte das Haus ein. Lediglich das Rauschen des Meeres war aus der Ferne wahrzunehmen. Hier draußen gab es nur dieses eine Sträßchen, das sich einige Meter unten teilte: in den Weg zu ihrem Haus und dem zu den Thomsens, ihren nächsten Nachbarn, sowie zur Hauptstraße, die nach Dale führte. Finlay schien also noch in seinem Elternhaus zu wohnen. Und natürlich war da Monica, die lebenskluge und fleißige Haushälterin der Familie, die Sophie so bald wie möglich besuchen wollte.

Sie schleppte ihr Gepäck ins Haus, zum Schluss die Kiste mit den Nahrungsmitteln. Sie war gut ausgerüstet und könnte mindestens eine Woche autark leben, fuhr es ihr durch den Kopf. Ein wunderbarer Gedanke. Sie liebte Speisekammern mit haltbar gemachtem Essen, eine Neigung, die schon ihre Mutter immer belächelt hatte. Dennoch war sie froh über den Kühlschrank. Sie schloss ihn an. Morgen war Zeit genug, frische Lebensmittel zu kaufen.

Heute Abend jedoch gab es lediglich Nudeln mit Tomatensoße aus dem Glas. Dazu heißen Tee. Fertig. Danach bezog sie das Bett und legte sich bereits um neun hinein. Sie schaltete nicht das Radio ein, einen Fernseher gab es nicht, sondern lauschte hinaus. Das Rauschen des Meeres, das Wispern des Windes, das Huschen eines Mäuschens durch das Unterholz – wunderbar. Es war ein guter Entschluss, dem Stadtleben Adieu zu sagen. Lediglich eine gescheite Stelle musste ihr dazu noch in den Schoß fallen. Und da war sie ja auf dem besten Weg, ein Angebot lag immerhin schon vor.

Am nächsten Morgen erwachte sie erfrischt und ausgeruht. Sie vollzog ihr Morgenritual und absolvierte ihren dreiminütigen Kopfstand. Der gehörte zum Wachwerden wie der rabenschwarze Kaffee. Nach dem Bad in der altmodischen Wanne – eine Dusche war nicht vorhanden – bereitete sie das Frühstück, wobei sie sich in die gestrige Zeitung vertiefte, während sie ihre Beine auf der Couch hoch lagerte.

Mit diesem Refugium, das ihre Mutter oft aufgesucht hatte, verband Sophie sehr glückliche Stunden. Ein vergilbter Brief Frederic Thomsens bezeugte lebenslanges Wohnrecht, und Sophie nahm an, dass es sich auch für sie verlängerte, denn die Thomsens waren eine überaus reizende Familie – mit Ausnahme vielleicht von Finlay. Im Moorhaus hatte sie ausreichend Ruhe, die Suche nach einer Stelle als Innenarchitektin systematisch anzugehen – wobei sie mit der Firma Foster bereits das erste Angebot in der Tasche hatte. Auch diese Firma lag unweit der Küste in Inverness. Kein Vergleich mit Glasgow, kam es ihr in den Sinn. Das kam ihrer Vorstellung von einer natürlichen Umgebung am Meer schon recht nah, denn sie hatte entschieden auch den Norden als neuen Lebensmittelpunkt in Betracht zu ziehen. Sie liebte die Gegend und ihre Bewohner – diesen bedächtigen, bodenständigen Menschenschlag – und nicht zuletzt die Natur mit dem endlosen Himmel, die stille Landschaft mit den malerischen Moorgebieten, nicht zu vergessen das Meer, dem ihre besondere Vorliebe gehörte.

Die gestrige Ausgabe der Dale News hatte sie am Abend nicht mehr gelesen. Doch jetzt hatte sie alle Muße dieser Welt und konzentrierte sich als Erstes auf die Stellenangebote.

Plötzlich hielt sie inne: Erfahrene Architektin für die Innenausstattung eines Luxusliners von der Thomsen-Werft gesucht!

Verdutzt las sie die Annonce ein zweites Mal. Aber es bestand kein Zweifel: Die Werft suchte eine Innenarchitektin. Es fehlte nicht viel, und sie hätte laut gejubelt. Die Thomsens suchten tatsächlich eine Innenarchitektin? Dann sollten sie eine bekommen! Doch dann erlitt ihre Euphorie einen Dämpfer. Was wäre, wenn nicht Frederic Thomsen, der nette Senior der Familie, darüber zu bestimmen hatte, wer bei ihnen arbeitete, sondern ausgerechnet Finlay? Ob er sie schlussendlich einstellen würde? Spätestens bei ihrer Bewerbung müsste sie sich ja zu erkennen geben. Da war sie sich gar nicht so sicher. Allerdings besaß sie jetzt einen Bonus – sie hatte schließlich sein Leben gerettet, irgendwie. Außerdem mussten ihn ihre Zeugnisse und Referenzen und die Liste ihrer erfolgten Arbeiten überzeugen. Aber wahrscheinlich war keiner von beiden dafür zuständig, beruhigte sie sich, sondern irgendein unbekannter Personalsachbearbeiter. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert. Sie würde um diese Stelle bei der Werft kämpfen, die zu den größten Arbeitgebern in der Region zählte. Einen Luxusliner auszustatten, das wäre wirklich das Sahneschnittchen auf ihrer Liste.

Sophie räumte ab und spülte das Geschirr, dann ging sie in das niedrige Wohnzimmer mit den weiß gestrichenen Holzbalken, von dem aus man über den Badeteich hinweg die weiße Villa der Thomsens durch die Büsche hindurch erahnen konnte. Natürlich gab es hier keinen Drucker. Also stellte sie kurzerhand die Reiseschreibmaschine ihrer Mutter auf den Tisch, um die vorbereiteten Bewerbungsunterlagen mit einem Anschreiben zu vervollständigen. Gleich danach würde sie zur Werft hinunterfahren. Sie rechnete sich aus, dass ihre Chancen bei Frederic Thomsen am größten waren. Sie hatte entschieden, dass sie nicht erst ins Personalbüro gehen, sondern Frederic die Unterlagen persönlich geben würde, während Finlay eine zu harte Nuss wäre. Frederic kannte und mochte sie. Aber zur Not würde sie auch mit Finlay vorliebnehmen. Frederic Thomsen, der mit ihrer Mutter gut bekannt gewesen war und sie oft an den Wochenenden besucht hatte, war so ein reizender Mann. Wie alt er mittlerweile sein mochte? Mitte fünfzig, sechzig? Seltsamerweise war er nicht zur Beerdigung ihrer Mutter erschienen. Sophie hätte ihn gern an diesem Tag in ihrer Nähe gewusst. Etwas Geheimnisvolles, das sie nie hatte ergründen können, hatte ihn stets umgeben. Sie lächelte. Ihre Fantasie ging mit ihr durch, wie so oft.

Wie es wohl Finlay erging? Er arbeitete ebenfalls in der Werft, wie ihre Mutter einmal erzählt hatte. Ihr Verhältnis zu ihm hatte sich im Laufe ihrer Teenagerjahre aus unerfindlichen Gründen abgekühlt, obwohl sie sich davor sehr gut verstanden hatten. Früher waren sie während der Sommerferien unzertrennlich gewesen. Später hatte sie ihn so gut wie nie mehr zu Gesicht bekommen. Er war drei Jahre älter als sie, somit siebenunddreißig und mit der Zeit immer schwieriger geworden. Er, der ungestüme Junge, der oft zu Streichen aufgelegt gewesen war, war in ihren letzten Ferien, die sie im Moorhaus verbracht hatten, immer mehr in sich gekehrt und verschlossen gewesen – und laut ihrer Mutter während seines Studiums nur zu kurzen Stippvisiten nach Hause gekommen. Aber da hatte sie, Sophie, bereits ihre Ferien immer im Süden mit Freundinnen verbracht.

Sie wandte den Blick von der bezaubernden Pracht des Parks ab. Der leuchtete in den unterschiedlichsten Grüntönen: von einem hellen Lindgrün über sattes Pistaziengrün bis zu dunklem Tannengrün. Die kadmiumgelben und aquamarinblauen Blumen, die gerade erst aufgeblüht waren, sprangen wie bunte Tupfen neben dem überbordenden Farbspiel der rosa und sehr seltenen weißen Azaleen und der rot und blau-violett blühenden Rhododendren ins Auge. Konzentriert widmete sie sich erneut ihrer Bewerbung.

Ein wenig aufgeregt stand sie später vor der überdachten Schiffbauhalle in Dale. Sie schaute an dem strahlend weißen Gebäude hoch und empfand wieder die gleiche Begeisterung wie schon als kleines Mädchen, als Frederic Thomsen sie und ihre Mutter zum ersten Mal mit hierhergenommen und sie auf der Werft herumgeführt hatte.

Sie betrat die geräumige Empfangshalle der Werft und steuerte zielstrebig die Rezeption an. »Guten Tag, mein Name ist Sophie McKinney. Ich hätte gern Herrn Frederic Thomsen gesprochen.«

»Das tut mir leid, aber Mr. Thomsen befindet sich zurzeit in Edinburgh«, erwiderte die junge Frau am Empfang freundlich.

»Dann vielleicht Herrn Finlay Thomsen?«

»Haben Sie einen Termin?«, kam die verbindliche Rückfrage.

»Äh, nein … aber die Herren kennen mich«, fügte Sophie schnell hinzu.

»Tut mir leid, aber ohne Termin ist das leider nicht möglich.« Die Empfangsdame widmete sich erneut ihren Unterlagen. Sophie war drauf und dran, zu gehen, da hoben sich die Lider der hübschen Frau, und in ihre kühlen Augen trat ein Glanz. »Oh, guten Morgen, Mr. Thomsen«, strahlte sie.

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Sehnsucht nach den Highlands

eISBN 978-3-475-54450-7 (epub)

April ist kurz davor, sich mit der Weberei ihres Vaters selbstständig zu machen. Doch dann wird ihr Leben durcheinander gewirbelt. Der attraktive Eric, der während eines Unwetters Schutz in der Pension ihrer Familie sucht, steht plötzlich vor ihr. Trotz anfänglicher Reibereien entwickelt April Gefühle für diesen selbstbewussten Mann. Doch schon nach kurzer Zeit ahnt sie, dass Eric ihre Geschäfte boykottiert. Nun muss April all ihre Stärke aufbringen und kämpfen – für ihren Erfolg und das Andenken an ihren Vater. Doch sie träumt noch immer von der großen Liebe …

Im Farbenspiel der Liebe

eISBN 978-3-475-54510-8 (epub)

Die Hobbyköchin Molly kümmert sich im Pferdeasyl ihrer Freundin Maura um die Finanzen und baut sich nebenbei eine kleine Cateringfirma auf. Zusammen mit Erin, einer jungen Frau mit Down-Syndrom, produziert sie gesunde Fertiggerichte. Während der turbulenten Vorbereitungen lernt Molly Erins Bruder Ronán kennen, der sie sofort in seinen Bann zieht. Doch die Journalistin Nancy bemüht sich ebenfalls um den attraktiven Mann. Als Molly entführt wird und in Lebensgefahr schwebt, zögert Ronán nicht, alles für ihre Rettung zu tun. Werden die beiden zueinander finden?

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