Das Glück liegt im Chiemsee - Gabriele Raspel - E-Book

Das Glück liegt im Chiemsee E-Book

Gabriele Raspel

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Beschreibung

Lena hat jahrelang in einer Werbeagentur gearbeitet und fühlt sich ausgebrannt. Ihre Mutter Rosi betreibt eine Pension auf der Fraueninsel im Chiemsee. Lena macht sich auf den Weg in das schöne Chiemsee Alpenland. Auf der Insel blüht sie auf. Als Marcel anreist, verliebt sie sich sofort. Auch er scheint ihre Gefühle zu erwidern. Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Marcel zeigt auf einmal Interesse für zwei junge Frauen, die ebenfalls in der Pension wohnen. Er verbringt auffällig viel Zeit mit den beiden, und eines Tages sieht Lena sogar, wie er die Zimmer der Frauen durchsucht … Kann sie sich so in ihm getäuscht haben?

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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LESEPROBE zu

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2016

© 2016 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelfoto: © Klaus G. Förg, Rosenheim (oben) und

© absolutimages – Fotolia.com (unten)

Lektorat und Satz: BuchBetrieb Peggy Sasse, Leipzig

Worum geht es im Buch?

Gabriele Raspel

Das Glück liegt im Chiemsee

Lena hat jahrelang in einer Werbeagentur gearbeitet und fühlt sich ausgebrannt. Ihre Mutter Rosi betreibt eine Pension auf der Fraueninsel im Chiemsee. Lena macht sich auf den Weg in das schöne Chiemsee Alpenland. Auf der Insel blüht sie auf. Als Marcel anreist, verliebt sie sich sofort. Auch er scheint ihre Gefühle zu erwidern. Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Marcel zeigt auf einmal Interesse für zwei junge Frauen, die ebenfalls in der Pension wohnen. Er verbringt auffällig viel Zeit mit den beiden, und eines Tages sieht Lena sogar, wie er die Zimmer der Frauen durchsucht …

Kann sie sich so in ihm getäuscht haben?

1

Lena stand vor dem modernen Bürogebäude und ihr Blick wanderte hinauf. Wie von Geisterhand ließ sie den Glasturm vor ihren Augen Zentimeter für Zentimeter in die Höhe wachsen. In ihrem Körper vibrierte es. Es war wie am ersten Tag, als sie an derselben Stelle verweilt hatte, aufgewühlt vor Nervosität, aber doch erfüllt von Neugierde, Hoffnung und Tatendrang vor den neuen Aufgaben.

An diesem Septembermorgen begann der letzte Tag ihres alten Lebens, und diesmal schwankten ihre Gefühle zwischen Wehmut und Erlösung. Sie hatte die vergangenen acht Jahre als Marketingassistentin in einer Agentur gearbeitet, doch das würde ab heute Abend keine Rolle mehr in ihrem Leben spielen.

Damals hatte man sie aus zahlreichen Mitbewerbern ausgesucht, und sie war sehr stolz gewesen, denn die Agentur war eine der renommiertesten in München. Zu ihren Aufgaben hatte es gehört, Veranstaltungen vorzubereiten und zu betreuen und auch Werbestrategien mit auszuarbeiten. Etliche Marketingkampagnen waren dank ihrer Kreativität und ihrem Instinkt für Trends von ihr mitentwickelt worden. Das hatte ihr viel Spaß bereitet, denn das war die glänzende Seite der Medaille gewesen. Doch wann hatte das Funkeln aufgehört? Sie wusste es nicht genau, denn es war schleichend gekommen. Tatsache jedoch war, dass sie aufgrund des enormen Arbeitsaufwandes seit vier Jahren keinen gescheiten Jahresurlaub mehr hatte nehmen können. Ihre Reisen jenseits beruflicher Notwendigkeit konnte sie an einer Hand abzählen. Und nachdem sie nun seit mehr als zwei Jahren nur noch mit Schlaftabletten zur Ruhe kam und von Schwindelanfällen heimgesucht wurde, war sie vom Arzt dringend zur Änderung ihres Lebensstils angehalten worden. So hatte sie jetzt die Konsequenzen gezogen und gekündigt.

»Fällt dir der Abschied denn nicht wenigstens ein bisschen schwer?«, erkundigte sich am Abend schließlich ihre Chefin. Maja Kersting, die Marketingleiterin, war eine hochgewachsene Mittdreißigerin, deren kühle, hellblaue Augen einem immer bis auf den Grund der Seele zu blicken schienen. Lena hatte sich stets gut mit ihr verstanden, doch Nachsicht konnte sie von dieser Frau, für die Arbeit ein köstliches Lebenselixier war, nicht erwarten. Maja hatte die Agentur von ihrem Vater übernommen und leitete sie mit Verstand, Können und einem wunderbaren Gespür für Menschen. Lena mochte sie sehr, doch hatte sie auch sehr schnell erkannt, dass Maja die Schwächen ihrer Mitmenschen gnadenlos zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen wusste. Und so hatte zwangsläufig Lenas Schwäche dazu geführt, dass Maja sie mit Projekten zugeschüttet hatte. Lena konnte nämlich leider nur sehr schwer Nein sagen. Aber nun war Schluss.

»Der Abschied von dir und den Kollegen fällt mir schwer. Aber ganz ehrlich, Maja, ich muss hier raus, um endlich auf andere Gedanken zu kommen«, brachte sie leise hervor. Obwohl sie in der Tat ein wenig Wehmut verspürte, überwogen doch die Erleichterung und die Vorfreude auf ein arbeitsfreies Jahr. So lange hatte sie jedenfalls vor, auszusetzen und sich zu regenerieren. Und sie würde alles daransetzen, am Entschluss festzuhalten, sich erst nach Ablauf dieses einen Jahres wieder mit ihrer Arbeit zu beschäftigen und sich auf die Suche nach etwas Neuem zu machen. Mit einer Wiederanstellung konnte Lena nicht rechnen, das hatte Maja ihr sehr deutlich vermittelt. Aber das wollte Lena ja auch gar nicht.

Die Agentur war fein, aber klein, und so bestand die Abschiedsfeier aus lediglich zehn Mitarbeitern, die sich jedoch bereits nach einer knappen Stunde verabschiedeten. Der Feierabend war nun einmal heilig, und alle Kollegen brauchten ihn zum Überleben.

»Ich bin einfach fertig«, endete sie, während sie den Blick durch den schönen Arbeitsraum schweifen ließ.

»Nun, ein offenes Wort hätte da vielleicht ja Wunder gewirkt«, sagte Maja steif und stellte das leere Sektglas, in dem sich nur Orangensaft befunden hatte, auf den Schreibtisch. »Ich bin ja schließlich keine Sklaventreiberin.«

Doch, du bist ziemlich nah dran, auch wenn du es nicht böse meinst, antwortete Lena ihr gereizt im Stillen. Du kannst gar nicht anders, als anderen genauso viel abzuverlangen wie dir selbst.

Oft genug hatte Lena versucht, Maja klarzumachen, dass sie eine Assistentin benötigte, die ihr die Routinearbeiten abnehmen sollte. Sie betrachtete die zusammengekniffenen Lippen ihrer Arbeitgeberin. Letzte Nacht hatte sie sich einiges zurechtgelegt, was sie an ihrem letzten Arbeitstag loswerden wollte, aber jetzt und hier nahm sie doch von ihrer großen Abrechnung Abstand. Sie würde sich die letzte Stunde mit Maja nicht verderben, denn sie schätzte sie sehr.

Von unten drang der Verkehrslärm als ein fernes Rauschen herauf. Das hatte für sie seltsamerweise hier oben stets etwas Beruhigendes an sich gehabt. Sie atmete tief ein. »Sei mir nicht böse, Maja. Aber für meine Kündigung spielen noch andere Dinge eine Rolle«, sagte sie und legte die Hand beruhigend auf Majas Arm. Sie fühlte den seidenweichen Stoff des hellgrauen Kostüms, das Majas Modelfigur wundervoll betonte. Die passenden hellgrauen Pumps zierten ihre grazilen Füße. Ein perfektes Wesen, dachte sich Lena nicht zum ersten Mal. »Unter anderem benötigt meine Mutter dringend Hilfe in ihrer Pension.« Das stimmte zwar so nicht ganz, aber ein Körnchen Wahrheit war schon dabei. Ihre Mutter war gerade 60 geworden und bewältigte die Pension in der Heimat scheinbar ohne sichtliche Anstrengung. Wobei, wenn Lena ehrlich war, wusste sie gar nicht, ob ihre Mutter Hilfe benötigte, denn im Gegensatz zu ihr selbst, die gern auch mal jammerte und dabei wohl nach ihrem Vater kam, stöhnte ihre Mutter nie. Sie schluckte ihre Sorgen und Kümmernisse scheinbar einfach hinunter.

»Du willst mir doch nicht weismachen, dass du fortan den ganzen langen Tag putzen und den Touristen das Frühstück servieren willst«, sagte Maja abfällig. »Dafür habe ich dich hier nicht ausgebildet. Wenn ich daran denke, was ich alles für dich getan habe, wird mir ganz anders. Ich habe so viel Zeit investiert, Geld und Mühe in dich hineingesteckt. Und das willst du jetzt wegen ein bisschen Müdigkeit über den Haufen werfen. Ich verstehe das einfach nicht.«

Alles in Lena sträubte sich. Majas Worte ärgerten sie. Sie hatte sich zum größten Teil selbst ausgebildet und ihre ganze Arbeitskraft eingesetzt, ohne an einen Feierabend oder gar Urlaub zu denken. Maja hatte ihr nichts geschenkt, und sie schuldeten einander entweder beiderseitig gleich viel Dank oder gar nichts. Nun trug Lenas in den letzten Jahren perfektionierte Selbstbeherrschung Früchte. So beließ sie ihre Geschosse in der Waffenkammer und antwortete stattdessen spröde: »Putzen und sich um Gäste zu kümmern ist gute, ehrliche Arbeit, für die man sich nicht schämen muss.« Und genau darauf freute sie sich. Auf schlichte Arbeit, bei der man am Abend sah, was man geleistet hatte. Sie sehnte sich nach körperlicher Erschöpfung, die einen ins Bett fallen und den Gedankenkreisel zur Ruhe kommen ließ. Eine Arbeit, die ihr zudem helfen sollte, die Trennung von Timo, einem verheirateten Art-Direktor, endgültig zu überwinden. Dieses Verhältnis, das eher telefonisch als körperlich bestanden hatte, wie sie sich zynisch ins Gedächtnis rief, war ein weiterer Grund für sie gewesen, München zu verlassen.

»Außerdem koche ich gern«, fügte sie mit Trotz in der Stimme hinzu. Daraufhin blickte Maja sie eine Sekunde irritiert an, und dann brachen sie beide in lautes Gelächter aus.

»Ach, Schatz, ich jedenfalls werde dich vermissen«, seufzte Maja.

»Aber das Gehalt, das du mit der Neuen einsparst, wird dir den Schmerz versüßen«, sagte Lena, worauf Maja grinsend nickte.

»Du kennst mich sehr gut und hast nie ein Blatt vor den Mund genommen, das mag ich so an dir«, bekannte sie lächelnd. »Wirst du denn Zeit finden, dich mit deiner alten Freundin mal zu treffen?«

»Ich schon, wenn die alte Freundin sich denn irgendwann mal von der Arbeit losreißen kann«, gab Lena schmunzelnd zurück.

»Keine leichte Aufgabe! Da hast du recht. Aber es ist schon so lange her, dass ich die Fraueninsel besucht habe, es wird mal wieder Zeit.« Maja ergriff den Teller mit den übrig gebliebenen Tapas, die Lena beim Spanier an der Ecke bestellt hatte. »Und jetzt muss ich los.« Sie zwinkerte spielerisch mit den Augen: »Ich habe noch ein ernstes Gespräch mit unserem Fotografen zu führen.« Mit diesen Worten ging sie in die kleine Küche. Lena stellte die Gläser aufs Tablett und folgte ihr. Der Fotograf Miroslav war Majas Freund, und er wollte sie noch in diesem Jahr unbedingt heiraten. Maja allerdings wollte sich alles andere als fest binden, das hatte sie Lena heute erzählt. Er wollte Heirat und Kinder – ihr jedoch wurde bei dem Wort Familienplanung übel. Lena wäre gern an ihrer Stelle gewesen, sie konnte sich eine Familie schon ganz gut vorstellen.

Sie schaute sich ein letztes Mal in dem modernen Büro um. Alles hier war edel, teuer, kühl und in Schwarz-Weiß gehalten. Man hatte in dem diffusen, blendfreien Licht gut arbeiten können, ließen doch die Wände der gesamten Längsseite des offenen Büros zwar Licht hinein, doch keine Blicke hinaus, was natürlich der konzentrierten Arbeit sehr zugute kam. Ja, sie hatte sich hier wohlgefühlt. Dennoch freute sie sich auf ihr Insel-Refugium im Obergeschoss ihres Elternhauses, genauer des Hauses ihrer Mutter.

Maja legte den Arm um sie und seufzte theatralisch. »Mach’s gut, Maus.«

Maus! Lena zuckte innerlich zusammen. Also eine Maus war sie in Majas Augen vor acht Jahren definitiv gewesen. Doch sie hatte sich gemausert. Sie war jetzt eine schicke berufstätige Frau, der man den Erfolg ansah. Damals hatte Maja ihr noch vor Vertragsabschluss eine Gardinenpredigt gehalten. Und nur unter der inoffiziellen Auflage eines allumfassenden Stylings und einer Gewichtsreduktion von mindestens zehn Kilo hatte ihre Chefin den Vertrag unterzeichnet. Heute würde sie bei einem derart unwürdigen Ansinnen postwendend kehrtmachen und flüchten, aber vor acht Jahren war Lena angesichts des imponierenden Büros und der nicht minder beeindruckenden Chefin auf die Größe einer Haselmaus geschrumpft und sie hatte zugestimmt.

»Ich werde dich auch vermissen«, murmelte Lena, und in diesem Moment glaubte sie sogar daran. Dann trennten sie sich. Maja fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage, während Lena zu Fuß die Treppen runterging und dann zu ihrer Wohnung lief, die nur eine Viertelstunde vom Büro entfernt war. Im Prinzip ging sie immer zu Fuß oder fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln, denn den ergatterten Parkplatz vor ihrer Wohnung galt es zu hüten wie einen Sack Gold, besonders da sie gleich morgen früh nach Hause zu ihrer Mutter auf die Fraueninsel fahren wollte und die zwei Koffer und die Reisetasche schon gepackt waren.

Lena hatte lange überlegt, ob sie ihre Wohnung kündigen sollte, dann aber davon abgesehen. Ihre Vermieterin, Frau Maurer, war eine nette, über neunzigjährige Witwe, agil und lebenslustig. Aber in erster Linie war sie für Lena eine Heilige, weil sie ihr nicht 90 Prozent des Gehalts als Miete abverlangt hatte. Und da Lena nicht genau wusste, ob sie später wieder nach München zurückkehren würde, wollte sie die Wohnung behalten. Frau Maurer war sehr froh, dass sie die Wohnung auch nicht untervermieten wollte, denn Veränderungen liebte sie gar nicht. Lena hatte gut verdient und sparsam gelebt. Die Basis-Kleidung für die Agentur hatte sie mit Bedacht gewählt und nur Stücke gekauft, die zeitlos waren. Alles in hellem Grau, dunklem Blau und Weiß, mit ein paar farbigen Knallern dazwischen. Ohnehin lag ihr nicht viel daran, in den Läden ihr sauer verdientes Geld für überteuerte Klamotten hinzublättern, die von Kinderhand gefertigt waren. Den Luxus, die Wohnung zu behalten, konnte sie sich in ihrer Auszeit leisten.

Die schöne 60-Quadratmeter-Wohnung verfügte über ein modernes Bad und eine kleine Küche, in der jedoch ein Tisch und zwei Stühle Platz fanden. Sie war vor zehn Jahren rundum saniert worden. Für Lena war sie ausreichend. Die Wohnung befand sich in einem äußerlich nichtssagenden Haus, das jedoch zum ruhigen und beinahe idyllischen Hof hin über geräumige Balkone verfügte. Den Mittelpunkt im Hof bildete eine große Linde, die sie an die 1000-jährige Linde auf der Fraueninsel erinnerte. Sie wurde von recht farbenfrohen Stauden in Hochbeeten umrandet, hinter denen wiederum zwei Meter hohe Ziegelsteinmauern Lena stets ein Gefühl von Geborgenheit schenkten. Hier unten gab es Bänke und Liegestühle, auf denen sich die Mieter im Sommer gern am Abend zum Plaudern oder Ausruhen niederließen. Nein, diese Wohnung wollte sie nicht aufgeben.

Sie sinnierte, ob sie ihre Koffer und die Tasche noch heute hinunterschaffen und ins Auto packen sollte, sah dann jedoch davon ab. Morgen früh würde sie genug Zeit dafür haben. Nur ein Koffer war mit Kleidung vollgestopft, denn ihre Business-Outfits wollte Lena in München lassen, und ein Großteil ihrer normalen Anziehsachen lagerte noch im Schrank unterm Giebel des Inselhauses. Der zweite Koffer beherbergte Bücher, CDs, ihre Kosmetika und die Parfüms. Lena war ein Duft-Opfer, sie konnte nichts und niemandem widerstehen, was gut roch. Die Reisetasche war bis zum Rand voller Wolle. Erst vor drei Wochen hatte sie ein neues Hobby für sich entdeckt, das sie nicht nur erstaunte, sondern direkt glücklich machte: das Stricken. Maja – und vielleicht auch sie selbst auf dem Gipfel ihres Erfolges – hätte darüber sicherlich die Nase gerümpft. Doch plötzlich, direkt nach ihrer Kündigung, hatte Lena überall wunderhübsche, weiche Wolle entdeckt. Und obwohl sie nur rechte und linke Maschen beherrschte und seit ihrem 15. Lebensjahr keine Strick- oder Häkelnadeln mehr in der Hand gehabt hatte, waren kiloweise Wolle in ihren Besitz übergegangen. Auch die zahlreichen Frauenzeitschriften, die sie in aller Heimlichkeit gekauft hatte, boten Anleitungen und Schnitte in Hülle und Fülle und voller Farbenpracht. Sie war sich nicht sicher, ob bei ihr daraus Kunstwerke entstehen würden, aber sie war richtig aufgeregt, endlich die ersten Maschen aufzunehmen. Auf der Insel hätte sie Zeit. Noch war ihr nicht klar, womit sie beginnen würde, aber ihr würde schon etwas einfallen. Vielleicht ein Schal, ein sehr langer Schal für meine Mutter, dachte Lena glücklich.

Sie ging in die Küche, erwärmte sich eine Tasse Milch, in die sie zwei Löffel Kakao und Zucker hinein gab. Leider hatte sie nur Sahne aus der Sprühdose im Kühlschrank. Sie brachte den Becher ins Wohnzimmer, überprüfte nochmals ihr Gepäck, das im Flur bereitstand, und die Kleidung, die sie morgen früh anziehen wollte. Dann ließ sie sich aufatmend in die Couch fallen. Geschafft! Vergnügt zappte sie durch alle Fernsehprogramme, bis sie beim Herzkino hängen blieb. Wunderbar!

Am Freitagmorgen wachte sie bereits um sieben Uhr auf. Eigentlich hatte sie bis mindestens zehn Uhr schlafen wollen, doch die Vorfreude auf ihr neues Leben hatte sie geweckt. Sie war ausgeschlafen und bereit, die Welt aus den Angeln zu heben. Zumindest fühlte sie sich imstande, die Autofahrt von anderthalb Stunden zur Fraueninsel im Chiemsee anzutreten. Sie duschte, zog sich an und sah sich abschließend noch einmal in der aufgeräumten Wohnung um. Alles war geputzt, sie hatte die Mülleimer geleert und die Blumen an Frau Maurer übergeben. Sie war ein ordentlicher Mensch, sehr zur Freude ihrer Mutter. Die hatte oft unter der Unordnung ihres Mannes, Lenas Vater, gelitten. Für Lena bedeutete Ordnung jedoch alles. Nur in einer aufgeräumten Wohnung konnte man seinen Gedanken nachhängen und sich fallen lassen, atmen. Das zumindest waren ihre Argumente gegenüber Marei, ihrer besten Freundin von der Insel, die ein zufriedener und extrem unordentlicher Chaot war. Sie räumte nur auf und putzte – wenn es in ihrer Macht stand – sollte jemand sie angekündigt besuchen kommen. Und genau das hatte Lena heute Nachmittag vor.

Lena schaffte das Gepäck hinunter und verstaute es im Auto, einem Mini-Cooper, den sie sich vor Kurzem von ihrem Ersparten geleistet hatte. Sie schloss den Wagen wieder ab und ging zum Café an der Ecke, denn dort wollte sie ausgiebig frühstücken. Sie genoss es, in ihren alten Turnschuhen und den Jeans den kurzen Weg zu schlendern. Zum Draußensitzen war es an diesem Septembermorgen leider ein bisschen zu frisch, obwohl die Vorhersage auch heute wieder 20 Grad angesagt hatte, und so ging sie hinein und ergatterte sogar einen Fensterplatz. Die freundliche Bedienung erschien wie auf Kommando und Lena gab ihre Bestellung auf: »Croissants – zwei – mit Butter! Und eine Semmel mit Wurst. Und ein Ei! Und Orangensaft! Und Kaffee mit Milch. Und Zucker!« Sie wusste gar nicht, ob sie die Köstlichkeiten alle aufessen konnte, doch sie würde sich größte Mühe geben. Es war lange her, dass sie in Ruhe gefrühstückt hatte – in diesem Ausmaß!

Das Essen wurde keine fünf Minuten später serviert. Sie war glücklich. Ein Jahr lang wollte sie keine Kalorien zählen, so wie sie es die letzten acht Jahre getan hatte. Sie war keine Naturschlanke, sie nahm zu, wenn sie nicht aufpasste. Nur der Not gehorchend hatte sie auf ihr Gewicht geachtet. Doch jetzt würde sie essen, was ihr schmeckte. Und sie würde nicht ins Fitness-Studio gehen. Und sie würde kein Yoga machen. Und sie würde mitnichten ihre Faszien auf Vordermann bringen, was immer Faszien waren. Sie schaffte alles bis zum letzten Krümel und bestellte – weil er doch so gesund war – noch einen Joghurt, der ihre Kehle hinunterfloss, als hätte sie seit drei Jahren nichts mehr gegessen und getrunken. Aufatmend lehnte sie sich schließlich zurück. Könnte sich doch jeder ein Jahr Auszeit gönnen, dachte sie. Könnte doch jeder jeden Morgen in Ruhe und Frieden in einem Café sitzen und sich dem Nichtstun hingeben. Und dem Schmausen!

Sie zahlte und schlenderte summend zu ihrem Auto. Sie setzte sich hinein, startete den Motor und fuhr heim zu ihrer Mutter. Rosi ahnte noch gar nichts von ihrem Glück, denn Lena hatte weder die Kündigung noch die Auszeit bislang erwähnt, das sollte eine Überraschung für sie werden. Rosi hielt Lenas Chefin Maja für eine arbeitswütige Despotin, wenn auch eine recht hübsche. Irgendwann hatte Lena sie ihrer Mutter bei einem München-Besuch vorgestellt, beide hatten sich sofort nicht gerade sympathisch gefunden.

In Gstadt angekommen, nahm Lena die Fähre zur Fraueninsel. Ein Mitarbeiter der Schifffahrtsgesellschaft half ihr mit dem Gepäck. Da die Insel autofrei war, ließ sie den Mini auf dem Festland stehen. Bei der Überfahrt erfreute sie sich zum hundertsten Mal am malerischen Anblick des Chiemsees, dem Bayerischen Meer. An dessen Süden erhob sich imposant die Alpenkette mit dem Hochfelln, Hochgern und der Kampenwand, mit dem dahinterliegenden über 2500 Meter hohen Massiv der Loferer Steinberge. Ihren Blick Richtung Nord, Ost und West konnte sie jedoch endlos übers Wasser schweifen lassen. Immer wenn sie ihre Mutter besuchte und die Insel mit dem Turm inmitten der alten Bäume zum ersten Mal sichtbar wurde, fühlte sie sich zu Hause und geborgen. Und wieder einmal stellte sie fest: Je länger sie der Insel fernblieb, desto mehr wurde sie ihr zu ihrem Bullerbü. Sie liebte die 15,5 Hektar große autofreie Fraueninsel: ein Fischerdorf mit etwa 250 Einwohnern, einschließlich der 23 Benediktiner-Schwestern, die beständig hier wohnten. Die berühmte Benediktinerinnenabtei aus dem 13. Jahrhundert war im 15. Jahrhundert im gotischen Stil umgebaut worden. Und der Glockenturm, das Wahrzeichen der Insel, der von einer Zwiebelhaube aus dem Jahre 1626 gekrönt wurde, ließ nicht nur ihr, sondern auch jedes Malerherz höher schlagen. Auch ihre Mutter beherbergte oft Künstler, die länger auf der Insel blieben und ihrer Kunst nachgingen: ungestört und in aller Stille – zumindest, wenn sie früh genug aufstanden oder erst dann malten, wenn die Tagestouristen die Insel schon wieder verlassen hatten. Oder wenn sie im geschützten Garten malten, der von den Flanierenden nicht einsehbar war. Die Künstler liebten die Unbeständigkeit der Insel, denn schnell konnten Gewitter mit heftigen Sturmböen aufkommen, die die spiegelglatte Oberfläche des Sees in ein tobendes Wasser verwandelten und so dessen Farben zwischen grün und schiefergrau schwanken ließen, bis sie sich nach der Wetterbesserung wieder in spiegelndes Türkis, Blau oder anheimelndes helles Grün beruhigten: ein Paradies für Maler.

Das Haus ihrer Mutter befand sich im nördlichen Teil der Insel, wie die meisten Häuser des Dorfes und auch der Dorfanger. Der Süden der Fraueninsel wurde vornehmlich von der Klosteranlage beherrscht. Nach dem Anlegen der Fähre deponierte Lena ihre zwei Koffer beim Klosterwirt direkt am Hauptanlegesteg und schlenderte nur mit der Reisetasche, die nicht sehr schwer war, zum Elternhaus. Dort angekommen, musste sie jedoch feststellen, dass niemand daheim war. Auch sonst schien es nur einen Gast zu geben, Julius, wie Lena am Schlüsselkasten und dem Gästebuch darunter ersehen konnte. Schade, so musste sie sich also gedulden, bis sie ihre Mutter mit der guten Nachricht erfreuen konnte.

Sie nahm den Karren, mit dem üblicherweise das Gepäck der Gäste befördert wurde und ging zurück zum Klosterwirt am Fährhafen, um ihre Koffer zu holen. Das Gepäck brachte sie dann rasch hinauf in ihre Wohnung. Lena öffnete die Fenster, schaute hinaus auf den See und atmete tief durch: angekommen. Dann ging sie wieder hinunter und hinterließ eine kurze Nachricht für ihre Mutter auf der Kommode im Flur. Lena wollte sich gleich mit ihrer Freundin Marei treffen. Das Wunderbare an ihrer Inselheimat war, dass sie ihre Lieben alle in nächster Reichweite hatte. Also bedurfte es nur eines Katzensprungs, um sie zu sehen. Die Freundinnen hatten am gestrigen Abend telefoniert und ein sofortiges Treffen nach Lenas Ankunft ausgemacht.

Evelyn, Marei und Tom Hess waren die Nachbarn zu ihrer Linken, mit denen sie seit Urzeiten befreundet waren. Zwar hatte die Freundschaft zwischen Evelyn und ihrer Mutter vor ein paar Wochen einen Riss bekommen, doch das würde sich wieder legen, sinnierte Lena. Marei war vor drei Jahren, nach ihrer Hochzeit, sozusagen um die Ecke in das Haus ihres Mannes, dem Wagner-Georg gezogen. Bis zur Geburt ihres ersten Kindes hatte sie in der Inseltöpferei gearbeitet.

Lena klopfte an die Tür, die sofort aufgerissen wurde, und die Freundinnen fielen sich in die Arme. Sie begaben sich in die unordentliche Küche an den großen runden Tisch. Lena begrüßte auch sogleich ihren Patensohn Paul innig. Sie hatte ihm ein Spielzeug mitgebracht, was er fröhlich annahm und auch gleich in den Mund steckte, um es zu prüfen. Marei setzte ihn wieder in den Laufstall neben dem Tisch, wo er lustig spielte und lebhaft in seiner eigenen Sprache plauderte.

»Dein Paulchen ist so süß, da mag man gleich selbst ein Baby bekommen«, lachte Lena.

»Ja, er ist die helle Freude«, erwiderte Marei mit einem liebevollen Lächeln um den Mund. Sie war gleich nach der Geburt beinahe so gertenschlank wie früher gewesen, und im Laufe der letzten paar Monate war sie noch schmaler geworden. Aber sie wirkte weder gehetzt noch erschöpft, wie Lena erleichtert feststellte.

Lena wies mit dem Kopf zu dem altmodischen Laufstall aus Holz, der beinahe die halbe Küche einnahm. »Aber dass du ihn in einen Laufstall gesetzt hast, überrascht mich jetzt doch. Ich entsinne mich, dass du geschworen hast, dein Kind niiiiiemals in ein solches Gefängnis zu stecken«, neckte sie ihre Freundin.

Marei lachte. »Ja, ja, du hast ja recht. Ich hab ihn von meiner Schwiegermutter bekommen. Georg hat als Kind auch schon darin gespielt, und sie hatte fast Tränen in den Augen, als sie ihn hier unten aufgebaut hat. Und … na ja … ich wollte ihr eine Freude machen und habe Paulchen immer reingestellt, wenn ich sie auf der Treppe gehört habe.« Mareis Schwiegereltern bewohnten das obere Stockwerk, und wie Lena feststellte, verstanden sie sich ausgezeichnet. »Und dann habe ich gemerkt, wie wohl er sich darin fühlt und wie zufrieden er spielt und, um ehrlich zu sein, für mich ist das Ding mittlerweile ein Segen«, lachte sie schließlich.

Das war nicht das einzige Zugeständnis, das Marei gemacht hatte. Während ihrer Schwangerschaft hatte sie sich mit vielen neuen Dingen auseinandersetzen müssen, und so waren für sie zum Beispiel nur wiederverwendbare Stoffwindeln in Betracht gekommen. Das hatte sich nach der Geburt jedoch ganz rasch geändert. Und auch zum Thema Babysprache hatte Marei vor der Geburt eine gefestigte Meinung gehabt. Für sie war es völlig unverständlich gewesen, dass man sich als Erwachsener nicht normal mit seinem Kind unterhalten sollte, zum einen für die Förderung des Spracherwerbs und zum anderen schon aus Respekt gegenüber dem Kind. Doch als sie Paulchen jetzt liebevoll klarmachte, dass er nach dem Essen »Heia« machen müsse, konnte sich Lena einen Lacher nicht verkneifen. Und zu guter Letzt hatte sie auch vom Wunsch, das Baby bis zum Nimmerleinstag in einem Tragetuch am Körper zu haben, Abstand genommen, denn sie hatte starke Rückenschmerzen bekommen. Und auch, weil Paul, der kleine Unruhegeist, diesen Zustand als unzumutbar befunden und ihr das deutlich zu verstehen gegeben hatte.

Lena schaute zu ihrem Patenkind und sinnierte vor sich hin. Sie befürchtete, wieder einmal vom eigenen Babywunsch heimgesucht zu werden. Und das, bevor ein passender Vater nur ansatzweise in sichtbare Nähe gerückt war. In solchen Situationen hielt sie sich dann stets ihre geliebte Unabhängigkeit vor Augen, um nicht traurig zu werden. »Paul ist aber auch ein süßer Engel«, sagte sie schließlich. »Ich schätze, er kommt ganz nach seinem Papa.«

Lena mochte Mareis Mann sehr: nur wie einen Bruder, zum Glück. Georg war Fährkapitän und er verkörperte exakt das Bild, das man sich von einem Kapitän der Weltmeere machte. Er war hochgewachsen, hatte einen mächtigen Brustkorb und eine tiefe Stimme. Sein dichter, struppiger Bart wurde nur noch von seiner bereits angegrauten Wuschelmähne, die er nur ungern stutzen ließ, übertroffen. Allerdings hatte er die Weltmeere immer links liegen lassen. Seit seiner Kindheit war es sein innigster Wunsch gewesen, über den Chiemsee zu schippern. Den Bodensee hätte er höchstens noch akzeptieren können, doch zum Glück war zur rechten Zeit die Stelle frei geworden. Georg, neun Jahre älter als Marei, war ruhig und ausgeglichen und passte perfekt zu Lenas manchmal etwas überempfindlichen Freundin, die mit Vorliebe die Finger in feuchten Ton steckte, um damit herrliche Kunstwerke zu schaffen.

»Abends um Punkt sieben kommt er ins Bett, dann schläft er durch bis sechs. Um halb zwei leg ich ihn wieder hin und ich geh ins Bett und schlafe exakt eine Viertelstunde lang. Und danach sind wir beide putzmunter. Er ist ein wahrer Schatz«, unterbrach sie Lenas Gedanken.

Paulchen stimmte lautstark zu, indem er mit seinem Spielzeug an den Holzstäben des Laufstalls entlang fuhr, was ein wunderbar knatterndes Geräusch machte.

Marei goss nun Kaffee in riesige selbst getöpferte Becher in einem wunderbarem Creme-Blau und legte Lena und sich Kuchen auf passende Dessertteller.

»Und wie sieht’s mit dem Einschlafen aus? Klappt das so oder musst du ihn im Kinderwagen einmal über die Insel fahren, damit er Ruhe gibt?« Dass es Mütter gab, die das praktizierten, wusste sie von Evelyn. Denn offensichtlich hatte ihr früher wohl Tom den letzten Nerv geraubt, weil er auf diesem Ritual bestanden hatte. »Oder singst du ihm was vor?«

»Ach, wo denkst du hin? Ich bin abends todmüde, da kriegt mich keiner mehr aus dem Haus. Außerdem kann ich nicht singen, wie du sehr genau weißt. Ich lege ihn hin, mache die Schlummermusik an, gebe ihm ein Küsschen und lasse das kleine Nachtlicht brennen. Und dann dauert es keine Minute, und mein Engel schläft ein.«

»Sehr brav! So ein Baby nehme ich dann später auch bitte!«, lobte Lena lächelnd.

Sie schlemmten von dem herrlichen Früchtekuchen, den Marei gebacken hatte – eine Fertigmischung, wie sie später zugab.

»Ich habe einfach keine Zeit mehr, selbst zu backen. Keine Ahnung, warum nicht«, stöhnte Marei, doch sie lächelte dabei, und Lena konnte erkennen, wie glücklich sie war. »Dabei habe ich so viel Glück mit meiner Schwiegermutter. Montag ist mein freier Tag, da nimmt mir Mama Resi den Paul ab, und ich kann tun und lassen, was ich will. Am Sonntagnachmittag übernimmt dann Mama und hütet das Kind. Ich sage dir, danach liebst du dein Baby noch mehr als so schon. Ich bin am Überlegen, ob ich den Montag eventuell wieder für die Töpferei nutzen sollte, aber ich hab mich noch nicht entschieden. Einfach mal Nichtstun ist auch ganz hübsch. Übrigens …«, sie legte den Finger an die volle Unterlippe, »hast du nicht Lust, am Montag zu uns, also ich meine zur Mama, zu kommen? Es gibt Fisch, und ich weiß doch, wie du den liebst. Mama würde sich sicher freuen. Und Tom erst. Und sei nicht böse«, bat sie, »aber ich hab ihm verraten, dass du jetzt für immer auf die Insel zurückkehrst.«

Lena hob beide Hände. »Also für immer würde ich jetzt nicht sagen, aber wenigstens für ein Jahr«, widersprach sie schmunzelnd. »Aber ich komme gern zum Essen. Wie geht’s übrigens Tom? Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.«

»Ach, dem geht’s wie immer. Du weißt ja, wie verschlossen er manchmal ist.«

»Hat er endlich eine Freundin?«, erkundigte sich Lena. Tom war Mareis Bruder und ihr liebster Gefährte aus Kindertagen, und Lena mochte ihn sehr gern. Er war ein Inselbewohner durch und durch: ein introvertierter Fischer, der mit seiner Mutter die Fischerei und Räucherei betrieb und zudem zwei Nachmittage in der Woche in der Zwergschule als Hilfslehrer tätig war.

»Nein, leider nicht«, seufzte Marei. »Hier auf der Insel sind Frauen Mangelware, wie du weißt.«

»Und die Touristen? Da sind doch sicher einige darunter, mit denen er was anfangen könnte«, sagte Lena.

Marei winkte ab. »Geh, hör bloß auf. Wir beherbergen ja keine Gäste wie deine Mutter. Und so kommt es immer nur zu kurzen Begegnungen, wenn überhaupt. Manchmal leihen sie sich ein Boot, und er begleitet sie, wenn ihm seine Arbeit die Zeit lässt. Aber ich glaube, die Insel schreckt einfach die meisten ab, wenn’s ernst wird. Jeder kann sich doch denken, wie einsam es hier im Winter ist.«

»Also ich finde ja gerade den Winter schön«, sinnierte Lena. »Aber natürlich hört man immer wieder, dass eine Beziehung den Bach runtergegangen ist. Aber wo passiert das nicht? Mama sagte, Irmi hätte erzählt, dass Wolfgang seine Astrid verloren hat, weil er ihr nicht aufs Festland gefolgt ist. Sie hat gesagt, sie bekäme einen Inselkoller, wenn sie noch einen Monat länger hier aushalten müsste. Kann ich gar nicht verstehen.« Irmi, mit ihren lila-blau-gesträhnten Haaren und den im gleichen Ton bemalten Kunstnägeln, war die Inselpost und auch die beliebte Inselfriseurin, die die meisten der Einwohnerinnen mehrmals die Woche aufsuchten – unter anderem, um sich die Haare richten zu lassen, Post zu verschicken und den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen. Und auch die Männer erschienen dann und wann bei ihr, denn sie konnte sich mit den besten Barbieren messen und verteilte obendrein freizügig Duftproben. Ihr war das Kunststück gelungen, die Männer um den kleinen Finger zu wickeln, ohne sich den Missmut der Ehegattin zuzuziehen.

»Ist mir auch schleierhaft«, entgegnete Marei. »Ich könnte es mir nirgends so gemütlich wie hier bei uns vorstellen. Schon gar nicht in der Stadt. Und erst recht nicht im Winter. Und im Sommer«, fügte sie hinzu. »Aber um bei Tom zu bleiben, mir scheint, du weißt immer noch nicht, wie sehr er dir nachgetrauert hat.«

Lena fiel fast die Gabel aus der Hand, und sie legte den köstlichen Kuchen zurück auf den Teller. »Wie bitte?«, antwortete sie überrascht und lachte kurz auf. »Tom und ich … das war doch Kinderkram, ich bitte dich.«

Marei schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war ernst geworden. »Habe ich mir doch gedacht, dass der Kerl nie den Mund aufgemacht hat. Mei, Lena! Tom war in dich verliebt, so lange ich denken kann«, rief sie laut, woraufhin Paulchen seinen Gesang einstellte und sie erschrocken mit großen Augen anschaute.

Lena fuhr sich durch die braunen, kurz geschnittenen Haare und stieß die Luft mit lautem Prusten aus. Ein verliebter Mann – eine Rarität in ihrem Leben. Timo hatte sich damals in sie verliebt, ein Unglücksfall sondergleichen, dachte sie insgeheim. Ein verheirateter Mann mit zwei kleinen Kindern, einer Selbstständigkeit mit Anfangsschwierigkeiten, belastet mit einem Haus, dessen Hypotheken den mageren Gewinn auffraßen: Das konnte sie nur als Unglücksfall bezeichnen. Und nun sollte ausgerechnet Tom in sie verliebt gewesen sein, das konnte Lena nicht fassen.

»Also, Marei, das ist das erste Mal, dass ich das höre. Natürlich hat Tom mir nie was gesagt. Und ehrlich, ich hab auch nie geahnt, dass er … in mich …«, ließ sie den Satz unvollendet. Der liebe Tom, der Jugendfreund, er war doch in ihren Augen immer nur ein Bruder gewesen. »Und all die Jahre … nie ein Wort …«

»Eben. Er ist ein Stiesel, aber da kann man nix machen. Es ist nur schade, ich dachte, du wüsstest über seine Gefühle Bescheid.«

Mareis Augen schauten traurig, sodass Lena beinahe ein schlechtes Gewissen bekam. Marei war die Empfindsamere der beiden Geschwister, doch dabei extrovertierter als Tom, der große Schweiger, bei dem man nie genau wusste, was in ihm vorging.

»Er kann sich aber auch gut verstellen, dass muss ich schon sagen. Also wirklich.«

Marei stand auf und öffnete das Fenster. Von draußen erklangen die leichten Wellen, die sacht gegen die Anlegestelle schwappten, an der ihr Boot vertäut lag. Das Licht war von silberner Klarheit, wie so oft im Frühherbst, und der See glänzte dunkelblau. »Vielleicht«, fuhr sie fort, »traut er sich ja jetzt, da er annimmt, du kommst für immer zurück.«

»Wenn nicht jetzt, wann dann …«, lachte Lena ein wenig verlegen. Der Tom … sie konnte es immer noch nicht glauben.

»Und du, hast du denn Gefühle ihm gegenüber?«, fragte Marei zögernd und setzte sich wieder zu Lena an den Tisch.

Lena schaute aus dem Fenster und genoss den malerischen Blick über die Hortensienbüsche mit den dicken violetten Dolden, die langsam verblühten, und die Rosenhecke mit den letzten Knospen, die den Blick über den See erlaubte. Wie gut es tat, hier zu sein. Dennoch: Sie hatte sich auf eine ruhige, stressfreie Zeit gefreut und schon war es vorbei mit der Ruhe, kaum dass sie angekommen war. Die Nachricht von Toms Verliebtheit hatte sie richtig erschüttert. Sie hob hilflos die Hände. »Weißt du, das ist so überraschend. Ich … find ihn wahnsinnig nett … und … der Gedanke … er und ich … also ich glaub schon, dass er einen guten Ehemann abgeben würde«, sinnierte sie. Und erst recht einen guten Vater für deine geplanten Kinder, dachte sie im Stillen weiter. Aber so weit waren sie noch lange nicht. Und ob es je dazu käme?

»Er würde dich auf Händen tragen.«

»Der Gedanke hat allerdings was. Wenn ich daran denke, mein Leben lang allein bleiben zu müssen …« Sie stockte. Immer hatte sie diese schockierende Aussicht beiseite geschoben. Mit 30 musste man noch keine Panikattacke erleiden, wenn man Single war. Lena war in ihrem Beruf zwar mit vielen Männern zusammengekommen, aber die meisten waren verheiratet gewesen. Nur bei Timo war sie schwach geworden, schlechtes Gewissen hin oder her. Zu ihrer Erleichterung hatten sie nie über seine Familie geredet. Sie wusste rein gar nichts von seiner Frau, auch nicht, ob er sie noch liebte. Nichts. Eine wundervolle Woche hatten sie miteinander gehabt, auf einer Tagung, die sie beide besucht hatten. Danach hatte sie das Leben einer Frau im Abseits geführt, und es hatte sie alle Kraft gekostet, sich von diesem Zustand zu lösen. Und ihre Kündigung und der Aufenthalt auf der Insel sollten nun endlich den endgültigen Schlussstrich ziehen.

»Hast du denn mit deinem verheirateten Hansel endlich Schluss gemacht?«, erriet die sensible Marei ihre Gedanken.

»Ja. Schon vor Wochen.«

»Wurde auch Zeit«, brummte sie. »Und dass du deine Schickimicki-Firma verlassen hast, das war auch ein guter Entschluss.«

Lena antwortete darauf nicht, denn sie wusste, wie Marei zu ihrem Beruf und ihren Kollegen stand.

»Hier, unter uns normalen Menschen, wirst du wieder zu dir kommen. Dieses Büro war doch … na ja, ich fand halt bei meinem Besuch damals, dass die ganzen Frauen da eingebildet und ein bisschen gaga waren, wenn du mich fragst. Und hier auf der Insel kannst du auch den Mann endgültig vergessen. Tom wird dir ganz sicher dabei helfen.«

Lena verbarg ihre Augen, indem sie sich dem letzten Bissen des Früchtekuchens widmete. Ein wenig störte sie die Selbstgerechtigkeit, die sie aus den Worten herauszuhören vermeinte. Natürlich waren die Kolleginnen anders gewesen als Marei. Aber sie waren nicht eingebildet, sondern nette, schwer arbeitende Frauen, wenn man einmal hinter ihr gestyltes Äußeres geblickt hatte. Sie waren eben modern und der Mode sehr zugetan, was Marei, der bayerische Gemütlichkeit über alles ging, natürlich suspekt war. Computer, Smartphone und Social Media waren Schnickschnack, den keiner braucht, wie sich Marei gern ausdrückte. Seltsam, dass sie schon so lange gute Freundinnen waren. Aber vielleicht liebte sie Marei, gerade weil sie so unterschiedlich waren.

»Man wird sehen. Und jetzt muss ich langsam wieder heim.« Sie stand auf. »Ich hab der Mama einen Zettel hingelegt, dass ich da bin. Aber sie weiß noch nicht, dass ich jetzt länger bleiben werde. Du hast es ihr hoffentlich nicht verraten?«, erkundigte sie sich besorgt. »Es soll doch eine Überraschung werden.«

»Aber nicht doch!«, rief Marei und stand ebenfalls auf. »Übrigens, da fällt mir ein, dass ich der Mama ja gern vorschlagen könnte, dass sie auch deine Mutter einlädt. Wär doch wirklich langsam an der Zeit, dass die beiden sich wieder vertragen, findest du nicht?«

»Aber schon lange! Ich verstehe es eigentlich auch nicht. Die beiden waren so dicke Freundinnen. Aber ich finde, wir sollten uns da raushalten. Das müssen die beiden unter sich ausmachen.«

»Na gut, wenn du meinst.« Marei nahm Paulchen aus dem Laufstall und küsste ihn herzhaft auf den Mund, wonach er sich bedankte, indem er sie in die Nase biss. »Dieser verflixte Garten-Wettbewerb aber auch. Dass der die beiden auseinandergebracht haben soll, kann ich einfach nicht glauben.«

Auch Lena gab dem Kleinen zum Abschied einen dicken Kuss, den dieser mit begeistertem Krähen und dem Verwuscheln ihrer Haare mit seinen weichen Händchen belohnte.

»Als dann servus bis Montag.«

Lena verließ das gemütliche Haus und ging die wenigen Schritte zurück zum Haus ihrer Mutter. Doch die war immer noch nicht da, und so stieg sie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung und packte ihre Koffer und die Reisetasche aus. Schließlich legte sie eine CD ein und setzte sich in den Sessel, um nachzudenken. Mareis Worte über Toms Gefühle waren so neu und überwältigend, dass sie es immer noch nicht fassen konnte. Und mit einem Mal wurde aus dem Nachbarsjungen, von dem sie meinte, ihn in- und auswendig zu kennen, ein unbekannter Mann, der sie plötzlich in einem Maße zu interessieren begann, wie sie es lange nicht erlebt hatte. Das war ein neues Gefühl, und es stürzte sie in eine tiefe Verwirrung. Nur Timo, dem wunderbaren Timo, war es gelungen, sich in ihr Herz zu pflanzen, und das in einer Intensität, dass sie beinahe daran zerbrochen wäre. Er war verheiratet, verheiratet, verheiratet. Und zumindest seine zwei kleinen Kinder liebte er heiß und innig. Timo war für immer Vergangenheit, und sie musste das endlich akzeptieren. Diese neuen Regungen für Tom bedeuteten aber auch, dass es noch andere Männer für sie geben könnte. Und der Entschluss zu kündigen und hierher zurückzukehren, fühlte sich für Lena in diesem Moment sehr gut an.

2

Am gleichen Morgen war Rosi Keller ausgeruht und guter Dinge aufgewacht. Und wie so oft in den letzten Tagen kribbelte es in ihrem Magen, wenn es Zeit zum Aufstehen war. Allerdings war das kein Zeichen von Hunger, im Gegenteil: Hungrig war sie in seiner Gegenwart kaum. Und das hatte auch ihrer Figur gutgetan. Wieder ein Pluspunkt mehr für Julius, den Sommergast.

Flott und beschwingt schwang Rosi sich aus dem Bett. Obwohl ihr Schlafzimmer im Erdgeschoss lag, schlief sie bei offenem Fenster: Auf der Insel hatte sie keine Angst. Sie ging zu den Fensterläden und vollführte ihre morgendliche Leibesübung – ein paar tiefe Atemzüge, mit erhobenen Armen recken, strecken und dehnen, wobei sie anschließend wie jeden Morgen testete, ob sie mit den Fingerspitzen an das Sternenmuster in der Tapete reichte. Das bestätigte ihr nämlich, dass sie noch nicht geschrumpft war so wie ihre Mutter, die sehr früh einen Rundrücken ausgebildet hatte und mit jedem Jahr immer kleiner geworden war. Die vielfältigen Hausarbeiten, die in der Pension anfielen, förderten ihre Ausdauer und ihre Muskeln ausreichend. Zumindest versuchte sie ihren Hausarzt, Dr. Jenner, davon zu überzeugen. Leider ohne Erfolg, doch das war sein Problem.

Sie stützte sich auf die Fensterbank und schaute lächelnd hinaus. Sie befand sich in einem Zustand, der ihr für Sekunden schenkte, was sie in den letzten Wochen immer häufiger empfand: Sie war eins mit sich und dem Universum, sie schwebte im Nichts, sorglos und glücklich. Lag es am See im herbstlichen Morgenschimmer, über dem sich soeben der Nebel auflöste, sodass man die Weiden am gegenüberliegenden Ufer erahnen konnte? Oder am speziellen Duft des Wassers, der vermodernden Blätter und der Pilze, die sich im Unterholz breitmachten und den nicht einmal der Duft des Buchenholzes vermochte zu überlagern, der dem Räucherofen ihrer Nachbarin und Freundin – zumindest ehemaligen Freundin – Evelyn entströmte? Oder lag es einfach daran, dass sie, die Besonnene, die Rationale, derzeit gefühlsmäßig auf Hochtouren lief?

Sie schaute hinaus auf den Garten, der zum Strand führte. Recht früh begann bereits die Lärche am Tor ihr gelbes Herbstkleid anzulegen, während der Holunder, von dunkelblauen Dolden schwer, darauf wartete, dass sie die letzten Beeren erntete, um daraus Holundersirup zuzubereiten, bevor die Vögel seine herben Früchte gänzlich vertilgt hatten. Der junge Vogelbeerbaum machte sich gut an der Ecke zu Evelyns Garten, und er beglückte Rosi bereits jetzt mit seiner rot-grünen Farbenflut. Sie hatte ihn erst im Mai von Evelyn zum Geburtstag geschenkt bekommen – damals, als alles noch gut zwischen ihnen war. Ihre Gärten trennte kein Zaun, lediglich eine Wildhecke aus fruchttragenden Wildgehölzen, deren Früchte sie auf vielfältige Art nutzte. Aus denen der Kornelkirsche, dieser wertvollen Bienenweide, deren leuchtend gelben Blüten sich schon früh im Jahr öffneten, kochte sie feine Marmeladen, ebenso aus den blauschwarzen Früchten der Felsenbirne, während sie aus den runden blauen Früchten der Schlehe, die sie im Herbst tiefgefror, wenn der Frost ausgeblieben war, und die dadurch erst genießbar wurden, einen wunderbaren Likör zubereitete. Diese Wildhecke, ein Tummelplatz der heimischen Vögel und Insekten, teilte die beiden Gärten zur Hälfte, und bot so den Familien und Gästen ein lauschiges Refugium und zugleich die Möglichkeit zu zwanglosem Plaudern über den Gartenzaun. Im Mai waren sie noch beste Freundinnen gewesen, doch seit sie statt Evelyn den Preis für den schönsten Garten gewonnen hatte, lag ein Schatten auf ihrer Freundschaft. Sie schob den Gedanken beiseite. Irgendwann würde Evelyn es überwunden haben, dass sie nicht die Siegerin geworden war.

Nachdem die meisten der Sommerblumen bereits verblüht waren, entzückte der Garten erneut mit einer regelrechten Farborgie, dank der purpurnen und weißen Herbst-Alpenveilchen, der rosa Anemonen, der Blausterne und der bunten Dahlien, die sie allesamt am Zaun entlang vor die Koniferen gepflanzt hatte. Der Altweibersommer mit seinem unvergleichlichen Licht und den zarten Spinnweben hatte begonnen, und sie atmete tief ein. Zum Glück hatte sie nicht mit dem Herbstblues zu kämpfen wie Evelyn. Wie immer, so empfand sie spontane Freude, wenn sie die charakteristischen Anzeichen der wechselnden Jahreszeiten erleben durfte. Sie liebte sie alle. Einem jeden Monat konnte sie Freude abgewinnen, sogar dem regnerischen November, der eine Verheißung auf den anheimelnden Dezember war.

Sie schaute auf den schmalen Wiesenpfad, der zum Strand führte. Die einfach gefüllten roten Rosen, die sich über das stabile Holztor am Ende des Gartens rankten, erfreuten immer noch mit ihrem Blütenzauber, eine der neuen Züchtungen, denen sie mittlerweile den alten Rosensorten gegenüber den Vorzug gab, waren sie doch resistenter gegen Schädlinge und Krankheiten aller Art. Das Holztor hatte noch Daniel gebaut, damals, als der Zauber ihrer Ehe bereits im Verblassen war. Die Touristen, die in immer größeren Scharen angereist kamen, hatten dreist ihren Garten betreten und in ihre Wohnstube geschaut, gerade so, als handele es sich um ein Museum. Heute war alles hübsch dicht bewachsen, sodass sie und ihre Gäste die gewünschte Privatsphäre genießen konnten.

Es war Freitag, und momentan stand ihr das geräumige Haus, das ein Stockwerk höher als die meisten auf der Fraueninsel war, fast allein zur Verfügung. Ihre Familie wohnte seit Generationen hier, und auch sie hatte nicht vor, das Haus und die Insel jemals zu verlassen. Ihre Pension war gut ausgelastet, und wenn sie Glück hatte, handelte es sich nicht nur bei Julius um einen Langzeitgast, sondern auch bei den anderen Gästen, die am Wochenende eintrudeln wollten: ein Mann, der für Samstagnachmittag erwartet wurde, und zwei Frauen, Schwestern, wie die eine von ihnen per E-Mail geschrieben hatte. Diese erwartete sie bereits heute Nachmittag.

Der Mann, Marcel Ziegler, würde also morgen im Laufe des Nachmittags eintreffen. Er war Kunstmaler, wie er berichtet hatte, der hier seinem Hobby frönen wollte. Künstler hatte Rosi schon häufig beherbergt, und diese erhielten, wenn es ihr möglich war, immer das geräumige Nordzimmer. Er hatte sich für zwei Wochen angemeldet, die er jedoch eventuell verlängern würde, was kein Problem darstellte, denn der Oktober war ein ruhiger Monat. Die zwei Frauen hatten auch einen längeren Aufenthalt angedeutet. Langzeitgäste erleichterten Rosi natürlich die Arbeit, sodass sie Marcel Ziegler auch das Doppelzimmer mit dem Erker als Einzelzimmer geben würde, zum halben Preis, logisch, denn sie hielt nichts davon, Gäste finanziell zu bestrafen, nur weil sie allein unterwegs waren. Sie war froh, dass sich bereits ihre Mutter entschieden hatte, nicht nur Doppelzimmer anzubieten, sondern auch drei Einzelzimmer. Ihr Haus bot Platz genug für die Gäste, und unter dem Dach stand sogar eine geräumige Wohnung für Lena zur Verfügung. Die Doppel- als Einzelzimmer zu vergeben, konnte sie sich leisten, denn, den Weihnachtsansturm bereits eingerechnet, neigte sich ein wirklich gutes Jahr dem Ende zu. Von den Einnahmen konnte sie gut leben und war damit auch nicht auf das Geld ihres Mannes angewiesen. Daniel war ein gutsituierter Architekt und ließ ihr, loyal wie er war, monatliche Zahlungen zukommen. Diese flossen auf ein gesondertes Konto und standen ihr für außergewöhnliche Ausgaben fürs Haus oder als Zubrot zur Altersvorsorge zur Verfügung.

Gestern Morgen waren Rosis letzte Kurzzeitgäste abgereist, zwei herzliche Kölner. Die beiden Rentner waren im Laufe der Jahre zu Freunden geworden und nahmen selbstverständlich ihre Kochkünste in Anspruch. Auch heuer hatten sie hier ihren Hochzeitstag verbracht. So blieb derzeit nur noch Julius Krüger im ersten Stock ihr Gast. Ihm hatte sie das andere Erkerzimmer gegeben. Es bot einen bezaubernden Blick auf den See. Der Erker hatte Platz für einen Sessel, den sie neu gekauft hatte, und einen kleinen runden Tisch. Der Sessel war eine Nachbildung aus den 1950er-Jahren, aus Nussbaum mit grauem Polster, sehr bequem. Einer von der Art, aus dem man nie wieder aufstehen möchte, der aber heute wieder supermodern wirkt. Das Zimmer war ein Ort, der für Julius, den Autor, perfekt zum Schreiben war, denn es verfügte nicht nur über eine bezaubernde Aussicht auf den See, sondern auch über ein neues Bett, einen neuen Schrank und eine hochmoderne Badausstattung. Rosi hatte dieses Zimmer und das Doppelzimmer, das sie für den Maler gewählt hatte, komplett renoviert. Nach und nach würden die anderen drei Zimmer folgen.

Julius Krüger, ihr Sommergast, war ein feiner Mann, das hatte sie gleich am ersten Tag vor drei Jahren festgestellt. Er hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, die kleine Erhöhung des Pensionspreises akzeptiert, die sie für das neue Zimmer verlangt hatte. Und er war ein treuer Gast. Im ersten Jahr waren es vier Wochen gewesen, die er bei ihr gewohnt hatte, im zweiten bereits acht und heuer hatte er für drei Monate gebucht – nachdem er bereits im Frühjahr drei Wochen bei ihr verbracht hatte. Er war nicht nur ein treuer, sondern vor allem auch ihr liebster Gast, sie brauchte es gar nicht zu leugnen. Für ihn gab sie sich beim Kochen immer besondere Mühe, denn er gehörte zu jenen, die das Abendessen mitgebucht hatten. In der Regel aßen die Kurzzeitgäste zumeist in einer der Inselgaststätten, während die, die mehrere Wochen blieben, mit ihrem Abendessen, das sie stets mit anbot, sehr zufrieden waren.

Diesmal hatte Julius, wie sie ihn mittlerweile nannte, also für sage und schreibe drei Monate gebucht, schließlich war er, der Biologie-Lehrer, nun Pensionist. Das hatte er ihr freudestrahlend verkündet. Der erste Monat war für ihr Verständnis bereits viel zu schnell vorübergegangen. Der August hatte sie mit seiner Hitze und den regenlosen flirrenden Tagen ganz schön erschöpft. Selbst Julius hatte die meisten Tage im Schatten auf der Terrasse gesessen und sein Manuskript überarbeitet, an dem er schon seit drei Jahren werkelte. Es sollte ein umfassendes und anspruchsvolles Werk über Moose und Flechten im Chiemgau werden. Rosi hatte das Gefühl, aus den Unterhaltungen, Erzählungen und Wanderungen mittlerweile alles darüber zu wissen. Wegen der großen Hitze hatte er sie dieses Jahr leider erst viermal auf seine Exkursionen im Chiemgau mitgenommen. Sie liebte das sehr, es hatte ihr auch die Freude am Wandern wieder zurückgebracht. Im letzten Jahr waren sie fast jedes freie Wochenende auf der Pirsch nach den seltenen Moosen gewesen. Allerdings war Julius dieses Jahr selbst auch nicht öfter auf seine Streifzüge gegangen.

Sie mochte diese Exkursionen weniger wegen der Moose, die natürlich auch interessant waren, dachte sie beflissen, sondern vor allem natürlich wegen ihm. Wie gern sie seiner Stimme lauschte, wenn er ihr geduldig etwas erklärte, wie behutsam er mit ihr, die nur die Hauptschule besucht hatte, umging. Wie viel Mitgefühl er an den Tag legte, wenn er spürte, dass die Hitze ihr zu schaffen machte. Ihr zuliebe, da war sie ganz sicher, machten sie öfter Rast auf den zahlreichen Bänken, um etwas zu trinken, oder zügelte er seinen Schritt, wenn er ihr Keuchen vernahm. Wohingegen ihr Mann Daniel damals, als sie ihn dann und wann noch zum Wandern begleitet hatte, um wenigstens etwas gemeinsam mit ihm zu unternehmen, nur ungeduldig geworden war. Das war lange bevor er seine Liebe zum Rad entdeckt hatte. Wie oft war sie stehen geblieben, um ihn zu rufen, weil der Abstand zwischen ihnen immer größer geworden war, da sie seinen raschen, weit ausgreifenden Schritten nicht hatte folgen können und ihn zudem seine Ungeduld stets vorwärts gedrängt hatte. Und wie oft lobte Julius ihr Aussehen. Auch davon hätte sich ihr Mann eine Scheibe abschneiden können, der selbst in ihrer Jugend das Wort Kompliment nicht im Sprachwortschatz hatte.

Sie atmete tief ein und aus. Wie es Daniel gerade geschafft hatte, sich in ihre Gedanken zu schleichen, konnte sie sich nicht erklären. »Dabei hatte der Tag doch so schön begonnen«, stieß sie missmutig hervor. Sie schaute auf die Uhr. Es war Punkt sieben. Sie wusch sich fix und kämmte ihre feinen, kinnlangen Haare. Die neue Frisur stand ihr sehr gut. In dem naturhellen Blondton versteckten sich zwar bereits graue Fäden, aber sie würde sich nicht frischer blondieren lassen, wie Irmi es ihr immer wieder ans Herz gelegt hatte. Dann zog sie ihr gelbes Leinenkleid an und gab ein wenig von ihrem leichten Eau de Toilette auf die Haare. Wie immer, wenn Julius im Haus war, eilte sie beschwingten Schrittes durch ihr winziges Wohnzimmer nach nebenan in die Küche. Ab acht stand das Frühstück für jedermann auf dem Tisch.

Sie deckte in der Küche ein. Vom Arbeitsbereich durch eine Kochinsel getrennt, stand ein großer viereckiger Tisch mit einer Eckbank, an dem spielend sechs Personen Platz fanden, zur Not auch mehr. Hier frühstückten die Langzeitgäste mit Vorliebe. Zudem gab es nebenan im großen Wohnzimmer noch weitere Tische und Stühle, für alle Gäste war Platz. Hier unten im Erdgeschoss hatte sie auch ihr Schlafzimmer – das sie schon lange nicht mehr mit ihrem Mann teilte – und ein winziges Wohnzimmer, in dem sie las oder fernsah. Und außer dem ebenfalls winzigen Bad gab es noch eine Kammer, Lenas ehemaliges Kinderzimmer. Dort logierte Daniel, wenn er zu Besuch kam. Immerhin besaß es ein Fenster. Für sie war die Wohnung ausreichend groß, und Daniel hatte das Zimmer zu genügen. Die 110 Quadratmeter große Dachwohnung hingegen stand allein Lena zur Verfügung, damit sie immer ein Refugium vorfand, wenn sie auf die Insel kam. Als Lena noch klein gewesen war, hatten sie diese als Ferienwohnung vermietet. Gegen die Umnutzung hatte sich Daniel anfangs gewehrt, doch Rosi hatte mit Händen und Füßen und allerlei Tricks die Wohnung für ihre Tochter verteidigt.

Sie schaute sich um, alles stand parat, was Julius liebte: Semmeln, Wurst, Käse, Hering und ihre selbst gemachte Marmelade. Für sich gab sie noch Honig vom Insel-Imker hinzu. Jetzt konnte Julius kommen. Sie musste lächeln, als sie im gleichen Moment seinen bedächtigen Schritt auf der Treppe vernahm. Sie ging ans Radio und stellte »Charivari«, seinen Lieblingssender, ein.

»Hallo, guten Morgen, meine Liebe«, hörte sie seine sympathische Stimme im Rücken.

Sie drehte sich zu ihm herum und reichte ihm die Hand – eine Geste, die nur ihm zukam. Sie genoss es, wenn er ihre Hand, die immer ein wenig kühl war, mit seinen warmen Händen umschlang und sie leicht an die Lippen führte. Er war der Einzige, der so etwas tat, und es machte sie nicht einmal verlegen. »Hast du gut geschlafen?«

»Wie ein Stein, danke. Und du?«

»Wie ein Baby. Hier schlafe ich doch immer wunderbar«, antwortete er mit strahlenden Augen. Er rieb sich lächelnd die Hände. »Ich finde, es ist der rechte Tag für einen Ausflug, meinst du nicht?«

Sie überlegte kurz. Für die Damen, die heute Nachmittag ankommen sollten, war alles vorbereitet. Und Marcel Ziegler wurde erst für morgen und dann auch nicht vor vier Uhr erwartet. Auch sein Zimmer war bereits geputzt, das Bett bezogen, morgen mussten nur noch die Willkommensblumen und der gefüllte Obstkorb auf den Tisch gestellt werden. »Perfekt, eine wunderbare Idee.«

»Dann würd ich sagen: Auf geht’s gleich nach dem Frühstück.«

»Sehr gern«, freute sich Rosi.

Julius überragte ihre 1,60 Meter nur um einige wenige Zentimeter, und auch er war wie sie ein Freund guten Essens. Am meisten liebte sie an seinem Äußeren die klugen Augen, die, selbst wenn er ernst schaute, immer noch zu lächeln schienen. Er hatte eine hübsche runde Glatze mitten auf seinem runden Kopf, die von einem Kranz weißer Haare umschlungen wurde und die er mittels einer braunen Kappe vor der Sonne zu schützen wusste. Sein Mutterwitz brachte sie stets zum Lachen. Er war der geborene Optimist. Sie selbst hatte sich ihre positive Lebenseinstellung im Laufe der letzten Jahre erst wieder antrainieren müssen. Diese war ihr in den schwierigen Jahren mit Daniel leider abhanden gekommen. Aber jetzt hatte sie auch wahrlich keinen Grund mehr zum Klagen.

Rosi kam ins Sinnieren. Daniel war nie ein übermäßiger Sonnenschein gewesen, auf keinen Fall in den letzten Jahren, eher im Gegenteil. Und das, obwohl er so viel Sport machte und man gemeinhin eingetrichtert bekam, dass man sich dabei wohlfühlen würde. Ihr Mann sportelte bis zum Abwinken, doch die gute Laune von früher war verloren gegangen. Die versteckte sich wahrscheinlich unter dem engen Trikot, das er ständig trug, weil er jede freie Minute auf dem Radl verbrachte. Oder sie war ihm im Rausche der Geschwindigkeit davongeflogen. Seinen Ernst, dem er nach und nach verfallen war, konnte sie sich nur mit seinem unterzuckerten, entmineralisierten und gepeinigten Körper erklären. Wie oft hatte sie dagesessen und gegrübelt, warum sie ihn überhaupt geheiratet hatte. Sie war halt jung gewesen, und sein unruhiges Wesen und der Überschwang und ja, auch die Freude, die er beim Sport an den Tag legte, hatten sie, die Unsportliche, angezogen. Und tatsächlich, wenn er von seinem Sport schwärmte oder dem modernen, leichten Material, aus dem sein neues Rennrad gefertigt war, dann spürte sie, dass er auch im Innersten noch Freude empfinden konnte, dann leuchteten seine Augen auch heute noch. Dann kam Leben in diesen überschlanken, sehnigen Körper, und fast wurde er wieder der dynamische junge Mann, von dem sie sich anfangs hatte begeistern lassen. Diese Momente waren rar. Und da die Fixpunkte seines Erscheinens bei ihnen zu Hause auf Ostern, Pfingsten und Weihnachten konzentriert waren, waren Lena und sie nur selten in den Genuss dieser guten Laune gekommen.

Er war nie kleinlich gewesen, auch nicht in Zeiten, als das Geld knapp war und noch nicht für Luxus-Spielereien seines Hobbys gereicht hatte. Lena und sie waren immer von ihm versorgt worden, das musste sie ihm zugestehen. Allerdings hatte er Lena auch nie viel mehr geschenkt als Geld. Gegeizt hatte er mit seiner Zeit. Auch mit seiner Liebe? Oh ja, ihr und auch Lena gegenüber, denn er war ja kaum da, um sie ihnen zu beweisen. Aber wie auch immer, er hatte ihr die Tochter geschenkt, und dafür liebte sie ihn, irgendwie. Den kompletten Sommer über blieb er der Insel fern, denn dann radelte und joggte er, was seine Beine hergaben. Besaß er fünf Räder? Oder waren es gar acht? Es war ihr egal, sie wusste nur, dass er für seine Fahrräder extra eine Garage angemietet hatte – mit Einbruchschutz, denn die Räder waren ein Vermögen wert. Und nicht nur die Räder, sondern die gesamte Ausrüstung für seinen Sport, wie er ihr mehrmals begeistert verraten hatte. Und natürlich waren diese Dinger, die sich Rad nannten, alle handgestrickt. Jedes Teil einzeln! Drahtesel, die sie nie besteigen würde, da sie sofort dank der dünnen Räder umkippen würde, oder der seltsamen Lenker, auf die man sich stützte, anstatt sich an ihnen festzuhalten. Aber eifersüchtig musste sie nicht sein. Daniel würde ihre Ehe nie verraten, er würde sie nie betrügen, auch weil er nur mit Männern radelte. Logisch, welche Frau tat sich so was freiwillig an? Sie jedenfalls nicht. Bei all dem Sport blieb ihm ja gar keine Zeit, sie zu betrügen, davon war sie fest überzeugt.

Sie schüttelte kurz die blonden Haare, und die Gedanken an Daniel verzogen sich aus ihrem Kopf. Heute jedenfalls war ein wunderschöner Tag, den sie mit Julius genießen würde.

Sie schenkte ihnen beiden Kaffee ein. »Hast du schon eine Idee, wie der Ausflug aussehen soll?«

Er nahm eine Semmel aus dem Brotkorb. »Ich habe mir gedacht, wir fahren heute vielleicht einmal an den Königssee, was meinst du? Wir tun so, als wären wir Touristen, lauschen dem Echo, essen ein wenig vom Steckerlfisch und lassen uns die Sonne auf den Pelz brennen. Ich glaube, heute soll es nicht so heiß werden. Im Radio haben sie um die 22 Grad angesagt, also perfekt.«

»Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, wobei ich noch ein Eis essen wollen würde«, sagte sie mit einem Lächeln und hielt ihm den Teller mit den Heringen hin. Er war einer der wenigen Menschen, die Hering am Morgen genießen konnten, und nur für ihn hatte sie stets welche auf Lager. Sie aßen in Ruhe, lachten und unterhielten sich. Nebenbei überlegte sie, was sie anziehen sollte. Heute würden also die Wanderschuhe zu Hause bleiben, und sie konnte die hübschen neuen Schuhe aus handschuhweichem Leder anziehen, die sie gekauft hatte. Sie besaßen einen halbhohen und somit bequemen Absatz, sodass sie mit ihnen kleinere Spaziergänge überleben würde. Außerdem passten sie perfekt zu ihrer neuen weißen Hose und dem blau-weiß geringelten Shirt.

»Und ich habe noch eine Überraschung«, sagte er geheimnisvoll. »Stell dir vor, gestern Abend schaue ich in meinen Laptop und was sehe ich?«

»Na? Was denn?« Rosi hatte sich angewöhnt, auf seine hypothetischen Fragen mit Geduld zu reagieren.

»Gestern kam eine E-Mail von dem Verlag aus Rosenheim, du weißt schon, ich habe dir davon erzählt.«

»Freilich!«, erwiderte sie hastig. Sie selbst war nicht so ein Bücherwurm, sie brauchte immer lange, bis sie mal ein Buch durchgelesen hatte. Sie tat sich schwer damit, tagsüber in der Ecke zu sitzen und zu lesen. Also blieb ihr nur das Bett am Abend, aber da war sie oft schon so müde, dass sie es nach drei Seiten wieder schließen musste. Egal wie interessant das Buch auch war, ihr fielen dann einfach die Augen zu.

»Sie, die Lektorin, teilte mir mit, dass sie mein Buch detailliert geschrieben und sehr gut recherchiert finden und ich mit einem Vertrag rechnen kann. Ich habe bald nicht mehr dran glauben wollen«, gab er ein wenig verlegen zu.

»Toll! Ich gratuliere dir von ganzem Herzen! Und gut, dass ich immer Sekt auf Eis liegen habe, das müssen wir feiern«, freute sie sich mit ihm. »Ich bin überzeugt davon, dass dein Buch ein großer Erfolg wird.«

Sie frühstückten zu Ende, dann machten sie sich auf den Weg. Sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal am Königssee gewesen war, und sie freute sich wie ein kleines Kind. »Leider muss ich bis zwei wieder zurück sein, heute Nachmittag kommen neue Gäste und manchmal erscheinen sie früher als angekündigt. Aber ich denke, bis dahin haben wir noch genügend Zeit für den Ausflug.«

»Das ist das Gute daran, wenn man Frühaufsteher ist«, lachte Julius.