Beziehung ausgeschlossen - Jae - E-Book

Beziehung ausgeschlossen E-Book

Jae

0,0

Beschreibung

Zwischen Torten, Tanz und heimlichen Gefühlen – zwei Frauen entdecken, dass die süßeste Versuchung nicht aus Zucker besteht. Floristin Ashley Gaines liebt ihren kleinen Blumenladen, in dem sie wunderschöne Brautsträuße und Dekorationen für andere freudige Anlässe kreiert. Ihr Liebesleben ist hingegen weniger erfreulich, denn Ashley versteckt ihre sexuelle Orientierung lieber, anstatt erneut ihr Herz zu riskieren. Sasha Peterson, der die örtliche Bäckerei gehört, hat ebenfalls noch nicht das perfekte Rezept für eine glückliche Beziehung gefunden. Ihre süßen Kreationen lassen ihr ohnehin keine Zeit für ein Privatleben. Doch als die erste lesbische Hochzeit in ihrer Kleinstadt die beiden zur Zusammenarbeit zwingt, stellen Ashley und Sasha fest, dass sie mehr gemeinsam haben, als sie dachten. Bei Tortenschlachten, Walzertänzen und einem Junggesellinnenabschied auf einer traumhaften Insel kommen sie einander langsam näher. Bald muss sich Ashley eingestehen, dass nicht nur Sashas kulinarische Kunstwerke sie in Versuchung führen. Beziehung ausgeschlossen ist ein lesbischer Liebesroman mit Happy End. Buch 2 der Fair Oaks Serie ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von Band 1 (Perfect Rhythm – Herzen im Einklang) gelesen werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 585

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Von Jae außerdem lieferbar

DANKSAGUNG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

Über Jae

Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen

Sie möchten keine Neuerscheinung verpassen?

Dann tragen Sie sich jetzt für unseren Newsletter ein!

www.ylva-verlag.de

Von Jae außerdem lieferbar

Tintenträume

Ein Happy End kommt selten allein

Alles nur gespielt

Aus dem Gleichgewicht

Hängematte für zwei

Herzklopfen und Granatäpfel

Vorsicht, Sternschnuppe

Cabernet & Liebe

Die Gestaltwandler-Serie:

Vollmond über Manhattan

Die Hollywood-Serie:

Liebe à la Hollywood

Im Scheinwerferlicht

Affäre bis Drehschluss

Die Portland-Serie:

Auf schmalem Grat

Rosen für die Staatsanwältin

Die Serie mit Biss:

Zum Anbeißen

Coitus Interruptus Dentalis

Fair-Oaks-Serie:

Perfect Rhythm – Herzen im Einklang

Beziehung ausgeschlossen

Oregon-Serie:

Westwärts ins Glück (Band 1)

Westwärts ins Glück (Band 2)

Angekommen im Glück

DANKSAGUNG

Wie immer möchte ich meinen fleißigen Betaleserinnen für ihre Vorschläge und Korrekturen danken: Christiane, Gaby, Melanie, Peggy, Sandra, Stephie und Susanne, ihr seid klasse!

Ein besonderes Dankeschön gilt Christiane, Bianca und deren Mutter Elke, die mich mit Informationen darüber versorgt haben, wie man einen Blumenladen führt.

Zu guter Letzt möchte ich auch meinen Leserinnen danken, besonders denjenigen, die jeden meiner Romane verschlingen und eine Rezension hinterlassen.

KAPITEL 1

Sasha stieß die Schwingtür auf, die von der Backstube in den Verkaufsraum führte, und schob das Tablett mit den herzförmigen Cupcakes in die Glasauslage der Theke. »Das ist das letzte Tablett. Wer hätte gedacht, dass mein Herz so begehrt sein würde?«

Tante Mae grinste. »Oh, das war mir schon immer klar. Es gibt sicher jede Menge Leute, die an deinem Herz interessiert wären, wenn du es nur zulassen würdest.«

»Ach was.« Sasha schlang einen Arm um ihre Tante und musste sich dabei zu ihr hinabbeugen. »Wer braucht eine Beziehung, wenn man Cupcakes haben kann?«

Tante Mae warf ihr über den Rand ihrer grünlich getönten Brille ihren berühmten Blick zu. Dieser Blick hatte Sasha als Kind immer dazu gebracht, sofort alles zu gestehen, was sie angestellt hatte. »Wer sagt denn, dass du nicht beides haben kannst? Such dir einen stattlichen Kerl oder ein hübsches Mädel und iss Cupcakes mit ihnen.« Sie zwinkerte und fügte hinzu: »Oder macht andere, interessantere Dinge zusammen.«

Sasha musste lachen. »Nein, danke. In dieser Stadt gibt es niemanden, mit dem ich Cupcakes essen möchte, von anderen Dingen ganz zu schweigen.«

Die Glocke über der Tür bimmelte, als Ashley Gaines die Bäckerei betrat.

Sasha trug bei der Arbeit keine Uhr. Sie brauchte auch keine, um zu wissen, dass es drei Uhr war. Ashley kam jeden Tag um Punkt drei im Ein Stück vom Himmel vorbei, entweder weil gerade tote Hose im Blumenladen herrschte oder weil sie, so wie heute, dringend eine Pause benötigte. Man konnte fast schon die Uhr nach ihr stellen und sie kaufte auch immer dasselbe. Ashley war ziemlich vorhersehbar.

»Hallo, Ash«, rief Kimberly, die an einem der kleinen Tische mit ihrem Freund Kaffee trank.

Die anderen Kunden grüßten ebenfalls. Ashley winkte, lächelte warm und blieb hin und wieder stehen, um ein paar Worte mit jemandem zu wechseln.

Auch das war jeden Tag dasselbe. Es erinnerte Sasha an ihre Schulzeit, als Ashley zwei Klassen über ihr und bei allen sehr beliebt gewesen war. Damals war sie Klassensprecherin, Chefcheerleaderin und die Freundin des Quarterbacks gewesen.

Jeder hatte geglaubt, die beiden würden gleich nach der Schule heiraten, aber dazu war es nicht gekommen. Vielleicht war Ashley doch nicht so vorhersehbar.

Sasha sah zu, wie Ashley sich endlich von ihrem Fanclub loseiste und ihren Weg zur Theke fortsetzte. Ihr Gang wirkte wie der einer Tänzerin. In der Schule hatte Sasha sie um ihre anmutigen Bewegungen immer beneidet. Ashley war nie ein schlaksiger, ungelenker Teenager gewesen, während Sasha sich, als Größte in der Klasse, immer so elegant wie ein Holzfäller gefühlt hatte.

Selbst jetzt, mit dreiunddreißig, wirkte Ashley in ihrem figurbetonten, lilafarbenen Pulli und einer Jeans mit einigen grünen Flecken noch immer wie das nette Mädchen von nebenan. Sasha entging nicht, wie gut die Jeans Ashleys kurvige Hüften und ihre langen Beine betonte.

Na ja, vielleicht war es nicht nur Neid gewesen, den sie damals für Ashley empfunden hatte. Möglicherweise waren ihre Teenagerhormone ein wenig auf Ashley abgefahren. Aber jetzt würde sie sich lieber einen Monat lang nur von Tankstellendonuts ernähren, als sich mit Ashley Gaines einzulassen, selbst wenn diese nicht die heterosexuellste Frau in ganz Missouri gewesen wäre. Sasha war ohnehin nicht der Beziehungstyp, aber wenn, dann wollte sie mit einer Person zusammen sein, die witzig und spontan war. Ashley hingegen war viel zu sehr auf ihren guten Ruf bedacht und machte immer das, was andere von ihr erwarteten.

»Hallo, Ashley«, sagte Sasha. »Wie kann ich deinen Gaumen heute beglücken?«

Ashley schenkte ihr dasselbe freundliche Lächeln, mit dem sie alle anderen bedacht hatte. Ihre blendend weißen Zähne leuchteten in ihrem Gesicht, das vom Aushelfen auf der Farm ihres Vaters im Sommer noch immer gebräunt war. »Dasselbe wie immer, bitte.«

»Ach, komm schon. Es ist Valentinstag. Hast du nicht Lust, mal etwas anderes zu probieren?«

Ashley zögerte und musterte das Gebäck auf der anderen Seite der Glasscheibe.

Sasha konnte der Versuchung nicht widerstehen, die superbrave Ashley ein wenig zu necken. »Wie wäre es mit einem süßen Kuss?«

Ashley blinzelte. »Äh …«

»Oder hättest du es lieber etwas schärfer?«

»Wie bitte?«

Sasha bedachte sie mit einem unschuldigen Lächeln und deutete auf die herzförmigen Cupcakes, als hätte sie die ganze Zeit von nichts anderem gesprochen. »Die Sorte, die ich ›süßer Kuss‹ getauft habe, besteht aus einem Schokoladenteig mit einer salzigen Karamell-Creme. Oder wenn dir nicht nach etwas Süßem ist, wie wäre es mit einem herzhaft-scharfen Käsemuffin?«

Ashley schob eine blonde Haarsträhne, die aus ihrem Pferdeschwanz entkommen war, hinter ihr Ohr zurück, aber die Geste konnte nicht verbergen, dass sie rot wurde.

Irgendwie niedlich. Der unwillkommene Gedanke ärgerte Sasha. Zum Teufel mit diesem kindischen Reiz, den Ashley noch immer auf sie ausübte.

»Nein, danke«, sagte Ashley. »Ich bleibe bei meinem Vanillecupcake mit Erdbeerbuttercreme.«

Ja, das war typisch Ashley. Immer schön auf Nummer sicher gehen.

»Und natürlich zwei Espressokekse mit Schokosplittern für Brooke und einen Beagle-Bissen für Casper«, fügte Ashley hinzu.

»Ja, natürlich.« Ashley vergaß niemals, ihrer Angestellten oder ihrem Hund etwas mitzubringen. Sasha nahm eine Schachtel mit dem Logo der Bäckerei und griff mit der Silberzange nach einem Vanillecupcake.

»Weißt du was?«, sagte Ashley.

Sasha sah auf. Würde Ashley sie doch noch überraschen? »Was?«

»Gib mir zwei Vanillecupcakes. Heute brauche ich die Extraportion Zucker.«

Sasha warf ihr einen fragenden Blick zu, aber Ashley erklärte nicht, ob es nur am Valentinstagsstress lag oder mehr dahintersteckte. Nicht, dass Sasha das erwartet hätte. Ashley und sie waren nie so eng befreundet gewesen, dass sie einander ins Vertrauen gezogen hätten. Sie legte einen zweiten Cupcake in die Schachtel und steckte die Kekse und den Beagle-Bissen in zwei getrennte Papiertüten. »Gibt es sonst noch etwas, was ich für dich tun kann?«

Himmel, warum hatte das eben geklungen, als würde sie mit Ashley flirten?

Doch Ashley schien es nicht bemerkt zu haben. »Nein, danke.« Sie legte das passende Geld auf die Theke, ohne erst fragen zu müssen, wie viel sie Sasha schuldete. »Dann bis morgen.«

»Bis morgen.« Sasha griff nach dem Geld, ohne hinzusehen. Ihr Blick folgte Ashley zur Tür.

Auf dem Weg nach draußen prallte Ashley fast mit Leo und Holly zusammen, die gerade die Bäckerei betreten wollten.

»Oh, hallo, Ashley«, sagte Holly. »Wie geht es dir?«

»Äh, gut. Alles prima. Viel zu tun. Du weißt ja, dass im Laden am Valentinstag immer die Hölle los ist.«

»Wäre es okay, wenn wir dir noch ein bisschen mehr Arbeit machen? Könntest du uns zwei Sträuße vorbereiten?«, fragte Holly. »Gerbera für Leos Mutter und Tulpen für meine, wenn’s geht. Wir kommen dann nachher vorbei und holen sie ab.«

»Kein Problem. Ich mache mich gleich an die Arbeit. Dann bis später.« Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte Ashley die Straße hinunter zu ihrem Blumenladen.

Sasha starrte ihr nach. Eigentlich seltsam. Obwohl Ashley sowohl mit Leo als auch mit Holly früher eng befreundet gewesen war, schien sie immer etwas angespannt, wenn sie mit ihnen redete. Fühlte sie sich etwa nicht wohl mit deren sexueller Orientierung?

»Hallo, ihr beiden«, sagte Sasha, als Holly und Leo auf die Theke zugingen. »Habt ihr einen schönen Valentinstag?«

»Den besten, den man sich vorstellen kann«, sagten beide gleichzeitig.

Sasha verdrehte spielerisch die Augen. »Gott, ihr zwei seid so verdammt süß. Ihr klingt schon wie ein altes Ehepaar.«

Holly und Leo tauschten einen langen Blick.

»Äh, jetzt, wo du’s erwähnst …« Holly sah Leo fragend an. »Was meinst du? Sollen wir ihr unsere Neuigkeiten jetzt erzählen oder warten, bis sie nicht mehr so viel um die Ohren hat?«

»Neuigkeiten? Es gibt etwas Neues in dieser Stadt und ich habe noch nichts davon gehört?« Sasha riss theatralisch die Augen auf. »Die Gerüchteküche von Fair Oaks ist auch nicht mehr das, was sie mal war.« Sie schob ein Aprikose-Orange-Teilchen in eine Tüte, ohne nachzufragen, was Holly und Leo haben wollten. Auch die beiden bestellten tagtäglich dasselbe. »Also, was sind das für Neuigkeiten?«

Holly beugte sich vor, als würde sie gleich ein Staatsgeheimnis ausplaudern. Ihr breites Grinsen ließ Sasha vermuten, dass es sich um etwas Erfreuliches handeln musste. »Wir werden heiraten.«

Das zweite süße Teilchen und Sashas Silberzange landeten klirrend auf der Theke, sodass mehrere Kunden zu ihr herübersahen. Sasha scherte sich nicht darum. Sie wischte sich die Hände an ihrer Bäckerschürze ab, eilte um die Theke herum und zog erst Holly, dann Leo in eine herzliche Umarmung. »Das ist großartig. Ich freue mich so für euch!«

Sobald sie die beiden losgelassen hatte, umarmte auch Tante Mae Leo und Holly. »Hat eine von euch der anderen heute einen Antrag gemacht?« Sie sah zwischen Holly und Leo hin und her.

»Das hatte ich vor.« Holly lachte. »Ich hatte alles bis ins letzte Detail geplant. Ein romantischer Spaziergang am Bach entlang, dann ein Abendessen bei Kerzenschein und auf dem Heimweg wollte ich auf der Brücke auf ein Knie sinken und Leo fragen, ob sie mich heiraten will. Aber Leo ist mir gestern Abend zuvorgekommen.« Sie streckte ihre Hand aus und zeigte ihnen den Verlobungsring. Ein einzelner, geschmackvoller Diamant funkelte an ihrem Ringfinger.

»Ich wollte eigentlich auch bis zum Valentinstag warten, aber dann dachte ich mir, das könnte etwas zu schnulzig sein, selbst für eine Frau, die hauptberuflich Liebeslieder schreibt.« Leos Mundwinkel hoben sich zu einem verlegenen Lächeln. An ihrem Finger prangte ein Ring, der beinahe identisch mit Hollys schien. »Außerdem konnte ich einfach nicht länger warten.«

»Wow. Ihr habt beide zeitgleich geplant, der anderen einen Antrag zu machen?« Sasha hatte nie wirklich an all den Happy-End-Kram geglaubt, aber manchmal, wenn sie ihre Freundinnen so offensichtlich glücklich und verliebt sah, kam ihre Überzeugung beinahe ins Wanken. »Wann ist denn der große Tag?«

»Wir dachten uns, wir könnten am ersten Samstag im Mai heiraten«, sagte Holly. »Das ist der Hochzeitstag meiner Eltern. Meine Mutter war gleich Feuer und Flamme, als wir ihr heute Morgen beim Frühstück davon erzählt haben. Außerdem ist es im Mai noch nicht so heiß.«

Sasha nickte zustimmend. Buttercremetorten und Sommerhitze vertrugen sich nicht so gut.

»Wir wollen im ganz kleinen Rahmen heiraten, deshalb wird es auch keine offiziellen Trauzeugen und keine Brautjungfern geben, die alle dieselben Kleider tragen müssen.« Wieder tauschte Holly einen Blick mit Leo, die ihr zunickte. »Aber wir würden dich gern bei unserer Hochzeit dabeihaben.«

Wärme breitete sich in Sashas Innerem aus, so als hätte sie gerade von einer Zimtschnecke abgebissen, die frisch aus dem Ofen kam. »Es wäre mir eine Ehre.«

»Und wir hätten gern, dass du unsere Hochzeitstorte machst«, fügte Leo hinzu.

Sasha nickte sofort, ohne erst ihren Terminkalender zu Rate zu ziehen. »Habt ihr schon eine Vorstellung davon, was für eine Torte ihr möchtet?«

Holly und Leo sahen einander an. »Noch nicht«, sagte Holly. »Aber meine Mutter meint, es wäre gut, wenn die Konditorin und die Floristin eng zusammenarbeiten, damit die Blumen und die Torte farblich und vom Design her zueinanderpassen. Vielleicht können wir uns nächste oder übernächste Woche mal zusammensetzen und die Einzelheiten besprechen.«

»Ja, natürlich. Wer kümmert sich um die Blumen? Blütenzauber?« Sie hatte schon mehrfach mit einem der beliebtesten Blumenläden im nahegelegenen Kansas City zusammengearbeitet.

»Ähm, nein«, sagte Holly. »Wir möchten, dass Ash unsere Sträuße und den Rest der Blumendeko macht. Wir haben sie noch nicht gefragt, hoffen aber, dass sie zusagt.«

Ashley. Es hätte Sasha eigentlich nicht überraschen sollen. Erstens war DasBlumenmädchen der einzige Blumenladen in ihrem kleinen Städtchen und zweitens war Ashley früher mit beiden zukünftigen Bräuten befreundet gewesen. Dennoch war es irgendwie ein beunruhigender Gedanke, mit Ashley zusammenarbeiten zu müssen, ohne dass sie genau wusste, warum eigentlich.

»Das ist doch kein Problem, oder?«, fragte Holly, als Sasha schwieg.

»Natürlich nicht.« Wenn Miss Etepetete gewillt war, mit ihr an einer lesbischen Hochzeit zu arbeiten, hatte Sasha auch kein Problem damit. Im Laufe der Jahre hatte sie schon mit Dutzenden Floristen und anderen Dienstleistern im Hochzeitsgewerbe zusammengearbeitet und es war immer wie am Schnürchen gelaufen. Warum sollte es diesmal anders sein?

»Wenn noch ein Kunde kommt und ein Dutzend rote Rosen möchte, bekomme ich einen Schreikrampf.« Als der gefühlt hundertste rosenkaufende Kunde des heutigen Tages mit seinem Strauß um die Ecke verschwand, ließ sich Ashley gegen die Theke sinken und rieb sich den schmerzenden Rücken.

Ihre Aushilfe Brooke lachte, was den kleinen Ring in ihrer Nase zum Vibrieren brachte. »Ja, ich auch. Man, das ist so was von spießig. Alle sagen immer, dass sie etwas ganz Besonderes für ihre bessere Hälfte zum Valentinstag wollen, und dann kaufen sie den langweiligsten Strauß der Weltgeschichte.«

»Na ja, wenigstens stimmt die Kasse heute.« Ashs kleiner Laden konnte den Umsatz gut gebrauchen, denn der Januar war wie jedes Jahr kein guter Verkaufsmonat gewesen.

»Ist ja klar«, sagte Brooke. »Ist schließlich der Tag der überteuerten Pralinen und der Blumen, die die Kerle nur kaufen, weil sie sonst ein schlechtes Gewissen hätten.«

Ash umrundete die Theke, um die schönsten Gerbera für einen der Sträuße herauszusuchen, die Holly bestellt hatte. »Für eine Neunzehnjährige klingst du aber ganz schön zynisch. Du klingst fast wie …«

»Wie du?«

»Ich?« Ash schüttelte den Kopf. »So etwas würde ich nie sagen. Ich habe nur mal angemerkt, dass es logischer wäre, den Valentinstag im Sommer zu feiern, wenn die Rosen blühen. Aber von solchen praktischen Überlegungen mal abgesehen, bin ich eine echte Romantikerin.«

»Eine Romantikerin, die schon keine Verabredung mehr hatte, seit ich hier arbeite.«

Ash drehte sich weg und tat so, als wäre sie damit beschäftigt, Eukalyptuszweige und ein wenig Bärengras für den Strauß zu holen. Genau aus diesem Grund war der Valentinstag zwar beruflich ein Segen, privat jedoch ein Fluch für sie. Der romantischste Tag des Jahres erinnerte sie immer daran, dass sie allein war und es vermutlich auch bleiben würde. Sie rang sich ein Lächeln ab, als sie sich wieder ihrem Arbeitsplatz und Brooke zuwandte. »Bezahlt dich meine Mutter dafür, dass du das sagst?«

Brooke grinste und strich ihren langen Seitenpony zurück, der ihr ins Auge hing. »Oh! Meinst du, das würde sie tun? Ich brauche alles Geld, das ich kriegen kann, wenn ich aus diesem Kaff abhauen und zur Uni gehen will.«

Bevor Ash antworten konnte, kündigte die Glocke über der Tür einen weiteren Kunden an.

Barry Clemons, der Getreide- und Futtermittelhändler im Ort, betrat den Laden und schüttelte Regen und Graupel von seinem Mantel. »Brr. Hallo, Ashley. Ich kann es gar nicht abwarten, bis es endlich Frühling wird. Ich wette, deinem Vater geht es genauso.«

»Ja, er sagt das auch. Du kennst ihn ja. Jedes Jahr nach der Ernte schwört er, dass er und Mama endlich verreisen werden, aber kaum hat das neue Jahr begonnen, da kann er es gar nicht abwarten, zurück auf die Felder zu kommen.«

Barry lachte, wurde dann aber ernst. »Wie geht es deinen Eltern? Der Februar ist sicher eine schwere Zeit für sie.«

Ash versuchte, den Stich, den seine Worte ihr versetzten, wegzulächeln und sah zu der Kundin, die hinter Barry den Laden betreten hatte. Zum Glück schien sich Mrs. Mitchell ganz auf die Orchideen und die anderen Topfpflanzen zu konzentrieren, ohne der Unterhaltung zwischen Ash und Barry irgendeine Beachtung zu schenken. »Sie kommen schon zurecht. Kleine Reparaturen auf der Farm halten sie auf Trab. Mein Vater hilft mir heute sogar beim Ausliefern der Blumen, weil wir so viele Bestellungen haben, dass mein Fahrer es nicht allein schafft. Und was kann ich für dich tun?«

»Ich dachte, ich kaufe ein paar Blumen«, sagte Barry.

»Ist ja wohl offensichtlich«, murmelte Brooke leise.

Ash stieß sie hinter dem Verkaufstresen an. Der Kunde war König, auch wenn es tatsächlich offensichtlich war, dass er zum Blumenkaufen hier war.

»Hattest du an etwas Bestimmtes gedacht?«, fragte Ash.

Er sah sich im Laden um, der heute nicht so sauber und ordentlich war wie sonst. Der Boden war schmutzig von den vielen Kunden, die seit heute Morgen um sieben hereingekommen waren, als Ash den Laden zwei Stunden früher als sonst geöffnet hatte. Es war keine Zeit zum Fegen oder Aufräumen geblieben, sodass Grünschnitt und Blätter hinter der Theke kleine Haufen bildeten. Einer der knuddeligen Teddybären war im Regal umgefallen, so als wäre er müde geworden, während er darauf wartete, dass jemand ihn mit nach Hause nahm. Ein herzförmiger Ballon hatte sich von einem der Blumenkörbe gelöst und baumelte nun von der Decke.

Barrys Blick glitt vom Ballon zu den Sträußen, die Ash für die Laufkundschaft vorbereitet hatte. Dann sah er zu Brooke und wirkte dabei so, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, obwohl sie bereits seit letztem Sommer für Ash arbeitete. Eine tiefe Falte grub sich zwischen seinen Brauen ein, als er Brookes Nasenring, ihre dick mit Kajal umrandeten Augen und ihren frechen Kurzhaarschnitt studierte.

Brooke hielt seinem Blick stand, so als wäre ihr völlig egal, was er von ihr hielt.

Ash bewunderte sie insgeheim. In Brookes Alter hätte sie alles getan, um bloß nicht aufzufallen und zum Gespött der Leute zu werden. Um ehrlich zu sein, war das selbst als Erwachsene noch ihr Ziel.

Schließlich wandte Barry sich dem Blumenkühlschrank zu, der eine komplette Wand einnahm. Darin waren Schnittblumen in Blecheimern dicht aneinandergereiht. »Ein Dutzend rote Rosen, bitte.«

Brooke verdrehte die Augen, so wie nur ein Teenager das konnte.

Ash stieß sie erneut an. »Wieso gehst du nicht zu Mrs. Mitchell und fragst, ob du ihr helfen kannst?« Als Brooke davontrottete, wandte Ash sich wieder Barry zu. »Rosen sind ein Klassiker. Ich wette, Heather wird sie mögen. Möchtest du sie in einer Vase oder in Seidenpapier eingewickelt?«

»In Papier, bitte.« Barry sah zu, wie Ash eine Rose aus einem der Eimer zog.

Sie formte einen Kreis mit Daumen und Zeigefinger und schob spiralförmig abwechselnd Stiele und Schleierkraut hinein, wobei sie den Strauß fortwährend drehte, um eine kuppelförmige Kontur zu erhalten. Schließlich fügte sie außen herum ein wenig Lederfarn hinzu und hielt Barry den Strauß zur Betrachtung entgegen.

Er nickte. »Sieht gut aus. Danke.«

Ash wickelte Bast um die Stiele und kürzte diese dann auf die gleiche Länge.

»Könntest du mir einen weiteren Strauß machen?«, fragte Barry.

Ach, wie süß. Die Blumen waren sicher für seine Mutter gedacht. »Ja, natürlich. Sollen es auch für diesen Strauß Rosen sein?«

Barry zuckte mit den Schultern. »Völlig egal. Such was aus.« Er kramte durch seinen Geldbeutel, während er wartete, und legte seine Kreditkarte auf den Tresen. Dann zögerte er und fügte einige Geldscheine hinzu. Nach einem verstohlenen Blick in Richtung Brooke und Mrs. Mitchell flüsterte er: »Ähm, die Rosen bezahle ich in bar, wenn das geht.«

Ash erstarrte, eine Hand schon nach den Pfingstrosen ausgestreckt. Es war ziemlich offensichtlich, dass die Rosen weder für seine Frau noch für seine Mutter gedacht waren. Sie bemühte sich um eine neutrale Miene, auch wenn es ihr nicht leichtfiel.

Sie war weiß Gott keine gute Partnerin gewesen. Ihre einzige Beziehung als Erwachsene hatte sie vollkommen ruiniert, aber es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ihre Freundin zu betrügen.

Ash wandte sich von den Pfingstrosen ab und nahm stattdessen gelbe Nelken und pinkfarbene Löwenmäulchen. Vermutlich würde Heather nicht wissen, dass die Blumen in ihrem Strauß Enttäuschung und Betrug symbolisierten, aber so konnte Ash sich wenigstens vorstellen, dass sie Barrys Ehefrau warnte und ihr im wahrsten Sinne des Wortes durch die Blume sagte, was sie nicht auszusprechen wagte.

Einige Minuten später ging Barry mit seinen beiden Sträußen. Er hielt Mrs. Mitchell und ihrer Topfpflanze die Tür auf.

Brooke starrte ihm nach. »Hat er gerade …?«

Ash seufzte. »Ja, ich glaube schon.«

»Was für ein Arsch. Wer ist es wohl? Die Tussi, mit der er was hat, meine ich.«

»Keine Ahnung. Ich will es auch gar nicht wissen.« Ash mochte Fair Oaks und die Menschen, die in der kleinen Stadt lebten, wenigstens die meisten von ihnen. Nur den ständigen Tratsch und Klatsch konnte sie nicht ausstehen.

»Bestimmt ist es Cora. Ich habe ein paarmal gesehen, dass sie in die Getreidehandlung gegangen ist, und sie war bestimmt nicht da, um Saatgut zu bestellen. Immerhin arbeitet sie bei der Post.«

»Die arme Heather«, sagte Ash. »Vermutlich ahnt sie nicht, dass Barry ihr einen Völlig-egal-Strauß schenkt, während er einer anderen rote Rosen kauft.«

»Ach, bestimmt dauert es nicht lang, bis sie es erfährt. Wir leben schließlich in Fair Oaks. Hier bleibt ein Geheimnis nicht lang geheim.«

Ein Schauder lief Ash den Rücken hinunter, so als wäre es im Laden plötzlich noch kühler als sonst geworden. Vor eineinhalb Jahren war ihr eigenes Geheimnis beinahe ans Tageslicht gekommen, als Travis seinen früheren Klassenkameraden erzählt hatte, dass Ashs Auto einmal die ganze Nacht vor Hollys Haus geparkt hatte. Aber ihre Beziehung war schon seit sieben Jahren vorbei und vermutlich hatten alle Travis’ Verdächtigungen als seine schmutzige Fantasie abgetan.

Ihr Geheimnis war sicher, vor allem, da sie beschlossen hatte, dass eine neue Beziehung das Risiko nicht wert war. Sie würde sich von den Frauen in Fair Oaks fernhalten, was nicht weiter schwer war, weil sie alle heterosexuell waren.

Na ja, alle außer den beiden, die jetzt den Blumenladen betraten, um die bestellten Sträuße abzuholen.

Holly kam als Erste herein, während Leo sich ein wenig im Hintergrund hielt. Sie hatte die undurchdringliche Popstar-Miene aufgesetzt, die Ash manchmal im Fernsehen beobachtet hatte. Vorhin in der Bäckerei hatte Leo kein Wort zu ihr gesagt.

War sie immer noch wütend auf Ash? Früher, zu ihrer Schulzeit, hätte Ash ihr sofort am Gesicht ablesen können, was in ihr vorging. Doch jetzt hatten sie kaum miteinander geredet, seit Ash Leo vor eineinhalb Jahren vor einer Beziehung mit Holly gewarnt hatte. Es war eine bescheuerte Aktion gewesen. Sie war eifersüchtig und verletzt gewesen, das konnte sie inzwischen zugeben.

Mittlerweile war sie größtenteils darüber hinweg. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter, als sie zusah, wie die beiden Hand in Hand auf sie zukamen.

Irgendwie war es immer ein wenig merkwürdig, die beiden miteinander zu sehen. Das erste Mädchen, das Ash je geküsst hatte, war nun mit der einzigen Frau zusammen, mit der Ash je in einer Beziehung gewesen war.

Aber sie musste zugeben, dass sie ein schönes Paar abgaben und glücklich miteinander zu sein schienen.

Brooke sah ihnen grinsend entgegen. »Lassen Sie mich raten. Sie möchten ein Dutzend rote Rosen?«

Ash warf ihr einen warnenden Blick zu. Sie musste wirklich dringend ein ernstes Wörtchen mit Brooke reden. Wenn Brooke weiterhin für sie arbeiten wollte, musste sie lernen, Kunden gegenüber ihre Zunge im Zaum zu halten.

»Äh, nein.« Mit ihrer freien Hand deutete Holly auf den Strauß, an dem Ash gerade arbeitete. »Der hier ist, glaube ich, einer von unseren Sträußen.«

Ein Ring an Hollys Ringfinger glitzerte im Licht über dem Arbeitsbereich.

Ash fiel der Bast aus der Hand, den sie gerade um die Gerberastiele hatte binden wollen. Sie schnappte nach Luft und starrte auf Hollys Finger. Als Krankenschwester hatte Holly nie Schmuck getragen, insbesondere nicht einen teuer wirkenden Diamantring. Ashs Blick huschte zu Leos Hand, die von einem ähnlichen Ring geziert wurde. »Oh mein Gott! Heißt das …? Seid ihr …?«

Holly schloss die Finger um den Ring, als müsste sie ihn beschützen. Ihre Wangen waren freudig gerötet. »Ich weiß, dass heute für dich ein ziemlich stressiger Tag ist, deshalb wollte ich nichts sagen. Aber wenn Brooke hier kurz die Stellung halten kann, könnten wir vielleicht kurz hinten reden.«

»Okay«, war alles, was Ash herausbringen konnte.

Leo hatte noch immer kein Wort gesagt, als Ash sie um den Tresen herum ins Hinterzimmer führte.

Ashs Golden-Retriever-Rüde Casper sprang aus seinem Hundekorb auf und rannte auf die beiden Neuankömmlinge zu, um sie zu begrüßen.

Ash war froh um die Ablenkung, die ihr die Zeit verschaffte, sich zusammenzureißen. Das leise Summen des Kühlerkompressors dröhnte in ihren Ohren. Oder vielleicht brummte ihr der Kopf von all den chaotischen Gedanken, die ihr gerade in den Sinn kamen.

Brooke starrte ihnen nach, tat dann aber schnell, als wäre sie völlig darauf konzentriert, die Grußkarten neben dem Tresen zu ordnen.

Ash nahm ihr den gelangweilten Teenagerblick nicht ab. Sie zog den Vorhang zu, der das Hinterzimmer vom Verkaufsraum trennte, was sie sonst eigentlich nie tat. Zum ersten Mal wünschte sie sich, der Raum würde über eine richtige Tür verfügen.

Mit zitternden Händen räumte sie den kleinen, runden Tisch in der Ecke frei und warf die Schleifen, die Düngerstäbchen und die Holzspieße mit den pinkfarbenen Herzen auf ein Regal. Dann schob sie zwei Stühle und einen Hocker an den Tisch. »Bitte, setzt euch doch.« Sie sank auf den Hocker, als hätten ihr die Knie plötzlich den Dienst versagt.

Casper ließ sich zu ihren Füßen nieder, so als wollte er ihr moralische Unterstützung leisten.

Leo und Holly setzten sich ihr gegenüber, ohne die Hand der anderen loszulassen.

Wieder wurde Ashs Aufmerksamkeit auf die Ringe gelenkt. »Ihr … ihr habt vor zu heiraten?«

Ein freudiges Lächeln glitt über Hollys Gesicht. »Ja.«

»Wow. Das ist, ähm, …« Endlich erinnerte sich Ash wieder an ihre guten Manieren und sie sagte automatisch: »Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich sehr für euch.« Das war nicht gelogen. Doch zugleich prasselten so viele widersprüchliche Gedanken und Gefühle auf sie herab, dass sie sich fühlte, als wäre sie in einen Hagelschauer gekommen.

»Danke.« Holly strahlte und selbst Leos reservierte Miene wich einem warmen Lächeln.

Sie strahlten so viel Freude aus, dass Ash den Blick abwenden musste. Wie konnten die beiden nur so glücklich mit ihrer sexuellen Orientierung sein, während Ash noch immer mit ihrer eigenen rang? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je an einen Punkt kommen würde, an dem sie ihre Liebe zu einer anderen Frau mit einem großen Fest feiern wollte, zu dem sicher die halbe Stadt eingeladen wäre.

»Wir würden uns sehr freuen, wenn du zu unserer Hochzeit kommen und unsere Blumen übernehmen würdest«, sagte Holly.

Ash schielte unter halb gesenkten Lidern zu ihnen auf. »Seid ihr euch sicher, dass ihr das wollt?«

»Wenn du lieber nicht an einer Hochzeit zwischen zwei Frauen beteiligt sein willst, weil du Angst davor hast, was die Leute oder deine Eltern davon halten könnten …«, sagte Leo.

Der Gedanke war Ash tatsächlich durch den Kopf gegangen. Ihre Eltern und einige ihrer eher konservativen Kunden würden es sicher nicht gern sehen, wenn sie an einer solchen Hochzeit mitarbeiten würde, aber das war nicht der Grund, warum sie zögerte. »Nein, das ist es nicht.« Sie senkte den Blick. »Ich meine, nach allem, was ich über Holly gesagt habe, würde ich es verstehen, wenn ihr lieber eine Floristin aus Kansas City nehmen würdet.«

Einige Sekunden lang herrschte Stille.

Casper winselte leise, als würde er die plötzliche Anspannung spüren.

Ash sah auf. Oh Scheiße. Im Gegensatz zu Ash war Holly nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verbergen. Jetzt stand ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie nichts von Ashs unbedachten Worten gewusst hatte.

Leo und Ash öffneten gleichzeitig den Mund, doch bevor eine von beiden etwas sagen konnte, hob Holly die Hand. »Ich will es gar nicht wissen. Es spielt keine Rolle.«

»Natürlich spielt es eine Rolle«, sagte Leo hitzig.

»Leo, es ist so viel passiert in den letzten zwei Jahren. Dein Vater ist gestorben, du hast deinen Manager entlassen und ich habe endlich verstanden, dass ich eine glückliche Beziehung führen kann, obwohl ich asexuell bin. Ich dachte, nach all dem hätten wir beschlossen, die Vergangenheit und all die bitteren Gefühle hinter uns zu lassen. Das ist einer der Gründe, warum wir heiraten wollen, oder nicht? Wir wollen einen Neuanfang und das schließt einen Neuanfang zwischen dir und Ash mit ein.«

Tränen brannten in Ashs Augen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ausgerechnet Holly sie verteidigen würde. Jetzt fühlte sie sich noch schuldiger wegen der Worte, die sie im Zorn über Holly gesagt hatte. »Ich weiß, dass ich mich bei euch entschuldigen muss. Bei euch beiden.« Sie sah von Leo zu Holly und wieder zurück. »Ich war verletzt und verbittert und habe anderen die Schuld dafür gegeben, dass mein Leben nicht so läuft, wie ich es wollte. Aber ich habe meinen Frieden damit gefunden und ich würde mich gern mit euch versöhnen.«

»Das würde ich auch gern«, sagte Holly leise. »Ich habe es immer bedauert, dass wir unsere Freundschaft verloren haben, und würde gern daran arbeiten, sie zurückzubekommen.«

Ash war sprachlos. Sie hatte nicht erwartet, dass Holly sie so bereitwillig zurück in ihr Leben lassen würde. Eigentlich hätte sie es besser wissen müssen. Holly war schon immer die großzügigste Person gewesen, die sie kannte.

Holly drückte Leos Hand. »Was meinst du dazu, Schatz?«

Leo sah auf ihre miteinander verflochtenen Finger hinab. Als sie wieder aufblickte, waren ihre zuvor angespannten Gesichtszüge weicher. »Ich glaube, du hast recht.« Sie atmete aus und sah Ash in die Augen. »Du warst früher eine wichtige Person in meinem Leben und ich weiß, das gilt auch für Holly. Ich will es nicht beschönigen. Es wird eine Weile dauern und einiges an Mühe kosten, unsere Freundschaft zurückzubekommen. Aber irgendwo müssen wir ja anfangen. Möchtest du also zu unserer Hochzeit kommen und unseren Blumenschmuck übernehmen?«

Kurz dachte Ash daran, was ihre Eltern und die konservativen Einwohner von Fair Oaks wohl dazu sagen würden. Doch dann schüttelte sie diese Gedanken ab. Wenn sie sich Hollys und Leos Freundschaft zurückverdienen wollte, musste sie etwas unternehmen. »Es wäre mir eine Ehre.«

KAPITEL 2

Als Ash endlich einen Blick auf die Bestellungen für den morgigen Tag geworfen, den Laden gefegt und die übrig gebliebenen Rosen zu Sträußen für das Altersheim verarbeitet hatte, war es draußen längst dunkel geworden. Ihre Hände und ihr Rücken schmerzten und ihre Finger waren von Kratzern und kleinen Schnitten übersät. Bis auf die beiden Cupcakes hatte sie den ganzen Tag nichts gegessen. Alles, was sie wollte, waren eine Pizza mit Extrakäse von Casey’s und ein Abend auf der Couch.

Doch bevor sie zulassen konnte, dass die Valentinstagserschöpfung sie übermannte, musste sie erst mit Casper eine Runde drehen. Der Ärmste hatte noch nicht einmal seinen üblichen Spaziergang in der Mittagspause bekommen. Ashs Vater war nur zweimal kurz mit ihm nach draußen gegangen, während Ash die nächste Auslieferung vorbereitet hatte.

Wenigstens hatte der Graupel aufgehört, sodass sie das eingenommene Geld auf dem Weg zum Park beim Nachttresor der Bank vorbeibringen konnte, ohne dabei nass zu werden.

Fair Oaks lag in Schweigen gehüllt, als sie durch das Städtchen ging. Das leise Klirren von Caspers Hundemarke war das einzige Geräusch weit und breit. Alle Geschäfte hatten schon vor Stunden geschlossen. Die Straßenlaternen warfen gelbliche Lichtkegel auf die Schlaglöcher entlang der Hauptstraße und den von Rissen übersäten Gehweg. Ashs Atem kondensierte vor ihrem Gesicht, was das Gefühl verstärkte, in ihrer eigenen kleinen Welt zu sein.

Es hatte immer etwas Magisches, zu dieser Uhrzeit unterwegs zu sein. Als sie sich der Bank näherte, konnte sie förmlich spüren, wie ihr Stresspegel nachließ – und dann schlagartig wieder zunahm.

Vor dem Nachttresor tummelte sich eine hochgewachsene Gestalt. Ein dicker Mantel und eine Wollmütze machten es unmöglich, das Geschlecht der Person zu erraten, doch die einschüchternde Figur ließ Ashs Herz schneller schlagen.

Sie umklammerte den Riemen ihrer Handtasche, in der die heutigen Einnahmen steckten, während sie mit der anderen Hand Caspers Leine fester umfasste. Himmel, jetzt war sie froh, dass sie den Hund dabeihatte. Sicher würde er sie im Notfall beschützen.

Aber Casper knurrte nicht. Mit einem freudigen Bellen lief er auf den Fremden zu – oder vielmehr auf den winzigen Hund zu dessen Füßen.

Die Person drehte sich um. Im Licht der Straßenlaterne neben der Bank erkannte Ash Sasha Petersons ausdrucksstarke Gesichtszüge. Ihre braunen Haare hingen zu einem dicken Zopf geflochten unter ihrer Wollmütze hervor. Die Spitze des Zopfs, der über einer breiten Schulter baumelte, war weiß, so als hätte sie ihre Haare versehentlich in Mehl getaucht. Scheinbar war auch Sasha auf dem Nachhauseweg.

Während die Hunde sich gegenseitig beschnüffelten, starrten Ash und Sasha einander an.

»Himmel«, sagte Sasha. »Ich habe dich nicht kommen hören. Du hast mich zu Tode erschreckt.«

»Ich habe dich erschreckt?« Ash beäugte Sashas muskulöse eins fünfundachtzig. Sie sah nicht aus, als hätte sie irgendetwas zu befürchten.

Sasha zuckte die Schultern. »Ich verdiene mein Geld mit Cupcakes und Torten, nicht mit Kung Fu.« Sie bückte sich und streichelte Casper, der an ihrer Hand schnüffelte und dann versuchte, sie abzulecken.

»Casper, nein.« Ash zog ihn zurück.

»Bist du ebenfalls hier, um die Einnahmen von heute einzuwerfen?«, fragte Sasha.

Als Ash nickte, zog Sasha für sie an dem Hebel, sodass Ash die Tageseinnahmen einwerfen konnte.

»Danke.« Nun, da das Geld sicher auf der Bank war, ging Ash in Richtung Park.

Sasha folgte ihr.

Ash blickte hinab auf die hellbraune französische Bulldogge, die auf ihren kurzen Beinen hinter Casper hertrippelte. »Ich wusste gar nicht, dass du einen Hund hast. Hast du ihn erst vor Kurzem angeschafft?«

»Ja, Snickerdoodle ist das neueste Familienmitglied. Aber sie gehört meiner Tante.«

»Snickerdoodle?« Ash lachte. »Nach dem Keks?«

Der tiefe, vergnügte Klang von Sashas Lachen drang durch die Dunkelheit. »Meine Tante wollte den Hund eigentlich Schnecke taufen, weil sie es am ersten Tag irgendwie geschafft hat, eine Schneckennudel zu stibitzen, aber ich habe es geschafft, ihr das auszureden.«

Ash kicherte. »So gesehen ist Snickerdoodle vielleicht doch kein so schlechter Name. Nur ein wenig lang für das bisschen Hund.« Sie beobachtete die beiden aus dem Augenwinkel heraus. Der Anblick der großen, stämmigen Frau und der winzigen französischen Bulldogge in dem rosafarbenen Hundepulli brachte Ash zum Grinsen.

»Was ist?« Sasha fuhr mit den Händen suchend über ihren Mantel, als befürchtete sie, dass dort Teigklumpen festklebten.

Ash zügelte ihr Grinsen. »Ach, nichts.«

Schweigen machte sich breit, als sie gemeinsam am Bach entlanggingen. Da der Bach gefroren war, unterbrach nicht einmal ein sanftes Plätschern die Stille.

Zwar hatten die beiden gemeinsame Freunde, aber Ash hatte sich noch nie länger mit Sasha über irgendetwas Wichtiges unterhalten, deshalb wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte das Gefühl, dass man mit Sasha gut reden konnte, aber Ash ging ihr seit Jahren aus dem Weg.

Außer Holly und Leo war Sasha vermutlich die Einzige, die wusste, dass Ash lesbisch war, oder vielmehr die Einzige, die es nicht nur vermutete. Sie und Holly hatten nie darüber gesprochen, aber Ash war sich ziemlich sicher, dass Holly ihrer engsten Freundin von ihnen erzählt hatte.

Noch schlimmer war, dass Sasha vermutlich all die schmutzigen Details ihrer Trennung kannte.

Ash war nicht stolz darauf, wie sie damals mit ihren Beziehungsproblemen umgegangen war, und sie hasste den Umstand, dass eine dritte Person davon wusste. Es gab ihr das Gefühl, Sasha hilflos ausgeliefert zu sein.

Sie fröstelte und vergrub die Hände in den Manteltaschen. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie Sasha sagen sollte, sie brauche einen Moment für sich und würde lieber alleine mit ihrem Hund gehen, aber das wäre unhöflich gewesen und so ging sie weiter, ohne etwas zu sagen.

Zum Glück schien Sasha auch nicht so recht zu wissen, was sie mit ihr reden sollte, oder aber sie hatte nicht das Bedürfnis, das Schweigen zu brechen.

Als sie sich der Brücke näherten, die zu dem Stadtteil führte, in dem Ash lebte, räusperte sich Sasha. »War es ein erfolgreicher Tag für dich?«

Ash nickte. »Ja, aber vor allem ein langer.«

»Das kannst du laut sagen. Ich stand seit drei Uhr früh in der Backstube. Ich glaube, ich brauche ein paar Tage, bis ich wieder genug Energie habe, um mich mit dir zu treffen.«

Wie bitte? Ash rutschte auf einem halb gefrorenen Grasbüschel aus.

»Hoppla!« Sasha hielt sie am Arm fest, bevor sie hinfallen konnte. »Vorsicht.«

Sie roch nach Zimt und etwas anderem, das Ash nicht identifizieren konnte. Ash war sich der starken Finger viel zu bewusst, die sie am Ellbogen festhielten. Es ärgerte sie, dass sie Sashas Duft und das Gefühl ihrer Hand auf ihrem Arm überhaupt registrierte. Rasch zog sie ihren Arm weg. »Was meinst du damit?«

»Na ja, es ist dunkel und das Gras ist nass, deshalb solltest du lieber auf dem Weg bleiben, bevor du noch hinfällst.«

Ash winkte ab. »Das meine ich nicht.« Dann begann sie zu ahnen, was Sasha gemeint haben könnte, und spürte, wie sie rot wurde. »Oh. Du redest davon, dass wir uns am Samstag wie immer mit dem Rest der Clique in der Bar treffen, oder?« Mensch, was hast du denn gedacht, wovon sie redet? Einem Date?

Das konnte nicht sein. Soviel sie wusste, war Sasha heterosexuell. Aber selbst wenn sie an Frauen interessiert gewesen wäre, würde Sasha nach allem, was Holly ihr vermutlich über Ash erzählt hatte, sicherlich lieber das Gras auf dem Footballfeld der Schulmannschaft mit einer Nagelschere schneiden, als mit ihr auszugehen.

»Nein, das meine ich nicht«, sagte Sasha. »Klar komme ich am Samstag ins Johnny’s, aber ich meinte eigentlich nur uns beide.«

»Nur uns beide?« Ashs Gehirn kam irgendwie nicht mit. Einen Moment lang glaubte sie fast, sie wäre nach der Arbeit auf der Couch eingeschlafen und hätte einen dieser verrückten Träume, in denen sie öffentlich verkündete, dass sie lesbisch war, und die ganze Stadt sich von ihr abwandte.

»Na ja, oder vielmehr wir beide und das glückliche Paar.« Sasha lachte. »Oder meinst du, dass Travis, Jenny und der Rest der Bande irgendwelche wichtigen Beiträge zum Thema Blumen und Torte leisten könnten?«

Ash blieb vor der Brücke stehen. »Blumen und Torte?« Forschend sah sie in Sashas braune Augen, die im Licht des Vollmonds beinahe schwarz wirkten. »Wovon sprichst du?«

Eine kleine Falte entstand zwischen Sashas Augenbrauen. »Ich Torte, du Blumen? Ich dachte, Holly und Leo hätten mit dir gesprochen.«

»Über die Hochzeit? Ja, haben sie. Aber was hat das mit …?« Dann begriff sie endlich. »Oh. Die beiden möchten, dass du die Hochzeitstorte backst.« Eigentlich nicht weiter erstaunlich, schließlich war Sasha eine von Hollys engsten Freundinnen.

»Ja. Und sie möchten, dass wir zusammenarbeiten, um die Farben und das Design abzusprechen. Sie haben vorgeschlagen, dass wir uns nächste oder übernächste Woche treffen, um über alles zu reden.«

»Oh.«

»Haben sie dir nichts davon gesagt?«, fragte Sasha.

Ash kratzte sich am Kopf. Nach dem heutigen Tag wusste sie kaum noch, wo ihr der Kopf stand. Zu erfahren, dass ihre Ex-Freundin die erste Frau heiraten würde, die Ash je geküsst hatte, war ein ziemlicher Schock gewesen. Trotzdem hätte sie sich vermutlich daran erinnert, wenn eine von beiden das erwähnt hätte. »Äh, nein, ich glaube nicht.«

Sasha neigte den Kopf und musterte sie. »Ist das ein Problem für dich?«

»Nein«, sagte Ash schnell. Vielleicht ein wenig zu schnell. »Es ist überhaupt kein Problem. Warum sollte es ein Problem sein?«

Sasha betrachtete sie noch immer. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Weiß ich nicht. Sag du’s mir.«

»Es gibt kein Problem«, sagte Ash so laut, dass Snickerdoodles Fledermausohren sich in ihre Richtung drehten.

»Gut.« Es klang nicht versöhnlich, sondern eher wie eine Herausforderung.

»Ja. Gut«, wiederholte Ash.

Sie standen vor der Brücke und offenbar wollte keine zuerst den Blick abwenden. Schließlich begann Snickerdoodle zu winseln.

Sasha bückte sich, nahm die Bulldogge auf den Arm und drückte sie gegen ihre Brust. »Ich bringe sie besser nach Hause. Bullys sind ziemlich kälteempfindlich. Wir sehen uns dann morgen, wenn du dir deine Cupcakes holst.«

Ash nickte nur. Casper lehnte sich gegen ihr Bein, als sie zusah, wie Sashas hochgewachsene Gestalt in der Dunkelheit verschwand.

Sasha und sie würden also zusammenarbeiten, um dafür zu sorgen, dass Holly und Leo eine Traumhochzeit bekamen. Da war eigentlich nichts dabei, oder? Es hatte sie nur einen Moment lang überrascht.

Sie würden sich ein paarmal treffen, damit Sasha die Glasur der Hochzeitstorte auf die Farben von Ashs Tischgestecken abstimmen konnte. Als Sashas Tante die Bäckerei geleitet hatte, war das mehr als einmal vorgekommen. Alles würde seinen gewohnten Gang gehen. Wenn sie sich mit Sasha traf, um die Einzelheiten zu besprechen, würde sie vollkommen gefasst und professionell sein.

Ash nickte entschlossen, wandte den Blick von der Stelle ab, wo Sasha verschwunden war, und überquerte die Brücke, um endlich nach Hause zu gehen.

Am Freitagabend der nächsten Woche klemmte sich Sasha ihre Mappe unter den Arm, nahm das Tablett mit den Tortenpröbchen vom Beifahrersitz und schloss die Tür ihres Geländewagens mit einem gekonnten Hüftschwung.

Als sie mit dem Tablett auf das Haus zuging, standen nur Hollys Jeep und Leos BMW in der Auffahrt. Von Ashleys zehn Jahre altem, silberfarbenem Geländewagen gab es weit und breit keine Spur.

Sie war letzten Samstag auch nicht in der Bar aufgetaucht und Sasha war diese Woche fast ausschließlich in der Backstube gewesen, während Tante Mae und ihre Angestellte den Verkauf übernommen hatten, deshalb hatte sie Ashley seit der seltsamen Unterhaltung am Valentinstag nicht mehr gesehen.

Sasha war noch immer nicht klar, warum Ashley ein Problem damit hatte, mit ihr zusammenzuarbeiten. Ganz offenbar hatte sie eines, egal, was sie behauptete.

Auch wenn Sasha nicht wie Ashley das allseits beliebte Mädchen von nebenan war, so kam sie doch mit den meisten ihrer Mitmenschen gut zurecht und ihre Freunde sagten ihr ständig, wie viel Spaß es machte, Zeit mit ihr zu verbringen. Warum stellte Ashley sich also an, als wäre es eine Unannehmlichkeit, mit ihr arbeiten zu müssen?

Sasha zerbrach sich den Kopf darüber, konnte aber keinen Grund finden.

Es sei denn … Sie blieb auf der Veranda stehen. Hatte Ashley irgendwie davon erfahren, dass Sasha als Jugendliche für sie geschwärmt hatte? Benahm sie sich deswegen so, als wäre ihr jeder Kontakt mit Sasha unangenehm?

Ach was. Daran konnte es nicht liegen. Das war fünfzehn Jahre her. Sie war längst nicht mehr die verschossene Sechzehnjährige, die Ashley aus der Ferne angehimmelt hatte. Vermutlich ahnte Ashley nichts davon. Sie war damals nur mit Leo und den beliebten Leuten befreundet gewesen und hatte Sasha keinerlei Beachtung geschenkt.

Aber wenn es nicht daran lag, was machte Ashley dann so nervös in ihrer Gegenwart?

Noch bevor Sasha eine Antwort auf ihre Frage finden oder klingeln konnte, schwang die Haustür auf.

Holly stand mit einem amüsierten Grinsen vor ihr. »Halten wir unser Testessen auf der Veranda ab?«

»Haha.« Sasha umarmte sie mit einem Arm und trug dann das Tablett an ihr vorbei ins Haus.

Seit Holly und Leo eingezogen waren, war Sasha oft zu Besuch gewesen, aber das Haus verschlug ihr jedes Mal die Sprache, sobald sie es betrat. Sie mochte vor allem das Wohnzimmer, in das Holly sie nun führte. Durch die hohe Decke und den Kamin wirkte es weitläufig und gemütlich zugleich. Zwei Sessel und die cremefarbene Couch luden zum Entspannen ein und genau das tat Chance gerade. Der rote Kater, der das Haus regierte, hob kaum den Kopf, als Sasha eintrat.

»Wo ist deine Zukünftige?«, fragte Sasha, als sie das mit Alufolie bedeckte Tablett auf dem Couchtisch abstellte.

Ein liebevolles Lächeln umspielte Hollys Mundwinkel. Sie zeigte auf die Glasschiebetür, die hinaus auf die Terrasse und zum großen, von Bäumen gesäumten Garten führte.

Ein Bewegungsmelder ließ das Licht auf der Terrasse angehen, als Leo aus dem früheren Gästehaus trat, das sie zu einem Musikstudio umgebaut hatten. Sie durchquerte den Garten, schob die Glastür auf und schlang sofort einen Arm um Holly, als hätte sie diese wochenlang nicht gesehen. »Hallo, Sasha. Tut mir leid, ich verliere manchmal die Zeit aus dem Auge, wenn ich komponiere. Bin ich zu spät dran?«

»Nur ein paar Minuten«, sagte Sasha. »Genau wie Ashley. Oder kommt sie doch nicht?«

Ein Klingeln an der Tür unterbrach sie, bevor jemand antworten konnte.

»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Leo.

Holly gab ihr einen Stups mit dem Ellbogen und flüsterte ihr etwas zu, das klang wie »Neuanfang, schon vergessen?«, bevor sie die Tür öffnen ging.

Kurz darauf stürmte Ashley ins Wohnzimmer. Sie hielt eine Mappe in die Höhe, als wäre es eine Opfergabe, die ihr Vergebung einbringen sollte. »Es tut mir so leid. Ich schwöre, ich bin rechtzeitig von zu Hause weg, aber mein Auto wollte nicht anspringen und ich musste den ganzen Weg laufen.«

Sie sah eher aus, als wäre sie den ganzen Weg gerannt. Ihre Wangen waren gerötet. Sie hatte ihre Haarspange entweder vergessen oder verloren, sodass ihr blondes, fast hüftlanges Haar ihr offen auf den Rücken fiel.

Verdammt. Es ließ sie noch attraktiver wirken. Sasha verfluchte ihre Libido.

»Mach dir nichts draus.« Holly tätschelte Ashleys Arm. »Wir haben noch nicht angefangen. Sasha ist auch eben erst gekommen. Setzt euch.«

Leo und Holly nahmen nebeneinander in den beiden Sesseln Platz, sodass für Sasha und Ashley nur die Couch übrig blieb.

Sasha quetschte sich zwischen Ashley und die Katze. Da Chance es irgendwie schaffte, die halbe Couch in Anspruch zu nehmen, waren sie gezwungen, dicht beieinander zu sitzen. Sasha konnte Ashleys Wärme an ihrem Oberschenkel und an ihrer Schulter spüren.

Unter dem Vorwand, ihre Mappe auf dem Couchtisch abzulegen, rutschte Ashley ein Stück zur Seite und saß dann stocksteif da.

Himmel. Glaubt sie, ich habe Ebola oder dass meine sexuelle Orientierung ansteckend ist?

Falls Ashley überhaupt wusste, dass Sasha nicht heterosexuell war. Zwar war Sashas sexuelle Orientierung kein Geheimnis, aber da sie seit Jahren in keiner Beziehung gewesen war, wusste nicht jeder im Ort davon. Doch als Besitzerin des einzigen Blumenladens in Fair Oaks bekam Ashley sicher eine Menge Klatsch und Tratsch mit. Vielleicht hatte jemand ihr erzählt, dass Sasha eine gut aussehende Frau genauso wie einen attraktiven Mann zu schätzen wusste. Das mochte der Grund sein, warum sie sich in ihrer Anwesenheit nicht so recht wohlzufühlen schien.

Sasha beschloss, sie zu ignorieren und sich stattdessen auf die zukünftigen Bräute zu konzentrieren. »Wisst ihr schon, wo die Trauung und die Feier stattfinden werden?«

»Was werdet ihr tragen?«, fragte Ashley gleichzeitig.

Sie sahen einander an und blickten dann beiseite.

»Auf keinen Fall werde ich ein Kleid tragen«, verkündete Leo. »Mein Manager hat mich in so viele sexy Kleider und unbequeme Schuhe gesteckt, dass mir das bis zum Ende meiner Tage reicht. Es ist eine lesbische Hochzeit und das werde ich voll ausnutzen, indem ich etwas Bequemes anziehe.«

Sasha grinste. »Puh. Heißt das, ich muss auch kein hässliches Kleid in rosafarbener Seide tragen?«

»Na ja«, sagte Leo, »das kommt ganz darauf an, wie nett du zu uns bist.«

»Ich bin äußerst nett. Ich mache euch sogar die schönste Hochzeitstorte, die ihr je gesehen habt. Habt ihr schon irgendeine Vorstellung davon, was ihr haben wollt?« Sie schob ihre Mappe mit den Fotos von früheren Hochzeiten über den Couchtisch. »Drei Schichten oder vier? Oder wollt ihr etwas ganz anderes? Viele Paare möchten im Moment lieber Cupcakes statt einer traditionellen Hochzeitstorte haben.«

Holly betrachtete ein Foto, das eine dreistöckige Hochzeitstorte zeigte. »Nein, ich hätte lieber eine Torte.« Sie blickte zu Leo, die sofort nickte. »Sie soll eher traditionell sein, zugleich aber auch zu uns passen.«

Sasha kam die zündende Idee. »Wie wäre es mit drei Schichten Vanillebiskuit, einer Aprikosen-Orangen-Füllung und entweder Vanillebuttercreme oder weißes Fondant zur Verzierung? Das wäre dann praktisch die Hochzeitstortenversion von eurem Lieblingsgebäck.«

»Klingt perfekt«, sagten Leo und Holly gleichzeitig.

»Das ging aber schnell. Sieht so aus, als bräuchten wir das Testessen gar nicht. Dann nehme ich meine Probiertörtchen eben wieder mit.« Sasha tat, als nähme sie das Tablett wieder an sich.

Knurrend riss Leo es ihr aus der Hand und drückte es beschützend an ihre Brust. »Wage es bloß nicht.«

Sasha lachte und selbst Ashley musste grinsen.

»Ich hole uns Teller, dann könnt ihr solange schon mal Ashleys Blumenauswahl ansehen.« Sasha schob sich an Ashley vorbei und ging in die Küche, die nur durch einen hufeisenförmigen Tresen vom Wohnzimmer getrennt war. Sie wusste, wo sich die Teller befanden, musste aber einen Moment lang nach den Kuchengabeln suchen, was ihr Gelegenheit gab, ihre Freundinnen und Ashley zu beobachten.

»Wo findet die Feier denn statt?«, fragte Ashley, während Leo und Holly durch ihre Mappe blätterten.

»Wir haben den Ballsaal des Country Clubs gemietet«, sagte Holly. »Unsere Mütter stecken schon bis zum Hals in Vorbereitungen und schauen sich mit Begeisterung Hochzeitszeitschriften an. Vermutlich können wir euch in Kürze mehr über das Dekor verraten.«

»Und die Trauung?«, fragte Ashley. »Brauchen wir Bankschmuck und Altargestecke für die Kirche?«

»Nein«, antwortete Leo. »Selbst wenn der Pastor bereit wäre, uns zu trauen, wir sind beide nicht religiös. Vielleicht gehen wir einfach nur zum Standesamt.«

»Du weißt aber schon, dass dann die Gerüchteküche brodeln wird«, sagte Ashley leise.

Leo grinste. »Was sollen sie denn sagen? Dass eine von uns beiden vermutlich schwanger ist und wir deshalb so schnell und heimlich heiraten?«

»Nein, aber jemand könnte sagen, dass …«

»Wieso interessiert es dich, was die Leute womöglich sagen?« Sasha stellte die Teller und Gabeln auf den Tisch und ließ sich auf die Couch fallen.

Da sie mehr wog, katapultierte ihr Schwung Ashley nach oben, sodass sie auf der Couch auf und ab hüpfte.

Sasha verkniff sich ein Grinsen. Vielleicht würde das Ashley aus ihrem ständigen Grübeln darüber reißen, was die Leute wohl denken könnten. »Es ist Leos und Hollys Hochzeit. Da ist es doch egal, was die anderen denken.«

Ashley betrachtete ihre Hände, die sie auf dem Schoß gefaltet hatte.

»Wisst ihr, wo ich wirklich gern getraut werden würde?«, fragte Holly, als die Stille unangenehm wurde.

Leo lächelte ihr liebevoll zu. »Ich glaube nicht, dass wir die Trauung auf dem Dach meines Elternhauses abhalten können, Schatz.«

Die beiden lachten.

»Nein, das meinte ich auch nicht. Ich habe eher an unseren Lieblingsplatz am Bach gedacht.« Holly sah zu Sasha und Ashley herüber. »An der Stelle, an der Leo mich zum ersten Mal gefragt hat, ob ich mit ihr ausgehe, wo ich ihr dann gesagt habe, dass ich asexuell bin, und wo wir unsere erste Verabredung hatten.«

»Und unseren ersten Streit als Paar«, fügte Leo hinzu, aber sie lächelte und nahm Hollys Hand. »Der Bach wäre der perfekte Ort für die Trauung.«

»Ich könnte das Brückengeländer mit Blumen eurer Wahl schmücken. Der Klassiker wären natürlich weiße Rosen, aber wenn ihr es moderner haben wollt, gingen auch Callalilien oder …« Ashley zählte weitere Optionen auf.

Sasha hörte nicht weiter zu, denn Blumen waren nicht so ihr Ding. Sie nahm die Alufolie vom Tablett und verteilte Minitörtchen auf die Teller.

Als sie Ashley ihren Teller gab, streiften sich ihre Finger.

Es überraschte sie, wie rau Ashleys Finger waren. Noch mehr aber wurde sie von dem Kribbeln überrumpelt, das die Berührung auslöste. Vermutlich lag es nur daran, dass Ashleys Hände durch die Arbeit mit dornigen Blumenstielen rau waren und ihre Fingerkuppen sie deshalb gekitzelt hatten, sagte sich Sasha. Oder vielleicht brachte all das Hochzeitsgerede ihre Hormone in Wallung. Vermutlich hätte sie auf jede halbwegs gut aussehende Person so reagiert und Ashley war zugegebenermaßen ziemlich hübsch, auch wenn sie einen Stock im Arsch hatte.

Sasha zog ihre Hand zurück und konzentrierte sich auf ihren eigenen Teller.

Ashley stach mit der Kuchengabel in den ersten Minicupcake und nahm einen Bissen. Ihre Augen fielen zu und ihr Gesichtsausdruck wirkte so ekstatisch, dass Sasha sich fragte, ob sie so auch aussah, wenn sie ganz andere sinnliche Freuden genoss.

Sie verdrängte den Gedanken rasch.

Dann nahm Ashley einen Bissen von einem anderen Törtchen und ein leises, beinahe erotisches Stöhnen entfuhr ihr.

Himmel, Ashley! Das hilft nun wirklich nicht. Wie sollte sie ihre dämliche Jugendschwärmerei jemals vergessen, wenn Ashley solche Geräusche von sich gab? Abrupt stopfte sich Sasha ein ganzes Minitörtchen in den Mund.

Leo stöhnte ebenfalls genießerisch. »Mmm. Gut, dass wir uns bereits für eine Hochzeitstorte entschieden haben. Ich könnte unmöglich eine auswählen. Die schmecken alle herrlich.«

»Definitiv besser als Sex«, murmelte Holly mit vollem Mund.

Ashley erstarrte, die Gabel bereits zum Mund gehoben, und sah Holly an, als hätte diese ihr ins Gesicht geschlagen.

Und das alles nur, weil Holly eine witzige Bemerkung über Sex gemacht hatte?

Viele Leute in Fair Oaks waren so. Sie hatten nichts gegen ihre lesbischen Nachbarn, solange sie nicht mit deren sexueller Orientierung konfrontiert wurden. Doch Sasha hatte gehofft, dass Ashley nicht zu dieser Sorte gehören würde. Es würde die Zusammenarbeit mit ihr erschweren.

Schließlich war das letzte Törtchen gegessen und weitere Hochzeitspläne geschmiedet. Sasha und Ashley packten ihre Mustermappen und Notizen ein und gingen zur Tür. Sasha umarmte ihre Freundinnen zum Abschied und Ashley tat es ihr gleich, auch wenn sie nicht gerade entspannt dabei aussah.

Mann, komm endlich darüber hinweg, Ashley. Kopfschüttelnd stapfte Sasha zu ihrem Wagen.

Als Ashley die Straße entlangging, fiel Sasha wieder ein, dass ihr Auto nicht angesprungen war. Es war dunkel und kalt draußen und obwohl das gefährlichste Verbrechen in Fair Oaks ein paar Jugendliche waren, die Bier aus dem Laden um die Ecke stahlen, wäre sich Sasha gemein vorgekommen, wenn sie Ashley nicht angeboten hätte, sie zu fahren.

Sie warf das leere Tablett auf den Rücksitz und öffnete die Beifahrertür. »Soll ich dich mitnehmen?«

Ash drehte sich um und sah Sasha über das Autodach hinweg an.

Sasha hielt ihr die Beifahrertür auf, doch ihre Körpersprache und ihr Tonfall waren weniger einladend. Es war offensichtlich, dass sie Ash eigentlich nicht mitnehmen wollte. Nicht, dass Ash scharf darauf gewesen wäre, mit ihr ins Auto zu steigen. Die Besprechung eben war schon unbehaglich genug gewesen, während sie praktisch an Sasha gedrückt auf der Couch hatte sitzen müssen.

Sasha hatte ebenfalls nicht sonderlich entspannt gewirkt. Bei der ersten Gelegenheit war sie aufgesprungen und hatte die Teller aus der Küche geholt, nur um von Ash wegzukommen. Einige Male hatte sie barsche Antworten gegeben, aber nur dann, wenn sie mit Ash redete. Wer von ihnen hatte jetzt das Problem mit ihrer Zusammenarbeit?

Ash schüttelte den Kopf. »Nein, danke«, rief sie Sasha zu. »Es ist nicht weit. Ich kann zu Fuß gehen.«

»Sei nicht albern. Du wohnst auf der anderen Seite der Stadt.«

Sasha hielt sie für albern? Ash knirschte mit den Zähnen.

Leos und Hollys Nachbar ging mit seinem Hund an ihnen vorbei. »Hallo, Ash. Hi, Sasha.«

»Hallo, Joe.« Ash winkte ihm zu, bevor sie sich wieder Sasha zuwandte, die noch immer wartend dastand und ihr die Beifahrertür aufhielt. Wenn das so weiterging, würden sie länger hier stehen, als sie für den Heimweg brauchen würde, und die Leute würden sich langsam wundern, was da eigentlich los war. »Na schön. Ich fahre bei dir mit. Danke.«

Sie ging um das Auto herum und stieg ein.

Sasha schloss die Beifahrertür, setzte sich hinter das Steuer und fuhr los.

Eine Weile herrschte Schweigen.

Als Sasha an der einzigen Ampel des Orts anhielt, sah sie zu Ash herüber. »Es ist wirklich toll, dass die beiden heiraten, oder?«

Ash nickte.

»Ich bin froh, dass Holly jemanden gefunden hat, der sie versteht und sie akzeptiert, so wie sie ist. Nicht wie die Arschlöcher, mit denen sie früher zusammen war.«

Hitze stieg Ashs Brust hinauf und brachte ihre Wangen zum Brennen. Sie umklammerte den Türgriff so fest, dass ihre Finger schmerzten. Hatte Sasha ihr deswegen angeboten, sie nach Hause zu fahren? Damit sie ihr endlich einmal die Meinung sagen und ihr vorwerfen konnte, wie schlecht sie Holly behandelt hatte? »Hör zu.« Sie versuchte, ganz ruhig zu sprechen, aber ihre Stimme klang wie knirschende Kieselsteine. »Mir ist klar, dass du mich nicht magst, weil du denkst, ich wäre eines dieser Arschlöcher. Aber was zwischen Holly und mir vorgefallen ist, ist kompliziert und geht dich auch überhaupt nichts an. Können wir es also bitte vergessen und einfach ganz professionell zusammenarbeiten?«

Sasha starrte sie an. Ihre Kinnlade klappte auf, aber sie brauchte einige Sekunden, bis sie etwas sagte. »Du … Holly … ihr wart … ihr wart mal zusammen? Heißt das, du stehst auf Frauen?«

Jetzt war Ash diejenige, die sie anstarrte. Sie griff sich mit einer zitternden Hand an den Magen. Plötzlich war ihr übel. »Oh Gott. Hast du das etwa nicht gewusst?«

Sasha schlug mit beiden Händen aufs Lenkrad. »Nein! Ich hatte keinen blassen Schimmer!«

Beide ließen sich gegen die Rückenlehnen sinken. »Heilige Scheiße«, murmelten sie gleichzeitig.

KAPITEL 3

Sasha konnte es nicht fassen. Ashley Gaines, der Liebling von Fair Oaks und der feuchte Traum jedes Jungen in ihrer Schulklasse, war lesbisch oder bisexuell. Und das war noch nicht alles. Sie und Holly waren ein Paar gewesen.

Heiliger Bimbam! Warum hatte ihr niemand davon erzählt? Sie starrte zu Ashley hinüber und versuchte, im Schein einer Straßenlaterne neben dem Auto ihren Gesichtsausdruck zu erkennen.

Aber Ashley hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen vergraben und stöhnte leise.

Lautes Hupen hinter ihnen ließ beide zusammenzucken.

Sasha sah in den Rückspiegel.

Brandon Eads, der frühere Quarterback der Schulmannschaft und Ashleys Ex-Freund, hatte seinen Wagen hinter ihnen angehalten und zeigte auf die Ampel, die längst grün geworden war.

Sasha kam sich vor, als wäre sie in irgendeiner bizarren Seifenoper gefangen. Sie trat aufs Gas und überquerte die Kreuzung ein wenig zu schnell.

Bevor sie ihre chaotischen Gedanken ordnen und eine Frage stellen konnte, waren sie an Ashleys hübschem, kleinem Haus am Stadtrand angekommen.

»Bitte erzähl es keinem«, sagte Ashley eindringlich. Ihre Augen flehten förmlich, so als läge ihr Leben nun in Sashas Händen.

»Das werde ich nicht, aber …«

»Danke.« Ashley löste ihren Sicherheitsgurt und öffnete die Beifahrertür. »Und danke fürs Mitnehmen.«

»Warte!« Sasha hielt sie am Arm fest. »Du kannst mich nicht einfach mit so etwas überrumpeln und dann davonlaufen.«

Sehnsüchtig warf Ashley einen Blick zu ihrem Haus, bevor sie sich langsam zu Sasha umdrehte. Selbst im fahlen Licht war zu erkennen, dass ihre Wangen die Farbe von Himbeercreme angenommen hatten. Panik flackerte in ihren Augen. Ihr Blick huschte zu Sashas Hand, die auf ihrem Arm lag.

Schnell ließ Sasha los und bemühte sich, sanfter zu sprechen, denn sie wollte Ashley nicht einschüchtern. »Holly und du wart also …?« Sie konnte es noch immer nicht fassen.

Ashley schloss die Beifahrertür und nickte.

»Himmel!«

Ashley schielte aus dem Augenwinkel zu ihr herüber. »Du wusstest es also wirklich nicht?«

»Wie zum Teufel hätte ich davon wissen sollen?«

»Ich … ich dachte …« Ashley zog den Kopf ein. »Ich dachte, Holly hätte es dir gesagt. Ich dachte, ihr seid beste Freundinnen.«

»Das dachte ich auch«, murmelte Sasha. Es tat weh, dass Holly ihr nicht vertraut hatte. Sie hatten gemeinsam viel durchgemacht: den Tod von Hollys Vater, die zweite Heirat von Sashas Vater und Hollys Entscheidung, ihren Job im Krankenhaus aufzugeben, um in der häuslichen Pflege zu arbeiten. Warum hatte Holly ihr nichts von ihrer Beziehung erzählt?

»Ich habe angenommen, du weißt davon«, sagte Ashley. »Ich dachte, das wäre der Grund, warum du …«

Sasha warf ihr einen finsteren Blick zu. »Warum ich was?«

»Ach, nichts. Es ist nur … Nichts.« Ashley fröstelte.

Nun, da Sasha den Motor abgestellt hatte, wurde es im Auto langsam kalt.

»Kann ich kurz mit reinkommen?«, fragte Sasha. »Es wird kalt hier draußen und um ehrlich zu sein, könnte ich einen Drink gebrauchen.«

Ashley sah sich um, bevor sie nickte, so als wollte sie nicht, dass ihre Nachbarn sie des Nachts mit einer anderen Frau im Auto sitzen sahen. Sie stieg aus und ging auf ihr Haus zu.

Sasha folgte ihr und versuchte, ihr nicht auf die Pelle zu rücken, als Ashley versuchte, die Tür aufzuschließen. Ihre Hände zitterten so stark, dass die Schlüssel am Bund klirrten, und Sasha ahnte, dass es nicht nur die Kälte war, die sie zum Zittern brachte. »Lass mich mal.« Sie griff um Ashley herum und nahm ihr den Schlüsselbund aus der Hand.

Ihre Finger streiften sich und Ashley zog ihre Hand weg, als hätte sie sich verbrannt.

Mann, sie war total durcheinander. Zum ersten Mal verstand Sasha, dass der Anschein von Perfektion, den Ashley erweckte, tatsächlich nur eine mühsam konstruierte Illusion war.

Sasha schloss die Tür auf und gab ihr die Schlüssel zurück, wobei sie diesmal darauf achtete, dass ihre Finger sich nicht berührten.