Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Seit 1979 reise ich regelmäßig nach Südostasien, und nachdem ich 1988 eine Thailänderin ehelichte, wurde das Königreich Thailand zu meiner zweiten Heimat. Auf den vielen Reisen lernte ich nicht nur, Land und Leute besser zu verstehen, sondern studierte ich auch das reiche kulturelle Erbe, die Traditionen und Verhaltensregeln. Dabei lernte ich auch vieles darüber, wie wichtig Religiosität und Spiritismus für die Thailänder sind. Wie auch in anderen asiatischen Ländern ist die Pflege des Ahnenkultes, der Glaube an Dämonen und Geister und die Huldigung gegenüber alten Gottheiten von Generation zu Generation alltägliche Normalität. Die Lehre des Buddha und somit der Buddhismus gilt als die friedfertigste und toleranteste Religion. Dabei muss der Leser Bedenken, das es im Buddhismus einen Gott im Sinne eines Schöpfers oder Allmächtigen nicht gibt. Buddha war ein Mensch, der die Erleuchtung erreicht hat und als Beispiel dient.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Wilfried Stevens
Buddhismus, Geister und Glauben
im Königreich Thailand
Inhaltsverzeichnis
Die Lebenslehre Buddhismus
Der Prinz der Buddha wurde
Der Lebensweg Buddhas
Ein Prinz auf der Suche
Der Prinz wurde zu Buddha
Buddha bereitet sich auf den Tod vor
König Asoka
Ein König mit Reue
Ein Wegbereiter des Buddhismus
Mönch werden - die Ordination - Buat Naag
Die thailändischen Tempel das Wat (=Kloster)
Mönch sein - das Leben eines Mönches
Der Wohnort für Mönche
Einfluss eines Wat
Das Mönchsleben
Der Tag eines Mönches
Die Tempeljungen
Im Wandel der Zeit
Die Zukunft des Mönchstums
Mae Chi - die Nonnen
Nonnen - Leben im Wat
Nonne auf Zeit
Die zukünftige Rolle der Nonnen in Thailand
Buddha für jeden Wochentag
Die Bildnisse Buddhas
Wie alles begann
Kennzeichen von Buddha Figuren
Kurze Historie - Herstellung von Figuren
Die Merkmale Buddhas
Asana - die Körperhaltungen Buddhas
Mudras - die Handhaltungen Buddhas
Die Pflege von Buddha Statuen
Reparaturen von Buddha Statuen
Triratna - die dreifachen Edelsteine
Die dreifache Verbeugung vor Buddha und Mönchen
Tham bun - Etwas Gutes machen
Asalha Puja – Buddhistische Feier
Die Geschichte mit den fünf Asketen
Khao Pansa – Buddhistische Feier
Makha Puja – Buddhistische Feier
Ok Phansa & Todt Kathin – Buddhistische Feier
Visakha Puja – Buddhistische Feier
Sart Thai - Gedenktag für die Verstorbenen
Uposatha-Tage - die Mondtage
Der Mondkalender
Die Lotusblume – Zeichen der Reinheit
Wundersame Geschichten über Buddha Figuren
Wundersame Mönche
Die traditionellen Geister der Thai
Das Fest der hungrigen Geister
Das Phi Ta Khon-Fest
San Phra Phum - das Geisterhäuschen
Der Erawan-Schrein
Der Smaragd-Buddha
Foto - Galerie
Wilfried Stevens – Nähe zu Buddha
Nachwort an alle Leser
Die alles beherrschende Religion in Thailand ist der Hinayana- oder Theravada-Buddhismus, der auch in den Nachbarstaaten Burma, Laos und Kambodscha sowie auf Sri Lanka verbreitet ist. Rund 95 % der Einwohner Thailands sind Buddhisten. Der Buddhismus beruht auf den Erkenntnissen des Fürstensohnes Siddharta Gautama, der im Jahre 543 vor Chr. in der kleinen Stadt Lumbini, im indisch-nepalesischen Grenzgebiet, geboren wurde. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens verließ er im Alter von 29 Jahren seine Frau und sein neugeborenes Baby. Er verzichtete auf den Königsthron und ein Leben im höfischen Luxus. Siddharta Gautama unterwarf sich den verschiedensten religiösen Disziplinen, ohne jedoch je eine Antwort auf seine Fragen zu finden. Verzweifelt setzte er sich unter einen Bodhi-Baum (Feigenbaum/Pappel-Feige), wo ihm nach sieben Wochen der Meditation die Erleuchtung zuteilwurde. Damit war der Buddha (der Erleuchtete) geboren, der die Ursprünge und den Sinn des menschlichen Leidens erkannt hatte. Nach Gautama Buddha gibt es vier grundlegende "Edle Wahrheiten" zu beherzigen: 1.Alles Leben ist Leiden (Dukkha)
2.Alles Leiden wird durch Begierden hervorgerufen (Samudaya) 3.Die Zerstörung der Begierden bedeutet das Ende des Leidens (Nirodha) 4.Die Begierden, die Ursache des Leidens, können durch den "Edlen Achtfachen Pfad" (Magga) ausgelöscht werden.
Dieser Pfad der Erlösung besteht aus rechter Erkenntnis, rechtem Denken, rechter Rede, rechten Taten, rechtem Lebenserwerb, rechter Bestrebung, rechter Aufmerksamkeit und rechter Konzentration.
Von äußerster Wichtig sind dazu ein gutes Betragen, Selbstbeherrschung und Bescheidenheit, Gnade und Großzügigkeit. Eigenschaften, die bis heute in Thailand hoch angesehen werden. In der Gesellschaft Thailands versucht man so ein „harmonisches Miteinander“ zu schaffen, was natürlich nicht immer gelingt. Doch die große Lehre spaltete sich schon in den ersten Jahrhunderten nach Buddhas Tod in zwei Auslegungsrichtungen. Die Hinayana-Lehre (kleines Fahrzeug) ist die ursprüngliche und ureigene Richtung, die sich streng an Pali verfassten heiligen Schriften orientiert und das Ziel individueller Erlösung von der Wiedergeburt, das Nirwana, verfolgt. Die wohl älteste Variante des Hinayanas ist der Theravada, der sich besonders in Thailand und seinen östlichen Nachbarstaaten Laos und Kambodscha verbreitete.
Dem gegenüber idealisiert die Mahayana-Lehre (großes Fahrzeug) die sogenannten Bodhissattvas, halberleuchtete Wesen, die auf die individuelle Erlösung und den eigenen Einzug ins Nirvana verzichten, zugunsten des Strebens nach dem Heil für alle. Der Mahayana-Buddhismus verbeitet sich vor allem in China, Japan, Vietnam und Indonesien.
Seit dem 3.Jahrhundert vor Chr. verbreitete sich der Hinayana-Buddhismus von Indien aus. Auch das Volk der Mon, die auf dem Gebiet des heutigen Thailands siedelten, nahmen zahlreiche Elemente der indischen Kultur und den Hinyana-Buddhismus an. Als die Thai-Völker das Mon-Reich von Dvaravati im 12./12. Jahrhundert durchdrangen, übernahmen vieles aus ihrer Handhabung der Religion. Nachdem der Vater Thailands, König Rama Khamheng, den Hinayana-Buddhismus als Staatsreligion verankert hatte, erlebte dieser eine Zeit großer Blüte, die sich in schönen Tempelanlagen und religiösen Kunstwerken ausdrückte. Ein Jahrhundert nach der Zerstörung der alten Hauptstadt Ayuthaya reformierte König Mongkut Rama IV (1851-1868), den Buddhismus, indem er den streng orthodoxen Orden Thammagut-Nikai gründete. Bis heute spalteten sich die thailändischen Mönche in Anhänger des Thammagut-Nikai- und des Mahamkai-Ordens (der große Orden). Der letztere wird von der Jugend als zeitgemäßer betrachtet.
Die Mönche unterstehen generell einer von einem buddhistischen Rat geleiteten Dach- und Kontrollorganisation, dem Sangha. Dieser unterteilt sich in drei Gruppen: 1.die Bhikku oder älteren Mönche
2.die Samanera oder Novizen
3.die Dek-Wat oder Tempeljungen
Letztere sind nicht ordiniert, sondern Schüler und Hilfskräfte für einfache Ausgaben, die wie die Mönche in den Tempeln leben. Zudem erhalten die Jugendlichen Unterricht in Sprache, Schrift und der Lehre des Buddhismus. Manche von ihnen wurden Mönche. Der Rat des Sangha überwacht die schriftgerechte Ausübung des Theravada.
Der Prinz der Buddha wurde
Weil auch Kinder mit dem Buddhismus aufwachsen und folglich auch an buddhistischen Zeremonien teilnehmen, bleibt es natürlich nicht aus, dass Kinder jeden Alters auch einiges interessiert hinterfragen. Eine der häufigsten Fragen: Wer war Buddha? Bisher konnte ich meinen Kindern diese Frage nur in wenigen Sätzen und sachlich erklären, was sie natürlich nicht so ganz zufrieden stellen konnte bzw. was sie nicht so interessant fanden wie z.B. die Jesus-Erzählung aus der Grundschule. Natürlich half meien Frau mit den Erklärungen, aber ich hatte nichts zum Lesen. Da ich es für wichtig halte, besonders den Kindern jeden Alters (z.B. in einer schönen Nacherzählung) das Leben Buddhas näher zu bringen, und so auch ihr Interesse für den Buddhismus zu unterstützen, habe ich nach vielen Arbeitsstunden eine, wie ich meine, schöne und einfache Nacherzählung geschrieben. Und das schon lange vor dem Internet. Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Die erste biographische Erzählung von Buddhas Leben hieß Die Taten Buddhas und soll von dem indischen Dichter Ashvagosha zwischen dem 1. und 2. Jahrhundert geschrieben worden sein. Solche Erzählungen sind nicht mit wissenschaftlichen Studien zu verwechseln, sondern dienen eher dazu, da Leben Buddhas einfach in einer Nacherzählung darzustellen. Es folgten weitere Erzählungen mit mehr oder weniger guten oder umfangreichen Ausschmückungen, so dass ich dieser Tradition folge, und auch meine Version der Nacherzählung hier niederschreibe. Dazu studierte ich auch Schriften in Thailand und hörte den Erzählungen der Mönche zu.
Der Lebensweg Buddhas
Vor etwa 2500 Jahren gab es im Norden Indiens ein kleines Fürstentum, das Kapilavastu hieß und nahe des ewig schneebedeckten Himalaya lag. Es wurde von dem weisen und gerechten Fürsten Shuddhodana Gautama des Shakya-Stammes regiert. Seine Gemahlin war die wunderschöne Fürstin Maya, die ebenso gütig und weise war wie ihr Gemahl.
In einer klaren Vollmondnacht hatte die Fürstin einen seltsamen Traum: Sie träumte wie ein kleiner weißer Elefant durch ihre rechte Seite in ihren Leib hineinging. Doch noch seltsamer war sein Aussehen, denn er hatte statt zwei gleich sechs Stoßzähne und sein Kopf war nicht weiß wie sein restlicher Körper, sondern rot. Als die Fürstin wieder aufwachte, eilte sie zu ihrem Gemahl, den Fürsten Shuddhodana, und erzählte ihm den seltsamen Traum. Daraufhin ließ der Fürst einen allwissenden Astrologen herbeirufen, der diesen seltsamen Traum deuten sollte. Der Astrologe kam zu der Überzeugung, dass dieser Traum ein gutes Vorzeichen für eine kommende glückliche Geburt wäre. Es werde ein gesunder Sohn geboren, dem zwei Lebenswege offenstehen: der Weg des vollkommenen Fürsten oder der Weg des weisesten aller Weisen, wobei sein Weg immer friedliebend und gerecht sein würde. Der Fürst und die Fürstin waren glücklich über die Aussagen des Astrologen, waren sie doch fest davon überzeugt, dass ihr Sohn der vollkommenste Fürst aller Fürsten werden würde.
Fast zehn Monate vergingen, da begab sich Fürstin Maya an einem Vollmondtag im Mai in den Garten von Lumbini. Im Garten angekommen, hörte sie wunderschönen Gesang und roch den lieblichsten Duft von Blumen. Die Fürstin wunderte sich über die Frische der Bäume mit ihren saftigen Blüten und keiner Spur von Alter. An einem besonders schönen und großen Baum blieb sie stehen. Seine Zweige sahen so aus, als wollten sie die Fürstin begrüßen. Neugierig streckte die Fürstin den Zweigen ihre Arme entgegen, und in diesem Augenblick gebar sie ihren Sohn aus der rechten Körperseite heraus, ohne dass sie ein Schmerz verspürte. Auch fiel der Neugeborene nicht auf die Erde, sondern wurde durch göttliche Kraft aufgefangen. Kaum war der Jüngling geboren, stand er mit eigener Kraft auf, da machte er 7 Schritte in jede Himmelsrichtung. Dies symbolisierte, dass er Macht über die ganze Welt hatte. Freudig eilte die Fürstin zurück zum Palast, um ihren Gemahl von der glücklichen Geburt und der wundersamen Begabung ihres Sohnes zu berichten. Als sie mit ihrem Sohn im Palast eintraf, untersuchten die Hohepriester der Brahmanen, die auch hellseherische Fähigkeiten hatten, den Neugeborenen und fanden an seinem Körper 32 Zeichen, die den Beweis ergaben, dass der Sohn des Fürstenpaares ein Auserwählter der Götter war. Als der Fürst an den Handflächen und Fußsohlen die Abdrücke erblickte, sah er mit Erstaunen das Chakra, das Rad der Lehre. Nun war auch er davon überzeugt, dass sein Sohn ein Auserwählter war. Die Eltern gaben ihren Sohn den Namen Siddhartha, was Der das Ziel erreicht hat bedeutet. Und auch im ganzen Fürstenhof und im Fürstentum war man glücklich, dass Prinz Siddhartha bald der Herrscher der Welt sein würde. Freudig wurde ein großes Volksfest im ganzen Fürstentum abgehalten und alle waren glücklich über die Geburt des Prinzen.
Nach sieben Tagen herrschte jedoch wieder große Trauer im ganzen Fürstentum, denn die Mutter des Prinzen, Fürstin Maya, verstarb plötzlich. Es herrschte große Trauer am Fürstenhof, und es ist dem jungen, immer lächelnden Prinzen zu verdanken, dass der Fürst nicht in tiefste Trauer verfiel. Mahapajapati, die Schwester der verstorbenen Königin, übernahm die Fürsorge für den jungen Prinzen. Nach einigen Tagen besuchte der alte Weise Asita den Königspalast, da er von der wundersamen Geburt und der Deutung der Astrologen gehört hatte. Als er den kleinen Prinzen sah, erkannte er sofort, dass dieses Kind ein großer Lehrmeister werden würde. Da fing er an zu weinen, und der König fragte ihm, warum er den weine. Darauf antwortete Asita, dass er es bedaure, nicht mehr lange genug leben zu können, um die Lehren dieses Kindes hören zu können. Als König Shuddhodana dies hörte, wurde er nachdenklich. Denn er wollte einen Sohn, der die Kriegskünste und Regierungsgeschicke lernte, und nicht als weiser Mann lehrte.
Es vergingen sieben Jahre in denen der Prinz er von seiner Tante aufgezogen wurde, die ihm die fehlende Mutter ersetzte. Als er das siebte Lebensalter erreichte, unterwiesen ihn Hohepriester und Lehrer in den verschiedensten Künsten, die jeder Prinz erlernen musste. Prinz Siddharta war ein sehr gelehriger Schüler, und er verblüffte immer wieder seine Lehrer, wie leicht er Sprachen, die Mathematik und sogar die Astrologie erlernte. Aber am meisten beeindruckte er seine Lehrer damit, das er immer wieder alles genau und nachdenklich hinterfragte. Auch war er der begabteste Schüler in der Musik, im Schachspielen und Tanz. Selbst in den Kampfkünsten, die jeder Prinz beherrschen musste, gehörte er bald zu den besten Kriegern seines Alters. So war der junge Prinz schon früh in der Lage, seinen Vater bei seinen fürstlichen Pflichten weise zu unterstützen. Als der Prinz das sechzehnte Lebensjahr erreichte, nahm ihn der Fürst in der Erntezeit mit, um ihm den Brauch des ersten Pflügens zu zeigen. Denn es war Brauch im Land, dass der Fürst als erster eine Furche in einem Acker zog, um auch eine gute Ernte zu begünstigen. Der junge Prinz beobachte seinen Vater und anschließend die Bauern und Ochsen, wie sie mit viel Mühe und Schweiß die Furchen zogen. Dabei sah er auch, wie der eiserne Pflug junge Pflanzen, Wurzeln und auch kleine Tiere zerriss, was ihm nicht gefiel. Dann beobachtete er wie eine Eidechse eine Ameise verschlang, doch die Eidechse dann von einer Schlange verspeist wurde, als dann ein Geier aus den Lüften heraus die Schlange packte und zu seinem Nest trug. Nun wurde Prinz Siddhartha sehr bekümmert, kannte er doch bisher nur das einfache Leben am Fürstenhof. Nun fragte er sich, warum die Bauern so mühsam arbeiten und die Tiere so viel Qual erleiden mussten. Er bekam Mitleid mit den hart arbeitenden Bauern und den getöteten Tieren. Dem Fürsten entging nicht die Trauer und Nachdenklichkeit im Gesicht seines Sohnes, und er dachte mit Sorge an die Prophezeiung der Hohepriester, dass sein Sohn den Weg des Weisen gehen und nicht den Thron begehren würde, um die Fragen des Lebens zu lösen. Um seinem Sohn jegliche Nachdenklichkeit zu nehmen, verwöhnte er ihn mit Prunk und Luxus, ließ nur die hübschesten Diener und Dienerinnen in seine Nähe, und ließ den Garten in voller Pracht gestalten. Nichts sollte ihn dazu bringen, sich etwas Anderes zu wünschen, als die ganze Pracht und das sorgenlose Leben eines Fürstensohnes. Der Fürst dachte sich, dass sein Sohn mit 16 Jahren alt genug wäre, um heiraten zu können. Eine hübsche Frau an seiner Seite und weitere Aufgaben am Fürstenhof würden ihn dann ablenken. So geschah es, und es wurden die hübschesten Mädchen des Fürstentums zu einem staatlichen Fest am Fürstenhof eingeladen. Am Anfang des Festes, so war die Sitte, mussten alle festlich geschmückte Mädchen dem Prinzen ein Geschenk überreichen. Der Fürst beobachtete seinen Sohn sorgfältig, und es schien zunächst, dass ihm kein Mädchen zusagte. Es tanzten hübsche Tänzerinnen und es wurde ein großes Festmahl aufgefahren, um die vielen Gäste zu bewirten. Nach einiger Zeit erschien die letzte Bewerberin vor dem Prinzen, das Mädchen hieß Yasodhara - in einer anderen Version u.a. auch Prinzessin Bimbadevi.
Yasodhara war wohl das hübscheste Mädchen von allen, ihre Augen waren wie Lotosblumen, ihre dunklen Haare glänzten wie Seide, ihr Gesicht sanftmütig und freudig und ihr Körper war wohlgeformt. Der junge Prinz war von der Erscheinung und Schönheit Yasodharas so sehr beeindruckt, das er beschloss sie zur Frau zu nehmen.
Doch war es Sitte, dass sich der Prinz und künftige Fürst vor den Augen der Eltern von Yasodhara und seinem Vater als Prinz und späterer Fürst würdig erweisen musste. Schließlich gehörte Siddhartha der Kriegerkaste an. So musste sich der Prinz mit anderen jungen Prinzen in verschiedenen sportlichen Prüfungen messen, die jedoch von ihm alle gemeistert wurden. Zuletzt bestand die letzte schwierige Aufgabe darin, mit dem heiligen Bogen der Vorväter einen Pfeil zu verschießen. Dieser Bogen war sehr schwer und seine Sehne stark. Keinem gelang es den Bogen zu heben oder zu spannen. Nur Siddharta gelang es den Bogen zu heben, zu spannen und einen Pfeil zu verschießen. Er wurde Sieger des Wettkampfes und konnte Yasodhara heiraten. Das junge Ehepaar verbrachte viele glückliche Jahre im Fürstenpalast und nichts schien das endlose Glück zu beenden. Sie lebten ausgelassen und glücklich, und der Fürst freute sich, dass nun sein Sohn ohne Sorge sein würdiger Nachfolger werden konnte. Im neunundzwanzigsten Lebensjahr, als Siddhartha 13 Jahre verheiratet war, gebar seine Frau ihm einen gesunden Sohn, den sie Rahula nannten. Als der Fürst seinen Enkel in den Händen hielt, hatte er keine Sorge mehr darüber, dass sein Sohn auf den Thron verzichten würde, und das die Prophezeiung in Erfüllung ging. Der Fürst ließ seinen Sohn, seine Schwiegertochter und seinen Enkel mit allen Freuden und Schönheiten verwöhnen, die sich ein Fürst leisten konnte, damit seinem Sohn alle Gedanken und Sorgen genommen werden sollten, nochmals über die Schattenseiten des Lebens nachzudenken. So sah er nur die Unvergänglichkeit immer junger Tänzerinnen und Dienerschaft, die Schönheit und Pracht immer blühender Gärten und nur Reichtum und Glanz.
Doch eines Tages wollte der Prinz ausreiten, um in die Stadt zu fahren. So ließ er einen Wagen von seinem Diener Chandan anspannen, und gemeinsam verließen sie den Fürstenhof aus dem Osttor in Richtung Stadt. Als sie an eine mit Bäumen gesäumte Straße kamen, sah Siddhartha einen alten Mann, der mit einem Stock gestützt, langsam die Straße entlangging.
Erstaunt fragte er seinen Diener: Sag mir, mein treuer Diener Chandan, warum sind die Schritte des Mannes so schwer, warum geht er gebückt, hat graues Haar und eine faltige Haut?
Mein Herr, antwortete der Diener Chandan, dieser Mann ist schon alt, seine Kräfte schwanken und er dürfte nur noch wenige Zeit zu leben haben.
Erschrocken fragte Siddhartha: Wird jeder alt, bekommt graues Haar und Falten am ganzen Körper, um seinen zukünftigen Tod zu erwarten? Chandan wurde traurig, wollte er doch seinen Herrn nicht belügen: Ja, mein Herr, jeder Mensch und jedes Lebewesen auf dieser Welt altert und stirbt zum Schluss. Der Prinz war so betrübt, dass er dem Diener befahl sofort in den Palast zurückzukehren. Im Palast angekommen, dachte er lange über diese Begegnung und die Aussagen des Dieners nach.
Wenige Tage später fuhr er wieder mit seinem Diener hinaus, da er endlich die Stadt besuchen wollte. Wieder kamen sie an der mit Bäumen gesäumte Straße vorbei, und er ließ den Wagen stoppen, als er einen stark abgemagerten Mann erblickte, der schwer atmend und zitternd auf dem Boden lag. Was ist mit dem Mann geschehen und warum liegt er so kraftlos und ängstlich am Boden?, fragte er seinen Diener Chandan. Mein Herr, antwortete Chandan, Dieser arme Mann ist schwer krank, und sein Zustand scheint so schlecht zu sein, dass er bald vom Tod erlöst wird. Sag mir Chandan, sagte der Prinz, könnte ich auch so krank werden, dass ich schmerzverzerrt und ängstlich auf den Tod warten müsste? Ja mein Herr, weder der Tod noch die Krankheit machen halt vor einem Prinzen, denn jeder Mensch ist den gleichen Gesetzen der Natur unterworfen. Der Prinz wurde noch betrübter, als er den alten Mann sah und wortlos gab er seinem Diener das Zeichen, sofort zurückzukehren.
Wieder dauerte es nur wenige Tage, als der Prinz den Wunsch verspürte hinauszufahren. Doch diesmal wollte er nicht mehr über die mit Bäumen gesäumte Straße fahren, und so verließ er mit seinem Diener den Fürstenpalast durch das westliche Tor.
Noch vor der Stadt trafen sie auf eine Trauergemeinde, wo vier Männer auf einer Bahre einen Verstorbenen trugen, die von vielen weinenden Verwandten und Freunden begleitet wurden. Bisher hatte der Prinz noch keinen Toten gesehen und fragte deshalb seinen Diener, wer denn der Mann auf der Bahre sei, der seine Augen geschlossen hielt und ein farbloses Gesicht hatte. Als der Diener erwiderte, dass dies ein Toter sei, der von seinen Verwandten und Freunden zum Scheiterhaufen gebracht und dann verbrannt würde, wurde der Prinz traurig. Sag mir Chandan, werde auch ich einmal sterben und mein Körper auch verbrannt werden?
Ja mein Herr, der Tod macht keinen Unterschied ob reich oder arm, ob Fürst oder Bettler, ob geliebt oder gehasst, jeder wird eines Tages sterben! Nachdenklich machte sich Siddhartha mit seinem Diener langsam auf den Rückweg, als sie vor dem Palast einen Mann trafen, der einen gelben Umhang trug und dessen Haare und Bart rasiert waren. In seiner Hand trug er eine Schale, worin er die Almosen sammelte. Siddhartha konnte nur noch diesen Mann betrachten und war beeindruckt, dass dieser Mann, der anscheinend nur von Almosen lebte, so ein ruhiges, glückliches und friedvolles Gesicht machte. Solch einen Mann habe ich noch nie gesehen, Chandan. Wer mag dieser Mann im einfachen Gewand wohl sein?
Dies, mein Herr, ist ein Sadhu, ein umherziehender Weiser, der voller Geduld und Friedfertigkeit durch das Land wandert, und bei seiner Wanderung nach dem Sinn des Lebens sucht. Er hat seine Bedürfnisse abgelegt und würde es nie wagen einem Lebewesen Leid zuzufügen.
Siddhartha war von der Erklärung seines Dieners sehr beeindruckt. Als beide in den Palast zurückkehrten, wurde ihm übel von dem ganzen Glanz, Luxus und Überfluss im Palast, und er dachte über sein bisheriges Leben nach, das er viel mit verschwenderischem Nichtstun verbrachte. Er dachte bis tief in die Nacht über sein Leben nach und dachte auch an den zufriedenen Bettelmönch, der den Sinn des Lebens suchte. Er fühlte sich plötzlich wie in einen Goldenen Käfig. Im Schlafgemach setzte er sich auf das Bett seiner schlafenden Gemahlin, und betrachtete sie und seinen Sohn Rahula. Er wurde sehr traurig und dachte daran, dass er sie vielleicht nie wiedersehen würde. So geschah es, dass sich der Prinz entschloss, den Palast zu verlassen, ohne seine Frau zu wecken, um ihr von seinem Entschluss zu erzählen. Im Nebenzimmer schliefen die Tänzerinnen und Dienerinnen. Im ganzen Raum waren Musikinstrumente, Schmuck und Essenschalen verstreut. Siddhartha merkte seinen Widerwillen, als er rückblickend die verschwenderische Pracht sah. So war er entschlossen, das Leben eines Prinzen aufzugeben. Er hatte so viele Fragen, dessen Wahrheit er nicht im Palast finden konnte. Heimlich ging er leise seinen Diener wecken. Sein Entschluss stand fest.
Wach auf Chandan, wir müssen den Palast sofort verlassen! Was ist geschehen Herr, fragte der erschrockene Diener, in der späten Nacht sollte keiner den Palast verlassen.
Mein lieber Chandan, gemeinsam sah ich mit dir die Leiden der Menschen, das Alter, die Krankheit und den Tod. Meine Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit finde ich nicht hier, deshalb hol mein Pferd, bevor mich jemand im Palast in meiner Entscheidung aufhält.