Cavendon Hall – Jahre des Schicksals - Barbara Taylor Bradford - E-Book
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Cavendon Hall – Jahre des Schicksals E-Book

Barbara Taylor Bradford

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Beschreibung

Es ist 1938 in England, Miles und Cecily haben die Familie sicher durch eine tiefe Krise geführt und Cavendon Hall knapp vor der Katastrophe bewahrt. Aber der Zweite Weltkrieg steht bevor und die Bewohner des Herrenhauses damit vor ihrer größten Herausforderung. Die Inghams und Swanns müssen ihre wahre Überlebensfähigkeit zeigen. Können sie sich und die Dorfbewohner retten?

Auch im dritten Teil der fesselnden Saga der New-York-Times-Bestsellerautorin Barbara Taylor Bradford dreht sich alles um Loyalität, Mut und Ehre. Was hält das Schicksal diesmal für die aristokratischen Inghams und die treue Familie Swann bereit?

Die stimmungsvolle Erzählweise und bekannte und beliebte Charaktere machen Cavendon Hall zu einer Geschichte über Intrigen, Romanzen, Trauer und Freude, die die Leserinnen nicht so schnell vergessen werden.




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Inhalt

CoverWeitere Titel der AutorinÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungPersonenverzeichnisDIE HERRSCHAFTDIE INGHAMS IM JAHRE 1938DIE KINDER DES EARLS UND SEINER VERSTORBENEN ERSTEN FRAU FELICITYWEITERE MITGLIEDER DER FAMILIE INGHAMZWISCHEN DEN WELTENDIE ZWEITE FAMILIE: DIE SWANNSDIE SWANNS IM JAHRE 1938WEITERE SWANNSDIE DIENERSCHAFTWEITERE ANGESTELLTEAUSSENARBEITERTEIL 1: DIE INGHAMS UND DIE SWANNSKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45TEIL 2: FRAUEN & KRIEGKapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60Kapitel 61Kapitel 62Kapitel 63

Weitere Titel der Autorin

Die Emma-Harte-Saga:

Des Lebens bittere Süße

Bewahrt den Traum

Und greifen nach den Sternen

Und plötzlich reißt der Himmel auf

Ein Geschenk des Schicksals

Am Ende wartet die Liebe

Die Yorkshire-Saga:

Cavendon Hall – Zeiten des Verrats

Cavendon Hall – Momente des Glücks

Über dieses Buch

Es ist 1938 in England, Miles und Cecily haben die Familie sicher durch eine tiefe Krise geführt und Cavendon Hall knapp vor der Katastrophe bewahrt. Aber der Zweite Weltkrieg steht bevor und die Bewohner des Herrenhauses damit vor ihrer größten Herausforderung. Die Inghams und Swanns müssen ihre wahre Überlebensfähigkeit zeigen. Können sie sich und die Dorfbewohner retten?

Auch im dritten Teil der fesselnden Saga der New-York-Times-Bestsellerautorin Barbara Taylor Bradford dreht sich alles um Loyalität, Mut und Ehre. Was hält das Schicksal diesmal für die aristokratischen Inghams und die treue Familie Swann bereit?

Die stimmungsvolle Erzählweise und bekannte und beliebte Charaktere machen Cavendon Hall zu einer Geschichte über Intrigen, Romanzen, Trauer und Freude, die die Leserinnen nicht so schnell vergessen werden.

Über die Autorin

Barbara Taylor Bradford verbrachte ihre Kindheit und Jugend in England. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie im Alter von achtzehn Jahren begann, Kinderbücher zu schreiben. Schon bald folgten Romane, der Durchbruch gelang ihr mit »Des Lebens bittere Süße«. Seitdem hat sie fünfundzwanzig Bücher geschrieben, die allesamt Bestseller wurden. Sie widmet alle Werke ihrem Mann, mit dem sie in New York lebt.

BARBARA TAYLOR BRADFORD

CAVENDON HALL

Jahre des Schicksals

Aus dem Englischen von Michaela Link

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2016 by Barbara Taylor Bradford

Titel der britischen Originalausgabe: »The Cavendon Luck«

Originalverlag: HarperCollins Publishers Ltd., London

Originally published in the English language by HarperCollins Publishers Ltd. under the titleThe Cavendon Luck © Barbara Taylor Bradford 2016Barbara Taylor Bradford asserts the moral right to be identified as the author of this work.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Covergestaltung: Guter Punkt unter Verwendung von Motiven © Akabei / gettyimages; Boonyachoat / gettyimages; KathySG / shutterstock; Gumroad und Pixabay

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-7649-4

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Bob, mit all meiner Liebe. Immer.

Personenverzeichnis

DIEHERRSCHAFT

DIEINGHAMSIMJAHRE 1938

Charles Ingham, 6. Earl von Mowbray, 69 Jahre alt. Besitzer und Hüter von Cavendon Hall. Als Lord Mowbray angeredet. Er ist nun verheiratet mit Charlotte Swann, 70, der 6. Countess von Mowbray.

DIEKINDERDESEARLSUNDSEINERVERSTORBENENERSTENFRAUFELICITY

Miles Ingham, der Erbe des Earls, 39 Jahre alt. Er wird als der Ehrenwerte Miles Ingham angeredet und ist verheiratet mit Cecily Swann, 37. Sie haben drei Kinder: Miles’ Erben David, 9, Walter, 7, und Venetia, 5. Miles führt das Anwesen von Cavendon. Cecily pendelt zwischen Cavendon und ihrem Londoner Stadthaus, um ihr Modeunternehmen zu betreiben.

Lady Diedre Ingham Drummond, älteste Tochter, 45 Jahre alt. Sie ist jetzt verwitwet und lebt mit ihrem Sohn Robin, 11, in London. Wie vor ihrer Verlobung arbeitet sie wieder im Kriegsministerium. Die Wochenenden verbringen sie in Cavendon, wo sie ihre eigenen Räume haben.

Lady Daphne Ingham Stanton, zweitälteste Tochter, 42 Jahre alt. Sie ist mit Hugo Ingham Stanton, 57, verheiratet und wohnt mit ihm und ihren fünf Kindern dauerhaft im Südflügel von Cavendon.

Lady DeLacy Ingham, drittälteste Tochter, 37 Jahre alt, lebt in London und in Cavendon. DeLacy ist weiterhin unverheiratet. Nach ihrer Scheidung von Simon Powers hat sie vor Jahren ihren Mädchennamen wieder angenommen.

Lady Dulcie Ingham Brentwood, jüngste Tochter, 30 Jahre alt. Sie wohnt in London und in Cavendon. Sie ist verheiratet mit Sir James Brentwood, 45, einem der größten Schauspieler Englands, der von König Georg VI. in den Ritterstand erhoben wurde. Die beiden haben drei Kinder: die Zwillinge Rosalind und Juliet, 9, und einen Sohn, Henry, 6.

Die vier Töchter des Earls werden von der Dienerschaft immer noch liebevoll »die vier D« genannt.

Die Kinder von Lady Daphne und Mr Hugo Stanton sind Alicia, 24 Jahre alt; Charles, 20; die Zwillinge, Thomas und Andrew, 17 Jahre alt, und Annabel, 14.

WEITEREMITGLIEDERDERFAMILIEINGHAM

Lady Vanessa Ingham Bowers, Schwester des Earls, 59 Jahre alt. Sie ist verheiratet mit Richard Bowers, 58. Sie leben in London und in Skelldale House auf dem Gelände von Cavendon, das Lady Vanessa von ihrer verstorbenen Schwester Lady Lavinia Ingham Lawson geerbt hat.

Lady Gwendolyn Ingham Baildon, die verwitwete Tante des Earls, 98 Jahre alt, die in Little Skell Manor auf dem Anwesen lebt. Sie war mit dem verstorbenen Paul Baildon verheiratet.

Der Ehrenwerte Hugo Ingham Stanton, Cousin des Earls, 57 Jahre alt. Er ist Lady Gwendolyns Neffe, der Schwester seiner verstorbenen Mutter. Er ist mit Lady Daphne verheiratet.

ZWISCHENDENWELTEN

DIEZWEITEFAMILIE: DIESWANNS

Die Swanns stehen seit über 185 Jahren im Dienst der Inghams. Dadurch sind die Familien auf vielfache Weise miteinander verbunden. Die Swanns leben seit Generationen im Dorf Little Skell, das an den Park von Cavendon angrenzt. Die Swanns von heute sind den Inghams gegenüber genauso ergeben und loyal wie ihre Vorfahren und würden jedes einzelne Familienmitglied der Inghams mit ihrem Leben verteidigen. Die Inghams vertrauen ihnen uneingeschränkt, und so ist es auch andersherum.

DIESWANNSIMJAHRE 1938

Walter Swann, Kammerdiener des Earls, 60 Jahre alt. Er ist das Oberhaupt der Familie Swann.

Alice Swann, seine Frau, 57 Jahre alt. Sie ist eine geschickte Schneiderin und fertig immer noch Kleidung für die Töchter von Lady Daphne an.

Sohn Harry, 40 Jahre alt. Er war als Landschaftsgärtner in Cavendon Hall in die Lehre gegangen und führt nun als Verwalter mit Miles Ingham das Anwesen.

Tochter Cecily, 37 Jahre alt. Sie ist mit Miles verheiratet und eine weltberühmte Modeschöpferin.

WEITERESWANNS

Percy, jüngerer Bruder von Walter, 57 Jahre alt. Oberster Jagdhüter in Cavendon.

Edna, Percys Frau, 58 Jahre alt. Arbeitet gelegentlich in Cavendon.

Ihr Sohn Joe, 37 Jahre alt. Arbeitet mit seinem Vater als Jagdhüter.

Bill, Walters Cousin, 52 Jahre alt. Oberster Landschaftsgärtner in Cavendon. Er ist Witwer.

Ted, Walters Cousin, 63 Jahre alt. Leiter der Instandhaltung der Innenräume und der Schreinerei in Cavendon. Verwitwet.

Paul, Teds Sohn, 39 Jahre alt. Arbeitet bei seinem Vater als Dekorateur und Tischler.

Eric, Teds Bruder und Walters Cousin, 58 Jahre alt. Butler im Londoner Haus von Lord Mowbray. Unverheiratet.

Laura, Teds Schwester und Walters Cousine, 51 Jahre alt. Haushälterin im Londoner Haus von Lord Mowbray. Unverheiratet.

Charlotte, Walters und Percys Tante, 70 Jahre alt. Nun 6. Countess von Mowbray. Charlotte ist die Matriarchin der Familie Swann. Sie wird von allen mit großem Respekt behandelt. Charlotte war die Sekretärin und persönliche Assistentin David Inghams, des 5. Earls, bis zu dessen Tod. 1926 heiratete sie den 6. Earl.

Dorothy Pinkerton, geborene Swann, 55 Jahre alt, Charlottes Cousine. Sie lebt in London und ist verheiratet mit Howard Pinkerton, einem ehemaligen Detective von Scotland Yard. Sie arbeitet für Cecily bei Cecily Swann Couture.

DIEDIENERSCHAFT

Mr Henry Hanson, Butler

Mrs Jean Weir, Haushälterin

Miss Susie Jackson, Köchin

Mr Gordon Lane, Butlergehilfe und oberster Diener, verheiratet mit Mrs Peggy Lane

Mr Ronald Gorme, zweiter Diener

Miss Kate Smithers, oberstes Hausmädchen

Miss Brenda Caine, zweites Hausmädchen

Mr John Goff, Chauffeur

WEITEREANGESTELLTE

Miss Angela Chambers, das Kindermädchen für Cecilys Kinder, für gewöhnlich als Nanny oder Nan angeredet.

Miss Eileen Marks, die Gouvernante, gewöhnlich als Miss Marks angeredet. In den Sommerferien ist die Gouvernante nicht in Cavendon. Die Kinder gehen nicht in die Schule.

AUSSENARBEITER

Ein großes herrschaftliches Anwesen wie Cavendon Hall mit vielen Tausend Morgen Land und einem riesigen Moor für die Moorhuhnjagd bietet vielen Menschen aus der Gegend Arbeit. Das ist die Aufgabe eines solchen Besitzes, der außerdem einer großen Familie als Heim dient. Er bietet Beschäftigung für die Dorfbewohner und Pachtland für die Bauern. Die Dörfer um Cavendon sind von verschiedenen Earls von Mowbray gebaut worden, um ihre Arbeiter unterzubringen. Nach und nach kamen Kirchen und Schulen, Postämter und kleine Läden hinzu. Die Dörfer um Cavendon heißen Little Skell, Mowbray und High Clough.

Es gibt eine große Zahl von Außenarbeitern: einen obersten Jagdhüter und fünf weitere Jagdhüter. Treiber werden benötigt, wenn die Moorhuhnsaison beginnt und die Jagdgäste in Cavendon eintreffen. Des Weiteren gibt es Waldarbeiter, die sich um den zu bestimmten Zeiten zur Jagd genutzten Wald in der Umgebung kümmern. Die Gärten werden vom obersten Landschaftsgärtner und fünf weiteren, unter seiner Leitung stehenden Gärtnern gepflegt.

Die Moorhuhnjagd beginnt im August, am »Glorious Twelfth«, dem »Glorreichen Zwölften«, wie der Anfang der Saison genannt wird. Sie endet im Dezember. Die Rebhuhnsaison beginnt im September. Auch Enten und Wildvögel werden in dieser Zeit geschossen. Die Fasanenjagd wird vom 1. November bis in den Dezember hinein betrieben. Diejenigen, die zur Jagd nach Cavendon kommen, sind gewöhnlich Aristokraten und werden als die »Guns«, die »Waffen«, also die Männer, die die Gewehre benutzen, bezeichnet.

TEIL 1: DIEINGHAMSUNDDIESWANNS

1938

Prophezeiungen

Eine kleine weiße Bohne,

Reiste einst nach Engeland,

Engeland war abgeschlossen

Und der Schlüssel abgebrochen.

Eins, zwei, drei, du bist frei.

Kinderreim

Kapitel 1

Cecily Swann Ingham stand auf der Treppe vor dem Büroanbau von Cavendon Hall und schaute sich um. Wie sich das Wetter geändert hat, dachte sie. Aus einem düsteren, bewölkten Morgen war ein strahlender Nachmittag geworden.

Blauer Himmel. Keine Wolken. Strahlendes Sonnenlicht sickerte durch das Laub der Bäume. Ein perfekter Tag Ende Juli. Ein erfreutes Lächeln huschte flüchtig über ihr Gesicht.

Sie ging die Treppe hinunter und über den Stallhof zu dem Lehmpfad, der durch den Park von Cavendon zum Dorf Little Skell führte.

Cecily dachte plötzlich an den Geburtstag ihres Sohnes früher im Monat, während sie dem Weg folgte. Es hatte an dem Tag in Strömen geregnet, und ihre Pläne für die Gartenparty waren ruiniert. Die Feier hatte schließlich im Haus stattgefunden. Cecily hätte sich gewünscht, dass es ein so herrlicher Tag wie dieser gewesen wäre, doch das Wetter hatte David gar nichts ausgemacht. Es war sein neunter Geburtstag gewesen, und er hatte jeden Moment genossen, genau wie sein Bruder, der siebenjährige Walter, und Venetia, die Schwester der Jungen, die fünf war. Es war eine glückliche Zeit für die Familie gewesen, und das war die Hauptsache: die Freude an dem Fest und der »Zusammenkunft des Clans«, wie Miles es immer nannte.

Als sie später am Abend im Bett gelegen hatten, hatte Miles sie an sich gezogen und sich laut gefragt, wo die Jahre geblieben waren.

»Ich weiß es auch nicht«, hatte sie geantwortet, »aber wenn wir zusammen sind, vergeht die Zeit immer wie im Flug.«

Er hatte gelacht, sie enger an sich gezogen und ihr übers Haar gestrichen. Dann hatte sie hinzugefügt, dass sie mit der Erziehung ihrer drei Kinder beschäftigt gewesen, ihrer Arbeit nachgegangen waren und Cavendon über Wasser gehalten hatten.

Sie dachte wieder daran, wie Miles ihr leise dafür gedankt hatte und sie dann wieder in den Arm genommen, sich über sie geschoben und sie geküsst und zärtlich berührt hatte. Binnen weniger Augenblicke hatten sie sich mit der gleichen Erregung und Freude geliebt wie immer.

Plötzlich kam ihr bei der Erinnerung der Gedanke, ob er sie am neunten Geburtstag ihres Sohnes vielleicht geschwängert hatte. Es war eine intensive Nacht voller Leidenschaft gewesen.

Cecily dachte darüber nach, was eine Schwangerschaft für sie bedeuten würde. Sie war jetzt siebenunddreißig. Falls sie tatsächlich schwanger war, dann sollte es so sein. Ich muss ein weiteres Kind als Geschenk betrachten, denn bald werden meine fruchtbaren Jahre vorüber sein. Aber ein Kind bekommen, wenn ein Krieg drohte? Diese Vorstellung beunruhigte Cecily. Sie schob sie beiseite und eilte auf das Dorf zu. Ihre Gedanken wandten sich der gewaltigen Anstrengung zu, die Miles und sie unternommen hatten, um Cavendon Hall und die Familie abzusichern. Ihr Bruder Harry hatte sie dabei tatkräftig unterstützt, wie auch ihre vier Schwägerinnen. Es waren in vieler Hinsicht harte Jahre gewesen.

Sie alle hatten Opfer gebracht und immer wieder eigenes Geld investiert, damit Cavendon zahlungsfähig blieb.

Aber sie hatten es geschafft.

Die Inghams und die Swanns hatten mit vereinten Kräften Wunder bewirkt. Cavendon war jetzt auf dem richtigen Kurs. Es war sicher.

Doch selbst heute wurde Cecily das mulmige Gefühl im Magen nicht los. Früher am Tag hatte sie es auf die Sorgen geschoben, die sie sich sowohl um Harry als auch um Greta machte, ihre persönliche Assistentin, aber sie wusste instinktiv, dass das nicht der wahre Grund für ihre Beunruhigung war.

Etwas ganz anderes trieb sie ständig um, nagte an ihr und bescherte ihr schlaflose Nächte.

Der lange Schatten des bedrohlichen Dritten Deutschen Reichs, der schon seit einiger Zeit über Mitteleuropa fiel, legte sich nun auch über Großbritannien. Das war der Grund für Cecilys Anspannung. Das Deutsche Reich war finster und gefährlich, Krieg lag in der Luft. Wenn es zu einer Invasion kam, wären nicht nur Cavendon und das ganze Land in Gefahr, sondern Europa, im Grunde genommen die ganze Welt. Cecily verstand das nur zu gut.

Als sie zu dem ummauerten Rosengarten kam, blieb sie stehen, drückte die schwere Eichentür auf und ging die Stufen hinunter. Sofort umfing sie der Duft spät blühender Sommerrosen. Sie atmete tief ein und setzte sich auf eine schmiedeeiserne Gartenbank. Dann lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und versuchte, sich kurz zu entspannen.

Der schöne alte Garten hatte sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Er war für sie eine Oase der Ruhe, schon seit sie ein Kind war. Cecily kam fast jeden Tag her und setzte sich, und sei es nur für wenige Minuten. Sie liebte den Duft der Rosen und die Stille hinter den hohen Ziegelmauern. Der Garten war Balsam für ihre aufgewühlten Sinne und half ihr, den Kopf zu klären und ihre Sorgen zu zerstreuen.

Ihre Gedanken wanderten zu ihrer Mutter. Cecily wusste, dass sie mit Kriegsvorbereitungen beschäftigt war und mit den Frauen aus den drei Dörfern zusammenarbeitete, die Mitglieder des Women’s Institute waren. Geleitet wurde die Gruppe von Charlotte, die auch die Präsidentin war. Die Dorfbewohnerinnen hatten sich eine ganze Reihe von Lösungen einfallen lassen, die das Leben erleichtern würden, wenn der Krieg tatsächlich an ihre Ufer kam.

»Natürlich wird er kommen«, murmelte Cecily vor sich hin. Neville Chamberlain, der Premierminister, glaubte, er könne Adolf Hitler beschwichtigen, der bereits Österreich annektiert und nun das Sudetenland in der Tschechoslowakei im Visier hatte.

Winston Churchill hingegen verstand die Nutzlosigkeit und schreckliche Gefahr der Beschwichtigungspolitik und warnte die Regierung immer wieder, dass ein Krieg bevorstand. Cecily war fest davon überzeugt, dass Churchill recht hatte, so entsetzlich der Gedanke auch war.

Das Dröhnen eines tief fliegenden Flugzeugs durchschnitt Cecilys Gedanken, und sie sprang auf und wandte das Gesicht dem blauen Himmel zu. Sofort löste sich ihre Angst in Luft auf.

Das kleine Flugzeug trug nicht das Symbol von Nazi-Deutschland, das Hakenkreuz. Es gehörte Noel Jollion, dem neunzehnjährigen Sohn von Commander Edgar Jollion von der Royal Navy, der auf der anderen Seite des Dorfes Mowbray lebte, in der Nähe von High Clough. Der Commander hatte auf einer langen Wiese auf seinem Land bei Burnside Manor für seinen flugbegeisterten Sohn eine Landebahn gebaut.

Cecily kehrte zu der Bank zurück, setzte sich und versuchte, ihre Sorge wegen des Krieges abzuschütteln. Aber an diesem Nachmittag fiel es ihr schwer. Sie bekam sie nicht aus dem Kopf.

Vergangene Woche hatte Hanson sie und Miles hinunter in die gewaltigen Keller von Cavendon geführt und ihnen gezeigt, welche Vorbereitungen er für den Krieg getroffen hatte.

Die Kellerräume waren immer tadellos sauber und hatten weiß getünchte Wände und gut gefegte Böden. Hanson hatte auf einen Stapel von Feldbetten gewiesen, die er aus dem Lager geholt hatte. Von den Dachböden waren Sofas, Sessel und kleine Tische heruntergeschafft worden. Der Earl hatte dem Butler aufgetragen, den Keller so behaglich wie möglich zu machen, falls sie darin leben mussten. Außerdem würden sämtliche Gemälde und andere Kunstgegenstände in die unteren Kellergewölbe gebracht werden, sobald es zu einer Kriegserklärung zwischen Großbritannien und Deutschland kam.

Hanson war wie immer sehr tüchtig gewesen, fand Cecily. Es gab sogar einen Kühlschrank, der bei Harrods gekauft und mit einem Lieferwagen aus London hergebracht worden war. Was würden sie nur ohne Hanson anfangen? Im Dezember würde er in den Ruhestand treten. Er war sechsundsiebzig und stand seit fünfzig Jahren in Cavendon im Dienst. Sie hoffte, dass er noch blieb. Er wirkte kerngesund, und sie brauchten ihn.

Widerstrebend verließ Cecily ihren Rückzugsort und setzte ihren Weg zum Haus ihrer Eltern im Dorf fort. Aber vorher wollte sie zu dem Roma-Wagen, in dem Genevra lebte. Sie musste mit ihr reden.

Kapitel 2

Als Cecily um die Biegung des Weges ging, erblickte sie Genevra sofort. Sie saß auf den Stufen des Wagens und wartete auf sie. Wie gewöhnlich trug sie ein altes Cecily-Swann-Kleid, das Cecilys Mutter ihr geschenkt hatte. Es war ein rot-weiß gestreiftes Sommerkleid aus Baumwolle und stand ihr gut.

Die Zigeunerin hob die Hand und winkte.

Cecily winkte lächelnd zurück. Sie sah, dass ein Holzstuhl auf sie wartete, und freute sich über diese Aufmerksamkeit.

Eine aufgeregte Erwartung stand Genevra ins Gesicht geschrieben. Sie war neununddreißig, so alt wie Miles, obwohl man ihr ihr Alter nicht ansah und sie viel jünger wirkte. Sie war immer noch eine gut aussehende Frau – dunkel, exotisch –, und ihr üppiges Haar war noch genauso rabenschwarz wie in ihrer Jugend.

Als die Roma vor fünf Jahren mit den Wagen auf die untere Wiese gezogen waren, hatte Genevra Cecily zum ersten Mal auf ein Glas Pfefferminztee in ihren Wagen eingeladen. Da Cecily sie nicht hatte verletzen wollen und sich verpflichtet gefühlt hatte, die Einladung anzunehmen, war sie hineingegangen und hatte zu ihrer gewaltigen Überraschung einen wahren Schatz vorgefunden.

Genevra war eine sehr begabte Künstlerin. Die Gemälde an den Wänden des tadellos sauberen und ordentlichen Wohnbereichs hatten Cecily erstaunt. Es waren überwiegend Landschaftsansichten von Cavendon in leuchtend bunten Farben. DeLacy hatte ihr später gesagt, dass man sie der naiven Kunst zuordnen würde.

Die Bilder hatten einen ganz einzigartigen eigenen Stil. »Genevras Stil«, wie Cecily ihn nannte. Die Malereien waren kühn und eindrucksvoll und fielen sofort ins Auge. Doch es war das Schimmern der leuchtenden Farben, der eigenartige Glanz auf der Leinwand, der jeden sofort in den Bann zog.

Cecily hatte schnell erfahren, dass Genevra seit ihrer Kindheit malte. Ihr Bruder Gervaise hatte sie ermutigt, und als sie älter war, hatte er ihr Leinwände und Ölfarben besorgt, wenn er sie sich leisten konnte. Sie hatte sich alles selbst beigebracht. Genevra war eine geborene Künstlerin, ein Naturtalent.

Cecily hatte sofort gefragt, ob sie eins der Bilder kaufen könne. An dem Tag hatte Genevra abgelehnt. Stattdessen hatte sie ihr ein Bild als Geschenk angeboten. Am Ende hatte Cecily eins ausgewählt, das sie ansprach und für sie eine besondere Bedeutung hatte. Es zeigte eine Fülle spät blühender Rosen an einer Ecke der hohen Mauer des Gartens, eine Verschmelzung vieler verschiedener Rosatöne und blasser Rottöne, die sich von der grauen Steinmauer abhoben.

Genevra kam die Treppe herunter, um Cecily zu begrüßen. Wie immer vollführte sie einen Knicks, als sie Cecilys ausgestreckte Hand ergriff.

»Da ist ein Stuhl für dich, Mrs Miles«, sagte Genevra und deutete auf den Holzstuhl.

»Danke«, antwortete Cecily und setzte sich.

Genevra kehrte zu ihrem Platz auf den Stufen zurück.

Cecily musterte sie stirnrunzelnd. Sie fand, dass sie etwas schmal aussah, müde. »Du warst doch nicht wieder krank, oder?«, fragte sie besorgt. Sie hatte sie seit zehn Tagen nicht gesehen.

Genevra lächelte schwach. »Nein. Nicht krank. Gut.«

»Du siehst ein bisschen spitz aus.«

»Ich bin nicht krank, kleine Ceci«, beteuerte Genevra und bedachte sie mit einem wissenden Blick. »Ich werde Erste sein, die das weiß. Dann sage ich dir, und du bist Zweite. Ich sterbe nicht. Noch nicht.«

»Sei mir nicht böse. Ich mache mir Sorgen um dich, Genevra.«

»Aye, ich weiß, Mrs Miles.«

»Ich werde am Montag mit Miles verreisen. Wir wollen Lady Daphne und Mr Hugo in Zürich besuchen. Falls du während meiner Abwesenheit irgendetwas benötigst, wird meine Mutter dir helfen.« Sie lächelte sie an. »Du brauchst nur zu ihr zu gehen.«

Genevra nickte. »Du machst Urlaub. Hat Mrs Alice mir schon gesagt.«

»Nur für zwei Wochen. Miles braucht eine Pause …« Cecilys Stimme verlor sich. Sie hatte plötzlich einen seltsamen Ausdruck auf Genevras Gesicht bemerkt. »Was ist los? Stimmt etwas nicht?«

»Das Zweite Gesicht. Es kommt über mich. Du weißt.«

Cecily nickte und schwieg. Nach all den Jahren wusste sie, dass sie jetzt nicht reden durfte.

»Musst tapfer sein, kleine Ceci, wie immer. Es gibt Tote. Krieg kommt. Großer Krieg. Schlimme Zeit. Schreckliche Dinge kommen.« Die Zigeunerin hielt inne und schloss die Augen. Einen Moment später öffnete sie sie wieder und fügte hinzu: »Du wirst über Cavendon herrschen. Ich habe es immer gewusst.«

Cecily runzelte die Stirn. »Warum jetzt?«

»Was?« Genevra schaute Cecily fragend an.

»Warum sagst du mir das jetzt? Sonst bist du eher verschlossen und nicht so offen.«

»Weil du mir glaubst und Weissagung für wahr hältst … sie verstehst.«

»Ja, das stimmt, das tue ich, Genevra.«

»Dir gehört Zukunft, Ceci. Du wirst herrschen.«

»Mit Miles?«

Genevra antwortete nicht und schaute zu Cavendon Hall hinüber, das sich auf dem Hügel über ihnen erhob. Das goldene Haus schimmerte im Sonnenschein. Es war ein gesegnetes Haus.

»Wenn du so seltsam klingst wie jetzt, verstehe ich nicht, was du meinst«, wandte Cecily ein und erwiderte Genevras harten Blick.

»Schlimme Zeiten kommen.«

»Meinst du den Krieg?«

Genevra neigte den Kopf. »Leben. Harte Zeiten. Schlimme Zeiten. Tod, Zerstörung, Kummer, Schmerz. Viel Leiden. Alles kommt.«

Genevra drehte den Kopf und sah ein weiteres Mal zu Cavendon hinüber. Unerwartet füllten ihre Augen sich mit Tränen. Der goldene Schimmer, der normalerweise über den Mauern lag, war verschwunden. Cavendon war nicht länger golden. Es war dem Untergang geweiht. Das große Herrenhaus war in Schatten gehüllt … Schatten, die immer dunkler wurden. Vor ihrem inneren Auge sah sie große schwarze Wolken um das Dach treiben. Sie hörte Donner, sah weiße Blitze zucken.

Nach einer Weile öffnete Genevra schließlich die Augen und sagte leise: »Aufruhr. Chaos.« Sie schüttelte den Kopf, verstummte und wischte sich mit den Fingerspitzen die Tränen vom Gesicht.

Es folgte ein langes Schweigen.

Genevra lächelte schwach. »Swanns herrschen.«

Cecily sagte: »Cavendon hat im Laufe der vergangenen Jahre Glück gehabt. Das Glück wird halten, nicht wahr? Es wird sich doch nichts ändern, oder?«

»Alles ändert sich immer. Glück. Unglück.« Genevra schüttelte den Kopf, beugte sich vor und sah Cecily mit durchdringendem Blick an. »Es kommt. Es geht. Niemand weiß … Glück gehört niemand … Glück gehört zum Leben. So ist es, kleine Ceci. Verstehst du mich?«

»Ich verstehe dich, Genevra, und ich danke dir.«

Kapitel 3

Als die Haustür plötzlich aufflog, fuhr Alice erschreckt hoch und sprang sofort auf die Füße, als ihre Tochter mit einem breiten Lächeln hereinkam. Cecily eilte auf ihre Mutter zu, küsste sie und drückte sie an sich.

»Entschuldige, dass ich so spät bin, Mam«, sagte sie, dann drehte sie sich um und schloss die Tür hinter sich.

»Macht nichts, Ceci, ich habe nur Papierkram erledigt«, erwiderte Alice. Mutter und Tochter traten zusammen in den Raum und nahmen auf zwei einander gegenüberstehenden Sesseln Platz. Alice bemerkte: »Du siehst heute hübsch aus, Liebes, aber Hellrosa stand dir schon immer gut.«

»Ich weiß, danke. Du siehst selbst auch ziemlich gut aus, Mam.«

»Natürlich, schließlich trage ich ein Kleid, das meine Tochter für mich entworfen und genäht hat. Es ist schön bequem und angenehm kühl an einem heißen Tag wie diesem.«

»Ich habe noch eine andere Version davon gefertigt, auch aus Baumwolle«, vertraute Cecily ihr an. »Es ist ein Wickelkleid, ähnlich wie ein Morgenrock, das an der Seite zugeknotet wird. Für die Winterkollektion nähe ich Modelle im selben Stil aus leichtem Kaschmir. Wenn sie fertig sind, bringe ich dir welche mit.«

»Vielen Dank, Liebes, du bist immer so aufmerksam.«

»Sei nicht albern, du bist meine Mutter. Du kannst von mir haben, was du willst. Aber zu etwas anderem: Als wir gestern telefoniert haben, erwähntest du einen Plan, den du schmiedest. Aber wofür?«

»Ich hatte die Idee, einen Gemeinschaftsgarten für das Dorf anzulegen. Ich bin direkt zu Charlotte gegangen und habe sie um ein Feld gebeten. Sie hat den Earl gefragt, und er fand auch, dass es eine wunderbare und sehr praktische Idee sei, und überließ mir sofort ein Feld.« Alice nickte, als sie den Satz beendete, und wirkte dabei ein wenig selbstzufrieden. »So ist es dazu gekommen. Ich brauchte einfach nur zu fragen.« Sie stand auf und bedeutete Cecily, es ihr nachzutun. »Komm mit zu meinem Schreibtisch und nimm dir einen Stuhl. Ich möchte dir meinen Plan zeigen.«

Binnen Sekunden saßen die beiden Seite an Seite an Alices Schreibtisch, auf dem ihre Unterlagen vom Women’s Institute ausgebreitet lagen. Daneben befand sich der detaillierte Plan des Feldes, das in den Gemeinschaftsgarten umgewandelt werden sollte. Die Bepflanzung und die Pflege würden von Frauen übernommen werden, die sich freiwillig dazu gemeldet hatten.

Cecily drehte sich zu Alice um und bemerkte: »Das ist wirklich eine praktische Idee. Falls es zum Krieg kommt, werden Nahrungsmittel knapp werden.«

»Wenn es zum Krieg kommt«, korrigierte Alice sie.

»Ja, wenn«, pflichtete Cecily ihr bei und fügte dann in einem etwas seltsamen Ton hinzu: »Du hättest genauso gut Miles oder Harry um ein Feld bitten können, schließlich verwalten die beiden den Besitz.«

»Du hast recht, Ceci, das hätte ich. Aber ich denke nicht, dass das korrekt gewesen wäre. Der Sechste Earl ist immer noch der Sechste Earl; er ist noch nicht tot, und es ist sein Land. Ich fand es nur angemessen, mich über Charlotte an ihn zu wenden.«

»Ich verstehe jetzt, Mam«, antwortete Cecily und schenkte Alice ein warmes Lächeln.

Als sie den großen Bogen Papier betrachtete, sah sie, wie klug das Feld unterteilt worden war, um als Gemüsegarten zu dienen. Jede quadratische Parzelle war mit dem Namen der Gemüsesorte versehen, die darin angebaut werden sollte.

»Kartoffeln, Möhren, Pastinaken«, las Cecily laut vor. »Zwiebeln, Rosenkohl, Weißkohl, Blumenkohl …« Sie brach ab und schüttelte plötzlich lachend den Kopf. »Du bist eine Meisterplanerin, Mutter! Harry muss sein Gärtnertalent von dir geerbt haben.«

»Ach was, er ist viel besser als ich«, wehrte Alice ab und drehte sich auf dem Stuhl zu ihr um. Sie bedachte ihre Tochter mit einem wissenden Blick. »Ist es dir gelungen, mit Harry zu sprechen? Du weißt schon … über diese … Person.«

Cecily schüttelte den Kopf und antwortete leise: »Nein, noch nicht. Eigentlich wären wir heute Nachmittag verabredet gewesen.«

»Seine Affäre mit dieser skandalösen Frau wird allmählich öffentlich!«, rief Alice, und ihr Ton wurde plötzlich zornig. »Er denkt, es sei ein großes Geheimnis, aber das ist es nicht, und dein Vater weiß inzwischen davon. Er ist fuchsteufelswild. Du weißt, wie sehr Seine Lordschaft Skandale hasst. Und dein Bruder ist gerade dabei, für einen handfesten Skandal zu sorgen.«

»Du hast völlig recht mit dem, was du sagst, Mutter, doch er ist ein erwachsener Mann von vierzig Jahren. Er wird mir sagen, dass es mich nichts angeht.«

»Aber du wirst doch mit ihm sprechen?« Alice klang ängstlich, und in ihren Augen stand ein besorgter Ausdruck.

»Das werde ich, versprochen. Gleich morgen früh«, versicherte Cecily ihrer Mutter.

Alice nickte und schürzte die Lippen. Mit festerer Stimme sagte sie: »Er sollte wissen, dass er sich nicht mit ihr hätte einlassen sollen. Pauline Mallard ist eine verheiratete Frau, eine amerikanische Erbin und Dame der Gesellschaft, die in London und New York auf großem Fuß lebt. Und jetzt ist sie in Harrogate. Aber ich nehme an, das ist dir alles bekannt.«

»Ja, Mam.«

»Am Ende wird sie einen Narren aus ihm machen, du wirst schon sehen. Und nicht nur das, sie ist viel älter als er.«

»Aber ich habe gehört, dass sie recht schön sein soll, eine atemberaubende Rothaarige«, hielt Cecily dagegen.

»Und ziemlich mannstoll … das habe ich gehört«, gab Alice prompt zurück, um das letzte Wort zu haben.

»Nachdem Genevra mir die Nachricht überbracht hatte, sagte sie plötzlich etwas ziemlich Seltsames. Sie meinte, ich sollte zu Harry auf keinen Fall etwas über die Frau sagen. Ich war wirklich verblüfft. Dann hat Genevra hinzugefügt, dass sie ihn fallen lassen würde und dass nicht sie sein Schicksal sei, sondern eine andere Frau.«

Alice starrte sie an. »Wie konnte Genevra von Pauline Mallard wissen? Denkst du, dass er sie hierher in sein Haus gebracht und Genevra sie zusammen gesehen hat?«

»Nein, sicher nicht. Aber ich fand die Art, wie sie es sagte, bemerkenswert. Sie war sich ihres Zweiten Gesichts, wie sie es nennt, ihrer Visionen der Zukunft so sicher. Und dann war da ihre Verwendung des Wortes ›Schicksal‹.« Cecily klang verwirrt.

Sie räusperte sich und fuhr langsam fort: »Genevra hat eine ganz eigene Art zu sprechen, Mam. Sie spricht in einem abgehackten Stakkato und bildet Sätze aus kurzen Wörtern. Deshalb fand ich es merkwürdig, dass sie einen Ausdruck wie ›Schicksal‹ überhaupt kannte, da sie ja auch nicht lesen kann.«

»Doch, natürlich kann sie das!«, rief Alice.

»Bist du dir sicher?«

»Aber ja. Ich habe es ihr beigebracht.«

Cecily war so überrascht, dass sie Alice mit offenem Mund anstarrte. »Wann hast du das denn gemacht? Und warum hast du mir nie davon erzählt?«

»Daran habe ich gar nicht gedacht. Es war im Grunde auch nur Zufall. Nachdem du zu Tante Dorothy und Onkel Howard nach London gezogen warst, habe ich einige deiner alten Kleider für sie abgegeben. Sie kam zu mir, um sich zu bedanken, und hat sich nach dir erkundigt. Sie war sehr eindringlich, und da wurde mir klar, dass sie eine starke Verbindung zu dir hat, Ceci, und dass sie sich Sorgen um dich und dein Wohlergehen macht. Ich habe ihr einige der ersten kurzen Berichte über deine Modelle in den Modezeitschriften gezeigt. Da hat sie mir gestanden, dass sie nicht lesen kann. Also habe ich es ihr beigebracht.«

»Wie nett von dir, das zu tun!« Cecily war sichtlich beeindruckt.

»Sie war sehr dankbar.« Alice zögerte kurz, bevor sie schließlich fragte: »Hast du jemals gespürt, dass da diese … Verbindung zwischen euch ist, Cecily?«

»Ja, und ich spüre es immer noch. Sie hat mir vor fünfundzwanzig Jahren gesagt, dass die Swanns herrschen werden. Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen uns.«

»Was genau hat sie vor fünfundzwanzig Jahren gesagt?«, fragte Alice voller Neugier.

»Es war eigentlich nicht das, was sie gesagt hat … ich bin ihr eines Tages auf dem Weg begegnet. Sie hat einen langen Zweig genommen und ein Quadrat in die Erde gezeichnet, mit einem Vogel darauf. Ich habe sie gefragt, was es bedeutet, aber sie wollte es mir nicht verraten. Dann meinte sie, es sei nichts, und lief weg.«

»Und heute hat sie es dir erklärt?«

»Nein. Ich bin vor Jahren selbst dahintergekommen. Das Quadrat stellt Cavendon Hall dar und der Vogel einen Schwan. Sie hat mit der Zeichnung ausgedrückt, dass die Swanns und die Inghams sich miteinander verbinden würden.«

Alice antwortete nicht gleich, dann sagte sie leise: »Sie kann damals nicht gewusst haben, wie dein Leben sich entwickeln würde und dass du, eine Swann, den Sohn eines Earls heiraten würdest. Also muss etwas dran sein an ihrer Behauptung, sie habe das Zweite Gesicht, die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Du glaubst an ihre Prophezeiungen, nicht wahr?«

»Ja. Ich habe immer daran geglaubt.« Cecily griff nach der Hand ihrer Mutter. »Sie hat es mir bewiesen. Bei unserer Hochzeit hat sie mir ein Blatt Papier gegeben. Swann regiert, stand darauf, und daneben war wieder die Zeichnung.«

Als Cecily fort war, ging Alice mit der Gießkanne in den Garten. Während sie den Blumen in den Beeten Wasser gab, blieben ihre Gedanken bei den Swanns und den Inghams.

Blut. In den Adern ihrer drei Enkelkinder floss das Blut der Inghams und Swanns. Wie Cecily fragte sie sich manchmal, ob es noch andere Mitglieder der beiden Familien gegeben hatte, die gemeinsam ein Kind gezeugt hatten oder auch zwei. Sie wusste es nicht.

Wenn es jemand wusste, dann nur Charlotte Swann-Ingham. Sie verwahrte die großen Bücher, in denen seit Jahrhunderten die Chronik der beiden Familien aufgezeichnet wurde. Sie lagen verschlossen in einem Safe, der jetzt in Cavendon Hall im Ankleidezimmer der Countess stand. Nachdem Charlotte Alice darüber unterrichtet hatte, hatte sie ihr einen versiegelten Umschlag gegeben, der den neuen Code für den Safe enthielt. »Bitte, gib ihn Cecily, und sag ihr, dass sie ihn gut wegschließen soll«, hatte Charlotte sie angewiesen, und das hatte Alice getan.

Sie stellte die Gießkanne ab, ließ sich auf der Bank nieder und saß einen Moment lang da, während sie aufs Moor hinausschaute. Am Sonntag war der letzte Tag des Julis, und am Montag war der erste August. Dann würde die Heide zu blühen beginnen, und in einer oder zwei Wochen würde das Moor aussehen wie ein gewelltes Lavendelmeer.

David, Cecilys erster Sohn, hatte Augen von der Farbe der Moore, die lavendelfarbenen Augen, die für die Swanns so typisch waren. Davon abgesehen war er seinem Vater Miles wie aus dem Gesicht geschnitten. Auch Walter hatte die lavendelgrauen Augen, und von Cecily hatte er die Hautfarbe und die fein geschnittenen Züge geerbt. Die fünf Jahre alte Venetia war mit ihrem goldenen Haar und den leuchtend blauen Augen eine waschechte Ingham. Alice lächelte bei dem Gedanken, wie sehr Venetia Lady Dulcie ähnelte, als sie in dem Alter gewesen war.

Enkelkinder. Sie waren etwas Kostbares, und sie hätte gern noch mehr. Harry hatte ihr vor einigen Monaten anvertraut, dass er sich eine Familie wünschte. Er würde gern heiraten, um ein Kind zu haben – mehrere Kinder, um genau zu sein.

Sie hatte keinen Zweifel, dass er ein guter Vater sein würde. Aber Pauline Mallard, die angeblich achtundvierzig war, war sicher jenseits des gebärfähigen Alters. Wut stieg in Alice auf. Sofort schob sie sie beiseite. Sie würde nicht über diese Frau nachdenken.

Gleich darauf verdrängte ihr natürliches Mitgefühl ihre Angst um Harry und ihren Ärger auf ihn, und eine Welle des Mitleids für ihren Sohn erfasste sie.

Kapitel 4

Greta Chalmers legte den Hörer auf die Gabel und ließ die Hand für einen Moment darauf ruhen. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr die Brust zusammengeschnürt. Tränen standen ihr in den grünen Augen. Blinzelnd schluckte sie sie herunter.

Sie hatte ihren Vater noch nie so verzweifelt und missmutig gehört, doch sie kannte den Grund dafür. Er sah keinen Ausweg aus seiner Zwangslage, keine Lösung für sein Dilemma. Am Ende ihres Gesprächs hatte er gesagt: »Ich sitze in der Falle. Wir sitzen in der Falle. Man kann nichts tun, Liebling.« Nachdem er ihr versichert hatte, dass er sie liebte, dass sie alle sie liebten, hatte er aufgelegt.

Und sie liebte sie: ihren Vater, ihre Stiefmutter Heddy, ihre Halbschwester Elise und ihren Halbbruder Kurt. Sie lebten in Berlin, aber ihnen war klar geworden, dass sie als Juden das Land so bald wie möglich verlassen mussten, um vor den Gefahren des monströsen Dritten Reichs zu fliehen. Sie wollten nach England kommen; sie wussten, dass sie bei ihr unterkommen konnten, bis sie etwas Eigenes fanden. Sie hatten Pässe, doch keine Visa, keine Reisepapiere. Sie saßen fest, wie ihr Vater gerade gesagt hatte.

Gretas Gedanken rasten. Zahlreiche widerstreitende Ideen rangen um die Vorherrschaft. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Es war jetzt fast halb vier, Cecily würde jeden Augenblick ins Büro zurückkommen. Greta riss sich zusammen, so gut es ging. Sie ließ das Telefon los, setzte sich gerade hin, richtete den Kragen ihres Baumwollkleides und strich sich über das dunkelbraune Haar.

Dann griff sie nach dem letzten Brief, den sie getippt hatte, und legte ihn in den Ordner. Sie musste gefasst sein, wenn Cecily eintraf. Sie wusste, dass ihre Chefin sich ihretwegen und wegen der Probleme ihres Vaters Sorgen machte, doch Greta hatte noch keine Lösung gefunden. Niemandem, den sie kannte, war eine Lösung eingefallen, und sie hatte eine ganze Reihe guter Freunde in London. Ihre Arbeitgeberin hatte sich als wahre Freundin erwiesen, die nur das Beste für sie wollte.

Als Greta und Cecily sich das erste Mal begegnet waren, hatten sie sich auf Anhieb gut verstanden. Sie hatten einander sofort gemocht und kamen seitdem gut miteinander aus. Es gab nie ein böses Wort zwischen ihnen.

Cecily scherzte oft darüber, wie gut sie miteinander harmonierten und dass sie oft zur gleichen Zeit das Gleiche dachten. »Wir sind beide Mai-Kinder«, hatte Cecily nach ihrem ersten Jahr der Zusammenarbeit gesagt. Sie waren beide in der ersten Mai-Woche zur Welt gekommen, aber Cecily war sechs Jahre älter als Greta.

Greta liebte ihre Stellung als Cecily Swanns Assistentin, und obwohl es sehr viel zu tun gab, arbeitete ihre Chefin genauso hart wie sie. Sie fanden Erfüllung im Beruf, und manchmal schauderte Greta bei der Erinnerung, dass sie zu dem Vorstellungsgespräch in dem Laden in der Burlington Arcade beinahe gar nicht hingegangen wäre. Vielleicht hatte sie kalte Füße bekommen und sich nicht getraut, vielleicht hatte auch ihr Mangel an Erfahrung sie davon abgehalten. Aber schließlich hatte sie ihren ganzen Mut zusammengenommen und war zu der berühmten Modeschöpferin gegangen. Und sie hatte die Stellung bekommen. Am nächsten Tag hatte sie angefangen, bei Cecily Swann Couture zu arbeiten.

Greta befolgte den Rat, den Cecily ihr gegeben hatte, zog ihr kleines Notizbuch aus der Handtasche und nahm einen Bleistift zur Hand. Sie würde eine Liste erstellen, wie Cecily es vorgeschlagen hatte, und alles aufschreiben, was sie tun musste, um ihr Haus für ihre Familie vorzubereiten.

Als Greta am vergangenen Tag in Cavendon eingetroffen war, hatte Cecily ihr geraten, positiv in die Zukunft zu sehen, und ihr versichert, dass ihre Familie aus Nazi-Deutschland herauskommen würde und dass sie sie dann aufnehmen musste. Greta wollte das gern tun und sich um sie kümmern.

In den letzten Jahren hatte Greta sich oft gewünscht, Roy, ihr Ehemann, würde noch leben. Er hätte das Problem im Handumdrehen bewältigt und kurzen Prozess damit gemacht. Aber er war tot, war vor fünf Jahren viel zu jung gestorben.

Greta senkte den Kopf und machte sich daran, eine Liste von Neuanschaffungen zu erstellen, um ihr Haus in der Phene Street behaglicher zu gestalten.

»Da bin ich!«, rief Cecily und kam in Gretas Büro geeilt. »Entschuldige, dass ich mich verspätet habe. Ich weiß, dass du deinen Zug erwischen musst.«

»Ich habe noch reichlich Zeit. Goff meinte, wir müssten um halb fünf losfahren, damit ich den Sechs-Uhr-Zug nach King’s Cross bekomme.«

»Also können wir uns kurz entspannen und ein wenig plaudern. Ich werde die Briefe abzeichnen und meine Termine mit dir durchgehen. Was steht für Montag in London an?«

»Nicht viel«, antwortete Greta. »Ich habe den Tag freigehalten, da du am Dienstag nach Zürich fährst.«

Nachdem Cecily ihre Briefe unterschrieben hatte, schaute sie zu ihrer Assistentin hinüber und sagte behutsam: »Konntest du deinen Vater erreichen?«

»Ja, und er klang etwas niedergeschlagen, um ehrlich zu sein.« Greta war überrascht, wie fest ihre Stimme klang.

Cecily nickte. »Das war zu erwarten, er ist besorgt und frustriert. Aber hör zu, ich werde versuchen, dir zu helfen, eine Lösung zu finden. Und du weißt, wie ich bin, wenn ich mich in etwas verbeiße.«

Trotz ihrer Sorgen lachte Greta. »Wie ein Hund mit einem Knochen.«

»Genau«, antwortete Cecily. »Wenn es ein Problem gibt, muss ich es lösen – und zwar schnell, bevor es außer Kontrolle gerät. Aber dir ist sicher klar, dass ich in dieser Angelegenheit Hilfe brauche, Greta. Ich habe jemanden, mit dem ich reden kann und der mich vielleicht in die richtige Richtung lenkt.«

Greta nickte nur. Sie hatte volles Vertrauen in sie, und sie wusste: Wenn jemand helfen konnte, dann war es Cecily – diese schöne und begabte Frau, zu der sie vollstes Vertrauen hatte.

Etwas später durchquerte Cecily die große Eingangshalle von Cavendon. Als Musik erklang, blieb sie stehen, stand für einen Moment still da und hörte aufmerksam zu.

Die zauberhaften Klänge kamen aus dem Gelben Salon, wo Daphnes Tochter Annabel auf dem neuen Klavier spielte. Niemand sonst konnte den Elfenbeintasten so wunderbare Musik entlocken wie sie.

Die Vierzehnjährige spielte seit ihrer Kindheit. Klavier war ihre Leidenschaft, und sie war großartig. Cecily sagte Daphne immer wieder, wie begabt sie war, und beteuerte stets, dass sie gut genug sei, um eines Tages Konzertpianistin zu werden.

Daphne lächelte dann nur gelassen, zweifellos, weil sie das Gleiche dachte, es aber nicht zugeben wollte. Die schöne Daphne, der Cecily aufrichtig zugetan war, war viel zu kultiviert, um ihre fünf Kinder zu Höchstleistungen anzutreiben. Doch sie waren alle talentiert und sehr klug. Alicia wollte Schauspielerin werden, Charlie Journalist, und die Zwillinge hatten vor, sich Hugo in der Finanzwelt anzuschließen.

Cecily setzte ihren Weg durch die Halle fort. Sie wusste, dass sie wieder einmal zu spät zum Nachmittagstee kommen würde, und eilte zum Salon. Sie öffnete die Tür, blieb auf der Schwelle stehen und spähte hinein.

Sie stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus, als sie sah, dass sie ausnahmsweise einmal doch nicht die Letzte war. Tante Charlotte und der Earl waren bereits da, ebenso Lady Gwendolyn. Annabel saß noch am Klavier und begann mit einem neuen Stück. Es war Beethovens Mondscheinsonate. Diedre war früher als gewöhnlich aus London eingetroffen und saß zwischen Lady Gwen und ihrem elfjährigen Sohn Robin, der ihr erzählte, was er während ihrer Abwesenheit erlebt hatte. Er verbrachte wie immer den Sommer mit seinen Cousins und Cousinen in Cavendon.

Ihre eigenen drei, David, Walter und Venetia, saßen am Kindertisch auf der anderen Seite des Salons. Er war eine Neuerung von Charlotte, die davon überzeugt war, dass sie mehr Spaß am Nachmittagstee haben würden, wenn sie ihren eigenen Tisch hatten. Die Kinder waren von der Idee begeistert gewesen. Zwei Stühle für Robin und Annabel waren noch frei.

Als Cecily vortrat, hörte sie einen Freudenschrei. Venetia hatte sie entdeckt. Ein kleiner Wonneproppen mit einem engelhaften Gesicht, blonden Locken und leuchtend blauen Augen kam auf sie zugeschossen und strahlte dabei übers ganze Gesicht.

Cecily ging in die Hocke, fing ihre fünfjährige Tochter mit beiden Armen auf und zog sie an sich. Dann raunte sie ihr zu: »Siehst du, ich habe mein Versprechen gehalten. Ich bin heute nicht zu spät.«

Venetias blaue Augen sprühten vor Lachen, und auf ihren Wangen bildeten sich Grübchen. Sie flüsterte zurück: »Daddy wird der Letzte sein, Mummy. DERLETZTE!«

Cecily unterdrückte ihr eigenes Lachen, sah sie an und schüttelte den Kopf. »Vielleicht auch nicht, Süße. Wo ist Tante DeLacy? Was meinst du, versteckt sie sich hier irgendwo?«

Kichernd und kopfschüttelnd wisperte Venetia: »Wird sie die Letzte sein?«

»Ich denke, ja«, antwortete Cecily. Es war ein kleines Spiel zwischen ihnen. Normalerweise erschient Cecily als Letzte zum Tee. Miles zog sie jedes Mal damit auf, und ihre kleine Tochter protestierte dann gegen seine Neckereien. Jetzt war Venetia ganz aus dem Häuschen, dass ihre Mutter an diesem Nachmittag vor ihrem Vater gekommen war.

Cecily nahm Venetia an die Hand, führte sie in den Raum, lächelte jedem zu und begrüßte alle herzlich. Sie ging an den Kindertisch und gab ihren Söhnen David und Walter einen Kuss. Die Jungen nickten ihr grinsend zu und freuten sich sichtlich, dass sie es vor Miles geschafft hatte. Cecily war ungemein belustigt.

Robin stand auf und kam zu ihr, um sie zu küssen, dann eilte er zum Kindertisch, gefolgt von Annabel. Cecily beugte sich vor, gab Lady Gwendolyn einen Kuss und sagte: »Wie schön du in deinem violetten Kleid aussiehst, Großtante! Es steht dir immer noch.«

»Vielen Dank, Cecily. Ich muss dir sagen, dass es schon einige Jahre alt ist. Aber das weißt du ja.« Lady Gwendolyn kicherte und fuhr fort: »Ich bin sehr sparsam, und ich hebe alle Kleider auf, die du für mich schneiderst. Es ist gut, dass deine anderen Kundinnen das nicht tun, sonst wärest du im Handumdrehen pleite.«

Cecily nickte zustimmend und setzte sich zwischen Lady Gwen und Diedre. Sie wandte sich zu ihrer Schwägerin und raunte ihr leise zu: »Kann ich dich nachher sprechen? Es geht um die Arbeit.«

Diedre nickte nur.

Der Earl sah quer durch den Raum zu ihr herüber und sagte warm: »Danke, Ceci, dass du Greta heute Morgen erlaubt hast, die Briefe für mich zu tippen. Es war mir eine große Hilfe.«

Greta machte sich oft in der Familie nützlich und hatte Diedre und Robin besonders ins Herz geschlossen, denen sie in den schrecklichen Monaten nach dem Tod von Paul Drummond, Diedres Ehemann und Robins Vater, in einigen schriftlichen Angelegenheiten zur Hand gegangen war.

»Es war kein Problem, sie hat gern geholfen.«

Charles Ingham betrachtete seine Schwiegertochter mit einem liebevollen Ausdruck in den Augen. Er behandelte sie inzwischen wie seine eigenen Töchter, und er bewunderte sie ungemein. »Greta tut mir leid. Sie macht sich solche Sorgen um ihre Familie und fühlt sich hilflos, weil sie nichts tun kann. Hat sie in letzter Zeit etwas von ihrem Vater gehört?«

»Sie hat heute mit ihm telefoniert. Professor Steinbrenner glaubt, dass sie momentan in Berlin festsitzen.«

Das Gesicht des Earls war ernst, als er sagte: »Es steht schlimm um Europa. Und wir …«

Charlotte unterbrach ihn schnell. Mit leiser Stimme murmelte sie: »Wir sollten vor den Kindern nicht über das Geschehen in Europa sprechen.« Sie hatte gerade bemerkt, dass David und Robin das Gespräch ihres Großvaters aufmerksam verfolgten. »Feind hört mit«, fügte sie halblaut hinzu.

Bevor Charles etwas erwidern konnte, wurde die Tür aufgerissen und DeLacy kam mit geröteten Wangen und außer Atem in den Raum gestürmt.

»Hallo zusammen!«, rief sie und ging direkt zu ihrem Vater und Charlotte, um sie beide zu küssen. Dann eilte sie zu Lady Gwendolyn, setzte sich neben sie, drückte ihr die Hand und gab auch ihr einen Kuss auf die Wange. »Du hast mich nach Neuigkeiten über Dulcie und James gefragt, als du neulich in der Galerie angerufen hast. Heute Morgen habe ich einen Brief von Dulcie …«

»Entschuldige, Charlotte, entschuldige, Papa, dass ich mich verspätet habe. Es ließ sich leider nicht vermeiden. Ich musste einen wichtigen Anruf entgegennehmen«, verkündete Miles, als er dicht hinter seiner Schwester DeLacy den Raum betrat.

»Schon gut, Miles«, beruhigte ihn der Earl.

»Es sei dir verziehen«, fügte Charlotte hinzu; ihre Stimme war warm und herzlich. Miles war immer einer ihrer Lieblinge gewesen.

»Zu spät, zu spät, zu spät«, ertönte ein Chor junger Stimmen, der ausgesprochen schadenfroh klang.

Venetia kicherte, ebenso wie Cecily, und genau in dem Moment wurde die Tür geöffnet, und Hanson trat mit wichtiger Miene ein.

Er richtete den Blick auf Lord Mowbray und fragte: »Sollen wir den Tee servieren, Mylord?«

»Ja, bitte, Hanson. Es sind jetzt alle da.«

Hanson neigte den Kopf, drehte sich auf dem Absatz um und gab Gordon Lane, dem Butlergehilfen, ein Zeichen, mit dem größten Teewagen hereinzukommen. Darauf befand sich das silberne Teeservice, Tassen, Unterteller und Essteller. Hinter Gordon schoben zwei Hausmädchen Teewagen mit Sandwiches, Scones, Erdbeermarmelade und Clotted Cream in den Salon. Daneben gab es eine Sahnetorte und eine Auswahl an köstlichem Gebäck.

Tassen wurden gefüllt, Teller mit Sandwiches herumgereicht, und einmal mehr wurde der Nachmittagstee auf die gleiche Art serviert wie schon seit Jahren. Es war ein Ritual, das alle genossen. Nachdem das Personal die Teewagen in den hinteren Bereich des Gelben Salons gerollt hatte und alle versorgt waren, ergriff Lady Gwendolyn das Wort. »Nun mach schon, DeLacy, erzähl uns die Neuigkeiten aus Hollywood.«

»Also«, antwortete DeLacy und stellte ihre Tasse auf den Unterteller. »Dulcie und James geht es gut, den Zwillingen, Rosalind und Juliet, sowie dem kleinen Henry auch. Die Kinder entwickeln sich prächtig. James hat seinen neuen Film zur Hälfte abgedreht, und die Arbeit bei Metro Goldwyn Mayer macht ihm Spaß. Trotzdem wollen Dulcie und James nach England zurückkommen.« DeLacy hielt inne und warf Großtante Gwendolyn einen vielsagenden Blick zu. Dann schaute sie ihren Vater, Charlotte und ihre Schwester Diedre an.

Lady Gwendolyn sagte: »Ich glaube, wir kennen den Grund. Ein waschechter Engländer wie James muss das Gefühl haben, dass es seine Pflicht ist, in diesem besonderen und gefährlichen Moment in der Geschichte in seiner Heimat zu sein. Und so wie ich Dulcie kenne, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie genau das Gleiche empfindet.«

»Oh, das ist gar keine Frage«, schaltete Charles sich ein, dann sah er Charlotte an und fragte: »Meinst du nicht auch?«

»Ja, allerdings. Du weißt, dass Dulcie vom Scheitel bis zur Sohle Engländerin ist.«

Miles schaltete sich in das Gespräch ein und rief: »Ich nehme an, sie werden Kalifornien verlassen, wenn er mit dem Film fertig ist.«

»Hoffentlich«, antwortete DeLacy ihrem Bruder. »Aber Dulcie zufolge könnte es ein Problem geben. James hat einen längerfristigen Vertrag mit MGM. Anscheinend ist Louis B. Mayer, der die Gesellschaft leitet, ein großer Fan von ihm, und es war ein Coup, James unter Vertrag zu nehmen. Dulcie glaubt nicht, dass er James von dem Vertrag entbinden wird.«

»Er wird vermutlich noch weitere Filme machen müssen«, warf Diedre ein. »Ein unterschriebener Vertrag ist bindend, wie ihr wisst. Und nicht nur das, James bringt MGM eine Menge Geld ein. Es ist klar, dass man ihn nicht gehen lassen will.«

Cecily warf ein: »Aber alles ist verhandelbar. Es wird sich bestimmt eine Lösung finden, falls es ein Problem gibt.« Sie sah DeLacy an und schenkte ihrer liebsten Freundin ein Lächeln. »Was ist mit Felix und Constance? Ich dachte, sie wären im Moment in Amerika.« Felix Lambert war James’ Agent und Freund. Er und seine Frau Constance hatten den fünfzehnjährigen James vor vielen Jahren in Madame Adelia Fosters Schauspielschule für Kinder entdeckt.

»Ja, sie sind in New York und fliegen nächste Woche nach Los Angeles. Dulcie betet, dass Felix weiß, wie er mit Mr Louis B. Mayer umgehen muss.«

Miles sah DeLacy neugierig an und fragte: »Warum nennst du ihn immer bei seinem vollen Namen? Es klingt so merkwürdig.«

DeLacy lachte. »Ja, nicht? Aber so nennt Dulcie ihn in ihren Briefen, und ich schätze, dass ich es von ihr übernommen habe.«

»Felix Lambert ist ein ziemlich gerissener Fuchs, und das Gleiche gilt für Constance«, sagte Diedre. »Deshalb lässt James sich von ihnen vertreten. Überlasst es den beiden. Sie werden sich schon etwas einfallen lassen, schließlich sind sie Profis. Ich habe festgestellt, dass man gut damit fährt, alles den Profis zu überlassen.«

Cecily nickte. »Ganz meine Meinung. Und so, wie ich Felix kenne, wird er bestimmt etwas aus dem Hut zaubern.«

DeLacy nickte. Dann richtete sie das Wort an ihren Vater. »Du wirst dich freuen zu erfahren, dass Dulcie begeistert darüber ist, wie ich ihre Kunstgalerie führe, vor allem, da wir einen großen Gewinn erzielt haben, ganz besonders in diesem Jahr. Es sollte dich auch glücklich machen, Papa. Du wirst von der Galerie einen ziemlich dicken Scheck für den Cavendon-Restaurations-Fonds erhalten.«

»Ich bin sehr erfreut, DeLacy. Gut gemacht, Liebling«, lobte ihr Vater sie.

»Ich muss schon sagen, das sind wirklich tolle Nachrichten, altes Haus«, rief Miles. Er stand auf, ging zu seiner Schwester und umarmte sie. »Und es stimmt, du hast deine Sache fabelhaft gemacht.«

DeLacy lächelte ihn an. »Danke. Du hast mir beigebracht, wie man ein Geschäft führt. Du und Ceci.«

Miles zog einen Mundwinkel hoch und ging hinüber zum Kindertisch. Bevor er ein Wort sagen konnte, setzte ein kleiner Sprechchor ein. »Zu spät, zu spät, zu spät. Zu spät, zu spät, zu spät.«

Er zerzauste Walter das Haar, der der Anführer dieses Chors war. »Ihr kleinen Lausebengel. Ihr seid sehr unartige Jungen, wisst ihr das?«

»Bin ich ein unartiges Mädchen?«, fragte Venetia und sah ihren Vater mit schalkhaften Augen an.

Er ging um den Tisch, trat neben ihren Stuhl und antwortete leise: »Ich glaube schon. Aber das heißt nicht, dass ich dich nicht lieb habe, Venetia.« Er strich ihr über das weißblonde Haar. »Und du bist eindeutig meine Lieblingstochter.«

»Oh, Daddy, sei nicht dumm. Ich bin deine einzige Tochter.«

»Manchmal habe ich das Gefühl, als würden eine ganze Menge von euch hier herumschleichen.«

Kapitel 5

Sie hatten sich für vor dem Abendessen im Wintergarten verabredet, aber Diedre war noch nicht da, als Cecily kam. Sie ging über den Terrakottaboden zu den Balkontüren und schaute aufs Moor hinaus, das sich bis zur Nordsee erstreckte. Die Aussicht war ihr wohlvertraut, doch sie bewunderte sie immer wieder aufs Neue.

Die Dämmerung brach langsam ein. Der Himmel war jetzt von einem tiefen Blau, und der ferne Horizont war mit einer Mischung von Farben gestreift: Lavendel und Apricot und ein dunkles Rosa, das fast schon Rot war.

»Abendrot, Gut-Wetterbot, Morgenrot, schlecht Wetter droht.« Diese Worte kamen ihr in den Sinn, und sie dachte daran, wie oft ihre Mutter sie zu ihnen gesagt hatte, als sie noch Kinder gewesen waren.

Cecily wandte sich vom Fenster ab, schlenderte zum Schreibtisch hinüber und strich liebevoll über das glatte alte Holz. Wie oft hatte sie hier gestanden und mit Daphne geredet, die diesen Schreibtisch mit Beschlag belegt hatte, als sie siebzehn gewesen war und in ihrem jungen Leben vor schrecklichen Problemen gestanden hatte!

Der Wintergarten war schnell zu Daphnes privatem Raum geworden, zu ihrem eigenen Reich. Kein anderes Mitglied der Familie nutzte ihn, und so hatte sie ihn sich zu eigen gemacht.

Von hier aus hatte sie ihre Hochzeit mit Hugo geplant, ein freudiges Ereignis, und später war der Raum zu ihrem »Kommandoposten« geworden, als sie sich um die Belange des großen Haushalts gekümmert hatte.

Nachdem Cecily noch etwas länger am Schreibtisch gestanden hatte, ging sie zu einer Gruppe Korbstühle und setzte sich. Ihre Gedanken wanderten zu Diedre. Sie wusste, dass Miles’ älteste Schwester der beste Ansprechpartner war, was Gretas Familie und ihre schlimme Lage betraf. Sie arbeitete seit 1914 fürs Kriegsministerium und hatte ihre Arbeit dort nach Kriegsende fortgesetzt. Erst als sie sich mit Paul Drummond verlobt hatte, hatte sie gekündigt.

Cecily wusste, wie tief ihre Trauer gewesen war, als Paul ganz plötzlich und unerwartet gestorben war. Sie hatte ihr nach besten Kräften geholfen, das schreckliche erste Jahr der Witwenschaft zu überstehen. Eines Tages hatte Diedre ihr unverhofft anvertraut, dass sie an ihre alte Stelle im Ministerium zurückkehren werde. Sie hatte erklärt, die Arbeit werde ihre Trauer und Einsamkeit lindern. »Außerdem wird es Krieg geben, einen sehr schlimmen Krieg, und ich werde gebraucht werden«, hatte sie hinzugefügt.

Obwohl Diedre nie über ihre Arbeit im Kriegsministerium gesprochen hatte, war Cecily sich ziemlich sicher, dass sie für den Geheimdienst tätig war, und das vermutete auch Miles. Wenn also irgendjemand wusste, wie eine Flucht aus einem anderen Land zu bewerkstelligen war, dann Diedre.

Cecily richtete ihre Gedanken jetzt auf Greta. Sie hatte eine tiefe Bindung zu ihr entwickelt, und sie machte sich Sorgen um sie. Ihre Assistentin war sehr aufrichtig und von enormer Integrität, außerdem arbeitete sie hart. Cecily verließ sich voll und ganz auf sie. Sie konnte sich gut in andere Menschen einfühlen, vor allem in die, die ihr etwas bedeuteten, und Cecily wusste, wie sehr Greta unter der Situation in Berlin litt.

Gretas Vater war ein bekannter Professor der Philosophie. Er hatte vor vielen Jahren in Oxford klassische Altertumswissenschaft studiert und war einer der angesehensten Experten für Plato. Greta liebte ihren Vater. Sie mochte auch ihre Stiefmutter Heddy sehr gern. Ihre beiden Halbgeschwister Kurt und Elise waren für sie fast wie ihre eigenen Kinder, und sie sorgte sich ständig um sie. Cecily hasste es, sie leiden zu sehen, und war zutiefst beschämt darüber, dass sie selbst nichts tun konnte, um zu helfen. Sie lehnte sich auf dem Korbstuhl zurück, schloss die Augen und ließ die Gedanken treiben.

Als Cecily das Klicken hoher Absätze auf den Fliesen hörte, setzte sie sich ruckartig in ihrem Stuhl auf. Diedre kam in den Wintergarten und wirkte sehr elegant in einem marineblauen Seidenkleid, das Cecily für sie angefertigt hatte.

Es war ein figurbetontes Kleid im Schrägschnitt, das Diedre größer und graziler aussehen ließ denn je. Aber Diedre, die einen großen Teil ihrer Zeit in London verbrachte, war ohnehin schon lange für ihren Sinn für schicke Mode bekannt.

»An dir sehen meine Kleider immer viel besser aus«, rief Cecily mit einem strahlenden Lächeln.

Diedre lachte. »Danke für das schöne Kompliment, doch das liegt nur am Kleid, und das weißt du. Es ist eins meiner Lieblingsstücke geworden.« Sie setzte sich auf einen Stuhl und fügte hinzu: »Du hast vorhin so ängstlich geklungen. Dann erzähl mal. Was ist los?« Wie Großtante Gwendolyn kam Diedre immer gleich zur Sache.

»Greta und ihre Familie sind Juden. Sie müssen Deutschland verlassen. Ich würde ihr gern helfen, wenn ich kann, aber ich brauche einen Rat – deinen Rat, um genau zu sein.«

Diedre versteifte sich auf dem Stuhl und schüttelte heftig den Kopf. »Das ist ein großes Problem, und es wird kaum zu lösen sein. Ich kann dir dabei keinen Rat geben, Ceci.«

»Ihr Vater, ihre Stiefmutter und deren zwei Kinder haben keine gültigen Reisedokumente. Sie sind mit ihrer Weisheit am Ende«, berichtete Cecily und verstummte, als sie den Ausdruck des Entsetzens auf Diedres Gesicht und die Furcht in ihren Augen sah.

Diedre, die ausgesprochen scharfsichtig und eine gute Menschenkennerin war, merkte, dass ihre Schwägerin Greta wirklich helfen wollte. Doch Cecily machte sich keine Vorstellung davon, wie schwer diese Aufgabe sein würde. Da sie die Bitte ihrer Schwägerin nicht zu schnell abtun wollte, bat Diedre jetzt: »Kannst du mir noch einmal etwas zu Greta und ihrer Familie sagen? Du hast mir damals ein bisschen über sie erzählt, als sie angefangen hat, für dich zu arbeiten, doch ich fürchte, das meiste davon habe ich vergessen. Und sie selbst hat sich mir gegenüber immer bedeckt gehalten, was ihr Privatleben angeht.«

»Greta und ihr Vater sind gebürtige Deutsche, aber ihre Mutter, die starb, als sie noch klein war, war Engländerin. Sie hieß Antonia Nolan. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat ihr Vater sie zu Catherine Nolan gegeben, ihrer Großmutter, die übrigens noch lebt und in Hampstead wohnt. Sie hat Greta großgezogen.«

»Jetzt fällt es mir wieder ein«, sagte Diedre. »Greta ist nach Oxford gegangen, nicht?«

»Ja, sie ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten. Ihr Vater hat wieder geheiratet, aber sie ist in London geblieben, weil ihr das Leben dort besser gefallen hat.«

Diedre nickte. »Greta hat dann einen Engländer geheiratet, einen Architekten.«

»Genau, Roy Chalmers. Traurigerweise ist er ja vor etwa fünf Jahren an Leukämie gestorben.«

»Nur so aus Neugier, ist Greta britische Staatsbürgerin? Wenn sie eine englische Mutter und einen englischen Ehemann hat, dann müsste sie doch eigentlich die britische Staatsangehörigkeit erworben haben, oder?«

»Ja, sie hat einen britischen Pass.«

»Ich bin froh, das zu hören. Der Pass ist sehr wichtig für sie, in Kriegszeiten ist er eine absolute Notwendigkeit. Er wird zwar ihrer Familie nicht helfen, aber ich bin trotzdem erleichtert, weil man sie dadurch nicht internieren kann.«

»Willst du damit sagen, dass man sie internieren könnte, wenn sie Deutsche wäre?«

»Ja.«