Cavendon Hall – Momente des Glücks - Barbara Taylor Bradford - E-Book
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Cavendon Hall – Momente des Glücks E-Book

Barbara Taylor Bradford

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Beschreibung

Ein Wochenende im Juli 1926. Der Earl hat zum ersten Mal seit Jahren seine gesamte Familie zu einem großen Fest nach Cavendon Hall eingeladen. Alle sind begeistert von der Einladung - doch jeder verfolgt einen ganz eigenen Plan. Es tauchen alte Feinde auf, und die Loyalität der Swanns zu den Inghams wird abermals stark auf die Probe gestellt. Aber die Cavendon-Hall-Frauen schließen sich zusammen und versuchen ihre Familien sicher in ein neues Jahrzehnt und eine neue Welt zu retten. Und inmitten dieses turbulenten Geschehens kämpft Cecily Swann mit ihren ambitionierten Plänen. Wird sie es schaffen, sich als Modedesignerin selbstständig zu machen und so als erste ihrer Familie Cavendon Hall zu verlassen?

Auch der zweite Band der Cavendon-Hall-Saga ist ein großes Glück für alle Fans von Downton Abbey, die auf der Suche nach einer weiteren leidenschaftlichen, dramatischen und doch herzerwärmenden Geschichte sind.

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Inhalt

CoverWeiterere Titel der AutorinÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumWidmungPersonenverzeichnisDIE HERRSCHAFTDIE INGHAMS IM JAHRE 1926DIE KINDER DES EARLS UND DER EHEMALIGEN COUNTESSWEITERE MITGLIEDER DER FAMILIE INGHAMZWISCHEN DEN WELTENDIE ZWEITE FAMILIE: DIE SWANNSDIE SWANNS IM JAHRE 1926WEITERE SWANNSDIE DIENERSCHAFTWEITERE ANGESTELLTEAUSSENARBEITERTEIL 1: EIN FAMILIENTREFFENKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21TEIL 2: ENTHÜLLUNGENKapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43TEIL 3: KRIEGERINNENKapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55TEIL 4: VERKLEIDETE ENGELKapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60

Weitere Titel der Autorin

Die Emma-Harte-Saga:

Des Lebens bittere Süße

Bewahrt den Traum

Und greifen nach den Sternen

Und plötzlich reißt der Himmel auf

Ein Geschenk des Schicksals

Am Ende wartet die Liebe

Die Yorkshire-Saga:

Cavendon Hall – Zeiten des Verrats

Über dieses Buch

Ein Sommerwochenende im Juli 1926. Der Earl hat zum ersten Mal seit Jahren seine gesamte Familie zu einem großen Fest nach Cavendon Hall eingeladen. Alle sind begeistert von der Einladung – doch jeder verfolgt einen ganz eigenen Plan. Es tauchen alte Feinde auf, und die Loyalität der Swanns zu den Inghams wird abermals stark auf die Probe gestellt. Aber die Cavendon-Hall-Frauen schließen sich zusammen und versuchen ihre Familien sicher in ein neues Jahrzehnt und eine neue Welt zu retten. Und inmitten dieses turbulenten Geschehens kämpft Cecily Swann mit ihren ambitionierten Plänen. Wird sie es schaffen, sich als Modedesignerin selbstständig zu machen und so als erste ihrer Familie Cavendon Hall zu verlassen?

Auch der zweite Band der Cavendon-Hall-Saga ist ein großes Glück für alle Fans von Downton Abbey, die auf der Suche nach einer weiteren leidenschaftlichen, dramatischen und doch herzerwärmenden Geschichte sind.

Über die Autorin

Barbara Taylor Bradford verbrachte ihre Kindheit und Jugend in England. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie im Alter von achtzehn Jahren begann, Kinderbücher zu schreiben. Schon bald folgten Romane, der Durchbruch gelang ihr mit »Des Lebens bittere Süße«. Seitdem hat sie fünfundzwanzig Bücher geschrieben, die allesamt Bestseller wurden. Sie widmet alle Werke ihrem Mann, mit dem sie in New York lebt.

BARBARA TAYLOR BRADFORD

CAVENDON HALL

Momente des Glücks

Aus dem Englischen von Michaela Link

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2015 by Barbara Taylor Bradford

Titel der britischen Originalausgabe: »The Cavendon Women«

Originalverlag: HarperCollins Publishers Ltd., London

Originally published in the English language by HarperCollins Publishers Ltd. under the title The Cavendon Women © Barbara Taylor Bradford 2015 Barbara Taylor Bradford asserts the moral right to be identified as the author of this work.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © Akabei / gettyimages; Boonyachoat / gettyimages; Richard Jenkins; Gumroad und Pixabay

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-7648-7

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Bob, mit all meiner Liebe. Immer.

Personenverzeichnis

DIEHERRSCHAFT

DIEINGHAMSIMJAHRE 1926

Charles Ingham, 6. Earl von Mowbray, 57 Jahre alt. Besitzer und Hüter von Cavendon Hall. Als Lord Mowbray angeredet.

Felicity Ingham, seine frühere Frau, die ehemalige Countess von Mowbray, 56 Jahre alt. Selbst rechtmäßige Erbin ihres verstorbenen Vaters, eines Fabrikanten. Jetzt wiederverheiratet mit Lawrence Pierce, einem bekannten Chirurgen.

DIEKINDERDESEARLSUNDDEREHEMALIGENCOUNTESS

Miles Ingham, der Erbe des Earls, 27 Jahre alt. Er wird als der Ehrenwerte Miles Ingham angeredet, lebt in Cavendon und lernt, das Anwesen zu führen. Verheiratet mit Clarissa Meldrew.

Lady Diedre Ingham, älteste Tochter, 33 Jahre alt, lebt in London. Sie arbeitet im Kriegsministerium. Unverheiratet.

Lady Daphne Ingham Stanton, zweitälteste Tochter, 30 Jahre alt. Sie ist mit Hugo Ingham Stanton verheiratet und wohnt mit ihm und ihren fünf Kindern im Südflügel von Cavendon.

Lady DeLacy Ingham, drittälteste Tochter, 25 Jahre alt, lebt in London. Geschieden von Simon Powers. Hat ihren Mädchennamen wieder angenommen.

Lady Dulcie Ingham, viertälteste Tochter, 18 Jahre alt. Sie wohnt in Cavendon.

Die vier Mädchen werden von der Dienerschaft immer noch liebevoll »die vier D« genannt.

Die Kinder von Lady Daphne und Mr Hugo Stanton sind Alicia, 12 Jahre alt; Charles, achteinhalb; die Zwillinge, Thomas und Andrew, 5 Jahre alt, und Annabel, 2.

WEITEREMITGLIEDERDERFAMILIEINGHAM

Lady Lavinia Ingham Lawson, Schwester des Earls, 53 Jahre alt. Wohnt, wenn in Yorkshire, auf dem Anwesen in Skelldale House, hält sich aber zumeist in London auf. Sie war mit John Edward Lawson, genannt Jack, verheiratet und ist jetzt Witwe.

Lady Vanessa Ingham, unverheiratete Schwester des Earls, 47 Jahre alt. Sie hat eine eigene Suite in Cavendon, die sie nutzt, wenn sie in Yorkshire ist. Sie verbringt die meiste Zeit in London.

Lady Gwendolyn Ingham Baildon, die verwitwete Tante des Earls, 86 Jahre alt, die in Little Skell Manor auf dem Anwesen lebt. Sie war mit dem verstorbenen Paul Baildon verheiratet.

Der Ehrenwerte Hugo Ingham Stanton, Cousin des Earls, 45 Jahre alt. Er ist Lady Gwendolyns Neffe, die wiederum die Schwester seiner verstorbenen Mutter Lady Evelyne Ingham Stanton ist. Er ist mit Lady Daphne verheiratet.

ZWISCHENDENWELTEN

DIEZWEITEFAMILIE: DIESWANNS

Die Swanns stehen seit über 170 Jahren im Dienst der Inghams. Dadurch sind die Familien auf vielfache Weise miteinander verbunden. Die Swanns leben seit Generationen im Dorf Little Skell, das direkt an den Park von Cavendon angrenzt. Die Swanns von heute sind den Inghams gegenüber genauso ergeben und loyal wie ihre Vorfahren und würden jedes einzelne Familienmitglied der Inghams mit ihrem Leben verteidigen. Die Inghams vertrauen ihnen uneingeschränkt, und so ist es auch andersherum.

DIESWANNSIMJAHRE 1926

Walter Swann, Kammerdiener des Earls, 48 Jahre alt. Er ist das Oberhaupt der Familie Swann.

Alice Swann, seine Frau, 45 Jahre alt. Sie ist eine geschickte Schneiderin und fertigt und pflegt die Garderobe von Lady Daphne und ihren Töchtern.

Sohn Harry, 28 Jahre alt. Er ist als Landschaftsgärtner in Cavendon Hall in die Lehre gegangen und lernt nun Grundstücksverwaltung. Er arbeitet mit Miles Ingham zusammen.

Tochter Cecily, 25 Jahre alt. Sie lebt und arbeitet in London, wo sie eine berühmte Modeschöpferin geworden ist und mehrere Läden betreibt.

WEITERESWANNS

Percy, jüngerer Bruder von Walter, 45 Jahre alt. Oberster Jagdhüter in Cavendon.

Edna, Percys Frau, 46 Jahre alt. Arbeitet gelegentlich in Cavendon.

Ihr Sohn Joe, 25 Jahre alt. Arbeitet mit seinem Vater als Jagdhüter.

Bill, Walters Cousin, 40 Jahre alt. Oberster Landschaftsgärtner in Cavendon. Er ist Witwer.

Ted, Walters Cousin, 51 Jahre alt. Leiter der Instandhaltung der Innenräume und der Schreinerei in Cavendon. Verwitwet.

Paul, Teds Sohn, 27 Jahre alt. Arbeitet bei seinem Vater als Dekorateur und Tischler.

Eric, Teds Bruder und Walters Cousin, 46 Jahre alt. Butler im Londoner Haus von Lord Mowbray. Unverheiratet.

Laura, Teds Schwester und Walters Cousine, 39 Jahre alt. Haushälterin im Londoner Haus von Lord Mowbray. Unverheiratet.

Charlotte, Walters und Percys Tante, 58 Jahre alt. Aus dem Dienst in Cavendon ausgeschieden. Charlotte ist die Matriarchin der Familie Swann. Sie wird von allen mit großem Respekt und seitens der Inghams mit einer gewissen Achtung behandelt. Charlotte war die Sekretärin und persönliche Assistentin David Inghams, des 5. Earls, bis zu dessen Tod.

Dorothy Pinkerton, geborene Swann, 43 Jahre alt, Charlottes Cousine. Sie lebt in London und ist verheiratet mit Howard Pinkerton, einem Detective von Scotland Yard. Sie arbeitet für Cecily bei Cecily Swann Couture.

DIEDIENERSCHAFT

Mr Henry Hanson, Butler

Mrs Agnes Thwaites, Haushälterin

Miss Susie Jackson, Köchin (Nichte von Nell Jackson, die aus dem Dienst ausgeschieden ist)

Mr Gordon Lane, oberster Diener, verheiratet mit Mrs Peggy Lane geborene Swift. Haben zusammen eine kleine Tochter

Mr Ian Melrose, zweiter Diener

Miss Jessie Phelps, oberstes Hausmädchen

Miss Pam Willis, zweites Hausmädchen

Miss Connie Layton, drittes Hausmädchen

Mr Tim Hartley, Chauffeur

WEITEREANGESTELLTE

Miss Margaret Cotton, das Kindermädchen für Lady Daphnes Kinder, für gewöhnlich als Nanny oder Nan angeredet.

Miss Nancy Pettigrew, die Gouvernante, gewöhnlich als Miss Pettigrew angeredet. In den Sommerferien ist die Gouvernante nicht in Cavendon. Die Kinder gehen nicht in die Schule.

AUSSENARBEITER

Ein großes herrschaftliches Anwesen wie Cavendon Hall mit vielen Tausend Morgen Land und einem riesigen Moor für die Moorhuhnjagd bietet vielen Menschen aus der Gegend Arbeit. Es ist die Aufgabe eines solchen Besitzes, einer großen Familie als Heim zu dienen. Er bietet Beschäftigung für die Dorfbewohner und Pachtland für die Bauern. Die Dörfer um Cavendon sind von verschiedenen Earls von Mowbray gebaut worden, um ihre Arbeiter unterzubringen. Nach und nach kamen Kirchen und Schulen, Postämter und kleine Läden hinzu. Die Dörfer um Cavendon heißen Little Skell, Mowbray und High Clough.

Es gibt eine große Zahl von Außenarbeitern: einen obersten Jagdhüter und fünf weitere Jagdhüter. Treiber werden benötigt, wenn die Moorhuhnsaison beginnt und die Jagdgäste in Cavendon eintreffen. Des Weiteren gibt es Waldarbeiter, die sich um den zu bestimmten Zeiten zur Jagd genutzten Wald in der Umgebung kümmern. Die Gärten werden vom obersten Landschaftsgärtner und fünf weiteren, unter seiner Leitung stehenden Gärtnern gepflegt.

Die Moorhuhnjagd beginnt im August, am »Glorious Twelfth«, dem »Glorreichen Zwölften«, wie der Anfang der Saison genannt wird. Sie endet im Dezember. Die Rebhuhnsaison beginnt im September. Auch Enten und Wildvögel werden in dieser Zeit geschossen. Die Fasanenjagd wird vom 1. November bis zum Dezember betrieben. Diejenigen, die zur Jagd nach Cavendon kommen, sind gewöhnlich Aristokraten und werden als die »Guns«, die Waffen, also die Männer, die die Gewehre benutzen, bezeichnet.

TEIL 1: EINFAMILIENTREFFEN

Juli 1926

»Die kleine Welt des Kindes, das familiäre Milieu ist Modell der großen Welt. Je intensiver die Familie ein Kind geprägt hat, desto mehr wird es, wenn einmal erwachsen, geneigt sein, gefühlsmäßig in der großen Welt wiederum seine frühere kleine Welt zu sehen.«

Carl Gustav Jung, Versuch einer Darstellung der psychoanalytischen Theorie (1912)

Kapitel 1

Cecily Swann kannte den Weg gut. Er war ihr vertraut, sie ging ihn schon ihr ganzes Leben lang. Jetzt hob sie den Kopf und blickte zu dem prächtigen Haus, das sich auf dem Hügel erhob. Cavendon Hall. Es war eins der größten Herrenhäuser Englands und das schönste in ganz Yorkshire.

Das Haus war an diesem Freitagmorgen ihr Ziel, wie so oft in ihrer Kindheit. Ihre Eltern und ihr Bruder Harry lebten am Rande des Parks von Cavendon im Dorf Little Skell, wo ihre Familie schon seit über hundertsiebzig Jahren zu Hause war.

Es war ein schöner Julitag, ohne einen Anflug von Regen in der Luft. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und tauchte das Haus in das klare Licht des Nordens, das ihm zu verschiedenen Tageszeiten einen sanften, ganz eigenen Schimmer verlieh.

Cecily blickte sich um, während sie weiterging. Sie hatte fast erwartet, Genevra irgendwo zu entdecken, aber von der jungen Zigeunerin war keine Spur zu sehen. Die Roma-Wagen standen auf dem Hügel jenseits der Wiesen; Genevras Familie lebte noch immer auf dem Land des Sechsten Earls. Er hatte es ihr stets gestattet; vermutlich würde sie ewig hierbleiben.

Aber es hatte sich so viel verändert. Cavendon Hall sah aus wie immer, doch es war nicht mehr das, was es früher einmal gewesen war. Es war ein anderer Ort; vieles war jetzt anders. Der Weltkrieg hatte alles und jeden verändert. Die guten alten Zeiten waren vorüber, und nichts würde jemals wieder dasselbe sein, wie ihr Vater Walter ständig zu sagen pflegte. Seine Worte waren nur allzu wahr.

Glücklicherweise waren ihr Vater und ihr Bruder unversehrt aus dem Krieg heimgekehrt, doch Guy Ingham, der Erbe des Earls, hatte nicht so viel Glück gehabt. Er war in Frankreich im Kampf für sein Land gefallen und dort an der Seite seiner Kameraden begraben worden.

Sie alle hatten um ihn getrauert, jeder Einzelne in den drei Dörfern um Cavendon so wie seine Familie. Nicht, weil er der Erbe, sondern weil er einer der nettesten jungen Männer überhaupt gewesen war. Jetzt würde Miles eines Tages den Titel und alles, was dazugehörte, erben.

Miles Ingham.

Cecily zog sich bei dem Gedanken an ihn das Herz zusammen. Er war in ihrer Kindheit ihr ständiger Begleiter gewesen, ihr bester Freund und später ihr Schatz. Sie hatte ihn mit allen Fasern ihres Seins geliebt und tat es noch. Er hatte ihr oft gesagt, dass er genauso empfand und dass sie eines Tages heiraten würden, doch das hatten sie nicht.

Miles war gezwungen gewesen, ein anderes Mädchen zur Frau zu nehmen. Ein passendes Mädchen. Clarissa Meldrew, Lord Meldrews Tochter. Die richtige Art Mädchen, die Miles einen adligen Erben schenken würde. So war es beim Adel: Zukünftige Erben bestimmten ihr Leben und ihr Schicksal.

Ein plötzlicher Gedanke ließ Cecily innehalten. Dann bog sie nach links ab und ging in Richtung des Rosengartens. Sie brauchte etwas Zeit zum Nachdenken, sie war ohnehin zu früh dran für ihre Besprechung.

Wenige Schritte weiter zog sie die schwere Eichentür auf und ging die Treppe hinab. Der alte ummauerte Garten war erfüllt vom Duft der spät blühenden Rosen. Cecily atmete den berauschenden Geruch ein und setzte sich auf eine schmiedeeiserne Bank. Dieser Ort war immer eine Oase des Friedens und der Schönheit gewesen.

Sie saß ganz still da, schloss die Augen und fragte sich, warum sie sich bereit erklärt hatte, Miles bei der Organisation des Familientreffens zu helfen, das der Earl plante. Es war wahrscheinlich das Dümmste, was sie in ihrem ganzen Leben getan hatte.

Nur wenn du dumm bist, sagte sie sich. Tante Charlotte hält dich zweifellos für fähig, mit einer schwierigen Situation umzugehen, sonst hätte sie dich nicht um Hilfe gebeten.

Die Stimme ihrer Tante hallte in ihrem Kopf wider, als sie an ihr Gespräch vor einer Woche zurückdachte. Sie erinnerte sich noch genau an die Worte ihrer Tante. »Lady Daphne ist die Einzige, die das Wochenende mit Miles organisieren kann, aber sie hat mit der Führung Cavendons und fünf kleinen Kindern so viel zu tun. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn du Miles helfen würdest, Ceci.«

Cecily dachte jetzt daran, wie sie versucht hatte, sich herauszuwinden, weil ihr die Vorstellung überhaupt nicht behagt hatte. Sie hatte etwas davon gemurmelt, dass diese Aufgabe einer seiner anderen Schwestern viel mehr liegen würde. Doch ihre Tante hatte diese Einwände mit einer geringschätzigen Handbewegung vom Tisch gefegt.

»Es könnte Schwierigkeiten geben, Ceci, und wir brauchen jemand Starkes wie dich. Jemanden, der hart sein kann, wenn es nötig ist.«

Nun, sie konnte hart sein, das wusste Cecily. Aber vor allem würde sie hart gegen sich selbst sein müssen. Und gegen Miles Ingham.

Sie hatte seit sechs Jahren nicht mehr richtig mit ihm gesprochen. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie sich zufällig hier in Cavendon begegnet waren, hatten sie zwar kurz einige Worte gewechselt oder einander zugewinkt, doch das war alles. Vor sechs Jahren hatte sie sich geschworen, ihn nie wieder an sich heranzulassen, und ihre Tante Charlotte hatte zustimmend genickt, als sie sich ihr anvertraut hatte.

»Ich werde meinen Traum leben und mich meiner Karriere als Modeschöpferin widmen. Und ich werde den Weg allein gehen«, hatte Cecily gesagt, und Charlotte hatte erfreut und erleichtert gewirkt. Dass Charlotte sie jetzt gebeten hatte, Miles zu helfen, war unerwartet gekommen und verwirrte Cecily. Doch sie hatte keine andere Wahl.

Cecily seufzte und richtete sich auf. Sie verdankte Charlotte Swann alles. Ihre Tante war es gewesen, die ihr Modeunternehmen und den ersten größeren Laden in der Burlington Arcade finanziert und ihr so ihre Karriere ermöglicht hatte. Es war Charlottes Geld, von dem anfangs die Miete für das Ladenlokal bezahlt worden war. Sie waren Geschäftspartnerinnen geworden und waren es immer noch, und ihre Zusammenarbeit verlief außerordentlich gut.

Sie geht davon aus, dass ich mich korrekt verhalte, dachte Cecily. Sie weiß, dass ich seinem Charme nicht erliegen und mich nicht mit ihm einlassen werde. Sie versteht, dass der Schmerz, den er mir zugefügt hat, viel zu tief reicht. Außerdem ist sie sich vollauf darüber im Klaren, dass ich mich auf mein Geschäft konzentriere, dass es mein Leben ist.

Cecily stand auf, verließ den Rosengarten und stieg den Hügel empor zum Haus. Sie fühlte sich besser. Sie konnte Miles Ingham gegenübertreten. Sie hatte keine Angst vor ihm; sie hatte vor niemandem Angst.

In den vergangenen sechs Jahren hatte sie gelernt, wirklich unabhängig zu sein, auf eigenen Füßen zu stehen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Außerdem hatte sie großen Erfolg. Die Frauen liebten ihre Kleider; sie kauften sie karrenweise. Und nicht nur in London, sondern auch in Amerika. Schon jetzt hatte Cecily zwei Reisen nach New York unternommen, und ihr Name war auf beiden Seiten des Atlantiks gut bekannt.

Miles hatte seine Probleme. Das Gleiche galt für Cavendon.

Die Zukunft lag glänzend und voller Herausforderungen vor ihr und verhieß – mit etwas Glück – noch größeren Erfolg. Miles Ingham gehörte der Vergangenheit an. Ihr Blick war auf die Zukunft gerichtet.

Sie würde ihm an diesem Wochenende helfen, und dann würde sie nach London zurückkehren und weiterarbeiten und Miles sich selbst überlassen. In ihrem Leben war kein Platz für ihn. Sie würde den Tag vor sechs Jahren nie vergessen, an dem er ihr gesagt hatte, dass er eine andere Frau heiraten würde. Er hatte ihr das Herz gebrochen, und sie würde ihm nie verzeihen.

Kapitel 2

Miles Ingham bückte sich, hob die kleinen Korkstückchen auf und legte sie neben die Reiseuhr auf den Kamin. Nur Miss Charlotte wusste, wie man sie richtig hinter die beiden Pferdebilder von George Stubbs klemmte, damit die Bilder nicht verrutschten. Sie tat es schon seit Jahren, und sie war die Einzige, die diese Technik beherrschte.

Er drehte sich um, setzte sich an den Schreibtisch seines Vaters und betrachtete die Liste, die er angefertigt hatte. Die Punkte darauf betrafen die nächsten Tage, und er wollte sie mit Cecily besprechen.

Cecily Swann.

Miles sehnte sich danach, sie zu sehen, mit ihr zu reden, ihr einfach nur nahe zu sein. Doch gleichzeitig graute ihm davor. Jahrelang war sie nur höflich zu ihm gewesen, wann immer sie einander hier in Cavendon über den Weg gelaufen waren.

Ihr Verhalten war so kühl, so distanziert gewesen, dass er nicht in der Lage gewesen war, die eisigen Mauern zu durchbrechen, die sie um sich errichtet hatte. Sie hatte ihm die kalte Schulter gezeigt, und er verstand den Grund dafür vollkommen. Er hatte sie unendlich verletzt, und die Wunde war nie verheilt. Sie war noch immer offen.

Das stellte nun ein Problem dar, denn während der nächsten Tage mussten sie einen freundlichen Umgang miteinander pflegen, um dieses ungewöhnliche Familientreffen über die Bühne zu bringen. Miles war klar geworden, dass er sich eine Arbeitsweise überlegen musste, die sie akzeptabel fand.

Plötzlich überwältigt von Nervosität, stieß er einen leisen Seufzer aus und sprang auf. Er ging in der Bibliothek auf und ab und versuchte, die auflodernden Gefühle in den Griff zu bekommen. Sie würde jeden Moment da sein, und er hatte keine Worte parat, hatte sich nichts zurechtgelegt, keine Begrüßung für sie vorbereitet. Er war sich auch unsicher, was die nächsten Tage betraf und wie sie sie überstehen würden.

In der vergangenen Woche hatte es einen Moment gegeben, in dem er sich gewünscht hatte, sein Vater hätte nicht beschlossen, die Familie für einen Wochenendbesuch nach Hause einzuladen.

Andererseits hatte es in Cavendon schon länger kein Fest und keine Zusammenkunft mehr gegeben. Es gab nichts zu feiern. Die Familie hatte finanzielle Probleme und trauerte um die Männer, die ihr Land bearbeitet hatten und im Krieg gefallen waren. Dann waren da der Skandal um ihre Mutter, den sie alle ignorierten, und DeLacys besorgniserregende Depression wegen ihrer Scheidung, ganz zu schweigen von Hugos großen finanziellen Verlusten an der New Yorker Börse.

Und was für ein Schlamassel sein eigenes Leben war! Miles war sich vollauf bewusst, dass er im Grunde gar kein Leben hatte. Inzwischen verabscheute er seine Frau Clarissa. Er hatte schnell bemerkt, wie unaussprechlich dumm sie war. Clarissa war eine Verschwenderin, die von nichts anderem sprach als von Kleidern, Kosmetik und Schmuck – allesamt Themen, die ihn langweilten. Und sie war eine Klatschbase. Sie redete mit Vorliebe über ihre Freunde, und nicht nur Gutes. Er verachtete sie für ihre gemeinen Bemerkungen über andere Frauen.

Außerdem hatte er eine Abneigung gegen ihren Vater gefasst, Lord Meldrew. Er verwöhnte sein einziges Kind maßlos und gab Clarissa alles, was ihr Herz begehrte. Das allein hatte zu einem Bruch zwischen ihnen geführt. Miles verabscheute verwöhnte Frauen, und Clarissa war besonders gierig.

Miles hatte längst akzeptiert, dass er mit einer nutzlosen Ehefrau geschlagen war – noch dazu mit einer, die außerstande gewesen war, ein Kind zu empfangen. Das war das Allerschlimmste.

Er hatte noch immer nicht den Erben, nach dem er sich so sehnte. Clarissa hatte sich nicht nur als unfruchtbar erwiesen, sie hatte zu seinem Entsetzen auch schnell eine Abneigung gegen Cavendon Hall entwickelt und wollte nicht nach Yorkshire kommen.

»Ich bin im Herzen kein Landmädchen«, hatte sie ihm ziemlich früh in ihrer Ehe mitgeteilt. Welcher Ehe?, fragte er sich nun, ging ans Fenster und wandte den Blick über die Terrasse zum Park.

Augenblicklich versteifte er sich. Cecily kam die Terrassentreppe herauf. Seine Gedanken waren wie ausgelöscht. Er hatte das Gefühl, als legte sich ihm eine enge Klammer um die Brust, und für einen Moment bekam er kaum Luft. Dann schluckte er, zügelte seine Gefühle und ging zur Terrassentür, um sie zu öffnen.

Cecilys Schönheit verschlug ihm den Atem: das volle Haar, das im Licht rostrot aufleuchtete, die Elfenbeinhaut, die rauchgrauen, lavendelfarbenen Augen, die der Welt sagten, dass sie als eine Swann geboren und erzogen worden war. Sie hatten alle diese Augen.

Cecily trug ein weißes Seidenkleid mit dunkelblauer Borte und Gürtel, und doch wirkte es locker und leger, und der Rock umschmeichelte ihre langen Beine.

Endlich fand er die Sprache wieder und sagte: »Hallo, Cecily.« Das Herz klopfte ihm in der Brust, und er war aufrichtig überrascht, dass seine Stimme nicht zitterte. Zu seiner Erleichterung klang er ziemlich normal. »Danke, dass du gekommen bist.«

Sie nickte nur und schüttelte ihm kurz die ausgestreckte Hand, dann ließ sie sie gleich wieder los und trat zurück. Mit kühlem Blick murmelte sie: »Ich hoffe, das Wetter hält sich die nächsten Tage.« Sie sprach leise und ruhig.

»Ja, das hoffe ich auch«, pflichtete er ihr bei. Mehr brachte er nicht heraus. Er fasste sie am Ellbogen, führte sie über die Terrasse in die Bibliothek und schloss die Tür hinter ihnen.

Cecily strebte sofort zum Kamin, wie es fast alle taten. Dieser Raum war immer kalt, selbst in den Sommermonaten.

»Ich möchte mich entschuldigen«, verkündete Miles, der ihr schnell folgte.

»Wofür?«, fragte sie ein wenig scharf.

»Für meine Nachlässigkeit … ich habe dir in den letzten sechs Jahren nicht gratuliert. Zu deinem fantastischen Erfolg als Modeschöpferin, meine ich. Du hast so viel erreicht, und ich möchte, dass du weißt, wie begeistert ich darüber bin. Ich bin sehr stolz auf dich.« Er räusperte sich und fügte hinzu: »Ich wollte dir schreiben, aber jeden angefangenen Brief habe ich weggeworfen. Ich bekam die Sätze nicht richtig hin. Außerdem dachte ich, dass ein Brief von mir dich vielleicht verärgern würde.«

»Ja, unter den gegebenen Umständen hätte das gut sein können.« Cecily setzte sich auf einen Stuhl am Kamin. Während sie Platz nahm und den Rock ihres Kleides glatt strich, konnte sie nicht umhin zu denken, dass Miles nicht gut aussah. Er hatte abgenommen und wirkte seltsam hager. Eine Aura der Traurigkeit umgab ihn, die sich besonders in seinen blauen Augen zeigte. Er tat ihr leid, denn sie wusste, dass er eine schwere Zeit durchgemacht hatte.

Miles folgte ihrem Beispiel, ging zum Sofa und nahm ihr gegenüber Platz. Mit leiser Stimme begann er zu sprechen: »Ich habe eine Liste von Punkten zu Samstag und Sonntag, die ich gern mit dir durchgehen würde, doch zuerst muss ich mit dir über etwas anderes reden.«

Cecily richtete den Blick auf ihn und nickte. »Bitte, sag mir, was dich beschäftigt.«

»Es geht um unsere Einstellung zueinander. Wenn wir uns in den vergangenen Jahren begegnet sind, waren wir höflich zueinander, aber das war alles. Mir ist klar, warum das so ist. Doch während der nächsten Tage würde es etwas peinlich sein, wenn wir unfreundlich wären, vor allem vor der Familie. Meinst du nicht?«

»Ja. Ich dachte mir schon, dass meine Feindseligkeit dir gegenüber ein Problem darstellen könnte, und ich werde wohl mein Verhalten ändern müssen.«

»Das werde ich auch, Cecily.« Ein schwaches Lächeln huschte um seine Lippen, als er hinzufügte: »Gestern kam mir der Gedanke, dass wir uns vielleicht in die Vergangenheit zurückversetzen und so miteinander umgehen könnten wie früher. Wir hatten Spaß, waren glücklich.« Als sie schwieg, betonte er: »Nun, wir hatten wirklich Spaß, und wir waren glücklich.«

»Das stimmt, doch du erwartest hoffentlich nicht, dass ich mit dir zu unserem ›Liebesnest‹ auf den Dachboden steige, wie du es damals genannt hast.«

Sie hatte es so feierlich und mit einem so ernsten Gesicht gesagt, dass Miles zu seiner eigenen Überraschung in Lachen ausbrach. Es war das erste Mal seit Monaten, dass er lachte. »Natürlich nicht«, prustete er. Doch dann hielt er seine Heiterkeit im Zaum. »Ich spreche von unserem Verhalten«, erklärte er.

Cecily war es gelungen, keine Miene zu verziehen, obwohl sie für einen Moment beinahe mit ihm gelacht hätte. Sie würde sich hüten, ihm auch nur den kleinen Finger zu reichen. Schließlich antwortete sie: »Ich denke, wenn wir versuchen, die letzten Jahre auszulöschen und uns an unsere Jugendfreundschaft zu erinnern, wird es gehen. Ich werde mir große Mühe geben, weil wir Lord Mowbray ein vollendetes Fest ausrichten müssen.«

»Danke, Ceci, ich wusste, dass du einsehen würdest, dass wir einen Handel schließen müssen.«

»Wohl eher einen Kompromiss, denke ich, Miles«, antwortete sie steif.

Er überging ihren eisigen Ton, veränderte seine Haltung auf dem Sofa und fuhr fort: »Es gibt da nur eins, was ich erklären möchte und was du wissen solltest.«

Seine Stimme hatte sich verändert und war jetzt sehr ernst. Cecily warf ihm einen schnellen Blick zu. Sie kannte ihn zu gut, um zu wissen, dass er etwas wirklich Wichtiges sagen würde.

»Dann heraus damit.« Der Blick, mit dem sie ihn ansah, war gleichmütig und fest.

»Ich fahre nächste Woche nach London. Ich war eine Ewigkeit nicht mehr dort, und ich werde Clarissa um die Scheidung bitten.«

Cecily hatte nichts dergleichen erwartet und war in höchstem Maße erstaunt. Bevor sie sich beherrschen konnte, platzte sie heraus: »Aber was wird der Earl sagen?«

»Papa weiß, dass die Ehe nicht funktioniert hat. Wir passen in keiner Weise zusammen. Clarissa hasst das Landleben; außerdem hat sie mir keinen Erben geschenkt, und das bekümmert meinen Vater, so wie es mich verärgert hat. Und jetzt wird es nicht mehr dazu kommen, denn wir leben schon seit einiger Zeit getrennt.« Als sie nicht antwortete, fügte er hinzu: »Doch andererseits weißt du das. Weil du eine Swann bist und die Swanns alles über die Inghams wissen.«

»Nicht immer alles«, bemerkte sie. »Aber es stimmt, ich wusste, dass deine Ehe nicht glücklich war, Miles. Großtante Charlotte hat es mir erzählt. Es tut mir leid, dass sie gescheitert ist.«

»Mir auch«, murmelte er. »Angesichts der Opfer, die ich gebracht habe.«

»Ich weiß«, war alles, was sie erwiderte, als sie über die Opfer nachdachte, zu denen auch sie gezwungen gewesen war. Doch das blieb besser ungesagt.

Miles fuhr fort: »Ich werde Clarissa ein großzügiges Angebot machen – Unterhalt, das Haus in Kensington, das mein Vater uns zur Hochzeit geschenkt hat. Aber ich bin mir keineswegs sicher, dass sie in eine Scheidung einwilligen wird.«

Cecily zog die Brauen zusammen und fragte verwirrt: »Warum denn nicht? Sie ist jung genug und hübsch; sie könnte wieder heiraten. Und bedenke, was sie in eine neue Ehe einbringen würde. Alimente und ein schönes Haus.«

»Die Unterhaltszahlung würde eingestellt werden, wenn sie sich wieder verheiratet, doch das Haus würde sie behalten. Aber es gibt ein Problem.«

»Welches?«

»Sie will einen Titel haben und Countess sein, daher wird sie versuchen, an der Ehe festzuhalten. Als Papa im vergangenen Jahr einen Herzinfarkt hatte, gab es Momente, in denen sie geradezu fröhlich wirkte, so als könnte sie es gar nicht erwarten, dass er das Zeitliche segnet und den Weg für mich frei macht. Und für sie natürlich.«

»Das ist ja schrecklich, Miles! Furchtbar.« Cecily klang entsetzt.

»Nicht wahr? Einfach ungeheuerlich, vor allem, da wir zu der Zeit schon getrennt waren. Doch ich werde gewinnen, davon bin ich überzeugt. Papa hat mit seinem Anwalt gesprochen. Ich werde so vorgehen, dass ich die Schuld auf mich nehme und Beweise für Ehebruch vorlege, damit Clarissa mich auf Scheidung verklagen kann. Wenn sie damit nicht einverstanden ist, werde ich mich von ihr scheiden lassen müssen. Laut Mr Paulson, Papas Anwalt, habe ich Gründe. Nicht Ehebruch, sondern böswilliges Verlassen. Sie hat nämlich ihre Sachen gepackt und mich hier in Cavendon allein gelassen. Mit anderen Worten, sie hat das eheliche Heim verlassen.«

Cecily lehnte sich auf dem Stuhl zurück und dachte an die vergangenen sechs Jahre. Für Miles waren sie verschwendet. Aber für sie waren diese Jahre produktiv gewesen, denn sie hatte ihr Modegeschäft gegründet, und es blühte und warf Geld ab.

»Einen Penny für deine Gedanken«, sagte Miles leise und musterte sie aufmerksam.

»Ich habe an all die Jahre gedacht, die du verloren hast«, murmelte sie, ehrlich wie immer.

»Ich weiß. Andererseits habe ich viel über Landwirtschaft und Vieh gelernt, über das Land, das Moor, die Verwaltung des Besitzes. Und ich lerne immer noch dazu.« Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an. »Wenn ich endlich frei und von Clarissa geschieden bin, würde dann eine Chance für mich bestehen?«

»Was genau meinst du?«, fragte sie. Ihr Mund war plötzlich trocken, und ein Gefühl der Angst durchströmte sie.

»Du weißt sehr gut, was ich meine. Doch ich werde es klar aussprechen. Besteht eine Chance für mich, mit dir zusammen zu sein, Ceci?«

Die Frage überraschte Cecily nicht, weil sie wusste, dass er sie immer noch liebte, so wie sie ihn. Nichts würde jemals etwas an ihren Gefühlen füreinander ändern. Es würde nie einen anderen für sie geben, und sie wusste, dass Miles genauso empfand. Aber in einem Punkt unterschied er sich von ihr. Er war der Erbe eines Earls, und sein Vater würde auf einer Aristokratin als neuer Schwiegertochter bestehen. Nicht ein gewöhnliches Mädchen wie sie. DeLacy hatte darauf vor sechs Jahren hingewiesen, als sie mit der Nachricht herausgeplatzt war, dass Miles sich mit einer Adligen verloben würde. »Er muss eine Aristokratin heiraten, kein gewöhnliches Mädchen wie dich«, hatte sie gesagt, und Cecily hatte diese Worte nie vergessen.

»Du antwortest mir nicht«, murmelte Miles. Seine blauen Augen waren plötzlich voller Liebe zu ihr, die schreckliche Traurigkeit daraus gelöscht.

Die Art, wie er sie ansah, der Blick voller Sehnsucht, berührte sie tief. Sein Gesicht signalisierte ihr so viel und spiegelte ihre eigenen Gefühle wider, die all die Jahre ein Teil von ihr gewesen waren. Langsam sagte sie: »Als ich zwölf war, hast du mir einen Antrag gemacht, und ich habe ihn angenommen. Aber wir waren zu jung. Als ich achtzehn war, hast du mir wieder einen Antrag gemacht, und ich habe angenommen. Doch du hast eine andere Frau geheiratet. Was willst du mir jetzt sagen, Miles? Aller guten Dinge sind drei?« Sie zog fragend eine Braue hoch.

Er nickte, und ein Lächeln durchbrach seinen Ernst. »Ja, aller guten Dinge sind tatsächlich drei! Also, willst du mich heiraten, wenn ich geschieden bin?« Er war aufgeregt, und seine Stimme klang mit einem Mal heller, jünger.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie. »Ich denke, nicht. Ich habe mich in vielerlei Hinsicht verändert und du dich auch.« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Aber an der Situation hat sich nichts geändert. Ich bin noch immer ein gewöhnliches Mädchen. Ich kann jetzt keine solche Bindung eingehen, Miles, und du solltest es auch nicht tun.«

»Du liebst mich immer noch, Cecily Swann. Genau so, wie ich dich liebe. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben, und das weißt du.« Er lehnte sich zurück, und ein nachdenklicher Ausdruck glitt über seine Züge. Dann sagte er mit leiser, zärtlicher Stimme: »Wir gehören zueinander, haben immer zusammengehört, seit wir klein waren.«

Cecily schwieg mit ausdruckslosem Gesicht, doch ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie wollte Ja sagen, wollte ihm erklären, dass sie ihm gehörte, doch sie wagte es nicht. Sie durfte ihm ihre Gefühle nicht preisgeben. Denn es war sein Vater, der Earl von Mowbray, der am Ende das letzte Wort haben würde, nicht Miles.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, verkündete Miles: »Eins nach dem anderen, Ceci. Ich muss meine Freiheit wiedererlangen, und dann werden wir noch einmal miteinander reden und alles klären. Bist du damit einverstanden?«

Cecily konnte nur nicken.

Miles sagte: »Dann lass uns nun zur Sache kommen und uns dem Ablauf der nächsten Tage zuwenden. Für Samstagabend sehen meine Pläne wie folgt aus.«

Er umriss die ursprünglichen Ideen, aber innerlich lächelte er. Er würde Ceci bekommen, was immer sie auch glaubte. Die Männer der Inghams und die Frauen der Swanns waren füreinander unwiderstehlich, und Ceci und er bildeten da keine Ausnahme. Es war Bestimmung.

Kapitel 3

Der Garten war ein Wunder. Der Anblick der prächtigen Blumenbeete, die sich hinter niedrigen Ligusterhecken erhoben, war so schön, dass es ihr den Atem verschlug.

Ein freudiges Lächeln glitt über Charlotte Swanns Gesicht, und Stolz stieg in ihr auf. Harry, ihr Großneffe, hatte diesen fantasievollen Effekt in dem Hellgrünen Salon des Südflügels erschaffen.

Es erinnerte sie an den Innengarten, den sie selbst vor einigen Jahren für diesen Raum entworfen hatte. Vor dreizehn Jahren, um genau zu sein. Sie hatte ihn damals für das wichtigste Ereignis des Sommers gebaut, den jährlichen Sommerball, zu dem die ganze Aristokratie der Grafschaft geladen war.

Der Abend war in jeder Hinsicht denkwürdig gewesen. Lady Daphne hatte mit ihrer unvergleichlichen Schönheit alle in ihren Bann geschlagen. Sie hatte ein schimmerndes blaugrünes Perlengewand von der Farbe des Meeres getragen, von dem man noch wochenlang gesprochen hatte. Charlotte hatte ihren Anblick nie vergessen.

Ihre Gedanken waren immer noch bei Harry, als ihr plötzlich durch den Kopf ging, wie schade es war, dass er sich beruflich anders orientiert hatte. Er war ein so begabter Gärtner, mit einem großartigen Auge für Form und Farbe, und seine Gärten draußen waren ihrer Ansicht nach Kunstwerke.

Bedauerlicherweise hatte er das Interesse an der Landschaftsgärtnerei verloren. Stattdessen wollte er Verwalter werden und freute sich darüber, mit Miles Ingham zusammenzuarbeiten und von Alex Cope zu lernen, der Jim Waters vor zwei Jahren als Gutsverwalter in Cavendon abgelöst hatte.

Harrys »Rebellion« hatte sich zu Beginn des Jahres zugetragen, und sie hatte seinen Vater Walter erschüttert. Walter hatte sich verraten gefühlt, als ihm klar geworden war, dass sein Sohn es in Erwägung zog, Cavendon zu verlassen.

Alice, Harrys Mutter, war nicht ganz so überrascht gewesen. Als ihr Sohn aus dem Krieg zurückgekehrt war, hatte sie sofort gespürt, dass er sich stark verändert hatte, dass die Brutalität und das gnadenlose Töten, das er an der Front erlebt hatte, eine starke Wirkung auf ihn gehabt hatten.

Alle heimkehrenden Soldaten waren von ihren Erfahrungen verändert worden, selbst ihr Ehemann. Während Walter nachdenklicher geworden war, hatte ihr Sohn eine unabhängige Haltung gewonnen und einen beträchtlichen Ehrgeiz für sich selbst entwickelt. Er hatte das Gefühl, dass die Gesellschaft ihm etwas schuldete.

Es war Cecily, die Charlotte gebeten hatte einzugreifen. Es hatte nur einiger weniger Worte mit Lord Mowbray und dann mit Alex Cope bedurft, um Harry zu helfen, die Cavendon-Leiter hinaufzusteigen.

»Dann ist es also in Ordnung?«

Charlotte fuhr zusammen, erschrocken vom Klang von Harrys Stimme. Sie drehte den Kopf. Er lehnte lässig am Türrahmen, einen fragenden Ausdruck im Gesicht.

»Mehr als in Ordnung«, antwortete sie. »Es ist wunderschön. Harry, du hast dich selbst übertroffen.«

»Ich denke, dass ich das bisschen Talent, das ich besitze, von dir geerbt habe, Tante Charlotte.«

»Oh, du bist ein viel besserer Gärtner als ich, ein echter Profi, und es war nett von dir, dass du dir die Zeit genommen und die Mühe gemacht hast, das Arrangement aufzubauen. Ich danke dir, Harry.«

»Es war mir ein Vergnügen und meine Art, mich bei dir zu bedanken, dass du mir geholfen hast, die Sache mit Dad zu klären«, entgegnete er und kam hereingeschlendert. »Ich würde dich gern etwas fragen …« Er brach ab und zögerte, als würde er seine Meinung ändern. Er ließ den Satz in der Luft hängen, blieb stumm neben ihrem Stuhl stehen und wusste offensichtlich nicht weiter.

Als sie ihn anblickte, dachte sie, was für ein gut aussehender junger Mann er war. Mit seinen achtundzwanzig Jahren war er hochgewachsen wie sein Vater und hatte das markante Aussehen der Swanns geerbt. Seine Züge waren wie gemeißelt, und sein volles Haar war so rostbraun, wie ihres einst gewesen war. Er hatte sogar ihre grauen Augen mit dem seltsamen Stich ins Lavendelfarbene, der den Swanns eigen war.

»Stimmt etwas nicht, Harry?«, hakte sie nach. »Du wirkst besorgt.«

»Nicht besorgt, nur neugierig. Ich habe mich gefragt, warum du Ceci gebeten hast, Miles bei der Planung für morgen und Sonntag zu helfen. Hätte er sich nicht mit einer seiner Schwestern zusammentun können?«

Sie schüttelte den Kopf. »Daphne ist zu beschäftigt, Dulcie zu jung und DeLacy zu niedergeschlagen. Und Diedre ist viel zu intellektuell für so profane Dinge wie das Organisieren eines Familientreffens. Ceci war meine einzige Wahl, denn ich denke, dass Miles Verstärkung braucht.«

»Der Arme! Er tut mir leid, dass er mit meiner Schwester arbeiten muss. Er wird sich Frostbeulen holen.«

Charlotte schüttelte lachend den Kopf. Harry traf den Nagel auf den Kopf; andererseits jedoch war er bekannt für seine Schlagfertigkeit.

»Aber ich hatte noch einen anderen Grund«, gab sie jetzt zu.

»Das dachte ich mir«, versetzte Harry. »Miles ist so ausgelaugt und fertig. Er braucht ein wenig Freundlichkeit. Und Ceci wird freundlich zu ihm sein, obwohl ich weiß, dass sie tief im Innern immer noch zornig ist.«

Charlotte betrachtete Harry und dachte, wie scharfsinnig er bisweilen doch war. Aber er kannte seine Schwester gut, und Miles und er waren von klein auf befreundet und hier aufgewachsen.

»Mir ist bewusst, dass ich möglicherweise ein gefährliches Spiel spiele, indem ich sie zusammenbringe«, sagte sie. »Doch dann ist mir klar geworden, dass sie beide erwachsen sind. Alt genug, um mit sich selbst und ihren Problemen fertigzuwerden.«

»Ja, das denke ich auch.« Er trat an die Blumenbeete, brach nach einem prüfenden Blick eine verwelkte Blüte ab und steckte sie sich in die Tasche. Ohne seine Tante anzusehen, murmelte er: »Du rechnest mit Ärger, nicht wahr?«

»Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher. Es wird vielleicht einiges an Getuschel und finsteren Warnungen geben, doch damit können wir umgehen. Andererseits hielt ich es für besser, vorbereitet zu sein. Niemand kann Ceci das Wasser reichen, wenn es darum geht, eine schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Außerdem kann sie neutral, sehr beruhigend und vernünftig sein. Ich habe ihr immer gesagt, dass sie eine hervorragende Diplomatin abgeben würde – und sie ist wirklich eine gute Vermittlerin.«

»Wer ist eine gute Vermittlerin?«, fragte Lady Dulcie von der Tür aus und betrat den Raum. Sie sah wunderschön aus in einem primelgelben Sommerkleid. Mit ihren achtzehn Jahren war sie in vieler Hinsicht noch dieselbe wie als Kind: unverblümt und mit einer schnellen Zunge. Sie hatte keine Angst mehr vor Diedre, begegnete ihrer ältesten Schwester jedoch mit Vorsicht und war instinktiv auf der Hut. Selbstbewusst wie sie war, verfügte sie über ein sicheres Auftreten in der Gesellschaft und besaß eine überlegene Intelligenz.

Für Dulcie war Charlotte wie eine Mutter. Sie hatte sie zusammen mit Nanny Clarice und mit Daphnes Hilfe großgezogen. Diese drei Frauen hatten in ihrem Leben den größten Einfluss auf sie gehabt.

Dulcie schwebte lächelnd durch den Raum und trat direkt in Charlottes ausgebreitete Arme. Die beiden Frauen umarmten sich und lösten sich dann wieder voneinander.

»Wie wunderbar, dich zu sehen!«, sagte Charlotte. »Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Du hast mir gefehlt. Aber in London war es schön, nicht wahr?«

»Das war es, Miss Charlotte, und ich habe es wirklich genossen, bei Tante Vanessa zu wohnen. Sie hat mir so bei meinem Studium der Kunstgeschichte geholfen, doch ich bin trotzdem sehr glücklich darüber, wieder zu Hause zu sein.« Sie blickte zu Harry hinüber, der die Augen nicht von ihr abgewandt hatte, und errötete leicht, als sie hinzufügte: »Hallo, Harry, schön, dich zu sehen.«

Er neigte den Kopf, das Gesicht ebenfalls voller Glück. »Willkommen zurück, Lady Dulcie«, war alles, was er herausbrachte. In Gegenwart der jüngsten Tochter des Earls verschlug es ihm unweigerlich die Sprache. Sie war so schön, dass ihm jedes Mal ganz anders wurde, wenn er sich ihr gegenübersah. Er bewunderte sie und sehnte sich insgeheim danach, sie besser kennenzulernen.

Charlotte nahm das Heft in die Hand. »Schau dir den herrlichen Innengarten an, den Harry für das Dinner morgen Abend erschaffen hat, Dulcie. Er ist großartig, nicht wahr?«

»Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen«, antwortete Dulcie. Sie drehte sich zu Harry um und fügte hinzu: »Herzlichen Glückwunsch, du bist ein wahrer Künstler!« Dann lachte sie. »Jetzt fällt mir ein, dass hier so etwas schon mal vor vielen Jahren aufgebaut war. Damals war ich ungefähr fünf. Ich bin kurz vor Beginn des großen Balls hier hereingeplatzt, über und über mit Schokolade beschmiert.«

Charlotte lächelte, denn sie erinnerte sich ebenfalls an diesen Zwischenfall. Sie war selbst nicht dabei gewesen, hatte aber am nächsten Tag alles darüber gehört.

»Wegen der Schokolade war es den Damen unmöglich, dir nahe zu kommen, zumindest hat man es mir so erzählt. Sie hatten Angst, sich die Kleider schmutzig zu machen.«

Dulcie grinste, dann fragte sie: »Weißt du, wo Daphne ist, Charlotte? Ich konnte sie nicht finden.«

»Ich bin mir sicher, dass sie inzwischen wieder im Wintergarten ist. Sie hat mir gesagt, dass sie da die Sitzordnungen überprüfen wollte.«

»Dann werde ich dort hingehen. Sobald du mir verraten hast, wer die gute Vermittlerin ist.«

»Na, Cecily natürlich«, antwortete Charlotte.

Kapitel 4

»Willkommen zurück, Liebes!«, sagte Daphne, als Dulcie durch den Wintergarten stürmte und die Arme um ihre Lieblingsschwester schlang. »Du hast mir gefehlt«, fügte sie hinzu, dann hielt sie Dulcie ein Stück von sich weg und musterte sie mit prüfendem Blick. »Schöner denn je«, erklärte sie.

»Nein, nein, nein, du bist die berühmte Schönheit der Familie«, rief Dulcie aus und fügte hastig hinzu: »Ich konnte gar nicht schnell genug herkommen, so viel habe ich dir zu erzählen. Das meiste handelt von Felicity.«

Daphne nickte und führte Dulcie zu dem kleinen Korbsofa, auf dem sie sich niederließen. Seit ihre Mutter Cavendon verlassen hatte, nannte Dulcie sie nur noch bei ihrem Vornamen, nicht mehr »Mama«. Manchmal bezeichnete sie sie sogar als »diese Frau, die mich im Stich gelassen hat«, und sie hatte eine ganze Reihe bissiger, ziemlich fieser Spitznamen für sie.

Daphne verstand den Grund dafür. Als Dulcie noch klein gewesen war, war Felicity mit der tödlichen Krankheit ihrer Schwester und ihren eigenen Problemen zu beschäftigt gewesen, um ihr Beachtung zu schenken, und das hatte das Kind ihr nie verziehen. Auch jetzt noch, da Dulcie eine junge Frau war, hielt diese Feindseligkeit an.

Nachdem sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte, bat Daphne: »Also, erzähl mir alles, ich bin ganz Ohr.«

»Man hat mir berichtet, dass Felicity Lawrence Pierce hinauswerfen wird, diesen messerschwingenden, irren Quacksalber – das ist übrigens nicht das Einzige, was er schwingt. Wie ich höre, ist er ein ziemlicher Schürzenjäger und schwingt seine Männlichkeit, wo er nur kann.«

Dulcie lehnte sich neben ihrer Schwester zurück und wartete auf eine Reaktion, den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet.

Daphne brach in Lachen aus, wie immer ehrlich erheitert von Dulcies außerordentlichem Umgang mit Sprache. Ihr Vater sagte ständig, dass sie bei ihrer großen Wortgewandtheit Schriftstellerin werden sollte, und Daphne dachte genauso.

»Wer hat dir das erzählt?«

»Margaret Atholls Mutter«, antwortete Dulcie. »Lady Dunham. Sie meinte auch, es gehe das Gerücht, dass die Ehe unglücklich sei und Felicity vorhabe, nach Cavendon zurückzukehren. Sie wird doch nicht zurückkommen, oder, Daphers? Ich könnte es nicht ertragen, diese habgierige, männerhungrige Kreatur hier zu haben. Papa würde nicht noch einmal auf sie hereinfallen, oder?«

Daphne schüttelte den Kopf und musste innerlich lachen, während sie erklärte: »Sie wird es nicht einmal versuchen. Und Vater interessiert sich ganz bestimmt kein bisschen für sie. Was du gehört hast, ist nur eitles Geschwätz. Doch vielleicht wirft sie den Chirurgen tatsächlich hinaus. Mir sind ebenfalls Geschichten über sein Verhalten zu Ohren gekommen.«

»Ein schamloser und äußerst erfahrener Ehebrecher, der sich für unwiderstehlich hält, für den Don Juan aller Don Juans. Und er ist ziemlich eingebildet, was seine … verborgenen Reize betrifft.«

Wieder konnte Daphne sich das Lachen nicht verkneifen. Schließlich brachte sie heraus: »Diedre zufolge halten sich alle Chirurgen für Gott, vermutlich, weil sie Leben retten.«

»Oder Leben zerstören«, schoss Dulcie zurück. Für einen Moment herrschte Schweigen, dann rückte sie näher an Daphne heran und vertraute ihr an: »Ich glaube, dass Tante Vanessa ihren Künstlerfreund heiraten wird. Er ist übrigens furchtbar nett, stammt aus der sehr anständigen Familie Barnard und hat gute Beziehungen. Er war sehr freundlich zu mir und hat mir bei meinem Kunstgeschichtskurs geholfen.«

Daphne war überrascht und bedachte Dulcie mit einem durchdringenden Blick. »Bist du sicher, dass eine Verlobung in der Luft liegt?«

»Sicher bin ich mir nicht, doch es sieht ganz danach aus. Er lebt praktisch bei ihr, und sie sind unzertrennlich. Sie hängen aneinander wie die Kletten.«

»Papa weiß nichts davon, sonst hätte er es mir erzählt. Aber andererseits ist Tante Vanessa ihm keine Rechenschaft schuldig, schließlich ist sie weit über vierzig und kann tun und lassen, was sie will.«

»Also, ich würde nicht so lange mit dem Heiraten warten wollen! Ist das zu alt, um Babys zu bekommen, was meinst du, Daphers?«

»Ja, wahrscheinlich«, erklärte Daphne.

Dulcie, die der Tür zugewandt saß, sprang auf, als sie dort ihren Vater stehen sah. Er wirkte zornig, und sie fragte sich, ob sein Ärger sich gegen sie richtete, weil sie ihn nicht zuerst aufgesucht hatte.

Daphne bemerkte ihn ebenfalls im Eingang zum Wintergarten und wusste sofort, dass etwas passiert war. Das verriet ihr die wütende Haltung. Was hatte ihn so aufgebracht? Gemeinhin war er umgänglich und warmherzig. Sie wand sich innerlich und betete, dass es nichts mit den Planungen für die nächsten zwei Tage zu tun hatte.

»Hallo, Papa«, begrüßte Dulcie ihren Vater, sobald er vor ihnen stand. »Ich bin eben erst angekommen«, erklärte sie schnell. »Ich wollte gerade zu dir gehen und dich begrüßen, Papa.«

Ein Lächeln huschte über Charles Inghams Züge und verschwand gleich wieder. Er nahm seine jüngste Tochter in den Arm und küsste sie auf die Wange. »Willkommen daheim, Liebling! Schön, dich zurückzuhaben, und auch, dass du so früh kommst.« Er hielt inne, ließ sie los und fragte: »Sind eure anderen Schwestern schon eingetroffen?«

»Nicht, dass ich wüsste, ich bin wohl die Erste. Ich wollte rechtzeitig zum Nachmittagstee hier sein.«

Er nickte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Daphne, die sich von dem Sofa erhoben hatte. »Ich muss mit dir über etwas sprechen. Unter vier Augen. Und es ist ziemlich dringend.« Er sah Dulcie an. »Würdest du uns bitte entschuldigen, Liebling?«

»Ja, natürlich, Papa. Ich muss in mein Zimmer zu Layton, die meine Koffer auspackt.«

Sobald sie allein waren, sah Daphne ihren Vater fragend an. »Papa, was um alles in der Welt ist los? Ich sehe doch, dass du wütend bist.« Sie war angespannt und ängstlich, obwohl sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.

»Ich bin aufgebracht, verärgert – und völlig verwirrt. Ich bin in den Keller gegangen, um etwas aus einem der Tresore zu holen, und habe festgestellt, dass einige Schmuckstücke fehlen.«

Daphne konnte ihren Schreck nicht verbergen. »Aber wie kann das sein? Nur du hast den Schlüssel!«

»Das ist wahr, und er war an seinem Platz. Ich nahm ihn an mich, schloss die Hauptkammer auf, ging zum Tresor, holte ein Etui heraus und stellte fest, dass ein Paar Ohrringe fehlte. Diamantohrringe. Ich habe in mehrere andere Schatullen gesehen, und sie waren leer. Ich war schockiert, Daphne. Ich traute meinen Augen nicht.«

»Bitte, Papa, lass uns sofort nach unten gehen. Wir sollten alle Schmuckschatullen überprüfen, meinst du nicht?«

»Ja, allerdings. Ich habe es vor lauter Wut versäumt und bin gleich nach oben geeilt.«

»Denkst du, jemand hat gewusst, wo der Schlüssel war? Dass ihn jemand genommen hat, nachts hinuntergegangen ist und sich mit dem Schmuck aus dem Staub gemacht hat?«

»Was soll ich sagen? Wer würde wissen, wo der Hauptschlüssel aufbewahrt wird?«

»Hast du Hanson darüber informiert?«

Der Earl schüttelte den Kopf. »Ich bin sofort hier heraufgekommen und habe nach dir gesucht. Lass uns gehen, Daphne, und nimm etwas zu schreiben mit. Wir sollten eine Liste aufstellen von allem, was fehlt. Dass ich es ausgerechnet jetzt vor diesem Wochenende entdecken muss!«

Obwohl es auf der Küchenetage eine Silberkammer gab, in der man die Stücke aufbewahrte, die ständig in Gebrauch waren, gab es noch weitere, ältere Kammern im Stockwerk darunter, in den unteren Kellern. Diese Kammern waren von Humphrey Ingham gebaut worden, dem Ersten Earl von Mowbray. Er hatte sie beim Bau des Hauses, das 1761 fertiggestellt worden war, mit den Architekten geplant. Es waren höhlenartige Gewölbe, die nicht nur eine große Sammlung von Juwelen beherbergten, sondern auch die wichtigsten und wertvollsten Gegenstände aus Silber, die aus den großen Silberschmieden des achtzehnten Jahrhunderts stammten.

Während sie die Treppe hinuntereilten, fragte Daphne: »Wann warst du das letzte Mal in der Schmuckkammer, Papa?«

»Jedenfalls nicht in letzter Zeit, so viel steht fest. Wir haben keine Feste veranstaltet, daher hat niemand Schmuck herausgeholt, um ihn zu tragen. Ich bin wirklich verwirrt, aber wir müssen dieses Rätsel lösen und die Stücke wiederfinden. Mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater haben diese Kammern immer ›unsere Sicherheit‹ genannt. Die Juwelen sind für Anlagezwecke gekauft worden und auch, um getragen und gezeigt zu werden. Viele davon hat der Erste Earl aus der Karibik und aus Indien mitgebracht, als er dort Kaufmann war. Er hat Diamanten von den berühmten Golkonda-Minen gekauft. Diese Steine sind einzigartig.«

Als sie die Eisentür erreichten, schloss Charles sie auf, trat in das große Gewölbe und schaltete das Licht ein. »Gut, dass mein Vater hier unten Strom legen ließ, denn wo wären wir sonst heute?«

»Wir würden ihn selbst legen lassen«, murmelte Daphne und folgte ihrem Vater zu einem der größeren Tresore, der an der Rückwand der Kammer stand.

Charles öffnete ihn und nahm eine abgegriffene rote Lederschatulle heraus. »Darin waren Diamantohrringe von Cartier. Wie du siehst, ist die Schatulle leer. In dieser hier befand sich ein einreihiges Diamantcollier, ebenfalls von Cartier.«

Daphne nickte und griff selbst in den Tresor. Ihre Finger schlossen sich um ein blaues Lederetui mit goldenem Rand, und als sie es hervorholte, sagte sie: »Darin ist die Schleifenbrosche aus Diamanten, die ich bei meiner Hochzeit getragen habe, Papa.«

»Ich fürchte, du irrst dich, Liebling. Dieses Etui ist ebenfalls leer.«

»Ich kann es nicht glauben!«, rief sie und hob den Deckel. »Sie ist tatsächlich leer! Die Brosche war eins meiner Lieblingsstücke! Ich habe sie an meinem Hochzeitskleid getragen, und später trug Mama sie bei dem Dinner, das wir im Januar 1914 nach Alicias Geburt veranstaltet haben …« Daphne brach ab, drehte sich zu ihrem Vater um und sagte: »Ich weiß, wer die Juwelen genommen hat!«

Charles sah sie stirnrunzelnd an. »Willst du mit dem Finger auf deine Mutter zeigen?«

»Genau das, Papa! Sie war die Letzte, die mit der Diamantbrosche gesehen worden ist.« Daphne legte das leere Etui auf den Tisch in der Mitte des Raumes, schaute wieder in den Tresor und nahm zwei weitere Schatullen heraus. »Hier drin sollte eine kleine Tiara mit Diamanten und Rubinen sein, und in dieser das passende Armband, ebenfalls mit Diamanten und Rubinen besetzt.« Als sie sie öffnete, nickte sie. »Papa, sie hat diese Juwelen genommen, da bin ich mir ganz sicher. Es waren ihre Lieblingsstücke, genau wie die Marmaduke-Perlen. Sie sind in dem anderen Tresor, nicht wahr?«

»Ja. Wir sehen besser nach und stellen fest, was dort fehlt.«

Die Perlen, die aus dem achtzehnten Jahrhundert stammten, waren äußerst wertvoll, und die Inghams hatten sie viele Jahre gehütet wie einen Schatz. Sie waren groß und sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die elegante einreihige Kette hatte Opernlänge und reichte bis zur Taille. Sie war kostbar, von fast unschätzbarem Wert. Daphne war überzeugt, dass die Perlen bei einer Auktion eine hohe Summe erzielen würden.

Die Schatulle war schwer, und Daphne wusste sofort, dass die Perlen darin lagen und in Sicherheit waren. Als sie den Deckel anhob, nickte sie und lächelte erleichtert. »Wenigstens hat sie sich die nicht auch geschnappt, Papa.«

»Ich war mir sicher, dass sie hier waren. Perlen müssen von Zeit zu Zeit herausgeholt werden, um … nun, um sie atmen zu lassen. Aus dem Grund habe ich das Etui regelmäßig mit nach oben genommen«, erklärte Charles.

»Ich weiß einfach, dass Mama die anderen Schmuckstücke mitgenommen hat. Außer Miles und mir war sie die Einzige, die wusste, wo der Schlüssel war, und wir haben sie nicht gestohlen. Das war sie. Deine ehemalige Frau und meine Mutter, und ich werde jedes einzelne Stück von ihr zurückholen. In mir hat sie ihre Meisterin gefunden. Ich werde nicht ruhen, bis die Ingham-Juwelen wieder an ihrem rechtmäßigen Platz liegen.«

»Wie willst du das anstellen, Daphne? Und wie willst du beweisen, dass sie die Juwelen hat? Deine Mutter wird niemals zugeben, dass sie unrechtmäßig etwas aus Cavendon mitgenommen hat.«

Daphne schwieg kurz, dann vertraute sie ihm an: »Ich habe eine Verbündete. Jemanden, der mir helfen wird. Da bin ich mir ganz sicher, Papa.«

Er runzelte die Stirn, und plötzlich trat ein Ausdruck der Sorge in seine blauen Augen. »Und wer ist das? Wer wird dir helfen?«

»Ich fürchte, das kann ich dir nicht verraten, Papa. Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertrauen würde, denn das tue ich natürlich. Trotzdem kann ich es dir einfach nicht sagen, zumindest jetzt nicht. Wenn ich es erledigt und dir den Schmuck zurückgegeben habe, werde ich alles erklären.«

Charles stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wann hast du vor, Felicity zur Rede zu stellen?«

»In den nächsten Wochen, wenn du fort bist. Ich werde sie zwingen, mir den Schmuck auszuhändigen. Jetzt sofort können wir natürlich nichts unternehmen, aber ich bin unbesorgt. Sie kann ihn nicht verkaufen. Niemals.«

»Das ist richtig. Wir würden es umgehend erfahren, wenn die Stücke auf den Markt kämen.«

»Dann sollten wir die Tresore und Kammern verschließen und die verschwundenen Juwelen für die nächsten paar Tage vergessen. Und ich werde kommende Woche die Liste anfertigen und jedes Etui in sämtlichen Tresoren überprüfen, versprochen.«

»Es ist ein wenig beunruhigend«, murmelte Charles und schloss die Tresortür.

»Das weiß ich, Papa, doch wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Problem sich auf das … Familienfest auswirkt. Es wäre ungerecht, nicht wahr?«

»Ja, das wäre es. Wie gewöhnlich sind deine Worte absolut vernünftig, Daphne. Was würde ich nur ohne dich anfangen?«

Kapitel 5

In dem Moment, als er die leeren Schatullen gesehen hatte, hatte ihr Vater gewusst, wer den Schmuck genommen hatte. Daran hatte Daphne nicht den leisesten Zweifel. Aber er hatte darauf gewartet, dass sie selbst zu dieser naheliegenden Schlussfolgerung kam.

Daphne lehnte sich auf dem Stuhl im Wintergarten zurück und dachte an ihre Mutter. Sie hatte sich so stark verändert, dass sie ihr wie eine Fremde vorkam. Daphne gab die Schuld daran Lawrence Pierce. Er trug die Verantwortung dafür. Er hatte einen schlechten Einfluss auf Felicity ausgeübt und übte ihn zweifellos noch immer aus.

Sie seufzte. Keiner von ihnen konnte in Bezug auf ihre Mutter viel ausrichten. Sie war mit Pierce verheiratet, und allem Anschein nach »hatte er die Hosen an«, wie Miles es so treffend ausdrückte. Als ihre Mutter mit dem Chirurgen nach London durchgebrannt war, hatte sie einen Skandal verursacht, doch irgendwie war es ihrem Vater und der Familie gelungen, ihn zu überstehen. Ihr Ruf war unversehrt. Nahezu jede Familie, die sie kannten, hatte ein eheliches oder ein finanzielles Problem.

Es kam Daphne fast unvorstellbar vor, dass ihre Mutter den Schmuck einfach eingesteckt hatte, als wäre es ihr eigener, und dann ohne einen weiteren Gedanken nach London zu ihrem Liebhaber gezogen war. Weder hatte Felicity an den Schmuck gedacht, den zu nehmen sie kein Recht hatte, noch an die Kinder, die sie zurückließ. Das war nun zwölf Jahre her.

Die kleine Dulcie war erst sechs gewesen, und das Baby Alicia, das einzige Enkelkind ihrer Mutter, war noch nicht einmal ein Jahr alt gewesen.

Doch Felicitys Kinder hatten ihren Weggang verwunden. Sie hatten nicht nur einander gehabt, sondern auch ihren außergewöhnlichen Vater, einen sehr liebevollen Mann, den Inbegriff des Anstands.

Sie selbst hatte auch ihren geliebten Hugo und ihr erstes Kind gehabt. Und die Swanns. Was würden sie nur ohne die Swanns, besonders Charlotte, tun?

Normalerweise wäre Daphne heute als Erstes zu Charlotte gelaufen, um ihr von dem verschwundenen Schmuck zu erzählen und sie um Hilfe zu bitten. Aber das ging nicht. Charlotte hatte alle Hände voll zu tun, da wollte sie ihr diese Sorge nicht auch noch aufbürden.

Daphne schloss die Augen und überlegte, was sie unternehmen konnte. Ihrem Vater hatte sie gesagt, sie habe einen Plan, doch das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ihre einzige Idee bestand darin, nach London zu fahren und Felicity zur Rede zu stellen.

Aber ihre Mutter würde den Besitz des Schmuckes leugnen, nicht wahr? Felicity hatte gar keine andere Wahl. Und wie konnte Daphne das Gegenteil beweisen, ohne das Haus ihrer Mutter auf den Kopf zu stellen? Das kam unter keinen Umständen infrage. Allerdings hatte sie tatsächlich eine Verbündete, wie sie es ihrem Vater gesagt hatte. Das zumindest war die Wahrheit. Aber wie viel konnte diese Verbündete ausrichten?

Was sie wirklich brauchte, war ein Grund, sich bei ihrer Mutter zum Tee einzuladen. Doch es würde ein wirklich guter Grund sein müssen, denn sie alle hatten sie im Laufe der Jahre eher gemieden.

»Da bist du ja, mein Liebling«, unterbrach Hugo ihre umherwirbelnden Gedanken, als er mit großen Schritten in den Wintergarten kam. Mit fünfundvierzig sah er so gut aus wie eh und je. Daphne drehte sich um und strahlte ihn an.

Ihr Mann beugte sich vor, küsste sie auf die Wange und setzte sich. »Ich habe dich überall gesucht«, sagte er. »Es gibt endlich gute Nachrichten aus New York! Ich habe sie gerade von Paul Drummond gehört. Es ist ihm gelungen, die alten Fabrikräume zu verkaufen, die ich in Manhattan in der Nähe des Meatpacking Districts erworben hatte. Und das zu einem ausgezeichneten Preis. Das Geld können wir hier in Cavendon gut gebrauchen.«

»Oh, das sind wunderbare Nachrichten, Hugo!«, rief Daphne aus, und aus ihren Augen leuchtete die Liebe zu ihm. Er half nach Kräften, Cavendon schuldenfrei zu halten, denn die Steuern und andere Probleme drohten es aufzufressen. Hugo und sie standen hinter ihrem Vater und unterstützten ihn finanziell, wo sie nur konnten. Sie war froh, dass der angespannte Ausdruck an diesem Nachmittag aus Hugos Gesicht gewichen war.

»Papa wird dankbar sein«, erwiderte sie jetzt, »und ich bin es auch. Du tust so viel, wir können dir gar nicht genug danken.« Sie schwieg für einen Moment, dann fügte sie leise hinzu: »Es wird Papa sicher aufmuntern. Er hat heute eine ziemlich schreckliche Entdeckung gemacht.«