Chronos - Freundschaft mit Tieren - Kurt Dröge - E-Book

Chronos - Freundschaft mit Tieren E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Nach dem Ende von NS-Herrschaft und Krieg stellte sich auch bei der Publizierung von Jugendbüchern die Frage einer immerhin möglichen neuen Ausrichtung. Vor der Gründung der beiden deutschen Staaten fühlten sich viele Verleger, Autoren und Illustratoren unsicher, welche Richtung sie einschlagen sollten. Das allgemeine Bedürfnis nach Lektüre, Bildung und Unterhaltung war in den unmittelbaren Nachkriegsjahren 1946 bis 1949 sehr groß. In Berlin entstand aus teilweise antifaschistisch geprägten Wurzeln kurzzeitig eine neue Reihe mit Tierbüchern für die Jugend. Die Chronos-Tierreihe zeigt in einer Zeit des Übergangs, wie literarisch und künstlerisch nach Qualität und gültigen Werten gesucht wurde. Die beteiligten Zeichner, Illustratoren und Geschichtenschreiber stehen im Mittelpunkt der Darstellung, die auf einer kompletten Sammlung der Reihe beruht und sich als Beitrag zur historischen Jugendbuchforschung versteht.

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Seitenzahl: 73

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Zum Jugendbuch im Übergang

von der NS- zur Nachkriegszeit

Das niedere Bild

Inhalt

Vorbemerkungen zur „Nachkriegszeit“

Die Chronos-Tierreihe 1948/49

Bestandsaufnahme

Reihe

Freundschaft mit Tieren

Reihe

Chronos-Tierreihe

Georg W. Pijet

Kamerad Prinz Dabby

Die Autoren

Zur Geschichte der Tiergeschichte

Die Illustratoren

Egon Stolterfoht

Weitere Bildkünstler

Die Chronos-Tierreihe im Überblick

Autoren und Illustratoren

Anmerkungen

Nachwort: Zu diesem Buch in einer kleinen Reihe

Vorbemerkungen zur „Nachkriegszeit“

Die Jahre nach dem Kriegsende 1945 dienten der unmittelbaren Lebensbewältigung. Der Neuaufbau wurde begonnen. Kunst und Kultur standen dabei nicht gerade im Mittelpunkt, aber ein Bedürfnis danach war und blieb vorhanden.

Solche Sätze aus rückschauenden Publikationen sind Floskeln, die statt Interesse eher den Gedanken wecken können, hier sei von Selbstverständlichkeiten die Rede, von vorgestern, von nostalgischem Kulturjammern. Dennoch behandelt dieser Beitrag anhand eines kleinen und sehr konkreten Beispiels Aspekte des Themas, welche Rolle Künstler und Kulturschaffende direkt nach Kriegsende spielen wollten und konnten, wie ihr Wirken und dessen Ausrichtung im Rahmen der sich neu formierenden kulturellen Identität der Menschen in Nachkriegszeit, Bundesrepublik und DDR verortet werden können. Vielleicht, so ist ja nach wie vor zu fragen, hätten sich kulturelle Ausdrucksmuster, Erziehungs- und Wertestrukturen unter anderen Einflüssen auch anders entwickeln können.

Letztendlich geht es damit, wenngleich dies heute die Gefahr von Inaktualität oder auch Penetranz in sich birgt, auch um die Frage, wie klar, offen, tiefgreifend und systematisch in der Zeit der elementaren Lebensengpässe die Entnazifizierung im Kleinen, etwa im vermeintlich harmlosen Genre des Jugendbuches, stattgefunden hat. Denn gerade dieses „vermeintlich Harmlose“ hat das Kinder- und Jugendbuch unter dem Nationalsozialismus „ausgezeichnet“, indem unpolitische Stoffe aus dem Alltagsleben in mehr oder weniger subtiler Form als Träger von Ideologie benutzt wurden (ausgesprochen militaristisch geprägte Schul- und Jugendbücher aus der Zeit des 2. Weltkrieges bilden hier die „andere Seite“).

Gleichsam umgekehrt diente gleich nach 1945 das Argument „Wir brauchen Abstand“ als Alibi für - wiederum - vermeintlich harmlose, unpolitische Stoffe, bei denen (wiederum) zu fragen ist, welche Lebensauffassung, Weltanschauung und Ideologie sie nunmehr weiter trugen.

Bezogen auf die allgemeine Literatur hat es nach mehrheitlicher Auffassung mit dem Kriegsende keine „Stunde Null“ gegeben, mit sogenannter „Trümmerlyrik“ und „Kahlschlag“-Texten, und keine durchgreifende ästhetische Wende. Eine These lautet deshalb, dass es keinen Anlass dafür gibt, „anzunehmen, die Situation der Kinder- und Jugendliteratur sei 1945 anders gewesen als die Situation der Gesamtliteratur. Man hat im Gegenteil den Eindruck, als habe es sich die Kinder- und Jugendliteratur (noch) wesentlich einfacher gemacht als jene, nämlich lediglich abgetan, was eindeutig nationalsozialistisch war, um spätestens 1947 bereits wieder das bürgerlich intakte Bilder-, Kinder- und Jugendbuch zu präsentieren. Das wesentlich beharrende Moment der Kinder- und Jugendliteratur findet in den restaurativen Bestrebungen der Nachkriegszeit seine hochpolitische Bestätigung.“1

Selbstverständlich erscheint das Wissen, dass Übergänge zwischen dem „Guten“ und dem „Schlechten“ niemals klar, eindeutig, verbindlich und generalisierend zu bestimmen sind, wenn man nicht eine idealistische bis illusorische Wissenschaftsfiktion aufrecht erhalten will, nach der es gut und schlecht im Sinne einer wertfreien Betrachtung überhaupt nicht gibt. Selbstverständlich erscheint auch, dass Kunst und Literatur zu den subtilsten Bereichen gehören, deren Auswirkungen schwer zu fassen und einzuordnen sind. Und es stimmt natürlich die aus einer der hier untersuchten Quellen zitierte Feststellung, „dass es einen eindeutigen Bruch mit der Vergangenheit nicht gibt, sondern dass das Unwesen jener Mächte, die unser Unglück heraufbeschworen haben, in den Herzen und Hirnen fortwirkt.“2

Es fragt sich aber, ob das Wissen um diese „Mächte“ den einzelnen Kunstschaffenden aus seiner Verantwortung entbinden kann. Und es fragt sich, welche unterschiedlichen Weisen es in West und Ost gegeben hat, mit dieser Problematik umzugehen.3

Dieser schon ziemlich langen Vorrede soll noch eine kurze hinzu gefügt werden. Jenseits des Zeitbezugs soll es nämlich auch um die Chancen einer „Kunst fürs Volk“, besonders „fürs Kind“ gehen, einer angewandten Kunst, die Kunstgewerbe, Gebrauchsgrafik, Illustration oder noch anders genannt zu werden pflegt. „Getrennt von Kind und Kunst“ bildet diese Alltagsbildproduktion zugleich schon „immer ein Stiefkind der großen Kunst“4, das sich gerade deshalb aber wunderbar für eine kulturwissenschaftliche Betrachtung eignet, welche das interessiert, was gleichsam unten und hinten an- und herauskommt.

Die Chronos-Tierreihe 1948/49

Als möglicherweise bagatellhaft, jedenfalls sicher marginal anmutendes Exempel dient hier eine kleine Serie von Heften, welche Tiererzählungen gewidmet sind, die „Chronos-Tierreihe“. Sie macht bis heute den ersten Eindruck aller Tiergeschichten, nämlich gänzlich unpolitisch und jeglicher ernsthafterer Problematik unverdächtig zu sein. Die Reihe erschien im Chronos-Verlag (Gustav Spielberg) in Berlin über ganze zwei Jahre, 1948 und 1949. Der Versuch, sie thematisch noch weiter zu führen, mündete mit dem Beginn der 1950er Jahre in eine Vielheit von verlegerischen Aktivitäten im „Tier-Genre“, die hier kaum mehr als genannt werden können.

Die gesamte Chronos-Tierreihe erschien unter der Lizenz-Nr. 110 der französischen Militärregierung5 und umfasst insgesamt 16 Hefte sowie einen Sonderband. Genau genommen müssen zwei der als erste erschienenen Hefte – das allererste, Kamerad Prinz Dabby und ein weiteres frühes, Stachelwanst – in Verbindung mit herausgebendem Verlag und Lizenznummer allerdings etwas gesondert betrachtet werden.

Der spontane, ganz subjektive Eindruck, den die kleine Reihe von Heften hervorrufen kann, hat den Anlass der Beschäftigung mit ihnen gebildet und mag auch jetzt am Anfang ihrer Beschreibung stehen. So etwas wie ein subjektiver haptischer Zwang entstand beim Anblick der ersten beiden Hefte dieser Reihe. Viele assoziative und emotionale Aspekte dürften dabei mitgespielt haben: der den Sammeltrieb sofort und unmittelbar anreizende Reihencharakter, das sozusagen zwischen den Zeiten liegende Design der Cover-Ansichten mit seiner jedenfalls nach dem ersten Eindruck zwischen den 1930er und 50er Jahren changierenden Text-Bild-Komposition als Gesamtkunstwerk, insbesondere die gedeckte, zum An- und Zugreifen animierende Farbigkeit sowie weitere, eher ins Privat-Persönliche gehende Anmutungen. Am wenigsten allerdings spielte zu Beginn dabei die Thematik der Hefte, die sich ja sämtlich mit Tieren, Tierarten und Tiergeschichten befassen, eine Rolle.

Sofort erwachte so etwas wie der Vollständigkeitstrieb des Sammlers in Verbindung mit der Gewissheit, dass die Reihe gestalterisch sicherlich immer mehr Freude machen würde. Dass sie wohl nicht allzu umfangreich wäre und vielleicht sogar entwicklungsgeschichtlich etwas Besonderes sein könnte, trat als Vermutung hinzu. Also begann das Kollektionieren, das sehr rasch, innerhalb weniger Wochen, zum Ziel führte: komplett.

Und etwas später kam die Lust hinzu, mehr über die Geschichte dieser literarisierenden, populär und gleichzeitig anspruchsvoll aufgemachten, schönen Heftreihe heraus zu bekommen: ob die Reihe in den Bereich der Jugend- oder gar Schulbücher gehört (wie ein werbender Klappentext mit Pressestimme deutlich die „Bedeutung für die Belebung des Unterrichts“ bejaht), welche Vorgänger es in den 1920 /30er Jahren gegeben hat und welche Parallelerscheinungen, welche Nachfolger sich anschlossen und was sie übernahmen, warum die Reihe selbst ganz offenbar nur so kurze Zeit existiert hat und nicht noch mehr Hefte erschienen sind. Die noch späterhin zur vielleicht interessantesten werdende Frage, welche Personen für die Reihe verantwortlich gezeichnet haben, ergab sich erst peu á peu.

Das Faszinierendste jedoch waren die Titelblätter mit ihrem schlichten und eingängigen, aber doch so vielfältigen Layout. Der farbige, waagrechte Balken im unteren Drittel darf als klassischer Beleg genommen werden für ein denkbar einfaches, unscheinbares, erst auf den zweiten Blick bewusst werdendes Gestaltungselement, das dennoch oder gerade deswegen allein bereits in der Lage ist, den seriellen Charakter der Reihe zu konstituieren. Hinzu tritt, ebenfalls mehr als vorsichtiges Gestaltungsmerkmal denn als Textinformation, das Schriftband mit dem Namen der Reihe am Kopf des jeweiligen Titelblattes.

Diese beiden Elemente geben jedem Entwurf den notwendigen Halt, denn sowohl die stilisierten Tierzeichnungen als „Hauptmotiv“ als auch die kurzen, ein- bis dreiwortigen Einzeltitel der Hefte, für die eine jeweils eigene, jeweils vollkommen unterschiedliche Typografie gewählt wurde, bilden eher auseinander driftende – oder besser: je spannungsvolle – visuelle Botschaften als streng zusammen führende Reihendarstellungen: wenn man einmal von dem einheitlich-verbindlichen inhaltlichen Bezug zur Tierwelt absieht.

Die Tierzeichnungen auf den Titelbildern schaffen es durchgängig, durch strenge gestalterische Konzentration in Verbindung mit perspektivischer Nähe so etwas wie Spannung und zugleich Vertrautheit zu produzieren, ja Unmittelbarkeit. Dies entspricht, das sei vorweg genommen, voll und ganz dem Reihenkonzept. Jeder Titel ist mit und aus nur zwei Farben komponiert, was wiederum ein erst auf den zweiten Blick sichtbar werdendes konstitutives Reihenmoment ausmacht. Die Farben können komplementär sein oder aus einer Palette kommen, sie sind ausgesprochen zurückhaltend und einer vorsichtigen und Naturnähe suggerierenden Ästhetik verpflichtet, wirken dabei, in Verbindung mit den bewegten, meist in vitaler Aktivität befindlichen Tierzeichnungen, allerdings eingängig und durchaus eindringlich: zum Zugreifen auffordernd.