Das Lächeln am Fuße der Leiter - Henry Miller - E-Book

Das Lächeln am Fuße der Leiter E-Book

Henry Miller

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Beschreibung

Das erzählerische Kabinettstück Henry Millers: Die Geschichte vom Clown, der sich nicht damit zufriedengeben mag, die Leute zum Lachen zu bringen, sondern ihnen Glückseligkeit schenken will. Ein seltener Glücksfall künstlerischen Zusammenwirkens: den poetischen Traum Henry Millers illustrieren die Blätter von Joan Miró.

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Seitenzahl: 49

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Henry Miller • Joan Miró

Das Lächeln am Fuße der Leiter

 

 

 

Über dieses Buch

Das erzählerische Kabinettstück Henry Millers: Die Geschichte vom Clown, der sich nicht damit zufriedengeben mag, die Leute zum Lachen zu bringen, sondern ihnen Glückseligkeit schenken will.

Ein seltener Glücksfall künstlerischen Zusammenwirkens: den poetischen Traum Henry Millers illustrieren die Blätter von Joan Miró.

Vita

Henry Miller, der am 26. Dezember 1891 in New York geborene deutschstämmige Außenseiter der modernen amerikanischen Literatur, wuchs in Brooklyn auf. Die dreißiger Jahre verbrachte Miller im Kreis der «American Exiles» in Paris. Sein erstes größeres Werk, das vielumstrittene «Wendekreis des Krebses», wurde – dank des Wagemuts eines Pariser Verlegers – erstmals 1934 in englischer Sprache herausgegeben. In den USA zog die Veröffentlichung eine Reihe von Prozessen nach sich; erst viel später wurde das Buch in den literarischen Kanon aufgenommen. Henry Miller starb am 7. Juni 1980 in Pacific Palisades, Kalifornien.

 

Weitere Veröffentlichungen:

Der klimatisierte Alptraum

Big Sur

Der Koloß von Maroussi

Lachen, Liebe, Nächte

Schwarzer Frühling

Nexus

Plexus

Sexus

Opus Pistorum

Brennpunkt

Wendekreis des Steinbocks

Wendekreis des Krebses

Stille Tage in Clichy

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2013

Copyright © 1961 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

«The Smile at the Foot of the Ladder» Copyright © 1948 by Henry Miller, Big Sur Calif., USA

Illustrationen von Joan Miró Copyright © Successió Miró/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung any.way, Barbara Hanke

Coverabbildung © Successió Miró/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-02251-5

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Inhaltsübersicht

Das Lächeln am ...

Epilog

Das Lächeln am Fuße der Leiter

Nichts konnte dieses ungewöhnliche Lächeln trüben, diesen Schimmer über Augusts traurigem Gesicht. Im Ring der Manege begann es aus sich selbst zu leuchten, es löste sich ab und strahlte aus eigener Fülle: Abglanz eines nie gesehenen Lichts.

Am Fuße der Leiter, die er gegen den Mond gelehnt hatte, setzte sich August nieder, in Betrachtung verloren. Sein Lächeln gerann, und seine Gedanken waren weit fort. Mit all der Vollendung, die er nun erreicht hatte, spielte er seine Ekstase und überraschte jedes Mal das Publikum mit der äußersten Unbeholfenheit, die ein Mensch zeigen kann. Der große Clown beherrschte viele Tricks, aber seine Ekstase war unnachahmlich. Keinem war es bisher gelungen, die Entrückung darzustellen.

Abend für Abend wartete er am Fuße der Leiter auf das weiße Pferd, dessen Mähne in goldenen Kaskaden zu Boden fiel. Es kam und berührte ihn mit den Nüstern. Die Zärtlichkeit der Stute, laue, feuchte Wärme in seinem Nacken, war wie der Abschiedskuss einer Geliebten. Zärtlich weckte sie ihn, sanft wie der Tau am Morgen die Grashalme, die unter ihm erzittern.

Jeden Abend wurde er aus der Entzückung wieder hineingeboren in den Kreis des grellen Scheinwerferlichts. Da waren wieder Tisch, Stuhl und Decke; das Pferd, eine Glocke, bunte Pappreifen; und die ewige Leiter, der Mond in der Kuppel, die Bocksblase. Mit diesen Requisiten spielten August und seine Kumpane jeden Abend das Drama menschlichen Martyriums.

In schattenhaften Zirkeln hob sich rings um sie Sitzreihe über Sitzreihe aus dem Dunkel der Arena: Gesichter, und große Lücken dazwischen, in denen der Strahl des Scheinwerfers wie eine scharfe Zunge leckte. Die Musiker, verschwimmend im glitzernden Staub und im Flimmern der Magnesiumlichter, klammerten sich wie gebannt an ihre Instrumente. Im Wechselspiel von Schatten und Licht wogten ihre Körper wie Sträucher im Wind. Der Schlangenmensch rollte sich ein und schnellte wieder empor – über einem gedämpften Wirbel der Trommeln. Eine Fanfare der Trompete kündigte den Kunstreiter an – das war die Regel. August begleitete manchmal ein dünnes, spitzes Sägen auf der Violine, manchmal der Spottdrosselton einer Klarinette bei seinen Sprüngen und Narrenspossen. Aber vom Augenblick seines Eintritts in die Trance an verfolgten ihn die Musiker, sogleich inspiriert, von Spirale zu Spirale, von Glückseligkeit zu Glückseligkeit, wie Schlachtrosse eines wildgewordenen Karussells.

Jeden Abend, beim Schminken in der Garderobe, hatte August ein Gespräch mit sich selbst. Die Seehunde, was immer man sie tun ließ, blieben Seehunde. Das Pferd ein Pferd; der Tisch ein Tisch. August dagegen blieb ein Mensch und hatte mehr zu sein: ein ganz besonderes Wesen mit nur ihm eigentümlichen Gaben. Er musste die Leute zum Lachen bringen. Sie weinen machen, das war nicht schwer, auch ihr Lachen war noch leicht hervorzurufen, das hatte er schon vor Jahren entdeckt, lange bevor er vom Zirkus zu träumen begann. Aber er hatte einen höheren Ehrgeiz: er wünschte den Menschen das Geschenk einer unablässigen, stetig sich neu erweckenden, neu sich speisenden Freude zu geben. Diese fixe Idee hatte ihn zu seiner Finte veranlasst, zur Ekstase am Fuße der Leiter.

Durch puren Zufall war er in Trance verfallen, hatte das Nächste um sich und was zu tun war vergessen. Als er seine Sinne wiedererlangte, verwundert und im höchsten Maße beunruhigt, hörte er frenetischen Applaus. Am nächsten Abend wiederholte er das Experiment, diesmal absichtlich und wohlüberlegt, in der Hoffnung, das rohe, sinnlose Lachen würde endlich der unermesslichen Freude weichen, die zu erwecken er so innig wünschte. Doch jeden Abend erwartete ihn, seinen fieberhaften Anstrengungen zum Trotz, derselbe irre Beifall.

Je mehr Erfolg er mit dieser Nummer einheimste, desto glühender wurden seine Anstrengungen. Das Lachen verschärfte sich zur Qual seiner Ohren. Endlich wurde es ganz unerträglich.

Und eines Abends verwandelte sich das Gelächter in Heulen und Pfeifen. Hüte flogen in die Manege, Orangenschalen, Bananen und festere Gegenstände folgten. August erwachte aus seinem ekstatischen Lächeln nicht mehr zur Trauer der Welt. Dreißig Minuten hatte das Publikum gewartet, war unsicher geworden, dann misstrauisch, und schließlich waren die Nerven gerissen, und es explodierte wie ein überheizter Kessel: Hohn strömte aus wie Dampf.