Das Meer, du und ich - Isabella Lovegood - E-Book

Das Meer, du und ich E-Book

Isabella Lovegood

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Beschreibung

Zwei Männer und die Liebe unter Mallorcas heißer Sonne. Enrique ist sorgsam darauf bedacht, seine Homosexualität zu verbergen. Deshalb kommt für ihn eine feste Beziehung keinesfalls in Betracht. Doch lassen sich Gefühle tatsächlich in ihre Schranken weisen? Als Florian in Portocolom auftaucht, sind sie füreinander Versuchung pur. Nur langsam wird ihm klar, was hinter Enriques Zurückhaltung steckt und er fasst einen Entschluss, der ihrer beider Leben ein für allemal verändern wird. Der Roman ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Bänden der Reihe gelesen werden! Die Reihe "Mallorca-Erotic-Romance" umfasst folgende Bände: - Ich, du und sie - Wir drei für immer - Zitronenblütenküsse und Lebkuchensterne - Weil die Liebe siegt - Wahre Liebe rostet nicht - Das Meer, du und ich - Ein Boot, ein Kuss und du - Du, ich und Weihnachtszauber Von der Autorin sind folgende sinnliche Liebesromane erschienen: NEU: Our Life. Our Rules. Die Reihe "Club Red Vulcano" - Zweite Chance für Lust und Liebe - Wer mit dem Feuer spielt Die Reihe "Nachhilfe für die Liebe" - Die Sexpertin - Patchwork mit Herz - Dich zu sehen "Keine Cupcakes für Bad Boys" zwei Romane in einem Buch - (K)ein Bad Boy für Carolin von Isabella Lovegood - Ein Cupcake zur Mittsommernacht von Tamara Leonhard "Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden" (Fortsetzung von (K)ein Bad Boy....) Die Reihe "Zimmer frei für die Liebe": - Heiße Küsse für das Christkind - Ein Koch zum Verlieben - Die Liebe kommt in Gummistiefeln - Liebe ist kein Computerspiel - Zuckerbäcker küssen besser - Regenbogenküsse - Kreuzfahrt zurück ins Leben - Starthilfe fürs Herz - Herzenskinder Die "Rosen-Reihe": - Sommerflirt mit Folgen - Liebe zu dritt - Rosen-Himmel - Geteilte Liebe - Drei plus zwei und jede Menge Liebe - Auf Liebe gebaut - Herbstgenüsse - Aller guten Dinge sind 5 - Weihnachten am Heckenrosenweg "Neujahrsliebe" - Sinnlich-erotische Kurzgeschichte "Venus trifft Venus" - Sinnlich-erotische Kurzgeschichte Unter dem Pseudonym Ingrid Fuchs - Die Hexe Veronika: Roman für Kinder ab ca. 5 Jahren und dazu passendes Malbuch - Unverhofftes Glück (Funkelstein-Roman) - Die Liebe hat viele Gesichter (Funkelstein-Roman, Gayromance) - Winterküsse in Funkelstein - Frühlingsküsse in Funkelstein Unter dem Pseudonym C.P. Garrett "A Groupie's Dream" - erotische Kurzgeschichte "Nina" - erotischer Roman "Mein 10. Hochzeitstag" - erotische Kurzgeschichte "Der Zucker und das Salz des Lebens" + "Honig und Chili" 2-teiliger, erotischer Roman

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1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
Epilog
Florian
Nachwort
Leseprobe aus »Regenbogenküsse«

Das Meer, du und ich

Sinnlicher Liebesroman

Gay-Romance

Band 6 aus der Reihe

Mallorca-Erotic-Romance

von

Isabella Lovegood

Copyright © 2020 Isabella Lovegood

Alle Rechte vorbehalten. Jede Weitergabe, Kopie oder sonstige Vervielfältigung verletzt das Urheberrecht und fügt der Autorin finanziellen Schaden zu.

www.Isabella-Lovegood.at

Lektorat: Tamara Leonhard Korrektorat: Ingrid Fuchs

Covergestaltung: Ingrid Fuchs Cover-Fotos: Hitarth Jadhav (Canva) Isabella Lovegood

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten sind rein zufällig und ungewollt.

1. Kapitel

Enrique

»Genug für heute! Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht. Jedenfalls habt ihr viel dazugelernt«, lobte ich meine Schüler und half ihnen, die SUP-Boards und Paddel ordnungsgemäß zu verstauen. »Wer Lust hat, morgen um die gleiche Zeit geht es wieder los.« Ich sperrte die Sicherungsketten ab, dann lief ich über den weichen, heißen Sand und stürzte mich in die Fluten. Beinahe erwartete ich, dass es zischte, als ich mit dem Wasser in Berührung kam.

Wir hatten fünfunddreißig Grad im Schatten und nachdem ich zwei Stunden lang Unterricht im Stand-up-Paddeln gegeben hatte, war das kühlende Bad im tiefblauen Meer eine lebenserhaltende Maßnahme. Mit kräftigen Bewegungen glitt ich durch das glasklare Nass und genoss es, die Aktivität der Muskeln zu spüren. Ohne das Meer konnte ich mir mein Leben nicht vorstellen. Wasser war mein Element. Unwillkürlich fiel mir mein Vater ein. Als kleines Kind hatte er mich damit aufgezogen, meine Finger und Zehen nach Schwimmhäuten abzusuchen. Meine Mutter hatte ihn zurechtgewiesen, er solle mir doch keine Angst machen, dabei stellte ich mir das damals ziemlich cool vor. Dann hätte ich noch schneller und wendiger schwimmen können, doch auch ohne sie konnten mich meine Freunde kaum einholen.

Ich war zehn gewesen, als mein Vater, mein Großvater und zwei weitere Fischer nach einem Sturm nicht mehr heimgekommen waren. Das war nun fünfundzwanzig Jahre her und ich vermisste ihn noch immer. Trotzdem liebte ich das Meer.

Als ich an dem mit Bojen begrenzten Fahrbereich der Schiffe ankam, wendete ich und schwamm zurück. Genau dort, wo ich es erwartete, erreichten meine Füße den Grund, denn die Strände rund um Portocolom kannte ich in- und auswendig. Hier, an der Südostküste Mallorcas, war ich geboren und aufgewachsen und wollte nirgends sonst leben.

Ich schüttelte mir das Wasser aus den Haaren, als ich gemächlich ans Ufer watete. Der weiche Sand umschmeichelte meine Fußsohlen und gab unter meinem Gewicht nach, während die Wellen ihn rundherum wegspülten. Obwohl meine wasserdichte Armbanduhr bereits nach siebzehn Uhr anzeigte, brannte die Sonne auf meine Haut.

Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, und suchte unter halb geschlossenen Lidern den kleinen Strand ab. Ah, da waren meine Schüler von vorhin. Einer der beiden Männer beschäftigte sich mit dem etwa zehnjährigen Jungen, der andere sah in meine Richtung. Nach kurzem Zögern hob ich grüßend die Hand, bevor ich mich mit dem Rücken zu ihm auf mein Badetuch fallen ließ. Noch immer glaubte ich, seinen Blick zu fühlen, und erneut fragte ich mich, was hinter dem offensichtlichen Interesse steckte. Mit geschlossenen Augen ließ ich mich von der Sonne trocknen. Als ich meine Sachen zusammenpackte, waren die drei verschwunden. Vermutlich waren sie zu ihrem Hotel zurückgefahren, denn es war Zeit für das Abendessen. Auch mein Magen knurrte.

Meine Badeshorts waren zwar noch leicht feucht, aber das störte mich nicht. Die warme Luft würde sie schnell vollständig trocknen. Ich schlüpfte in das T-Shirt und die Sandalen und schulterte meine Tasche. Es war nicht weit zu meinen Freunden, bei denen meine Hündin Roja die Tage verbrachte, während ich arbeitete.

Alejandro öffnete mir die Tür. »Du brauchst doch nicht zu läuten«, mahnte er mich kopfschüttelnd.

»Ich will euch nicht bei etwas überraschen, das mich schockieren könnte«, gab ich grinsend zurück.

»Nun, ich denke nicht, dass dich unsere Sexpraktiken schockieren würden. Du weißt doch zumindest theoretisch, wie das geht mit Mann und Frau«, zog er mich auf. Roja kam aus dem Inneren der Wohnung auf mich zugeschossen und bremste wie immer zu spät. Auf allen vier Pfoten schlitterte sie mir entgegen und prallte gegen meine Beine. Ich schwankte und stieß mit dem Oberschenkel so heftig gegen die Ecke des Tischchens, dass die darauf liegenden Schlüssel leise klirrten. Mit einer Hand beschwichtigte ich die begeisterte Hündin, mit der anderen rieb ich mir über die schmerzende Stelle.

»Wann lernst du denn endlich, mit den rutschigen Fliesen umzugehen?«, fragte ich Roja vorwurfsvoll. Schuldbewusst setzte sie sich auf ihr Hinterteil und klopfte mit dem Schwanz rhythmisch auf den Boden.

»Also, wenn sie es nach fast einem Jahr nicht geschnallt hat, sehe ich da nicht viel Licht«, gab mein Freund grinsend seinen Kommentar ab. »Sie ist ja ein wirklich süßer Hund und auch nicht dumm, aber motorisch ist sie ein Blindgänger. Da hast du leider nicht auf sie abgefärbt.«

»Ja, da hast du recht. Aber irgendwelche Macken hat doch jeder, stimmt’s, mein Mädchen?« Ich kraulte sie hinter den Ohren und griff dann nach der Leine, die an der Garderobe hing.

»Du kannst gerne noch mit uns essen«, lud mich Eva ein, die sich uns langsam und in leichter Schräglage näherte. Der kleine Junge an ihrer Hand war noch nicht allzu sicher auf den kurzen Beinchen unterwegs. Als David mich sah, ließ er seine Mama los und kam mit schnellen, wackeligen Schritten auf mich zu.

»Enike, Enike«, quietschte er begeistert. Ich ging in die Hocke und streckte meinem Patenkind beide Hände entgegen. Dadurch erwischte ich ihn gerade noch, bevor er der Länge nach hinfiel. Schnell hob ich ihn hoch und er schlang mir die weichen Ärmchen um den Nacken. Ein nasses, klebriges Küsschen landete auf meinem Hals.

»Ich schätze mal, ich sollte tatsächlich noch etwas bleiben«, gab ich mich bereitwillig geschlagen und trug den Kleinen ins Wohnzimmer, wo seine Spielsachen auf einem weichen Teppich ausgebreitet lagen. Ich ließ mich mit ihm nieder und half ihm dabei, einen Turm aus Stapelbechern aufzubauen. Einen Becher setzte er obenauf, dann wieder ich. Seine Zungenspitze schob sich zwischen seine rosigen Lippen, so sehr konzentrierte er sich darauf.

»Wie war es heute am Strand?«, fragte mich Eva von der Küchenecke her, wo sie dabei war, allerlei für das Abendessen herzurichten, während Alejandro den Tisch deckte. Dem Geruch nach rührte sie gerade Alioli, eine für die mallorquinische Küche typische Knoblauch-Creme.

»Heiß«, antwortete ich, worauf sie mit den Augen rollte. »Ich meinte nicht die Sonne«, stellte ich dann richtig und hatte sofort ihre Aufmerksamkeit.

»Waren die beiden Deutschen wieder da? Die mit dem Kind?«

»Ja, zur zweiten Unterrichtseinheit. Der Kleine stellt sich wesentlich geschickter an als die Erwachsenen. Besonders Jan ist gänzlich unbegabt, aber er nimmt es mit Humor.«

»Und was ist mit dem anderen? Diesem Dieter?«, fragte Ale nach.

»Dennis. Er kann immerhin schon aufrecht auf dem Board stehen.« Als ich an seine sportliche Figur dachte, den knackigen Po und die kräftigen, sehnigen Beine, musste ich schlucken. Alejandro grinste. Offenbar sah er mir an, was mir gerade durch den Kopf ging.

»Hast du schon herausgefunden, wie die drei zusammenhängen?« Eva trug eine gläserne Schüssel zum Tisch.

»Ist das Nudelsalat?«, fragte ich alarmiert.

Sie nickte mit einem verschmitzten Lächeln, weil sie genau wusste, dass ich darauf voll abfuhr. Eva war eine gute Köchin und die Mischung aus österreichscher und einheimischer Küche, die bei ihr auf den Tisch kam, fand ich sehr spannend.

»Also?«, erinnerte sie mich an ihre Frage. In ihren blauen Augen las ich liebevolles Interesse, während Alejandro einfach neugierig war. »Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.«

»Ich habe keine Ahnung. Nicht einmal, warum mich Dennis so offen mustert.«

»Vielleicht bewundert er ja nur deinen Körperbau«, mutmaßte Eva. »Du bist auf jeden Fall ein Hingucker. Männer erblassen vor Neid und viele Frauen wünschen sich einen so durchtrainierten Freund, der nicht gleich schlapp macht. Ich weiß schließlich, wovon ich rede.« Sie zwinkerte Alejandro genüsslich zu. Er grinste.

»Ja, aber falls er tatsächlich an Männern im allgemeinen und an dir im besonderen Interesse hat, wäre es nicht die feine Art, das so offen vor seinem Partner zu machen«, stellte er dann fest.

Vorsichtig setzte ich David in sein Kinderstühlchen und nahm meinen Platz ihm gegenüber ein. »Jedenfalls blicke ich nicht durch. Dennis und Jan gehen sehr vertraut miteinander um und der Kleine nennt keinen von beiden Papa, so viel habe ich mitbekommen. Egal, es gibt Wichtigeres.« Eva hatte mir den Nudelsalat näher geschoben und ich ließ mich nicht lange bitten.

Alejandro bediente sich an Weißbrot und Alioli, während Eva ein Stück Brot dünn mit Sobrasada bestrich, einer Art weicher, streichbarer Wurst mit viel Paprika, für die Mallorca berühmt war. David fing an, aufgeregt mit den Ärmchen zu fuchteln und »Sada« zu fordern.

»Isst er die tatsächlich?«, fragte ich verwundert, als sie das Brot in kleine Stücke schnitt und einige davon auf seinen mit bunten Fischen bemalten Teller legte.

»Ja, er liebt sie. David darf jetzt alles probieren, was wir essen. Er bekommt ja ohnehin zusätzlich noch seinen Milch-Getreide-Brei mit Obst am Morgen«, erklärte Eva. Interessiert beobachtete ich den Kleinen. Mit spitzen Fingern nahm er ein Stückchen und steckte es sich in den Mund. Prüfend und mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck schob er es hin und her, mümmelte darauf herum und schluckte es schließlich. Dann öffnete er seine Lippen, um zu zeigen, dass er es aufgegessen hatte, und erinnerte mich dabei ein bisschen an ein hungriges Vogelküken. Danach aß er ein Stück nach dem anderen.

»Das ist mein Sohn!«, verkündete Alejandro stolz. »Ein richtiger kleiner Mallorquiner.«

Ich lachte. »Wenn es danach ginge, wäre ich schon zu einem Viertel Österreicher.«

»Nudelsalat ist allerdings nicht typisch österreichisch«, klärte mich Eva auf. »Nächste Woche gibt es ein richtiges steirisches Bauerngeselchtes und Leberkäse.«

Mittlerweile kannte ich mich mit ihren Spezialausdrücken aus. Das, was sie Bauerngeselchtes nannte, bekam man hier als ›Jamón ahumado‹, also Räucherschinken. Geschmacklich lagen dazwischen allerdings Welten und mir lief bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen.

»Wie das? Fliegst du schon wieder nach Graz? Du warst doch erst da.« Sie war bei einer österreichischen Firma angestellt und flog einmal im Monat zu einer Besprechung in die alte Heimat. Von dort brachte sie immer leckere Sachen mit.

»Florian kommt uns besuchen.«

Ich spürte, dass mich Alejandro bei dieser Eröffnung beobachtete, doch ich ließ mir nichts anmerken. »Aha«, machte ich und schob mir eine Gabel voll Nudeln in den Mund.

»Er freut sich schon sehr darauf, mehr von unserer schönen Insel kennenzulernen, aber ich bin ja nicht so flexibel mit dem Kleinen. Vielleicht ...« Eva sah mich fragend an, doch ich tat, als ob ich nicht verstünde, worauf sie hinauswollte. Gleichzeitig fragte ich mich, wie viel Florian ihr erzählt hatte.

»Er kann ja auch alleine auf Erkundungstour gehen«, kam mir mein Freund zu Hilfe. Ich schickte ihm einen dankbaren Blick, den er mit einem winzigen Zwinkern erwiderte. Glücklicherweise hielt er nichts von Kuppelversuchen. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass mich ein aufgeregtes Kribbeln durchlief, als ich an Evas Cousin dachte. Ich zwang mich dazu, meine Aufmerksamkeit dem leckeren Essen zu widmen, um den Erinnerungen keinen Raum zu geben, doch Eva machte meine Bemühungen sofort zunichte.

»Florian bleibt zwei Wochen. Ihr werdet euch also bestimmt begegnen.« Eva schob mir die Schüssel näher. »Nimm ruhig noch nach.« Wieder fragte ich mich, ob sie tatsächlich so ahnungslos war, wie sie sich gab. Jedenfalls hatte sie recht, es würde praktisch unmöglich sein, ihm aus dem Weg zu gehen. Verdammt, was hatte ich mir bloß dabei gedacht?

2. Kapitel

Florian

»Ich beneide dich«, seufzte Michaela, als wir nebeneinander die Kittel in unsere Garderobenkästen hängten. »Noch ein paar Tage, dann fliegst du nach Mallorca und ich muss hierbleiben.« Sie zwinkerte mir zu. »Trink eine Sangria für mich mit, okay? Was hast du vor? Party am Ballermann?«

Ich verdrehte genervt die Augen. »Was haben bloß alle damit? Kennst du Mallorca überhaupt? Die Insel hat doch viel mehr zu bieten, als diesen einen blöden Strandabschnitt in Palma.«

»Nein, ich war noch nie da, aber es reden doch immer alle nur davon«, verteidigte sie sich kleinlaut.

»Dann redest du mit den falschen Leuten, Micky.« Ich lächelte ihr zu, um meine Worte zu entschärfen. Schließlich mochte ich sie und wollte sie nicht beleidigen. »Ich besuche meine Cousine Eva, die einen Mallorquiner geheiratet hat.«

Sie nickte eifrig. »Genau, ich erinnere mich. Du warst ja bei dieser Hochzeit, wo es einen so traumhaften Blick über das Meer gab. Die Fotos waren der Hammer.«

»Stimmt genau. Und das ist auf der anderen Seite der Insel, weit weg vom Ballermann. Aber falls du mal nach Mallorca fliegst, sag mir Bescheid. Evas Mann arbeitet in einem kleinen, gemütlichen Fincahotel, das eine Familie betreibt, die aus Graz stammt. Da waren wir damals untergebracht und ich kann es dir sehr empfehlen.«

»Das ist ein guter Tipp. Ich habe im August Urlaub und ohnehin noch keinen Plan. Denkst du, sie haben da noch etwas frei?« Sie schlüpfte in ihre hochhackigen Sandalen und verschloss ihren Spint.

»Ich weiß es nicht. Soll ich dir den Link zur Webseite schicken?«

»Das wäre super, dann kann ich selbst anfragen.«

»Okay, mach ich. Schönen Feierabend, Micky, und bleib brav.«

Sie lachte. »Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Ich bin heute noch zu einer Geburtstagsparty eingeladen, aber morgen hab ich frei, also kann ich es ruhig krachen lassen.«

»Okay, dann viel Spaß und mach nichts, was ich nicht auch tun würde«, sagte ich zu ihr.

»Also, einen süßen Typen aufreißen.« Sie kicherte. »Das lässt sich machen.«

Dann trennten sich unsere Wege. Ich ging in die Tiefgarage der Privatklinik, wo mein Auto stand, sie zu dem Ausgang, der der Straßenbahnhaltestelle am nächsten lag.

Als ich die Garage verließ, fiel mir auf, dass am Himmel, der vorhin ein einheitliches Grau gezeigt hatte, nun noch dunklere Wolken aufgezogen waren. Während ich mich in den Verkehr einfädelte, überlegte ich, was ich mit dem Abend anfangen sollte. Es war ein harter Tag gewesen und ein wenig Ablenkung würde nicht schaden. Die Aussicht auf eine anregende Unterhaltung oder einen unverbindlichen Flirt gefiel mir. Ich musste scharf abbremsen, weil ein Mann unmittelbar vor mir auf den Zebrastreifen trat. Hinter mir quietschten Bremsen und einen Moment befürchtete ich, gerammt zu werden, doch der Aufprall blieb aus.

›Auf diese Art von Bums kann ich verzichten‹, dachte ich und grinste erleichtert, während ich den Gang einlegte und wieder losfuhr. Plötzlich fing es an zu regnen. Aus den ersten, dicken Tropfen, die gegen die Scheibe und auf das Dach trommelten, wurde binnen Sekunden ein Wolkenbruch.

»Verdammte Scheiße«, fluchte ich. »Muss das jetzt sein?« Ich hasste Regen. Ein greller Blitz zuckte über den Himmel, die Erschütterung, die der Donner verursachte, war auch im Inneren des Wagens zu spüren. »Kaum ist es mal sommerlich, gibt es sofort wieder ein Gewitter«, schimpfte ich vor mich hin. Ein Radfahrer schnitt mich und ich spürte, wie ich auf der nassen Fahrbahn ins Rutschen kam, als ich auf die Bremse stieg. Mein alter KIA hatte noch kein ABS. Es war pures Glück, dass es zu keinem Zusammenstoß kam. »Mistwetter, verfluchtes.« Mit größter Konzentration fuhr ich quer durch Graz und als ich zu Hause ankam, regnete es noch immer. Bis ich die Haustür geöffnet hatte, war ich nass bis auf die Haut. Ich schälte mich gerade aus meiner Jeans, als das Handy läutete. Glücklicherweise hatte es in der Gesäßtasche nicht allzu viel abbekommen.

»Hallo Cousinchen«, begrüßte ich die Anruferin. »Ich würde mich am liebsten gleich in das nächste Flugzeug setzen und zu dir kommen.«

Eva lachte. »Hey, Florian, du klingst etwas angespannt.«

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir diese ständigen Gewitter auf den Sack gehen«, knurrte ich.

»Oh, doch, kann ich. So lange ist es ja noch nicht her. Mama hat mir erzählt, dass es vergangene Woche in der Südsteiermark sogar gehagelt hat. Vielleicht solltest du auch auswandern«, schlug sie vor und ich konnte ihr schelmisches Lächeln direkt vor mir sehen. »Ich war gerade mit David und Alejandro baden. Das Meer ist einfach herrlich. Ist es sehr fies, dir das zu erzählen?«

Ich lachte. Alleine, davon zu hören und es mir vorzustellen, hob meine Laune schlagartig. »Du darfst das und bald kann ich mich ja auch in die Fluten stürzen. Ich freue mich wie irre darauf«, gestand ich. »Zwei Wochen mit dir und deiner Familie, Sonne satt, das Meer fast vor der Haustüre, einfach perfekt.«

»Ich freue mich auch sehr auf dich, Flo. Enrique habe ich auch schon erzählt, dass du kommst.«

Mein Herz klopfte bei seiner Erwähnung ein wenig schneller. »Und, wie hat er reagiert?«

»Ziemlich neutral, aber er lässt sich nicht so gerne in die Karten schauen.«

Den Eindruck hatte ich auch gewonnen, trotzdem spürte ich einen Hauch von Enttäuschung. Aber was hatte ich erwartet? Es war jetzt zehn Monate her. Ob die Anziehung zwischen uns wieder aufflammte oder nicht, würde sich zeigen. Alles andere war Spekulation und Schwärmerei. Sehnsucht. Erinnerungen.

»Warum ich eigentlich anrufe: Hast du die Lebensmittel schon besorgt?«, riss mich Eva aus meinen Gedanken.

»Ja, schon vorgestern, da hatte ich frei. Gibt es noch etwas Dringendes? Mich hat der Regen voll erwischt und langsam wird mir kalt.«

»Oh, nein, sonst nichts. Dann schau mal, dass du in trockene Klamotten kommst, damit du dich nicht erkältest, so knapp vor dem Urlaub.«

Mittlerweile war ich richtig durchgefroren, sodass ich die heiße Dusche sehr genoss. Enrique schlich sich in mein Denken und die Erinnerung an die beiden aufregenden Nächte, die wir zusammen verbracht hatten, kurbelte meine Fantasie an. Augenblicklich hatte ich das Gefühl, seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich fühlte starke Hände besitzergreifend über meine Haut streichen und geschickte Finger, die meine empfindsamsten Stellen fanden. Ich stöhnte auf, als ich mir vorstellte, aufs Intimste mit ihm verbunden zu sein, während ich meinen Schwanz mit festem Griff massierte.

»Ich will dich«, stöhnte ich mit geschlossenen Augen. In meiner Vorstellung schob ich mich rhythmisch zwischen die knackigen, runden Pobacken, während ich sein heißes, schweres Glied umfasste. Realität und Fantasie vermischten sich und bescherten mir einen heftigen Höhepunkt. Ich drückte meine Stirn gegen die kalten Kacheln und wartete, bis sich meine zitternden Knie und der rasende Herzschlag wieder halbwegs normalisierten, bevor ich aus der Dusche stieg.

An diesem Abend blieb ich zu Hause. Der unaufhörlich fallende Regen hatte mir die Lust verdorben, noch einmal rauszugehen.

3. Kapitel

Enrique

»Adéu«, verabschiedete ich mich von Jovana, bevor ich die Bank verließ. Fröhlich winkte mir die hübsche Blondine zu. Die Eltern meiner Kollegin waren deutsche Einwanderer, doch sie selbst war bereits auf Mallorca geboren worden. Jovana sprach fließend Spanisch, Katalanisch und Deutsch, genau wie ich. Meine Deutschkenntnisse waren nicht so perfekt, dafür konnte ich besser Englisch als sie. Wir waren beinahe gleichaltrig und verstanden uns gut. Unser Chef sah es nicht gerne, wenn wir uns während der Arbeitszeit privat unterhielten. Diego Martinez war ein strenger Mittfünfziger, dem selten ein Lächeln über die Lippen kam. Er war nicht immer so gewesen, doch daran erinnerte ich mich kaum noch, so lange war es her. Als seine Frau ihn verlassen und den gemeinsamen Sohn mit aufs Festland genommen hatte, war ihm das Lachen vergangen. Er hatte sich zurückgezogen und war unnahbar geworden. Das war schlimm, aber bei allem Mitgefühl, das ich für ihn empfand, machte das die Zusammenarbeit mit ihm auch nicht angenehmer.

Doch nun war für heute Schluss. Auf der Straße schwappte die Hitze des Tages auf mich über und ich wandte für einen Moment mein Gesicht dankbar der Sonne zu. Der Aufenthalt in klimatisierten, abgedunkelten Räumen war nicht nach meinem Geschmack. Die Arbeit in der Bank fand ich ganz okay, aber nach Dienstschluss, wenn ich ins Freie trat und die Meeresbrise über mein Gesicht strich, fing für mich das Leben an.

Da der Asphalt um diese Zeit glühend heiß war, hatte Eva vorgeschlagen, dass Roja tagsüber bei ihnen blieb. Sie konnte im Garten herumlaufen oder sich im kühlen Haus aufhalten. Erst am Abend, wenn die ärgste Hitze vorüber war, würde ich sie wieder abholen. Also ging ich noch rasch beim Supermarkt vorbei, der ohnehin fast auf meinem Weg lag, und kaufte ein paar Lebensmittel ein. Angelina stand hinter der Fischtheke und begrüßte mich freudig.

»Hola, Enrique! Wie geht`s dir? Was darf ich dir geben?« Wir kannten uns schon ewig, doch ich hatte den Eindruck, dass sie mich heute besonders freudig anlächelte. Im nächsten Moment fiel mir ein, dass ich gehört hatte, dass sie seit Kurzem wieder Single war. Sie machte keinen sonderlich bedrückten Eindruck. Im Gegenteil. Ihr Lächeln wirkte eher, als wäre sie bereits wieder auf der Jagd und ich ihre bevorzugte Beute. Ich grinste innerlich, während ich das Fischangebot begutachtete. Ich überlegte nicht lange, sondern entschied mich für einen Wolfsbarsch. Das war mein Lieblingsfisch und die zwei Exemplare, die hier auf zerstoßenem Eis lagen, waren so frisch, dass sie garantiert erst in der vergangenen Nacht aus dem Meer gefischt worden waren. Nichts anderes kam bei mir in die Pfanne.

»Einen oder brauchst du beide?«, fragte sie mich und ein aufmerksames Funkeln zeigte sich in ihrem Blick.

»Ein Fisch reicht mir. So hungrig bin ich auch wieder nicht«, entgegnete ich lässig und überhörte ihre unausgesprochene Frage absichtlich. Sie nickte und griff nach dem Größeren. Mit routinierten Bewegungen nahm sie den Fisch aus und entschuppte ihn küchenfertig.

»Bist du am Samstag auch bei Alejandros Sammelaktion?«, erkundigte ich mich.

Sie horchte auf. »Dieses Wochenende ist das?«

Ich nickte und lächelte sie an. »Ich würde mich freuen, wenn du kommst.« Dass sie das möglicherweise falsch interpretierte, nahm ich in Kauf. Schließlich diente es einem guten Zweck.

»Am Samstag, sagtest du?«, fragte Angelina nach.

»Treffpunkt ist um neun Uhr auf dem Kirchplatz.«

»Das ist gut. Am Sonntag könnte ich nicht, da muss ich arbeiten.« Sie spülte den Fisch ab und steckte ihn in einen Plastikbeutel. Während sie ihn sorgfältig verknotete, meinte sie: »Ich hatte schon lange einmal vor, mich da anzuschließen, aber bisher hat es nie gepasst. Okay, dann sehen wir uns spätestens da!«

Ich hatte den Eindruck, als ob sie darauf hoffte, dass es nicht nur um die Aktion ginge, aber da war sie bei mir leider an der völlig falschen Adresse. Allerdings zeigte es mir, dass es mir all die Jahre perfekt gelungen war, mein Geheimnis zu bewahren. Ich nahm den Beutel entgegen und verabschiedete mich mit einem Lächeln. »Dann bis Samstag!«

Ich brauchte noch etwas Gemüse und Milch, dann ging ich zur Kasse. Glücklicherweise hatte ich es nicht weit nach Hause, denn bei dieser Hitze wären weder der Fisch noch die Milch lange frisch geblieben. Kaum war meine Wohnungstür hinter mir ins Schloss gefallen, schlüpfte ich aus der Hose und hängte sie ordentlich auf einen Bügel. Hemd und Socken landeten im Wäschekorb und ich machte mir in Gedanken eine Notiz, dass ich demnächst die Waschmaschine einschalten musste. In Shorts und T-Shirt verstrubbelte ich meine Haare, die ich für meinen Job ordentlich aus der Stirn kämmte. Nun war ich vollkommen in der Freizeit angelangt.

Während ich in meiner winzigen Küche stand, einige Kartoffeln vom Vortag schälte und in kleine Stücke geschnitten zu meinem Fisch in die Bratpfanne warf, kam mir wieder einmal nagend zu Bewusstsein, dass ich mich endlich um die Wohnung meiner Mutter kümmern musste. Genaugenommen war es nun meine. Ich hatte sie geerbt, mich aber noch immer nicht zu einem Entschluss durchgerungen, was ich damit machen wollte.

Eigentlich war es eine schöne Wohnung, wenn da nicht so viele Erinnerungen gewesen wären. Vor allem, dieses eine spezielle Bild, das immer wieder in mir aufstieg. Es hatte sich bei mir eingebrannt, als ich Mama tot auf ihrem Sofa gefunden hatte. Das war nun schon fast ein Jahr her, trotzdem überlief mich ein Schauer und ich nahm einen kräftigen Schluck von dem Weißwein, den ich zum Aufgießen des Bratenfonds bereitgestellt hatte. Eva, Alejandro und seine Mutter hatten mir geholfen, die persönlichen Dinge durchzusehen, die nötigen Dokumente zu finden, und alles Verderbliche wegzuwerfen, aber sonst war seither nichts passiert. Ich brachte es kaum über mich, einen Fuß in die Räumlichkeiten zu setzen, in denen ich aufgewachsen war.

In meiner kleinen Junggesellenbude, in der ich seit beinahe zehn Jahren wohnte, fühlte ich mich hingegen sehr wohl. Sie bestand aus einem Schlafzimmer, der Wohnküche und einem Duschbad mit Toilette. Das Beste daran war jedoch, dass ich alleine im obersten Stockwerk wohnte und die Wohnung in der Etage unter mir fast das ganze Jahr leer stand. Ein deutsches Paar benutzte sie als Ferienwohnung. Ich hatte also meinen perfekten Rückzugsort und kein Bedürfnis danach, etwas an meiner Situation zu ändern.

Vorsichtig goss ich einen Schuss Wein zum Fisch. Es zischte und dampfte. Geübt schwenkte ich die schwere gusseiserne Pfanne, um die Bratenrückstände zu lösen, dann nahm ich Besteck und trug alles nach draußen auf die winzige Dachterrasse. Unter dem kleinen Tisch stieß ich mit dem Fuß an eines von Rojas Körbchen und stellte amüsiert fest, dass sie mir fehlte. Es war schön, sie bei mir zu haben, und es beruhigte mich, wenn sie neben mir lag und leise und völlig entspannt schnarchte. Eigentlich war sie der Hund meiner Mutter gewesen. Dass sie den Tod ihres Frauchens so bemerkenswert gut verkraftet hatte, lag einerseits an ihrem ausgeglichenen Gemüt, vor allem verdankten wir es jedoch meinen Freunden, die mir halfen, den Verlust für sie auszugleichen. Wärme stieg in mir auf, als ich an Alejandro, Eva und den kleinen David dachte. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, wie mein Leben ohne sie aussehen würde. Alejandro stand mir näher als jeder andere Mensch. Und obwohl ich es mir oft gewünscht hatte, war ich letztendlich froh, dass er meine Veranlagung nicht teilte. Liebesbeziehungen waren oft trügerisch und nicht von Dauer, aber unsere Freundschaft war über all die Jahre, nein Jahrzehnte, die wir uns kannten, immer tiefer geworden. Nicht einmal der Umstand, dass er die Frau fürs Leben gefunden hatte, konnte sie trüben. Im Gegenteil, Eva und ich hatten einander ins Herz geschlossen, und der Kleine war ohnehin ein einziger Lichtblick für mich. Ich schmunzelte vor mich hin, während ich den ersten Bissen von der Mittelgräte löste, ihn an meine Nase hob, genüsslich das feine Aroma einsog und ihn dann mit den Lippen von der Gabel zog. Beinahe hätte ich wohlig aufgestöhnt. Einfach köstlich! Ich schob alle Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf meine Mahlzeit. Der Fisch hatte es verdient, ihm meine volle Aufmerksamkeit zu widmen.

Für meine Siesta blieb nicht lange Zeit, bevor ich zum Strand aufbrach. Diesmal waren Dennis und der Kleine zum Unterricht gekommen. Neben ihnen standen zwei junge Frauen in knappen Bikinis. Ich schätzte sie auf Mitte Zwanzig und schon beim Näherkommen registrierte ich erleichtert, dass sie mit Dennis Deutsch sprachen. Gemischtsprachiger Unterricht war anstrengend. Als nächstes Detail fiel mir der Sonnenbrand auf, der ihre Schultern rot gefärbt hatte.

»Hola, ich bin Enrique.« Ich hielt ihnen meine Hand zum Gruß hin. Sie stellten sich als Silke und Yvonne vor. »Habt ihr schon Erfahrung im Stand-up-Paddeln?«

Beide schüttelten den Kopf. »Deshalb sind wir ja hier«, stellte die blonde Yvonne fest und lächelte mich herausfordernd an, während sie die Schultern nach hinten zog, damit ihr praller Busen besser zur Geltung kam. Ich wandte mich Dennis und Lukas zu und begrüßte sie. »Kommt Jan auch noch?«

Dennis grinste. »Nein, der hat es aufgegeben. Aber ich kann Lukas ja nicht alleine lassen.« Er strubbelte dem Jungen durch die Haare.

Ich verbiss mir den Kommentar, dass das Kind ohnehin kaum noch Unterricht brauchte. Es war ja nicht so, dass mich die Anwesenheit von Dennis störte. Sie brachte mich höchstens ein bisschen durcheinander.

»Okay, dann erledigen wir schnell das Administrative, damit wir ins Wasser kommen. Habt ihr die Zahlungsbestätigung für den Kurs dabei?«, fragte ich rundum.

»Sehe ich so aus, als ob ich irgendetwas eingesteckt hätte?« Yvonne schürzte die Lippen zu einem lasziven Lächeln, das vermutlich sexy wirken sollte. Silke zeigte das, was ich innerlich auch machte: Sie rollte genervt mit den Augen. Dann lief sie zu ihrer Tasche, die neben der Badematte lag, und kramte darin, bis sie die beiden Zettel gefunden hatte. Dennis hielt mir die Bestätigungen in der Zwischenzeit bereits entgegen. Er kannte das Prozedere ja schon.

»Okay, dann nehmt euch jeder ein Board.« Ich zeigte ihnen, wie sie sich auf das Brett knien sollten und worauf es ankam. »Erst wenn ihr euch sicher fühlt und die Balance halten könnt, steht ihr vorsichtig auf. Wir bleiben auf jeden Fall in Ufernähe. Das Wasser ist hier sehr seicht, ihr braucht also keine Angst zu haben. Schwimmen könnt ihr, oder?«, vergewisserte ich mich.

»Natürlich. Das kann doch jedes Baby!« Yvonne verzog verächtlich die pinkfarbenen Lippen.

Ich schüttelte den Kopf. »Dann hätte ich nicht gefragt. Du würdest dich wundern, was mir schon alles untergekommen ist!«

»Wie lange gibst du schon Unterricht?«, erkundigte sich Silke.

»Seit fast zehn Jahren.«

Hinter mir erklang lautes Platschen und ein Kind kicherte. Ich drehte mich um und grinste unwillkürlich. Dennis war mal wieder von seinem Board gefallen und Lukas amüsierte sich prächtig. Der Kleine hatte ein gutes Balancegefühl und fühlte sich sichtlich wohl mit seinem neuen Sport.

»So, Ladys, probiert mal.«

Silke fasste ihr dunkles, schulterlanges Haar zusammen und schlang ein Gummiband darum. Dann griff sie beherzt nach ihrem Board und kniete sich so darauf, wie ich es vorgezeigt hatte. Ein paar Augenblicke schwankte es bedrohlich, dann hatte sie ihr Gleichgewicht gefunden. Yvonne kippte beim ersten Versuch kreischend ins Wasser. Spuckend und prustend tauchte sie wieder auf. Ich hielt ihr Brett fest, damit sie leichter hinaufklettern konnte.

»Langsam. Nimm dir Zeit, die richtige Position zu finden. Du musst ein Gefühl dafür entwickeln, wie sich das Board verhält.«

»Es sieht so leicht aus«, stellte sie missmutig fest und strich sich eine klatschnasse Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Ist es auch, wenn man es kann. Das wird schon«, ermunterte ich sie.

»Das schmerzt auf den Knien«, jammerte sie.

Innerlich seufzte ich auf. Es wäre mir lieber gewesen, wenn sie dem Barbie-Klischee weniger exakt entsprochen hätte.

»Dann solltest du möglichst schnell aufstehen«, ätzte Dennis, dem die Quengelei bereits auf die Nerven zu gehen schien. Er selbst balancierte mit wackeligen Knien, aber immerhin stand er. Ich verkniff mir den Hinweis, dass er in seiner ersten Unterrichtsstunde auch mehr im Wasser als auf dem Board gewesen war.

»Nicht zu weit hinaus, Lukas«, wies ich den Jungen an, der sich bereits recht schnell von uns fortbewegte.

»Gibt es hier Haie?«, fragte mich Yvonne mit angstvoll aufgerissenen Kulleraugen.

»Nicht hier in der Bucht. Aber wir dürfen nicht in die Fahrrinne der Schiffe kommen.«

Ich ließ ihr Board los und sofort wackelte es wieder heftig. Ihre Freundin stellte sich wesentlich geschickter an. »Verlagere deinen Schwerpunkt ein klein wenig nach vorne«, riet ich ihr.

»Ah, ja das ist besser«, stellte Silke fest und lächelte mich an, während sie das Paddel ins Wasser tauchte. Yvonne versuchte nun, ebenfalls aufzustehen und zwei Sekunden später landete sie wieder im kristallklaren Wasser.

»Das war zu früh. Du musst erst mit niedrigerem Schwerpunkt das Gleichgewicht halten können.« Ich setzte mein verständnisvollstes Lächeln auf. »Komm, probier es noch einmal.«

Es dauerte eine Weile, aber bis zum Ende der Stunde hatte sie den Dreh heraußen und stand noch etwas unsicher, aber sehr stolz auf ihrem Board.

»Du hast wirklich eine Engelsgeduld«, stellte Dennis anerkennend fest, als die beiden jungen Frauen ihre Boards abgegeben hatten und sich danach schwimmend in die Fluten stürzten.

»Danke, aber die gehört zum Jobprofil. Manche brauchen eben länger als andere. Lukas ist ein Naturtalent.« Ich lächelte dem Jungen anerkennend zu.

»Es macht irre Spaß so über das Wasser zu gleiten. Sind die Aufnahmen auch gut geworden?«, fragte er Dennis eifrig, der ihn am Ende der Stunde mit seinem Handy gefilmt hatte. »Das müssen wir unbedingt Jan zeigen, wenn wir wieder im Hotel sind. Er wird soooo stolz auf mich sein!«, jubelte der Kleine. »Oh, schaut mal, da kommt er ja schon! Denkst du, ihm ist ohne uns langweilig geworden?«

»Bestimmt«, grinste Dennis.

Während ich die Boards in ihren Halterungen verstaute und absperrte, beobachtete ich aus den Augenwinkeln, wie sich die drei begrüßten. Jan klopfte Dennis auf die Schulter und ließ die Hand dann dort liegen, während sie sich das Video ansahen. Wieder überlegte ich, wie sie wohl zusammengehörten. Sie wirkten sehr vertraut miteinander, aber richtige Intimitäten wie einen Kuss oder einen Griff an den Po hatte ich noch nie beobachtet. Andererseits hielten sich viele Homosexuelle in der Öffentlichkeit ganz bewusst damit zurück. Jan stapfte über den weichen Sand zu mir herüber. »Wir wollen in der Bar da hinten noch etwas trinken und ein Eis essen. Kommst du mit? Ich lade dich ein.«

Ich sah zu Dennis hinüber, der mich auffordernd anlächelte, während Lukas bereits ungeduldig mit den Zehen im Sand scharrte. »Okay, gerne!« Ich schulterte meine Tasche und setzte mich Seite an Seite mit Jan in Bewegung. »Wie lange seid ihr noch hier?«, fragte ich ihn.

»Nur noch ein paar Tage. Ich bin zum ersten Mal auf Mallorca und positiv überrascht.«

»Ich hab dir doch gesagt, es ist cool hier!« Dennis grinste breit. »Tolle Gegend und richtig nette Einheimische.« Einen Moment sah er mir in die Augen und sein glühender Blick verursachte mir ein Prickeln, das mir direkt in den Unterleib fuhr. Vorsichtig sah ich zu Jan hinüber, ob er bemerkt hatte, was da lief, doch der sah aufs Meer hinaus.

»Warum verfolgen die Möwen das Boot?«, fragte Lukas.

»Die Fischer werfen den Beifang, also Fische, die sie nicht fangen dürfen oder haben wollen, ins Meer zurück. Wenn sie schnell sind, erwischen die Vögel dann so manchen Brocken.«

»Cool.« Wieder wandten sich die Köpfe zu dem Fischkutter, der nun an uns vorbei in den Hafen tuckerte. Der warme, feste Arm von Dennis streifte meinen. Neuerlich lief mir ein Schauer über die Haut. Möglicherweise war die Berührung nur Zufall, aber meine Reaktion auf sie war keiner. Vielleicht war es doch keine gute Idee, mit in die Strandbar zu gehen, doch jetzt war es zu spät, ohne ersichtlichen Grund einen Rückzieher zu machen. Außerdem wollte ich unbedingt herausfinden, wie die drei zueinander standen. Dennis brachte mich ziemlich durcheinander und das war ein gutes, aufregendes Gefühl, das ich genoss, auch wenn es gefährlich war.

Als wir an dem kleinen Tisch im Schatten eines der schilfgedeckten Sonnenschirme saßen, verflog der letzte Zweifel: Dennis machte mich an. Sein Knie drückte gegen meinen Oberschenkel. Dass er dabei genau den blauen Fleck erwischte, den ich mir am Vorabend an Alejandros Vorzimmertischchen geholt hatte, war hilfreich gegen die erotische Stimmung, die sich sonst unweigerlich ausgebreitet hätte.

»Darf ich jetzt ein Eis haben?« Lukas sah Dennis an. »Du hast es versprochen! Biiiiitte!«

»Ja, klar. Aber lass mich zuerst mein Bier austrinken, dann hole ich mir gleich noch eines.« Ich hatte den leisen Verdacht, dass ihn seine Annäherung nicht so ganz kalt gelassen hatte und er ein wenig Zeit brauchte, bis er gefahrlos aufstehen konnte. Jedenfalls war er merklich von mir weggerückt und die Stelle fühlte sich augenblicklich irgendwie leer an. »Willst du auch etwas? Eis oder Bier?«, fragte er mich.

»Ein Eis wäre nicht schlecht. Irgendetwas Fruchtiges.«

»Ich such dir was aus!« Lukas war schon aufgesprungen und lief voraus, Dennis schob sich die Geldbörse in die Gesäßtasche und folgte ihm.

»Ich finde es bemerkenswert, wie geduldig ihr mit Lukas umgeht«, stellte ich fest, als die beiden außer Hörweite waren.

»Er macht es uns leicht. Meistens jedenfalls. Er ist ein toller Junge!« Jans Stimme klang warm und liebevoll. Spontan beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich musste wissen, was da lief. »Ist er dein Sohn oder der von Dennis?«

»Weder noch.« Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier.

»Ist es in Deutschland eigentlich schwierig für zwei Männer, ein Kind zu adoptieren?«

Jans Kopf ruckte in meine Richtung. »Keine Ahnung. Hör mal, ich bin nicht schwul, falls es das ist, was du wissen willst. Dennis ist mein Bruder und Lukas der Sohn meiner Lebensgefährtin.« Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoß. Verdammt, da war ich ja mit Anlauf ins Fettnäpfchen gesprungen! Bevor ich mich entschuldigen konnte, sprach Jan schon weiter. »Daniela hat sich vor zwei Wochen das Bein gebrochen und nachdem wir es Lukas nicht antun wollten, den Urlaub verfallen zu lassen, ist Dennis eingesprungen.« Er sah mich grinsend an und zwinkerte mir zu. »Ich bin nicht schwul, aber mein kleiner Bruder schon. Und er steht auf dich.« Der Schreck fuhr mir kalt in die Glieder. Zwanzig Jahre lang hatte es niemand bemerkt. Ich gab mich cool.

»Woraus schließt du, dass mich das interessieren könnte?«

Jans Grinsen wurde noch breiter. »Ich bin ein guter Beobachter. Du flirtest zwar mit den Mädels, aber statt auf ihre Titten starrst du Dennis auf den Arsch.« Mir blieb eine Erwiderung erspart, denn nun kamen die beiden zurück. Während ich mich der Eistüte widmete, hatte ich Zeit, die Informationen zu sortieren. Das eröffnete ja völlig neue Perspektiven! Unter halb geschlossenen Lidern beobachtete ich das Spiel der Armmuskeln unter der frisch gebräunten Haut von Dennis. Ich genoss das aufregende Prickeln, das sich in meinem Körper ausbreitete, während ich mir vorstellte, die kräftige Hand würde mich streicheln.

»Meinst du, ich kann schon gut genug paddeln, oder brauche ich noch Unterricht?«, riss mich Lukas aus meinen Träumereien.

»Es ist zwar schlecht fürs Geschäft, wenn ich dir die Wahrheit sage, aber ich denke, du brauchst nur noch Übung.«

»Aber ich schon«, warf Dennis ein und lächelte mich mit schief gelegtem Kopf an. Einen Moment fragte ich mich, ob er sich vielleicht absichtlich ungeschickt anstellte, aber wahrscheinlicher war, dass er sich tatsächlich schwertat. Kinder lernten im allgemeinen schneller als Erwachsene.

»Stimmt! Aber ihr könntet für Lukas ein Board leihen und er kann in unserer Nähe paddeln. Dann haben wir ihn im Blick«, schlug ich vor.

»Ja, das ist eine gute Idee«, stimmte Jan zu. »Oder ich schwimme nebenher, dann könnt ihr euch ganz auf den Unterricht konzentrieren.« Er grinste wissend.

»Kommen die beiden Hühner morgen auch wieder?«, wollte Dennis wissen, während er eine Zigarette aus der Packung schüttelte. »Welche gefällt dir denn besser?« Sein Blick ruhte ein wenig lauernd auf mir. Anscheinend war er sich über mich genauso wenig im Klaren, wie ich über ihn bis vor ein paar Minuten. Sollte ich ihn noch ein wenig zappeln lassen?

»Silke ist die angenehmere Schülerin und ich finde sie hübscher, weil sie nicht so aufgebrezelt ist.«

»Nachdem die Blonde ins Wasser gefallen war, sah sie aus wie ein Pandabär mit dem vielen Schwarz um die Augen«, kicherte Lukas. Meine Antwort befriedigte Dennis nicht, das sah ich ihm an. Er trank einen großen Schluck aus seinem Bierglas und leckte sich den Schaum von der Oberlippe. Ich beobachtete seine Zungenspitze und sofort kam mein Kopfkino wieder in Gang. Jan beugte sich zu ihm.

»Wir haben das längst geklärt. Enrique steht genauso wenig auf Frauen wie du.« Dennis blickte ruckartig zu mir und seine Augen weiteten sich für einen Moment.

»Gut ... Sehr gut.« Mehr sagte er nicht dazu, aber seine Augen sandten mir eine glühend heiße Botschaft, die Lust auf mehr machte.

Nachdem Lukas sein Eis fertig gegessen hatte, wurde er unruhig. Länger still zu sitzen war offenbar nicht sein Ding.

Jan sah auf die Uhr. »Wir sollten langsam aufbrechen. Bald gibt es Abendessen und wir müssen uns zuvor noch restaurieren.«

Dennis stricht unschlüssig mit den Fingern im Kondenswasser auf seinem Glas auf und ab. »Hast du heute Abend schon etwas vor?«, fragte er mich dann. Der Blick, mit dem er mich bedachte, löste ein leichtes, aufregendes Kribbeln aus. »Hast du Lust mit mir noch etwas trinken zu gehen? Du kennst doch bestimmt ein paar gemütliche Lokale hier. Was Uriges, keine Touristenfalle.«

Ich überlegte. In Portocolom kannte man mich, deshalb zeigte ich mich da nur mit platonischen Freunden, aber nicht mit Männern, die mich aus anderen Gründen interessierten. Sollte ich ihn in den Klub in Cala Ratjada mitnehmen, den ich regelmäßig besuchte? Doch dort hatte ich viele Bekannte und ich wollte die Zeit lieber mit Dennis alleine verbringen. Die Signale, die er mir sandte, ließen mich darauf schließen, dass er das ähnlich sah.

»Wir könnten nach Santanyí fahren«, schlug ich vor. »Da gibt es viele gemütliche, kleine Bars. Wo wohnt ihr?«

»In der Cala Marçal.«

Das war die dem Hafen von Portocolom nächstgelegene Bucht, in der es auch größere Hotels gab, als in unserem beschaulichen Städtchen.

»Wir tauschen die Telefonnummern und sprechen uns ab, einverstanden?«, schlug ich vor.

4. Kapitel

Enrique

Drei Stunden später schlenderten wir durch die Altstadt von Santanyí. Hier war auch am Abend einiges los. Wir Mallorquiner liebten es, uns mit Freunden zu treffen, Wein zu trinken, ein paar Tapas zu essen und uns über Gott und die Welt zu unterhalten. Jetzt, im Sommer, herrschte ein buntes Gewirr aus unterschiedlichsten Nationalitäten: Einheimische aller Altersgruppen mischten sich mit Deutschen, Engländern, Franzosen und vielen anderen.

»Das war eine gute Idee, hierher zu fahren. Ich mag die Atmosphäre.« Dennis blieb stehen, um in einen malerischen Innenhof zu spähen. »Da muss ich morgen oder übermorgen noch einmal bei Tageslicht herkommen. Ich bin zwar gerne am Strand, aber dieser Ort echt sehenswert.«

Ich nickte. »Ja, es ist wirklich gut gelungen, den Charakter der Altstadt zu erhalten. Immer mittwochs und samstags ist großer Markt, den solltet ihr euch ansehen.«

»Okay, gut zu wissen.« Er lächelte mich an und sah mir dabei tief in die Augen. »Ich finde deinen Akzent echt heiß«, stellte er dann leise fest. »Wie kommt es, dass du so gut Deutsch sprichst?«

»Ich war auf einer kaufmännischen Schule und hatte Deutsch und Englisch als Zusatzfächer. Der Rest ergibt sich aus der Praxis.«

»Verdient man als Lehrer für Stand-up-Paddling gut?«

Ich lachte. »Nein, jedenfalls nicht in einem so kleinen Ort. Tagsüber arbeite ich in einer Bank.«

»Ah, dann ist das am Strand nur ein Zusatzverdienst.«

»Ja, und eine gute Gelegenheit, interessante Menschen kennenzulernen.« Ich zwinkerte ihm zu. Dennis grinste und blieb neuerlich stehen, um eine besonders schön verzierte Fassade zu betrachten. Dann warf er mir einen kurzen Seitenblick zu.

»Ich habe in Berlin einen Freund, aber wir leben in einer offenen Beziehung. Ist das für dich ein Problem?«, fragte er dann. Einen Moment zog ich überrascht die Augenbrauen hoch. Er verlor ja wirklich keine Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Grundsätzlich mochte ich es zwar, wenn man sich langsam aneinander herantastete, aber meine neue Bekanntschaft schien nicht auf die romantische Tour zu stehen. Also beschloss ich, ebenso offen zu sein.

»Nein. Sobald du wieder im Flugzeug nach Deutschland sitzt, sind wir ohnehin nur noch Erinnerung füreinander.«

Für einen Moment legte er die Hand auf meine Schulter und strich über meinen Rücken nach unten. Obwohl es nur eine leichte, beiläufige Berührung war, hinterließ sie eine prickelnde Spur.

»Dann sind wir uns ja einig. Ich hätte nichts dagegen, wenn es eine besonders heiße, aufregende Erinnerung werden würde.« Sein Blick brannte sich in meinen, als ich den Kopf wandte, um ihn anzusehen. Die Aussicht auf ein unkompliziertes, sexuelles Abenteuer jagte mir den Puls hoch. Heiß sammelte sich das Blut in meinem Penis und machte das Gehen unangenehm. Wenige Meter vor uns befand sich eine kleine Bar, die ich kannte, und vor der ich ein freies Tischchen für zwei erspähte. Wortlos wies ich mit einer Handbewegung darauf hin und wir setzten uns.

»Ich trinke einen Espresso«, beschloss ich. »Schließlich bin ich mit dem Auto da. Was nimmst du? Ich lade dich ein.«

»Danke! Ein San Miguel. Ich hätte nicht gedacht, dass spanisches Bier so gut ist! Wir Deutschen glauben ja gerne, wir hätten das Monopol auf perfekte Braukunst. Obwohl, mir gefällt allerhand hier, mit dem ich nicht gerechnet hätte.« Wieder schickte er mir lächelnd einen intensiven Blick. »Ich war schon ein paar Mal mit Freunden auf Mallorca, aber immer nur an der Westseite. Wir hatten zwar hin und wieder ein paar Abstecher gemacht, aber so weit in den Osten hatte ich mich vorher noch nie verirrt. Jetzt hat meine Fast-Schwägerin was gut bei mir.«

Ein junger Kellner kam an den Tisch und ich gab unsere Bestellung auf.

»Was machst du in Deutschland?«, fragte ich Dennis.

»Ich arbeite in der Fertigung bei einem Zulieferer für die Autoindustrie.« Er rollte genervt mit den Augen. »Ich darf gar nicht daran denken, dass ich nächste Woche schon wieder in der Halle stehe und Nachtschicht schiebe.«

Das war auch für mich eine grausige Vorstellung.

»Ich beneide dich gerade«, stellte er fest. »Vielleicht sollte ich auch auswandern? Aber was könnte ich hier tun?«

Seine Frage schien durchaus ernst gemeint zu sein, also ging ich darauf ein.

»Industrie haben wir kaum. Wenn du Erfahrung in der Gastronomie hättest, wäre es leichter. Da gibt es allerdings fast nur Saison-Jobs.«

»Im Winter ist hier tote Hose, oder?«

»Was den Tourismus betrifft, ja, großteils. Die Ganzjahresstellen sind heiß begehrt.«

»So wie deine«, warf er ein und ich nickte.

»Gute Handwerker sind immer gefragt, habe ich gelesen, aber auch medizinisches und Pflegepersonal.«

»Tja, dann habe ich wohl Pech und muss weitermachen wie bisher. Aber wenigstens den Urlaub kann ich hier genießen.« So, wie er das letzte Wort betonte, schürte er erneut meine Vorfreude. Unsere Getränke kamen und ich nippte vorsichtig an dem heißen, starken Gebräu, während er geübt das Bier aus der Flasche in sein Glas kippte.

»Was machst du sonst, wenn du nicht gerade arbeitest?«, erkundigte er sich, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte.

»Ich bin viel am Wasser: Neben Stand-up-Paddeln auch Tauchen und Schwimmen und manchmal fahre ich auch mit dem Boot raus. Im Winter gebe ich Tanzkurse in Manacor.«

»Oh, wow, du bist ja sehr vielseitig. Deshalb bist du so durchtrainiert!« Sein Blick glitt über mich und verursachte eine Gänsehaut. »Ich spiele aktiv Fußball in einem regionalen Verein. Spanien ist doch auch eine große Fußballnation.«

»Ja, schon, aber das ist nicht mein Sport. Ich brauche das Wasser, damit ich mich wohlfühle. Das war schon immer so.«

Er lachte. »Na, davon hast du als Inselbewohner genug. Ich finde das Meer ja echt beeindruckend, aber es ist mir auch suspekt. Wirklich gut geht es mir nur, wenn ich festen Boden unter den Füßen habe.«

Mir ging durch den Kopf, dass wir überhaupt nicht zueinander passten, aber das konnte mir egal sein. In diesem Fall war nur wichtig, dass die erotische Anziehung vorhanden war, und daran mangelte es nicht. Ich konnte die Wärme seines Körpers beinahe spüren, obwohl er dafür zu weit entfernt saß. Dennis schien es ähnlich zu gehen, denn unvermittelt fragte er:

»Wo wohnst du eigentlich? Ich teile mir ja das Bett mit meinem Bruder, nachdem ursprünglich seine Freundin darin hätte liegen sollen.«

»Ich habe eine kleine Wohnung in Portocolom.« Wir sahen uns in die Augen und ich las darin dieselbe Unruhe, die auch mich langsam erfasste. Dennis nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier und leckte sich den Schaum von der Oberlippe. Ich verfolgte seine Zunge und fragte mich gleichzeitig, ob er ein guter Küsser war. Ich liebte es, zu schmusen, während die Hände auf Entdeckungsreise gingen. Hitze stieg in mir auf und pochte gleichzeitig zwischen meinen Beinen. Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken, sonst würde es schnell unangenehm werden in den engen Jeans, die ich trug.

»Was habt ihr euch denn schon angesehen während der letzten Tage?«, erkundigte ich mich.

Dennis grinste. »Nicht viel. Jan wollte mit uns nach Palma fahren, aber Lukas und ich haben das boykottiert. Wir sind viel lieber am Strand.«

»Ihr könnte ja auch einen anderen Ausflug machen. Die Drachenhöhlen gefallen Lukas bestimmt auch gut.«

»Das sind diese Tropfsteinhöhlen bei Porto Cristo, oder?«

Ich nickte. »Ja, es ist nicht weit zu fahren und wirklich sehenswert. Außerdem seid ihr da mal ein bisschen aus der Sonne.«

Schuldbewusst begutachtete Dennis seine Schultern. Das gelbe Muskelshirt, das er trug, betonte die braunrote Farbe seiner Haut noch zusätzlich. »Wäre gar keine schlechte Idee«, gab er kleinlaut zu. »Die Sonne ist der Hammer. Den Kleinen schmieren wir alle Stunden ein, aber auf uns selbst achten wir wohl zu wenig.«

»Tut es weh?«

»Nein, fühlt sich nur heiß an.«

»Das glaube ich sofort«, rutschte mir heraus und er zwinkerte mir zu.

»Vielleicht sollten wir aufbrechen? Die Nacht will genützt werden.«

Da hatte er recht. Ich gab dem Besitzer der Bar ein Zeichen wegen der Rechnung und kippte die letzten Tropfen des starken Kaffees in meinen Mund. Auch Dennis goss den Rest des Biers in sein Glas, um es gleich danach auszutrinken.

»Danke, Pablo.« Ich lächelte ihm zu, als er uns den kleinen Metallteller mit dem Beleg auf den Tisch stellte. Ich schob einen fünf Euro Schein unter die Klammer und legte noch eine Münze darauf. »Lass uns gehen«, wandte ich mich dann an meinen Begleiter.

Nun schenkte Dennis den Vorzügen der Altstadt deutlich weniger Aufmerksamkeit als zuvor. Einmal streifte sein Arm meinen und wie ein kleiner Blitz fuhr mir die Berührung durch den Körper. Oh ja, es knisterte definitiv zwischen uns und ich konnte es selbst kaum noch erwarten, bis sich meine Wohnungstür hinter uns schließen würde.

Während der Fahrt sprachen wir wenig.

»Ich bin gespannt auf deine Wohnung«, stellte er fest.

»Sie ist sehr klein. Eine richtige Single-Bude, aber mehr brauche ich nicht. Ach, da fällt mir ein: Hast du etwas gegen Hunde?«

»Nein, warum?«

»Weil meine vierbeinige Freundin auf mich wartet.«

Dennis lachte. »So lange es nicht dein Ein-Meter-neunzig-Lebensgefährte ist, kann ich mit allem leben.«

Ich grinste. »Ist dir so etwas schon einmal passiert?«

»Nicht direkt, aber ich bin definitiv vorsichtiger geworden. In Beziehungskatastrophen hinein gezogen zu werden, habe ich echt keinen Bock.«

»Da besteht bei mir keine Gefahr. Ich nehme normalerweise nicht einmal Kerle mit zu mir, sondern halte mich da lieber bedeckt«, klärte ich ihn auf.

»Hast du ein Problem damit, schwul zu sein?«

»In anderen Ländern wird man dafür verfolgt.«

»Ja, leider. Aber hier doch nicht! Spanien war eines der ersten Länder, das die Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt hat. Darauf solltest du stolz sein.«

»Bin ich auch. Trotzdem geht es keinen was an, mit wem ich in die Kiste springe«, sagte ich betont salopp.

»Da hast du allerdings recht.« Plötzlich lag seine Hand warm und fest auf meinem Schenkel und löste prickelnde Erregung aus. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass sie weiter nach oben rutschte. Glücklicherweise waren wir schon beinahe bei meiner Wohnung angelangt. Eine Querstraße weiter fand ich einen Parkplatz und rasch gingen wir nebeneinander die wenigen Meter zum Haus.

Stumm stiegen wir in den ersten Stock hinauf und schon während ich aufschloss, hörte ich drinnen Rojas Pfoten über die Holzdielen tappen. Sie stutzte kurz, als sie die fremde Person registrierte, widmete sich dann aber ganz unserem Begrüßungsritual. Ich umfasste mit beiden Händen ihren Kopf und knuddelte sie liebevoll, sodass die weichen Schlappohren schlackerten.

»Na, mein Mädchen, alles gut bei dir?«, sprach ich sie auf Spanisch an. Sie leckte mir über die Hand und ich wich rasch zurück, damit sie nicht auch mein Gesicht erwischte. Bei aller Liebe war mir das dann doch zu viel der Nähe. Nun wandte sie sich an Dennis und beschnupperte seine Beine, bevor sie sich vor ihn hinsetzte, mit dem Schwanz auf den Boden klopfte und ihn erwartungsvoll ansah.

»Soll ich sie streicheln?«, fragte er mich unsicher.

»Sie würde sich freuen. Roja ist freundlich und sanft.« Und sehr anhänglich. Bevor ich Dennis bei seinem Hotel abgeholt hatte, musste ich noch rasch das Bett frisch überziehen. Mich störte es nicht, wenn die Hündin ein paar Haare auf ihrer Seite des Doppelbettes hinterließ, aber jemand anderem wollte ich das nicht zumuten. »Willst du was trinken?«