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Der Bergdoktor und das traurige Geheimnis eines Madels "Es ist etwas Furchtbares passiert! Man hat meinen Bruder tot in der Achenschlucht gefunden ..." Lukas Palmberger steht noch sichtlich unter Schock, als er seiner Verlobten die schlimme Nachricht überbringt. "Er hat wohl die Nacht in der kleinen Waldhütte verbracht. Der Gendarm hat Andis Rucksack dort gefunden, außerdem noch Decken, Kerzen und eine Haarspange. Wahrscheinlich hat er sich heimlich mit einem Madel getroffen." Katrin spürt, wie eine kalte Hand nach ihrem Herzen greift. Ja, Andi Palmberger war in der vergangenen Nacht nicht allein. Sie hat in seinen Armen gelegen ...
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Sein Heiratsantrag trieb sie fort
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / Markus Gann
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-8387-5919-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Sein Heiratsantrag trieb sie fort
Der Bergdoktor und das traurige Geheimnis eines Madels
Von Andreas Kufsteiner
»Es ist etwas Furchtbares passiert! Man hat meinen Bruder tot in der Achenschlucht gefunden …« Lukas Palmberger steht noch sichtlich unter Schock, als er seiner Verlobten die schlimme Nachricht überbringt. »Er hat wohl die Nacht in der kleinen Waldhütte verbracht. Der Gendarm hat Andis Rucksack dort gefunden, außerdem noch Decken, Kerzen und eine Haarspange. Wahrscheinlich hat er sich heimlich mit einem Madel getroffen.«
Katrin spürt, wie eine kalte Hand nach ihrem Herzen greift. Ja, Andi Palmberger war in der vergangenen Nacht nicht allein. Sie hat in seinen Armen gelegen …
Katrin wartete in der Glarn-Hütte, die unterhalb vom Kreuzgrat lag und früher von Wanderern als Unterschlupf benutzt worden war, bevor es weiter hinaufging zum Joch in Richtung Feldkopfgipfel.
Inzwischen war die Hütte verlassen und bis auf einen Raum leer geräumt. Manchmal regnete es durchs Dach, und der Wind pfiff ums Eck. Es hieß in St. Christoph, dass »die Glarn« demnächst abgerissen werden sollte, weil es sich nicht lohnte, das marode Gemäuer instand zu setzen. Schade war es andererseits schon, denn die Umgebung hatte zahlreiche Naturschönheiten zu bieten.
Der Blick ins Tal war grandios. Ringsum wuchsen neben stattlichen Zirbelkiefern unzählige Alpenrosenbüsche und blaugrüne Bergwacholder, von denen ein würziger Duft ausging.
Ein Pfad führte nah am Schwarzenfels mit seinen abschüssigen Schieferplatten vorbei zu einem kleinen, tiefen Bergsee, der sich still durch die Jahreszeiten träumte. Im Dorf hieß es, der Schwarzensee sei der kleine Bruder des Kuckuckssees, der weiter unterhalb in einer märchenhaften Berg- und Waldlandschaft lag.
Für die Wanderer gab es seit zwei Jahren eine neue, größere Hütte zwei Kilometer weiter entfernt, die bis in den Spätherbst hinein bewirtschaftet wurde und außerdem sehr gemütlich war.
Die einsame Glarn-Hütte hatte dagegen immer nur einen Schutz vor Wind und Wetter geboten, außerdem einen Brunnen mit Quellwasser. Wer zu wenig Proviant dabei gehabt hatte, war hungrig geblieben und hatte sich im nahen Achenwald mit Beeren und Schwammerln behelfen müssen.
In dieser abgelegenen Hütte sah die Benzler-Katrin nun wieder einem Treffen mit Andi Palmberger entgegen.
Er hatte sie gestern herbestellt, und sie erfüllte seinen Wunsch. Es machte keinen Sinn, ihm zu widersprechen, denn er ließ nicht locker und wusste genau, was er wollte.
Hier droben war nur noch ganz selten jemand unterwegs. Die Bergwanderer nahmen jetzt den gut ausgeschilderten Weg, der an der neuen Hütte vorbeiführte. Rund um das langsam in sich zusammenfallende, kleine Schutzhaus wucherten unzählige Schlehdornsträucher und verbargen alles, was dahinter lag.
Heuer zeigte sich das Frühjahr sehr mild. Die Skifahrer kamen schon eine ganze Weile nicht mehr auf ihre Kosten. Eigentlich hätte hier droben noch Schnee liegen müssen. Aber weil es immer wieder föhnig und warm gewesen war, hatte es längst getaut.
Auch von weiter droben rannen Wasserbäche hinunter, es tropfte und tröpfelte überall, und schon wieder hatte der warme Föhnwind den Himmel blank geputzt. Strahlend blau und vom Sonnenlicht überglänzt wölbte er sich über dem majestätischen, schweigenden Gebirge.
Es war so still, dass Katrin ihren eigenen Herzschlag so laut hörte, als sei sie in einem Hammerwerk.
Sie hoffte, dass diese heimlichen Treffen in abgelegenen Häusern, vor allem hier droben in der Glarn-Hütte, nun so bald wie möglich ein Ende nehmen würden. Andi musste einsehen und begreifen, dass sie den gegenwärtigen Zustand nicht mehr ertrug.
Aber was konnte sie von ihm erwarten? Glaubte sie wirklich, dass dieser Mann auch nur einen Anflug von Einsicht zeigte?
Während sie wartete, flogen ihre Gedanken zu Lukas, dem Einzigen, den sie liebte. Ein Leuchten trat in ihre Augen, als sie vor sich hin flüsterte: »Du sollst nie unglücklich sein, Liebster, niemals! Ich will alles tun, damit es dir gut geht!«
Dann vernahm sie draußen ein Geräusch und Schritte. Die alte Holztür ächzte, als Andi sie aufstieß. Nur ein paar Sekunden später stand er vor ihr.
»So ist es gut«, sagte er, und in seinen Augen glomm erneut die fordernde Leidenschaft, der sie nicht entkommen konnte. »Katrin! Da bist du ja. Wie süß du wieder ausschaust! Ich hab dich seit zwei Wochen net gesehen, du läufst ja davon, wenn du mich drunten im Dorf oder auf dem Hof siehst.«
»Wundert dich das?«, brachte sie hervor. Ihre Kehle war trocken.
Er warf seinen Rucksack in die Ecke.
»Ich bin zu Fuß heraufgekommen«, fuhr er fort, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Ein Stück weiter unten am Forstweg hab ich dein Auto entdeckt.«
»Außer dir kommt dort niemand vorbei«, fuhr sie auf. »Niemand sieht es.«
»Und wenn schon.«
»Sei still. Ich werde dafür sorgen, dass kein Mensch erfährt, was du mir antust, Andi. Aber denk an dein Versprechen. Es hört auf, wenn der Mai vorbei ist. Dann gehst du fort aus St. Christoph und kommst hoffentlich net wieder.«
Andreas Palmberger war achtundzwanzig, groß und stark, nichts schien ihn umzuwerfen. Er musterte Katrin eine Weile und schmeichelte: »Wie hübsch und zart du doch bist!«
»Ich bin net zart. Verteidigen kann ich mich sehr gut.«
Er lachte. »Ja, das denkst du wohl, Röserl! Willst du deine Stacheln an mir erproben? Es wäre net das erste Mal. Aber du weißt ja, dass es nichts nützt. Ein Madel wie dich bezwinge ich mit einem einzigen Kuss, mit einer einzigen Umarmung.«
Katrin war den Tränen nahe. Sie zitterte und wiederholte: »Erinnere dich an dein Versprechen! Bevor es Frühsommer wird, ist Schluss mit diesem unrechten Tun, dann gehst du fort. Und du lässt dich net mehr blicken.«
»Wenn meine Eltern mich auszahlen, dann verabschiede ich mich aus dem Tal«, erwiderte er gedehnt und blickte sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Aber sorg dich net, sie werden es tun. Ich bin net erpicht darauf, den Rest meines Lebens auf unserem Hof und in St. Christoph zu verbringen. Gelegentliche Besuche werden aber net zu vermeiden sein, das musst du einsehen, mein Schatzl.«
»Ich bin net dein Schatzl.«
»Doch, auch wenn es dir net passt«, grollte er und riss seinen Rucksack wieder vom Boden hoch. Es war ein Trekking-Rucksack, in den so viel hineinpasste, dass man ein paar Tage unterwegs sein konnte. Andi zerrte zwei Decken hervor.
»Du bist mein Schatzl«, beharrte er. »Deshalb bleiben wir erst mal hier. Du sollst es schön warm und weich haben, deshalb die Decken. Proviant ist auch im Rucksack. Ich hab an alles gedacht. Aber viel brauchen wir net, denn wenn wir uns in den Armen liegen, vergeht der Hunger. Dann gibt es nur noch uns beide und das Feuer in unseren Herzen. Oder bist du anderer Meinung?«
Katrin wich unwillkürlich zurück.
»Ich bleibe net hier!«, stammelte sie. »Alles, was du redest, stößt mich ab. Es stimmt net, und du weißt auch, dass du ein großes Unrecht auf dich lädst.«
Er lachte auf. »Ach ja? Und was ist mit dir? Ich hab dich net erpresst, Katrin. Im Gegenteil, ich wollte dir die Wahl lassen, daher gab es zwei Möglichkeiten. Nummer eins: Ich bringe die Wahrheit ans Licht. Möglichkeit zwei: Ich schweige, aber für dafür musst du mir eine kleine Gefälligkeit tun – mir deine Liebe schenken. Du hast dich für Nummer zwei entschieden, Haserl.«
Katrin zitterte. »Halt den Mund! Ich hab alles nur für Lukas getan. Du hast mich unter Druck gesetzt. Mir blieb keine andere Wahl. Ich hätte nie gedacht, dass du so gemein sein kannst und so durchtrieben. Noch mal: Ich bleibe net hier! Nachher fahre ich heim. Abends treffe ich mich mit Lukas. Außerdem warten meine Eltern auf mich.«
»Wieso? Schmarren. Du wohnst doch net mehr bei ihnen.«
»Aber nur zehn Minuten entfernt.«
»Willst du behaupten, dass sie dir, ihrer erwachsenen Tochter, die demnächst heiraten will, etwa nachspionieren?« Andi lachte rau. »Deine Eltern tun so was net, Katrin. Sie mischen sich nicht ein, weil sie gescheit sind und dir keine Vorschriften machen. Du bist fast sechsundzwanzig. Somit bist du kein Schulmadel mehr, auf das Mama und Papa aufpassen müssen.«
»Das geht dich nix an. Ich hab meinen Eltern versprochen, dass ich noch bei ihnen vorbeikomme. Daher werden sie auf die Uhr schauen und warten.«
»Das interessiert mich net«, raunzte Andi das Mädchen an. »Was macht es mir aus, wenn deine Eltern warten? Gar nichts! Und wenn sie sonst was glauben, mir ist’s egal. Ich will dich bei mir haben, wir verbringen hier oben auf der Hütte die Nacht zusammen. Es genügt mir net mehr, dass du immer so schnell verschwindest. Ab jetzt brauche ich dich länger. Viel länger.«
»Niemals!«
Sie wollte durch die Tür, aber er umklammerte sie so fest, dass sie keinen Schritt mehr tun konnte.
Dann lag sie in seinen Armen, und er küsste sie mit brennenden Lippen, wieder und wieder, bis sie nach Luft rang.
Seine Hände schienen überall zu sein, mal hier, mal da. Sie wusste, dass sie sich ihm nicht entziehen konnte. Wieder einmal war sie ihm ausgeliefert, seiner Leidenschaft und seinem Verlangen, mit dem er sie niederzwang.
Katrin tat, was sie tun musste: Still sein und warten, bis er zu sich kam und aufhörte, sie zu bedrängen.
Aber heute hörte er nicht auf. Katrin spürte, dass er wie von Sinnen war.
»Ich liebe dich«, keuchte er. »Warum willst du mich nicht? Du sollst mir gehören, nur mir, jetzt und immer!«
»Lass mich«, schluchzte sie. »Andi! Du bist ein Teufel! Ich schreie, wenn du mich net loslässt!«
»Niemand wird dich hören. Sei doch net so verkrampft, Madel«, stöhnte er. »Du weißt doch, wie sehr ich dich begehre …«
Sie schloss die Augen. Nie in ihrem Leben würde sie diesen Tag vergessen und auch nicht diese Stunde. Sie war Andreas Palmberger ausgeliefert. Er machte sie zu seiner Geliebten, obwohl sie es nicht wollte.
Irgendwann später schlief er ein, und Katrin schaffte es, auf Zehenspitzen den kahlen Raum zu verlassen.
Mit klopfendem Herzen raffte sie ihre Sachen zusammen und verließ wenig später die Hütte. Wie gehetzt rannte sie davon und glaubte schon, in Sicherheit zu sein. Aber dann hörte sie seine Stimme hinter sich.
»Katrin! Warte! Wenn du jetzt wegläufst, werde ich daheim auf dem Hof reinen Tisch machen! Du weißt, was auf dem Spiel steht – alles!«
Blitzschnell war er bei ihr und presste sie an sich, obwohl sie wie wild um sich schlug.
»Niemand wird dir glauben, dass unsere heimlichen Treffen von dir nicht gewollt waren«, flüsterte er ihr heiser ins Ohr. »Gib’s doch zu, Katrin, im Grunde genommen willst du es ja auch. Du brauchst mich, du bist ganz narrisch nach mir und nach meiner Leidenschaft.«
»Depp!«
Es gelang ihr, ihm wieder zu entkommen.
Sie warf ihm einen Stein vor die Füße. Er schaute nicht hin, stolperte und fiel hin. Sie nutzte den Vorsprung, um über die Abkürzung an der Achenschlucht vorbei zu ihrem Auto zu gelangen.
***
Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Andi ihr wieder bedrohlich nahe kam. Er war sehr schnell. Zu schnell. Als er wieder neben ihr war, genau an der Stelle, die über der Schlucht den Blick in die Tiefe freigab, stürzte sie und umklammerte sein Bein mit beiden Händen.
»Loslassen!«, schrie er. »Katrin!«
Sie merkte, dass er schwankte. Auf allen Vieren kroch sie ein Stück vorwärts, richtete sich auf und rannte zu ihrem Auto.
Dem Himmel sei Dank, Andi verfolgte sie nicht mehr! Atemlos und schluchzend lehnte Katrin über dem Lenkrad.
Dann war ihr, als habe jemand einen Schrei ausgestoßen. Genau wusste sie es nicht, vielleicht war es auch nur ihr eigenes Jammern und Klagen gewesen, das sie gehört hatte. In ihren Ohren sauste und brauste es wie im Sturm.
Katrin hatte unsagbare Angst und fühlte sich von Andi zutiefst gedemütigt.
Alles, was in der letzten Zeit geschehen war, lief in einem rasend schnellen Film vor ihr ab. Aber sie musste versuchen, stark zu sein. Es kam darauf an, schnell heimzufahren, ehe Andi vielleicht doch noch einmal auftauchte.
Wie gehetzt und mit rasendem Herzschlag fuhr sie los und schloss sich drunten im Dorf in ihrer Wohnung ein.
Natürlich warteten ihre Eltern, die schon seit ihrer Heirat vor dreißig Jahren in einem gemütlichen Tirolerhaus in der Nähe des Schlössls lebten, nicht auf sie. Sie waren gar nicht daheim, sondern für ein paar Tage in Bozen bei Verwandten.
Katrins hübsche Wohnung befand sich in einem schmucken Häuschen mit Veranda und Garten. Es gehörte Bürgermeister Angerer. Die zweite Wohnung im Haus wurde als Ferienquartier vermietet und stand derzeit leer.
Alles war wie immer, jedenfalls hatte es den Anschein.
Der Abend kam heran, und der Himmel färbte sich im Licht der untergehenden Sonne rotgolden. Doch über den Bergen zog eine finstere Wolkenfront auf, ein Hinweis darauf, dass es über Nacht einen Wetterumschwung geben würde.
Katrin war wie gelähmt. Unter der Dusche versuchte sie, alles abzuwaschen, was auf ihr lastete. Aber es ging nicht. Jede einzelne Minute der vergangenen Zeit hatte sich tief in ihr Innerstes eingebrannt. Ihr war, als sei sie eine Abtrünnige, die nicht zu den anderen gehörte. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie sich irgendwo versteckt, um allein mit sich und ihrem Leid zu sein.
Ich kann Lukas eigentlich nicht mehr in die Augen sehen, dachte sie.
Doch die Sehnsucht nach ihm war so groß, dass sie wenigstens seine Stimme am Handy hören wollte. Und zwar sofort.