1,99 €
Betroffen hört Lorenz Reinberger zu, als die schöne Hoftochter Katja ihm ihr Herz ausschüttet. Nun weiß er also, warum sie oft so blass und traurig aussieht. Sie ist eine Verlassene, deren Brautschleier ungetragen im Schrank hängt. Behutsam zieht er sie an sich, und Katja glaubt zu träumen. Doch sie wagt nicht, ihm zu sagen, dass ihr Herz längst nicht mehr der verlorenen Liebe nachweint, sondern sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrt. Was aber empfindet Lorenz für sie? Mit den nächsten Worten zerstört er ihre heimliche Hoffnung. Es ist Mitleid! Nichts als dieses erbärmliche Mitleid mit ihr, der "sitzen gelassenen Braut vom Dehner-Hof" ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Bleibst du nur aus Mitleid?
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-8387-5962-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Bleibst du nur aus Mitleid?
Denn von Liebe sprach Lorenz nie
Von Andreas Kufsteiner
Betroffen hört Lorenz Reinberger zu, als die schöne Hoftochter Katja ihm ihr Herz ausschüttet. Nun weiß er also, warum sie oft so blass und traurig aussieht. Sie ist eine Verlassene, deren Brautschleier ungetragen im Schrank hängt.
Behutsam zieht er sie an sich, und Katja glaubt zu träumen. Doch sie wagt nicht, ihm zu sagen, dass ihr Herz längst nicht mehr der verlorenen Liebe nachweint, sondern sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrt.
Was aber empfindet Lorenz für sie? Mit den nächsten Worten zerstört er ihre heimliche Hoffnung. Es ist Mitleid! Nichts als dieses erbärmliche Mitleid mit ihr, der »sitzen gelassenen Braut vom Dehner-Hof« …
»Das war’s dann wohl«, sagte der Achleitner-Peter zu seinen beiden Spezln’n, mit denen er jeden Freitagabend im »Ochsenwirt« Karten spielte. »Weg ist er, der Florian. Nur ein paar magere Worte zum Abschied, mehr net. Freilich, was gibt’s auch noch zu sagen? Ich hab ja eh gewusst, dass ihn nix mehr hier im Dorf halten kann. Schade. Wir haben ein paar tolle Abenteuerwanderungen miteinander gemacht, keine Almhütte war vor uns sicher. Ich hab mich richtig frei gefühlt dort droben. Und die Sennerinnen … na ja, Schwamm drüber! Aber da war ich noch net verheiratet.«
»Eben«, feixte Sepp Zager, der gerade die Karten mischte. Bei dieser Tätigkeit wurde er genau vom Geschwendner-Paul beobachtet, denn ein gewissenhaftes Mischen war schon das halbe Spiel. Jedenfalls ließ Paul keine Schlamperei zu.
»Abenteuer jeder Art kannst du dir abschminken, Peter«, fuhr der Sepp gehässig fort. »Deine Afra würde dich an die Kette legen, wenn du übermütig wirst. Seitdem du in den Ehestand getreten bist, bleibst du ja brav daheim bei deiner Angetrauten. Es will ja schon etwas heißen, dass die Deinige dir erlaubt hat, freitags zum Kartenspiel herzukommen. Meistens wird’s ja Mitternacht. Oder sogar später. Erstaunlich, dass die Afra net auf die Barrikaden geht, obwohl sie doch sonst immer sehr schnell auf hundertachtzig ist.«
»Immer langsam«, grantelte der Achleitner-Bauer. »Meine Frau weiß genau, wo die Grenzen sind. Ich hör mir an, was sie zu sagen hat, aber damit ist es auch genug. Vorschriften lass ich mir net machen. Übrigens ist es eine Frechheit, dass ihr mich als Pantoffelhelden abstempeln wollt.«
Sepp und Paul grinsten breit, ließen das heikle Thema aber fallen.
Wenn der Peter beleidigt war, konnten sie einen zünftigen Männerabend nämlich vergessen. Dann sank die Stimmung schnell auf den Nullpunkt, und genau das wäre sehr schade gewesen. Heute herrschte im »Ochsenwirt« eine besonders gute Stimmung. Das Wirtshaus war gesteckt voll: Je mehr Leut, desto kurzweiliger würde der Abend werden.
Nelli und Irmi, die beiden Serviermadeln, sahen heute mal wieder zum Anbeißen aus, sie eilten flink hin und her und ließen sich sogar ein paar vorlaute Scherze gefallen, die ein paar bierseligen Burschen zwischen Maßkrug und Marillengeist entschlüpften.
Joschi, der Wirt, schien ebenfalls in bester Laune zu sein, denn er schenkte die Gläser randvoll ein und spendierte auch hier und da mal ein Stamperl Enzian auf Kosten des Hauses. Seine geschäftige Frau Anna sorgte in der Küche dafür, dass die bestellten Speisen – vom Tiroler Bauernschnitzel mit Almkäsekruste bis zur hausgemachten Tellersülze – frisch und appetitlich auf den Tisch kamen.
Es war Juli, mitten im Hochsommer, der Tag war heiß gewesen. Rund um den behäbigen Dorfgasthof »Zum Ochsen«, der aus St. Christoph nicht wegzudenken war, lud ein schöner Wirtsgarten zum Verweilen ein. Doch die Gäste drängten sich aus gutem Grund in der Schankstube zusammen. Vor einer Stunde war ein schweres Gewitter über dem Tal niedergegangen, jetzt goss es wie aus Kannen.
Die Bauern freuten sich darüber, denn der Regen tat den Wiesen und den Futtermaisfeldern im unteren Talgrund richtig gut.
Es war vorher recht trocken gewesen, sodass Förster Reckwitz bereits daran gedacht hatte, die bekannten Schilder mit der Aufschrift »Achtung, Waldbrandgefahr, Rauchen verboten« aus dem Schuppen neben dem Forsthaus hervorzuholen.
Für die nächsten Tage sagte der Wetterbericht nun einen »ergiebigen Landregen« voraus. Die Schilder konnten dort bleiben, wo sie waren.
Florian Kirnbacher, dessen Abschied der Achleitner-Peter so lebhaft bedauert hatte, war vorhin nur auf einen Sprung vorbeigekommen. Er hatte ein Märzenbier getrunken und allen, die er kannte, die Hand geschüttelt.
Florian, der in den vergangenen zwei Jahren auf dem Hof der Familie Dehner gearbeitet hatte, verließ seine Heimat St. Christoph in wenigen Tagen aus ganz privaten Gründen. Er hatte nicht darüber geredet, aber die Gründe für seinen Abschied waren kein Geheimnis.
»So ein Schmarren, dass der Flori nix sagen wollte«, meinte Paul. »Wo wir doch eh alle wissen, dass es um eine andere Frau geht. Und zwar schon seit einer ganzen Weile. Warum war denn auf einmal Schluss mit der Dehner-Katja? Verlobung geplatzt, keine Hochzeit, aus die Maus. Flori zieht mit Sack und Pack um. Ausgerechnet in die Nähe von Wien. Als ob das zu ihm passt! Ohne die Berge wird er eingehen wie ein Sauerampfer beim ersten Frost.«
»Glaub ich net«, widersprach der Peter. »Ich hab ja leider net allzu viel aus ihm herausgebracht. Aber er scheint nach seiner Neuen ganz narrisch zu sein. Ein paar Kleinigkeiten weiß ich aber doch. Sie heißt Veronika, er nennt sie Vroni. Und sie ist sechsundzwanzig, genauso alt wie die Katja. Die bewusste Vroni erbt das Weinlokal ihrer Eltern in Grinzing. Na ja, und noch zwei Weinberge samt einer Kellerei dazu. Da kann man net meckern, das Madel ist eine gute Partie. Wie ich den Florian kenne, reibt er sich die Hände, denn er wird sofort voll einsteigen. Daran hab ich keinen Zweifel.«
Die Nelli erschien mit einer riesigen Platte, auf der echter Tiroler Schinkenspeck und Bergkäse appetitlich angerichtet waren. Dazu brachte sie einen ganzen Korb Brot, denn die drei Männer am Tisch gaben sich mit kleinen Häppchen nicht zufrieden.
Vor dem Kartenspiel stand nämlich erst einmal das leibliche Wohl.
Die fertig gemischten Karten wurden sorgsam beiseitegelegt, bis sie später nach dem Essen zum Einsatz kamen. Jedenfalls sprachen Peter Achleitner und seine beiden Freunde nun kein Wort mehr, weder über Florian noch über irgendetwas anderes.
Wenn man aß, dann mit Genuss. Dazu gehörte, dass man sich die geschmackigen einheimischen Köstlichkeiten auf der Zunge zergehen ließ.
Zwar dachten die drei jeder für sich daran, dass sie den Flori in Grinzing irgendwann besuchen könnten. Natürlich am besten zur Herbstzeit. Beim Heurigen unter buntem Weinlaub würde es sicherlich recht gemütlich zugehen. Zwar nicht so urig wie hier im »Ochsen«, aber zu verachten war ein spritziger Wein sicherlich auch nicht!
***
Katja hörte die Schritte durch das Rauschen des Regens hindurch. Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Florian kam. Zwei Jahre lang war er auf dem Hof gewesen, ein Jahr davon hatten sie als Liebespaar verbracht, als Verlobte. Man hätte auch sagen können: als künftige Eheleute.
Sie öffnete die Tür. Das Wasser rann aus Florians Haaren, obwohl er nur das Stück von seinem Auto bis zum Haus gelaufen war.
»Eine echte Sintflut«, ächzte er. »Hast du ein Handtuch für mich, Katja?«
Ein knappes Nicken war die Antwort. Kein Blick, gar nichts. Nur dieses angedeutete Nicken.
Seitdem Florian beschlossen hatte, die Hoferbin Katja Dehner zu verlassen und nach Grinzing zu gehen, wohnte er vorübergehend in einem kleinen Blockhäusl drüben in Mautz, das einem Freund gehörte. Aus seinem Elternhaus in Herrmannsfelden, in dem er die oberste Etage bewohnt hatte, war er nach dem Bruch mit Katja ausgezogen.
Verständlich, denn er war kein »Nesthocker« und hielt nichts vom »Hotel Mama«. Außerdem neigten seine Eltern dazu, bohrende Fragen zu stellen und ihm bittere Vorwürfe zu machen. Sie hatten kein Verständnis dafür, dass er wegen einer »Wirtstochter« sein Leben auf den Kopf stellen wollte.
Schweigend rubbelte er sich trocken. Dann fragte er zögernd: »Kann ich ein paar Minuten bleiben?«
»Wenn du willst, von mir aus«, antwortete Katja einsilbig.
In der guten Stube war es dunkel. Sie schaltete das Licht an und sah weiterhin an ihm vorbei, als sei er gar nicht da.
»Ich mag nicht so wortlos von hier weggehen«, sagte Florian. »Mir ist klar, dass du keinen Wert mehr darauf legst, mit mir zu reden. Trotzdem sollten wir uns voneinander verabschieden wie zwei erwachsene Menschen. Es ist, wie es ist. Ich verlasse St. Christoph, und ich nehme Abschied von dir, weil wir net zueinanderpassen.«
Sie zuckte zusammen. Ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht zeigte jedoch keine Regung. Sie wollte dem Mann, den sie geliebt hatte, nicht als verzweifelte, verlassene Frau gegenüberstehen. Dabei war sie beides, nämlich verzweifelt und verlassen. Noch nie hatte sie sich so einsam und gedemütigt gefühlt wie in dieser Zeit.
»Ich hoffe, dass du in Grinzing die Art von Liebe findest, die du brauchst«, erwiderte Katja tonlos.
»Das hoffe ich auch.« Florian senkte den Kopf. »Es tut mir leid, dass ich dich so enttäuscht habe. Aber ich wollte dich nicht belügen. Daher musste ich dir die Wahrheit sagen. Veronika ist die Frau, bei der ich bleiben will. Wir haben unsere Hochzeit geplant.«
»Wir auch. Ende des Jahres wollten wir heiraten.«
»Katja, ich heirate Veronika schon in wenigen Wochen. Es ist alles vorbereitet.« Er räusperte sich. »Es gibt etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe. Vroni erwartet ein Baby von mir, im Oktober ist es so weit. Bevor das Kind zur Welt kommt, wollen wir natürlich ein Ehepaar sein.«
Katja hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Sie zuckte die Schultern und blickte hinaus in den Abend. Unablässig peitschte der Regen an die Fensterscheiben.
»Es tut mir leid, dass ich dir wehtue«, wiederholte Florian. »Du bist wunderbar, aber wir beide wären nicht glücklich geworden. Schau, ich bin ein Mann, der vorwärtskommen will. Hier in St. Christoph und auf dem Hof …«
»Was redest du denn da?«, unterbrach sie ihn. »Der Hof hätte dir bald genauso gehört wie mir. Kann man mehr wollen als so ein großes, stattliches Anwesen, das eine lange Geschichte hat? Ich bin stolz darauf, dass unser Hof einer der ersten großen Berghöfe im Zillertal war und dass es ihn immer noch gibt. Man kann es in der Chronik nachlesen. Ich werde alles tun, um den Hof zu erhalten. Obwohl Vater mich wegen seiner Krankheit kaum noch unterstützen kann, bin ich mir ganz sicher, dass ich es schaffe.«
»Du musst jemanden einstellen, Katja, einen Fachmann. Ich bin doch jetzt nicht mehr da«, mahnte Florian eindringlich. »Eine Hauserin, zwei Knechte, das reicht nicht aus.«
»Du bist schon seit drei Monaten nicht mehr auf dem Hof und wir sind zurechtgekommen.« Trotzig wandte sie sich an. »Es ist alles in Ordnung.«
»Das kann nicht sein. Katja, nimm Vernunft an! Rede mit deinem Vater, damit so bald wie möglich jemand herkommt, der den Überblick hat. Du hast recht, euer Hof ist ein Schmuckstück hier im Tal, man muss ihn schützen und erhalten. Denk daran, wie wichtig die Organisation ist. Jeder Tag muss geplant sein. Aber du kannst das net allein! Es ist zu viel Arbeit.«
»Das geht dich nichts mehr an!«, brauste sie auf. Plötzlich war es mit ihrer Beherrschung vorbei. »Geh jetzt, Florian, und komm nie mehr wieder! Ich hab an dich geglaubt, an deine Liebe und an deine Treue. Aber ich hab erkennen müssen, dass alles hohl und sinnlos war. Eine Liebe, so leer wie eine ausgehöhlte Nuss, mehr konntest du mir net bieten. Immer wolltest du mit dem Kopf durch die Wand …«
»Ich hatte vor, ein paar Dinge zu verändern, Katja«, fiel Florian ihr ins Wort. »Aber du warst so stur! Immer nur nein, nein und nochmals nein! Wir hätten die Streuobstwiese abholzen können, um ein Ferienhaus zu bauen. Wozu diese lächerlichen alten Obstbäume, die Hecken und die überflüssige Gartenlaube?«
»Die Streuobstwiese ist ein Idyll«, fuhr die junge Frau aufgebracht fort. »Du denkst ja nur an den Profit. Nicht daran, dass alle möglichen Sorten Vögel in den Hecken nisten und dass die alten Bäume so wunderschön blühen. Sie tragen immer noch Frucht. Und zwar reichlich. Apfelsorten, die man heutzutage net mehr kultiviert, herrliche Kirschen, Birnen und saftige Zwetschgen.«
»Meine Güte, Katja, willst du mit Obst handeln?«
»Die Wiese ist ein Traum, ein Paradies«, fiel sie ihm ärgerlich ins Wort. »Oft bleiben Wanderer stehen und können sich nicht sattsehen. Aber du hast keine Ahnung von den Dingen, die das Herz berühren. Die wirklich wertvollen Dinge im Leben sind dir egal. Du horchst nur dann auf, wenn das Geld im Säckel klimpert. Klingende Münze, darauf kommt es dir an! Es kann nie genug sein.«
»Jetzt mach mal einen Punkt, Katja! Freilich geht es mir um den Gewinn und darum, was unterm Strich bei der ganzen Arbeit herausspringt.« Florian runzelte die Stirn. »Ist das etwa ein Fehler? Man muss wirtschaftlich denken.«
»Was nützt dir das ganze Geld, wenn es keine Wiesen mehr gibt und keine Bäume, die Schatten spenden?«, rief sie. »Du würdest alles abholzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Sogar ganze Wälder, wenn du damit viel Geld verdienen könntest.«
»Was fällt dir ein!«, grollte Florian. »Wie stellst du mich denn hin? Du weißt genau, dass ich ein paar Jahre lang im Forst gearbeitet hab. Ich wäre der Letzte, der die Natur ausbeutet!«
Katja war so aufgeregt, dass sie ihm gar nicht zuhörte.
»Du machst alles nieder, auch unsere Liebe«, schluchzte sie. »Und nun geh, Florian. Verschwinde! Ich will dich hier nie mehr sehen! Dort ist die Tür! Soll ich sie dir vielleicht aufhalten?«