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Auch wenn man ihr die hochexklusive Senioren-Residenz in den höchsten Tönen anpreist, für die zweiundsiebzigjährige Wally Kampen, die beim Apfelpflücken von der Leiter gefallen ist und sich den Oberschenkel gebrochen hat, ist klar, dass ihre Familie sie ins Altersheim abschieben will.
Doch das kommt für sie nicht infrage! Ihr ganzes bisheriges Leben hat sie in St. Christoph verbracht, und hier will sie auch eines Tages sterben.
Doch so weit ist es noch nicht.
Denn Wally hat noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Vor allem muss sie Rosi, ihrer bildhübschen Enkelin, beistehen. Das Madel hat sich in den falschen Mann verliebt und soll in St. Christoph endlich wieder neuen Lebensmut finden ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Heiratsverbot für die schöne Rosi
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-8387-5963-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Heiratsverbot für die schöne Rosi
Warum ein Madel nicht glücklich sein durfte
Von Andreas Kufsteiner
Auch wenn man ihr die hochexklusive Senioren-Residenz in den höchsten Tönen anpreist, für die zweiundsiebzigjährige Wally Kampen, die beim Apfelpflücken von der Leiter gefallen ist und sich den Oberschenkel gebrochen hat, ist klar, dass ihre Familie sie ins Altersheim abschieben will. Doch das kommt für sie nicht infrage! Ihr ganzes bisheriges Leben hat sie in St. Christoph verbracht, und hier will sie auch eines Tages sterben.
Doch so weit ist es noch nicht. Denn Wally hat noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Vor allem muss sie Rosi, ihrer bildhübschen Enkelin, beistehen. Das Madel hat sich in den falschen Mann verliebt und soll in St. Christoph endlich wieder neuen Lebensmut finden …
Jetzt nur nicht zittern!
Konzentriert führte Rosi Kampen ihren Zeichenstift über das Papier. Unter ihren geschickten Händen entstand ein Hase, der mit einem Schmetterling spielte und dabei verblüffend lebendig wirkte.
Die Vierundzwanzigjährige hatte den letzten freien Tisch im Schanigarten ihres Lieblingskaffeehauses erwischt. Eine cremefarbene Sonnenjalousie spendete angenehmen Schatten. Überall standen Krüge mit Lavendelzweigen, die angenehm nach Sommer dufteten und die Mücken fernhalten sollten.
Rosi war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie kaum hörte, wie der Verkehr in der Nähe vorbeirauschte. Sie bemerkte auch nicht, dass ein sportlich gekleideter Mann auf sie zuhielt. Erst, als er sich zu ihr beugte und ihr einen Kuss auf die Wange tupfte, blickte sie auf.
»Oh, du bist es!« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie ihren Freund erkannte.
»Wen hast du denn erwartet?« Fabian Radloff zwinkerte ihr zu und ließ sich auf den freien Stuhl ihr gegenüber sinken. Dann betrachtete er ihren Zeichenblock. »Sag bloß, du arbeitest bei dieser Hitze, Schatzerl?«
»Ja. Mir ist ein neues Motiv eingefallen. Das wollte ich zu Papier bringen, ehe ich es vergesse. Du weißt doch, wie das mit Ideen ist: Wenn man sie net festhält, gehen sie verloren.«
»Aber es ist viel zu warm zum Arbeiten.«
»Hier im Schatten lässt es sich aushalten.«
»Es ist kaum erträglicher als bei uns im Theater. Ich werde heute jedenfalls keinen Handschlag mehr tun, als unbedingt nötig ist. Während der Probe heute war es nimmer zum Aushalten. Ich habe die Minuten bis zum Feierabend gezählt.«
»Was möchtest du denn trinken? Auch einen Eistee?«
»Eistee klingt gut. Was isst du dazu?«
»Apfelstrudel mit Vanilleeis.«
»Das nehme ich auch.« Fabian winkte der Kellnerin und bestellte. »Und sparen Sie net an den Nüssen auf dem Eis, Süße.« Er schaute der Bedienung so tief in den Ausschnitt ihres Dirndls, dass Rosi schon fürchtete, er würde hineinfallen. Ihr Freund schien ihren Gesichtsausdruck richtig zu deuten, denn er hob die Hände. »Was denn? Ich bin auch nur ein Mann. Und wenn ich fast mit der Nase auf zwei so pralle Hügel gestoßen werde, kann ich net einfach wegsehen. Das wäre unhöflich.«
Rosi schüttelte den Kopf und wusste nicht, ob sie lachen oder schimpfen sollte.
Als Schauspieler war ihr Freund ein umschwärmter Mann. Mit seinen dunkelblonden Haaren, den blitzenden blauen Augen und dem verwegenen Lächeln war er ein Frauenschwarm. Die Illustrierten schrieben ihm häufig wechselnde Affären zu, aber er behauptete, dass daran kein wahres Wort war.
In Momenten wie diesem fragte sich Rosi jedoch, ob die Gefühle, die er ihr zeigte, wirklich echt oder nur gespielt waren. Aber sie schob die Zweifel beiseite und beschloss, sich den Nachmittag mit ihm nicht verderben zu lassen.
Das Kaffeehaus befand sich nur einen Steinwurf vom Stadtpark entfernt und war in einem Jugendstilhaus untergebracht. Das warme Sommerwetter lockte zahlreiche Gäste an die Tische vor dem Lokal. Hier konnte man entspannen, das sommerliche Treiben auf der Straße beobachten und selbst gesehen werden. Obwohl es bereits auf den Abend zuging, war es immer noch drückend heiß.
»Was zeichnest du da eigentlich?« Fabian beugte sich vor und spähte auf das Blatt. »Einen Hasen?«
»Ja. Wie findest du ihn?«
»Ziemlich kindlich, oder?«
»Genauso ist es gedacht. Das Motiv soll ein Kindergeschirr zieren.« Rosis Familie gehörte eine Porzellanmanufaktur. Von Wien aus wurde ihr Geschirr in die ganze Welt verkauft. Rosi hatte Grafik und Design studiert und entwarf neue Muster für das Unternehmen. Einen großen Teil ihrer Arbeit erledigte sie am Computer, aber sie zeichnete so viel wie möglich von Hand, weil sie den Umgang mit Tusche und Zeichenstift liebte.
»Also, für ein Kindergeschirr ist es genau richtig.« Fabian hatte sich bereits wieder abgewandt und ließ den Blick über das geschäftige Treiben auf der Hauptstraße schweifen.
»Wie war dein Tag?«, erkundigte sie sich.
»Furchtbar. Die Probe zog sich endlos. Meine Kollegen können alle ihren Text net. Ich bin der Einzige, der nie stockt. Warum ich net endlich eine Hauptrolle bekomme, ist mir schleierhaft. Heute Abend habe ich noch eine Vorstellung. Den Christian im Cyrano de Bergerac. Dabei will ich endlich den Cyrano spielen, der hat wenigstens etwas zu sagen.«
»Du wirst schon noch aufsteigen. Du bist gut und fleißig.«
»Leider reicht das für eine Karriere am Theater net immer aus. Dafür braucht man Kontakte in die Theaterleitung und zu den Produzenten.« Er legte die Stirn in Falten.
»Talent und Können müssen sich aber durchsetzen.«
»Du bist süß, Schatzerl. Du glaubst noch an das Gute. Sehen wir uns nach der Vorstellung noch?«
»Gern, wenn du dich von deinen Fans losreißen kannst.«
»Für dich immer.« Er nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.
Wärme durchflutete Rosi. Seit vier Monate waren sie zusammen, aber es kam ihr so vor, als hätten sie sich erst gestern kennengelernt.
Es war ein regnerischer Abend gewesen. Ihre Freundin hatte sie versetzt, sodass Rosi allein im Theater gewesen war. Nach der Vorstellung hatte es in Strömen geregnet, und in ihrem Abendtäschchen hatte kein Schirm Platz gehabt. Da hatte Fabian plötzlich mit einem Regenschirm vor ihr gestanden und ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren. Seine offene Art hatten sie sofort für ihn eingenommen. Seitdem waren sie unzertrennlich.
Die Kellnerin brachte Fabian den bestellten Strudel und ein Glas Eistee und zwinkerte ihm zu. Doch er schien es nicht zu bemerken, denn er blickte Rosi über sein Glas hinweg an.
»Ich möchte am Wochenende mit deinen Eltern reden, Schatzerl.«
»Mit meinen Eltern?« Sie schluckte, denn sie wusste, dass es ihm um die Hochzeit ging. Ihre Familie war alles andere als begeistert über ihre Wahl.
»Du kennst diesen Mann noch kein halbes Jahr«, hatten sie ihr vorgehalten, als Rosi das Gespräch auf ihre Pläne gebracht hatte. »Und obendrein ein Schauspieler! Das ist brotlose Kunst! Er will nur dein Geld und deinen guten Namen, um mit seiner Karriere voranzukommen.«
»Was ist denn?« Fabian zog eine Augenbraue hoch. »Irgendwann müssen wir Nägel mit Köpfen machen und es ihnen sagen. Wir sind uns doch einig, oder net?«
»Meine Eltern sind gegen unsere Verbindung.«
»Na und? Sie werden sich schon an den Gedanken gewöhnen, bald einen weiteren Sohn zu bekommen. Außerdem ist es unser Leben und net ihres.«
»Ich möchte aber net ohne ihren Segen heiraten. Meine Eltern haben vor vielen Jahren aus ähnlichen Gründen mit meinen Großeltern gebrochen. Sie reden bis heute nimmer miteinander. So etwas möchte ich net auch erleben.«
»Wir dürfen uns von ihnen aber auch net erpressen lassen. Wir können heimlich heiraten, wenn dir das lieber ist. Wenn wir sie vor vollendete Tatsachen stellen, bleibt keine Zeit für Streit.«
»Oder sie sind erst richtig aufgebracht.« Rosis Herz klopfte bang. »Ich möchte meine Eltern net von unserer Hochzeit ausschließen. Dieser Tag ist wichtig für uns alle.«
»Das finde ich net. Wir beide werden uns für das ganze Leben verbinden, deshalb ist es für mich net von Belang, wenn wir allein heiraten. Im Gegenteil. Eine heimliche Hochzeit wäre romantisch, oder net?« Fabian senkte die Stimme. »Kein Medienrummel. Keine Hektik. Nur du und ich.«
Rosi zögerte. Sie hatte die aufgebrachte Stimme ihres Vaters noch im Ohr, der strikt dagegen war, dass sie Fabian zum Mann nahm>.< »Er liebt dich net, aber du bist zu unerfahren, um das zu bemerken.« So hatte ihr Vater argumentiert.
»Wir sollten meinen Eltern Zeit geben und beweisen, dass wir zusammengehören. Sie werden ihren Widerstand sicherlich aufgeben, sobald sie erkennen, dass du gut für mich bist.«
»Ich will aber nimmer warten.« Fabian runzelte die Stirn und schien verstimmt zu sein. Er sagte kein Wort mehr, während er seinen Strudel verzehrte. Kurz darauf bezahlten sie und verließen das Kaffeehaus.
Fabian erbot sich, Rosi nach Hause zu fahren. Rosi stieg mit ihrer Zeichenmappe in sein Auto, das am Straßenrand parkte. Dann fuhren sie los.
Ihre Familie bewohnte eine Villa im Wiener Stadtteil Grinzing. Der Ort war aus zusammengewachsenen Weindörfern entstanden und von zahlreichen Hügeln geprägt.
Unterwegs sprachen sie nicht viel. Rosi war zu sehr ins Nachdenken versunken, um ein Gespräch anzufangen.
Plötzlich entdeckte sie aus dem Augenwinkel etwas Weißes am Straßenrand.
»Halt an!«, rief sie aufgeregt. »Schnell! Halt an!«
»Was ist denn los?« Fabian trat auf die Bremse und steuerte sein Fahrzeug an den Rand der Fahrbahn.
»Dahinten liegt eine Katze. Sie scheint verletzt zu sein. Bestimmt wurde sie angefahren.«
»Na und? Wenn sie überfahren wurde, ist sie vermutlich längst …« Fabian warf Rosi einen Blick von der Seite zu und brummte: »Meinetwegen. Lass uns nach ihr sehen.«
Sie stiegen aus und eilten die Straße zurück. Tatsächlich lag eine Katze auf dem Asphalt. Sie blutete am Hinterlauf und maunzte kläglich.
»Wir müssen etwas tun«, flüsterte Rosi. »Wir können sie net einfach liegen lassen.«
Fabian schnaufte, lief zu seinem Auto zurück und holte eine Decke aus dem Kofferraum. Vorsichtig hob er die Katze darauf.
»Warte, ich helfe dir«, erbot sich Rosi, aber er winkte ab.
»Lass nur. Es reicht, wenn sich einer von uns die Kleidung ruiniert.« Er hob das verletzte Tier auf, trug es zum Auto und bettete es auf die Rückbank. »Ich werde sie in die Tierklinik bringen. Vielleicht kann man ihr dort helfen.«
»Ich komme mit.« Rosi streichelte die Katze zwischen den Ohren. Ihr Findling war noch jung, vermutlich noch kein halbes Jahr alt. Das Fell war schneeweiß, nur die Pfoten waren schwarz, als wäre die Katze durch einen Eimer Farbe gelaufen. Rosis Herz krampfte sich zusammen. Die Katze blutete heftig! Es tropfte bereits durch die Decke!
»Mach dir keine Sorgen, Schatzerl. Das wird schon wieder. Du weißt doch, was man sagt: Katzen haben acht Leben.«
»Es sind sogar neun, glaube ich.«
»Noch besser. Die Kleine wird es schon schaffen.«
»Danke, dass du das tust, Fabian.«
»Für dich mache ich doch alles.«
Eine Woge Zuneigung machte Rosi das Herz weit und vertrieb alle Zweifel. Ja, Fabian war der Richtige für sie. Früher oder später würden ihre Eltern das auch einsehen, und alles würde gut werden. Hoffentlich schon bald!
***
Derweil hatte ein junger Bauer ganz andere Sorgen: Mark Schieracher bewirtschaftete einen Bauernhof im weit entfernten Zillertal. Er hatte gerade Besuch von einem Vertreter. Obwohl er dem Angebot durchaus nicht abgeneigt war, dröhnte ihm der Schädel, denn der Vertreter sprach ohne Punkt und Komma.
»Das Hühnermobil 225 ist das Beste, was Sie Ihren Hühnern bieten können, Herr Schieracher.«
Der Besucher tippte auf die Faltblätter, die auf dem Gartentisch ausgebreitet waren. Darauf war eine Art Wohnmobil für Hühner zu sehen: ein Stall, der vollautomatisch funktionierte, Räder hatte und problemlos mit dem Traktor umgesetzt werden konnte, sobald eine Wiese abgegrast war.
»Morgens öffnet eine Zeitschaltuhr die Klappen, sodass die Tiere allein hinausgelangen können. Der Platz im Inneren ist großzügig bemessen. Es gibt einen Scharrraum, der raubwilddicht umschlossen ist und den die Tiere jederzeit erreichen können. Außerdem wurde an Einstreunester gedacht, in die sich die Hennen zum Legen zurückziehen können. Licht, Wärme und der Türklappenöffner werden vollautomatisch und zuverlässig geregelt.«
Mark nickte beeindruckt. Das Wunderwerk würde für seine Hühner ein gutes Leben bedeuten und ihm die Arbeit erleichtern. Allerdings hatte es seinen Preis und entsprach im Wert einem Mittelklassewagen. Das war Geld, das er mit den Eiern erst einmal wieder verdienen musste.
»Ihren Hühnern wird es mit dem Mobil gut gehen«, sprach ihm der Vertreter zu. »Und welcher Hahn träumt nicht von einem Stall voller Hühner und einem tollen Auto obendrein?«
»Da ist natürlich etwas dran, aber das muss ich mir gut überlegen. Auf die Schnelle kann ich das net entscheiden.«
»Natürlich. Lassen Sie sich den Kauf durch den Kopf gehen. Sie werden sich gewiss richtig entscheiden.«
»Wie lange würde die Lieferung denn dauern?«
»Weniger als eine Woche.«
» Dann lasse ich Sie in den nächsten Tagen wissen, ob ich ein Hühnermobil kaufen möchte.« Mark erhob sich und begleitete seinen Besucher zum Gartentor. Die beiden Männer verabschiedeten sich mit einem Handschlag voneinander.
Nachdem der Vertreter gefahren war, schaute sich Mark nachdenklich um.
Unmittelbar vor ihm ragte der Hexenstein auf. Um den Fuß des Berges schmiegte sich dichter Wald, der weiter oben lichter wurde und schließlich felsigen Höhen wich, in denen Steinböcke und Murmeltiere lebten. Weiter östlich erhob sich der Feldkopf in den Himmel.
Der junge Bauer betrachtete Berg um Berg – und sein Herz wurde weit. Mark liebte das Zillertal und hätte nirgendwo anders leben mögen. Sein Heimatdorf St. Christoph lag in einem stillen Seitental. Hier herauf verirrten sich nicht viele Menschen, gerade deshalb hatte es sich seine Ursprünglichkeit und seine Ruhe bewahrt.
Marks Bauernhof lag am Rand des Dorfes. Er hatte das Gehöft von seinen Eltern übernommen, als diese beschlossen hatten, nach Salzburg umzusiedeln, um dort einen beschaulichen Ruhestand zu verleben.
Ich brauche noch Lebensmittel, fiel es ihm ein. Ich sollte mich sputen, der Laden schließt in einer halben Stunde.
Er eilte zum Haus, holte seinen Schlüssel und machte sich auf den Weg hinunter ins Dorf. Der Gemischtwarenladen bot alles an, was täglich in St. Christoph gebraucht wurde. Alle wichtigen Neuigkeiten bekam man hier obendrein.
Mark eilte gerade am Kirchhof vorbei, als ihm eine silberhaarige Bäuerin entgegenkam. Ihr Schritt war mühsam. Sie lief vornübergebeugt, und ihr rundes Gesicht war hochrot.
»Mei, Wally, geht es dir gut?« Mark blieb vor seiner Nachbarin stehen. »Du schnaufst ja wie die Dampflokomotive der Zillertalbahn an hohen Feiertagen.«
»Ich werde halt net jünger. Außerdem könnte ich schwören, dass der Anstieg früher net so steil war.«
»Ist sonst alles in Ordnung mit dir?«
»Freilich. Ich habe gerade meinen Hans auf dem Kirchhof besucht.« Wally seufzte wehmütig. »Manchmal kann ich net glauben, dass er schon vierundzwanzig Jahre nimmer bei mir ist.«
»Er ist in deinem Herzen, deshalb geht er niemals ganz.«
»Trotzdem würde ich alles geben, wenn er noch bei mir wäre. Es ist manchmal ziemlich still auf meinem Hof.«
»Du hast doch deine Tageskinder.«
»Das stimmt schon, aber das ist net dasselbe wie eine eigene Familie. Mein Sohn war seit dem Streit nimmer hier.«
»Worum ging es dabei eigentlich?«
»Mein Mann wollte net, dass Rudolf ein Madel aus der Stadt heimführt und wegzieht. Rudolf sollte den Hof übernehmen, aber das wollte er net. Er hatte Pläne für eine Porzellanmanufaktur. Darüber haben sich die beiden zerstritten. Rudolf war net einmal auf der Beerdigung seines Vaters.«
»Das ist aber net recht. Warum kommt er net wenigstens zu dir?«