Der Bergdoktor 1766 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1766 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Schluchzend liegt der sechsjährige Leon im Bett. Er kann einfach nicht begreifen, warum seine Mama ihm strikt verboten hat, Max noch einmal zu sehen. Max ist ein schwarzer Labrador und gehört dem jungen Pianisten Lutz Sandlinger, der sich nach einer schweren Herzerkrankung in den Bergen erholen will.

Plötzlich horcht Leon auf. Da - irgendwo hoch oben in den Bergen bellt ein Hund. Ob das Max ist? Jetzt, mitten in der Nacht?

Nur kurz denkt Leon an das Verbot seiner Mutter, dann schlüpft er aus dem Bett und zieht sich leise an.

Als Miriam Bogner ihren Sohn am nächsten Morgen wecken will, ist sein Bett leer ...

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Leon – kleiner Lebensretter

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / LiAndStudio

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-1069-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Leon – kleiner Lebensretter

Der Bergdoktor und ein außergewöhnlicher Einsatz

Von Andreas Kufsteiner

Schluchzend liegt der sechsjährige Leon im Bett. Er kann einfach nicht begreifen, warum seine Mama ihm strikt verboten hat, Max noch einmal zu sehen. Max ist ein schwarzer Labrador und gehört dem jungen Pianisten Lutz Sandlinger, der sich nach einer schweren Herzerkrankung in den Bergen erholen will.

Plötzlich horcht Leon auf. Da – irgendwo hoch oben in den Bergen bellt ein Hund. Ob das Max ist? Jetzt, mitten in der Nacht?

Nur kurz denkt Leon an das Verbot seiner Mutter, dann schlüpft er aus dem Bett und zieht sich leise an.

Als Miriam Bogner ihren Sohn am nächsten Morgen wecken will, ist sein Bett leer …

»Grüß dich, Miriam, einen guten Morgen!« Willi Stößl, der Großknecht auf dem Schöntaler-Hof in St. Christoph, tippte sich an sein speckiges Hütchen und nickte der jungen Frau lächelnd zu, die gerade im ersten Stock aus dem Fenster schaute.

»Grüß dich, Wiggerl«, erwiderte Miriam Bogner ebenso freundlich.

Sie kannte Willi, den alle Wiggerl nannten, seit sie ein kleines Madel gewesen war. Der Knecht war ein echtes Tiroler Original, stets gut aufgelegt, zu jedem Spaß bereit und dabei ein rechter Gemütsmensch. Ging es um den Hof, war auf ihn Verlass.

Miriams Vater Rudolf Schöntaler arbeitete seit ein paar Jahrzehnten Hand in Hand mit ihm. Wiggerl hatte die kleine Miriam mit dem Lockenköpfchen und der Zahnlücke seinerzeit auf den Knien geschaukelt, und er hatte sie heute noch immer von Herzen gern wie ein guter Onkel. Dass die junge Mutter wieder in St. Christoph war und in einer separaten Wohnung auf dem elterlichen Hof lebte, gefiel ihm. Der Grund dafür war weniger schön.

Während der Großknecht den Wirtschaftshof überquerte und zum Haupthaus ging, denn es war Frühstückszeit, dachte er an die große Bauernhochzeit, die vor gut sieben Jahren an diesem Platz gefeiert worden war. Damals hatte es nur fröhliche Gesichter gegeben, und das Brautpaar hatte vor Glück gestrahlt.

Den Bauersleuten wäre es freilich lieber gewesen, wenn ihre einzige Tochter einen Jungbauern geheiratet hätte. Aber Miriam hatte ihr Herz an einen feschen Pharmareferenten verloren. Gut hatte er ausgeschaut und charmant war er gewesen, dieser Andreas Bogner. Wohl etwas zu charmant, denn es hatte nicht lange gedauert, bis seine Untreue ans Licht gekommen war.

Miriam hatte es nach der Geburt ihres Buben noch fast sechs Jahre mit Andreas ausgehalten. Mehr schlecht als recht, das wusste Wiggerl von den vielen Besuchen der jungen Frau daheim. Sie hatte sich bei den Eltern ausgeweint, war mit blassem, unglücklichem Gesicht herumgerannt und hatte krampfhaft nach einer Lösung gesucht, denn ihren Traum vom Glück konnte sie nicht so leicht aufgeben.

Der Bauer hatte sich seinen Schwiegersohn des Öfteren zur Brust genommen, die Bäuerin hatte ihn eingeladen, um einen neutralen Rahmen für Aussprache und Versöhnung zu schaffen. Geholfen hatte nichts.

Schließlich hatte Miriam einsehen müssen, dass sie ihre Ehe nicht retten konnte. Andreas war nicht gewillt, sich zu ändern. Er sah es als sein gutes Recht an, hier und da ein wenig »zu wildern«, wie er das ausdrückte. Und er hatte dazu noch die Frechheit besessen, diese Seitensprünge als unwichtig zu bezeichnen und zu behaupten, sein Herz gehöre einzig seiner Frau.

Miriam hatte all die selbstgefälligen Lügen und gefühllosen Extratouren schließlich nicht mehr ertragen können. Sie hatte Andreas verlassen und die Scheidung eingereicht.

Danach hatte sich erst gezeigt, wie gleichgültig ihr Mann sein konnte. Alles, was ihn nicht direkt anging, war ihm einerlei. Er hatte auf ein Besuchsrecht bei Leon, ihrem gemeinsamen Sohn, verzichtet, er hatte Miriam den Hausrat überlassen und war direkt nach der Scheidung mit seiner aktuellen Flamme in einen Erholungsurlaub gefahren.

Miriam hatte gut daran getan, nach St. Christoph zurückzukehren. Sie hatte es nicht weit zur Arbeit, denn sie war bei einem Augenarzt in Schwaz beschäftigt. Die vertraute Umgebung tat ihr wohl und ließ sie nach dem schmerzhaften Einschnitt wieder zur Ruhe kommen.

Von der Liebe wollte die hübsche junge Frau mit den hellbraunen Locken und den klaren, blauen Augen allerdings nichts mehr wissen. Nach der unglücklichen Ehe war ihr Glaube daran nachhaltig erschüttert.

Miriam warf einen langen Blick nach draußen. Sie atmete die frische, würzige Bergluft tief ein und lächelte dabei ein wenig.

Ja, es tat gut, wieder daheim zu sein. In Mayrhofen hatten sie und Andreas eine schick eingerichtete Wohnung gehabt. Ein Daheim war dies allerdings nie geworden. Das mochte zum einen daran gelegen haben, dass Andreas so selten zu Hause gewesen war, zum anderen aber auch an Miriams Heimweh. Sie hatte sich in der Stadt nicht wohlgefühlt, ihre Wurzeln lagen nun einmal in St. Christoph.

»Mama, ich hab Hunger!« Der sechsjährige Leon kam in ihr Schlafzimmer gewirbelt und schmiegte sich an sie. Der Bub schaute seiner Mutter sehr ähnlich mit dem fein geschnittenen Gesicht, den tiefblauen Augen und den hellbraunen Haaren.

Miriam hatte erleichtert feststellen können, dass er endlich wieder auflebte und schon fast so lebhaft war wie früher. Die Zeit von Trennung und Scheidung hatte ihm ebenso sehr zugesetzt wie ihr. Blass und still war er geworden und immer wieder hatte er seine Mutter gefragt, warum der Vater fort war, warum er sie denn nicht mehr lieb hatte. Sie hatte versucht, es ihm zu erklären, auch wenn sie selbst noch manches Mal ratlos vor dem Scherbenhaufen ihrer Ehe gestanden hatte.

Nun schienen die traurigen Tage in Mayrhofen in der Erinnerung des Kindes allmählich zu verblassen. Leon liebte das Landleben ebenso sehr wie seine Mutter. Er hatte schnell Freunde gefunden und freute sich darauf, nach den Sommerferien die Grundschule besuchen zu dürfen.

Der Bub interessierte sich für alle Vorgänge auf dem Hof, und es gab kein Tier, das er nicht streicheln wollte. Besonders hatten es ihm dabei die Hunde angetan. Sah er nur einen von Weitem, war er sofort Feuer und Flamme.

Miriam vermutete, dass ihr Sohn sogar seine besten Freunde nach diesem Kriterium aussuchte. Poldi, der Rauhaardackel im Doktorhaus, war Leon schon sehr ans Herz gewachsen. Fast jeden Tag spielte er mit dem kleinen Filli Burger, der in seinem Alter war, und immer war Dackel Poldi mit von der Partie.

Leon träumte von einem eigenen Hund, seine Großeltern hätten ihm diesen Wunsch auch gern erfüllt. Aber Miriam war dagegen, denn sie meinte, dass ihr Sohn noch zu klein war, um eine solche Verantwortung zu übernehmen. Und sie selbst hatte keine Zeit, dreimal am Tag Gassi zu gehen.

»Komm, Schatzerl, gehen wir frühstücken«, schlug Miriam lächelnd vor. Sie schloss das Fenster und warf noch einen kurzen Blick in die Runde.

Alles war ordentlich aufgeräumt. Die Wohnung hatte einen separaten Eingang, war aber nicht sehr groß, da war es besonders wichtig, Ordnung zu halten.

Leon sah das nicht so eng, in seinem kleinen Reich herrschte meist ein mittleres Chaos. Miriam versuchte, dem Buben mit Geduld und kleinen Tricks einen Begriff von Ordentlichkeit zu vermitteln, bislang allerdings nur mit mäßigem Erfolg.

»Nachher geh ich wieder zu Filli«, berichtete Leon eifrig, während sie über den Wirtschaftshof liefen. »Gelt, Mama, du erlaubst es doch? Die Zenzi hat versprochen, Buchteln mit Marillenkompott zu kochen. Und dann spielen wir mit dem Poldi.« Leon lachte vergnügt. »Der kann eine Menge Kunststücke! Wenn ich selbst mal einen Hund hab, dann bringe ich dem auch ganz viel bei. Da wirst du staunen, Mama!«

»Worüber wird die Mama denn staunen?«, wollte Ursula Schöntaler wissen, als die beiden das Haus betraten.

»Über die Kunststücke, die ich meinem Hund beibringe, Oma. Ich hab schon ganz viele Ideen, pass auf …«, sprudelte der Bub heraus.

Ursula strich ihm liebevoll durchs Haar und warf ihrer Tochter dabei einen fragenden Blick zu, aber Miriam hob nur die Schultern.

Sie setzten sich an den großen Tisch im Esszimmer, der bei allen Mahlzeiten voll besetzt war. Denn hier fanden nicht nur die Bauersleute ihren Platz, sondern auch das Gesinde.

Rudolf Schöntaler besprach mit Wiggerl die Arbeiten des Tages, die anderen Angestellten unterhielten sich, es wurde viel gelacht, eine heitere Stimmung herrschte meist vor, so auch an diesem sonnigen Maimorgen. Miriam genoss es, sich in der großen Runde geborgen und daheim zu fühlen.

Als Leon aber sein Lieblingsthema zu sehr ausbaute, mahnte sie ihn: »Du musst jetzt los, sonst kommst du zu spät in den Kindergarten. Und nimm deine Brotzeit mit.«

Der Bub schnappte seine Tasche, drückte der Mama ein Busserl auf die Wange und vergaß auch die Großeltern nicht, bevor er sich geschäftig auf den Weg machte.

Ursula lächelte versonnen. »Nur gut, dass Leon sich bei uns so schnell eingelebt hat. Er ist wieder ein fröhlicher Lausbub, so, wie es sein soll in seinem Alter.«

»Ja, ich bin froh, dass ihr uns aufgenommen habt. Ich glaub, das war die rechte Entscheidung«, sinnierte Miriam.

»Freilich war sie das. Du und der Bub, ihr gehört hierher«, bekräftigte der Bauer und drückte seiner Tochter ein Busserl aufs Haar, bevor er mit dem Gesinde an die Arbeit ging.

Miriam hatte noch ein wenig Zeit, ehe sie los musste. Sie trank zusammen mit der Mutter in aller Ruhe ein Haferl Kaffee. Diese entspannten Minuten genoss sie, bevor der Tag sie forderte.

»Und wie war es gestern Abend? Hast du dich ein bisserl amüsiert?«, wollte die Bäuerin nun interessiert wissen.

Seit ihre Tochter nach St. Christoph zurückgekehrt war, hatte sie ihre Freizeit daheim verbracht und einfach nicht daran gedacht, auszugehen und mal einen netten Abend mit Freunden zu verbringen. Dabei war Miriam erst Ende zwanzig!

Durch Leons Freundschaft mit Filli Burger hatte Miriam wieder Kontakt zu Bärbel Tannauer bekommen, der Sprechstundenhilfe von Dr. Burger. Die beiden jungen Frauen kannten sich aus der Zeit ihrer gemeinsamen Ausbildung und waren früher befreundet gewesen. Nun verbrachte Miriam öfter mal einen Abend mit Bärbel. Und am Sonntag waren sie zu dritt, begleitet von Bärbels Verlobten Felix, im Berghotel essen gegangen und hatten danach noch den Frühlingstanz besucht.

»Es war nett«, ließ Miriam ihre Mutter wissen. »Das Tanzfest im Hotel hatte fast ein bisserl altmodischen Charme. Ich hab mich wieder ganz jung und unbeschwert gefühlt.«

»So soll es sein. Hast du denn auch nette Bekanntschaften gemacht?«

»Freilich net, darauf lege ich es auch nicht an, das weißt du doch, Mama. Was der Andi mir angetan hat, kann ich so schnell net vergessen.« Sie seufzte. »Vielleicht nie …«

»Die Wunden werden heilen. Und irgendwann kommt dann der Rechte. Ich bin sicher, dass du noch mal das Glück finden wirst, Liebes.«

»Um dann wieder enttäuscht zu werden? Na, Mama, das will ich nimmer. Und das werde ich auch dem Leon net zumuten. Er hat genug mitgemacht. Er soll unbeschwert aufwachsen.«

»Du solltest net nur an den Buben denken, sondern auch an dich selbst. Schließlich bist du noch jung.«

»Ich denk schon an mich selbst«, versicherte Miriam mit einem schmalen Lächeln. »Deshalb bleib ich lieber allein.«

***

Auch im Doktorhaus von St. Christoph waren um diese Zeit schon alle auf den Beinen. Zenzi Bachhuber, die fleißige Hauserin, hatte das Frühstück pünktlich serviert und versprach Filli, dass er sich am Mittag auf sein Leibgericht, Buchteln mit Marillenkompott, freuen konnte. Der Bub strahlte daraufhin zufrieden.

»Gelt, Zenzi, der Leon darf doch mitessen? Ich hab ihn schon eingeladen und ihm gesagt, dass deine Buchteln besonders gut sind«, schmeichelte er geschickt.

»Ganz der Opa«, frotzelte die Hauserin daraufhin mit einem schrägen Blick auf Pankraz Burger, der sich harmlos gab. »Freilich kann dein Freund mitessen, es ist ja genug da.«

»Fein!« Filli schaute zu seinem Opa. »Der Leon kommt mich nachher abholen. Mei, der freut sich allerweil wie narrisch, wenn der Poldi dabei ist und er ihn kraulen darf.«

Poldi, der zu Pankraz’ Füßen auf den einen oder anderen Wurstzipfel spekulierte, begann freudig zu wedeln. Offenbar weckte der Name von Fillis Spielkameraden angenehme Erinnerungen. Die Freundschaft zwischen den beiden schien tatsächlich gegenseitig zu sein.

Tessa, Fillis ältere Schwester, konnte darüber nur den Kopf schütteln.

»So was Kindisches! Als ob es nichts Aufregenderes gibt, als einen Hund zu kraulen.«

Diese Bemerkung behagte dem vierbeinigen Hausgenossen gar nicht. Er erhob sich und trottete deutlich verstimmt auf seinen krummen Beinchen aus der Stube.

»Sei net so gemein zu Poldi«, forderte Filli da empört. »Ein Hund hat schließlich auch seinen Stolz.«

Tessa bedachte ihren Bruder mit einem vielsagenden Blick, sparte sich aber einen weiteren Kommentar.

»Ich muss in die Schule«, war alles, was sie noch sagte.

»Für uns wird es auch Zeit«, stellte Pankraz Burger fest. »Komm, Bub, machen wir uns auf den Weg um Kindergarten. Vorher müssen wir aber Poldi noch überreden, dass er mitkommt, nachdem deine Schwester ihn geärgert hat. Hast du eine Idee, wie wir das anstellen könnten?« Er musste schmunzeln, als Filli rasch einen Wurstzipfel griff und damit in die Diele eilte.

»Ich muss rüber in die Praxis«, meinte Martin Burger und erhob sich ebenfalls. »Bis später, Schatzerl.« Er schenkte seiner Frau Sabine ein zärtliches Busserl und drückte auch der kleinen Laura, die in ihrem Hochstuhl wie ein Prinzesschen thronte, einen Kuss auf die zarte Stirn. Das Nesthäkchen der Familie Burger legte sogleich seine kleinen Ärmchen um den Hals des Papas und erwiderte die Zärtlichkeit mit einem dicken, feuchten Schmatz. Martin musste lachen, und auch Sabine stimmte mit ein.

»Kommt heute wieder dein Wiener Patient?«, wollte Pankraz interessiert wissen, während sie in die Diele gingen.

Sein Sohn nickte zustimmend. Martin Burger, der von den Menschen in St. Christoph voller Respekt und Anerkennung »Bergdoktor« genannt wurde, war groß und sportlich und wirkte mit dem dunklen Haar und den klugen, klaren Augen auch mit Anfang fünfzig noch sehr vital und jugendlich. Er war passionierter Bergsteiger und machte in der Beziehung manch jungem Bergkameraden etwas vor.

»Am späten Vormittag. Wenn du es einrichten kannst, schau doch herein, Vater«, schlug er vor. »Der Herr Sandlinger ist ein klassischer Herzpatient. Eine Anamnese wie aus dem Lehrbuch.«

Man sah Pankraz an, dass ihn dies durchaus reizte. Auch mit Ende siebzig war der Senior geistig noch auf der Höhe. Er las fleißig medizinische Fachblätter und freute sich, wenn sein Sohn einen Fall mit ihm besprach oder von ihm eine zweite Meinung bei einer Diagnose hören wollte. Das gab ihm das gute Gefühl, noch gebraucht zu werden.

»Mal schauen.« Pankraz lächelte, als sein Enkel ihm Poldi samt Leine übergab. »Jetzt hab ich aber zunächst mal einen dringenderen Fall, gelt, Poldi?« Sein Lächeln vertiefte sich, denn der Dackel fiepte leise zum Zeichen, dass er ein gewisses Bedürfnis verspürte und erledigen wollte. »Da hörst du es, Martin, es eilt beim Poldi.«

»Dann viel Erfolg«, scherzte Dr. Burger und ging hinüber in die Praxis, während Filli und sein Großvater das Haus verließen.

Poldi trabte freilich als Erster ins Freie, denn er hielt sich natürlich für den Chef im Haus. Und als er Leon erspähte, der am Gartenzaun wartete, zog er so ruckartig an der Leine, dass Pankraz nach vorne stolperte. Er räusperte sich ungehalten und wollte Poldi ermahnen, aber dessen Rute flog dermaßen begeistert von einer Seite auf die andere, dass der Senior ihm nicht böse sein konnte. Leon war eben der größte Hundenarr weit und breit. Und Poldi schien dafür ein untrügliches Gespür zu besitzen.