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Nur wenige Augenblicke steht der Kinderwagen, in dem der kleine Paul seinen Mittagsschlaf hält, unbeaufsichtigt im Garten unterm Apfelbaum. Doch als Luzia aus dem Haus zurückkommt, erkennt sie sofort die Tragödie: Paul ist weg ... einfach weg!
Natürlich beginnt sofort eine groß angelegte Suchaktion. Polizisten, Spürhunde und alle Bewohner von St. Christoph durchkämmen die Gegend - nichts!
So vergehen Tage und Wochen, und dann tauchen plötzlich Gerüchte auf, dass vielleicht die junge Mutter selbst ihrem Baby etwas angetan hat. War Luzia nicht von Anfang an mit der Mutterschaft überfordert?
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Angst um ihr geliebtes Baby
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-1252-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Angst um ihr geliebtes Baby
Ganz St. Christoph bangt mit der jungen Mutter
Von Andreas Kufsteiner
Nur wenige Augenblicke steht der Kinderwagen, in dem der kleine Paul seinen Mittagsschlaf hält, unbeaufsichtigt im Garten unterm Apfelbaum. Doch als Luzia aus dem Haus zurückkommt, erkennt sie sofort die Tragödie: Paul ist weg … einfach weg!
Natürlich beginnt sofort eine groß angelegte Suchaktion. Polizisten, Spürhunde und alle Bewohner von St. Christoph durchkämmen die Gegend – nichts!
So vergehen Tage und Wochen, und dann tauchen plötzlich Gerüchte auf, dass vielleicht die junge Mutter selbst ihrem Baby etwas angetan hat. War Luzia nicht von Anfang an mit der Mutterschaft überfordert?
»Endlich! Ich hab schon befürchtet, dass ich heute überhaupt nimmer nach Hause komme«, sagte Dr. Burger und ließ sich aufseufzend neben seiner Frau in einen der Korbstühle fallen, die einladend auf der Terrasse standen.
»Gab es so einen Ansturm? Hoffentlich nichts Ernstes«, erkundigte sich Sabine Burger, ebenfalls Dr. med., besorgt. Dann stand sie auf, um für ihren sichtlich erschöpften Mann eine Erfrischung zu holen.
»Nein, nein«, rief Martin ihr nach. »Aber um diese Jahreszeit gibt es halt viele Erkältungen, weil die Leute gleich übermütig werden und sich zu leicht anziehen, wenn die Sonne ein bisserl scheint. Und einige leiden ja immer mehr als andere, wie du weißt.«
Sabine musste unwillkürlich lachen. Dass ihr Mann seinen Humor behielt, auch wenn er stark gefordert war, gehörte zu den Eigenschaften, die sie ganz besonders an ihm schätzte. Eigentlich liebte sie alles an ihm – nicht nur seine sportliche Erscheinung, die nicht vermuten ließ, dass er immerhin sechzehn Jahre älter als sie war, sondern auch seinen unermüdlichen Einsatz für seine Patienten und seine Zuverlässigkeit.
Niemals hätte sie, die junge Anästhesistin aus Wien, gedacht, dass sie für immer in St. Christoph, einem kleinen Gebirgsdorf im Zillertal, das Glück ihres Lebens finden würde. Doch als sie vor mittlerweile neun Jahren bei ihrer Tante Rika zu Besuch gewesen war und Martin Burger zum ersten Mal gesehen hatte, da war es um sie geschehen gewesen. Und sie hatte ihre Entscheidung keinen einzigen Tag bereut.
Als hätte Martin ihre Gedanken erahnt, gingen seine in die gleiche Richtung. Immer noch verzauberte ihn der Anblick seiner Frau, mit der er ein Glück gefunden hatte, an das er nicht mehr geglaubt hatte.
Dr. Burger hatte Schweres erlitten. Christl, seine erste Frau, war nach nur einem Ehejahr während der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes gestorben. Auch das Baby hatte nicht überlebt.
Völlig verzweifelt und am Rande einer Depression war Martin nach diesem Schicksalsschlag nach München gegangen, um an der Uniklinik seinen Facharzt für Chirurgie zu machen. Nur Arbeit und eine neue Aufgabe hatten ihn von seinem Schmerz ablenken können.
Doch das Heimweh hatte ihn in sein Zillertaler Heimatdorf zurückgeführt, wo er die Praxis seines Vaters übernommen und auf den neuesten Stand gebracht hatte. Seither gab es die »Mini-Klinik« mit einem eigenen Operationssaal, einem Labor und einem Röntgenraum. Zwei Krankenzimmer standen bereit, um Notfälle aufzunehmen.
Fünfzehn Jahre war Martin »nur« Arzt gewesen, dann hatte er im Hause seiner Patientin Rika Althäuser die junge Wienerin Sabine kennengelernt. Diese Begegnung war ein Geschenk des Himmels für ihn.
Mit Sabine führte er eine Ehe, die von Liebe und gegenseitigem Vertrauen geprägt war. Und ihre inzwischen drei gemeinsamen Kinder waren sein ganzer Stolz.
Sabine war nicht nur eine liebevolle Mutter, sie vertrat ihn auch in dringenden Notfällen in der Praxis oder ging ihm in der »Mini-Klinik« zur Hand.
Man konnte es so ausdrücken: Sie führten ein erfülltes Leben.
»Es ist so still hier. Wo sind denn die Kinder und der Vater? Sogar Poldi hat noch net gebellt«, stellte er plötzlich fest.
»Tessa und Filli sind bei Zenzi in der Küche und helfen ihr bei den Vorbereitungen fürs Abendessen …«
»Na, das kann ich mir schon vorstellen, wie das abläuft! Die zwei Naschkatzen streichen um den Nachtisch herum, und Poldi sitzt unterm Tisch und wartet, dass man ihm heimlich einen Leckerbissen gibt«, fiel Martin seiner Frau ins Wort.
»So ganz unrecht hast damit net«, gab Sabine zu, und sie brachen beide fast gleichzeitig in Gelächter aus.
Die achtjährige Tessa liebte Süßes über alles. Kein Gebäck, kein Nachtisch war vor ihr sicher, und ihr Bruder Philipp, genannt Filli, der drei Jahre jünger als sie war, tat es ihr eifrig nach. Selbst Rauhaardackel Poldi war nicht weniger genäschig. Immer wieder kam es zu Diskussionen, wenn Pankraz Burger, der Großvater, oder eines der Kinder das Zamperl heimlich bei Tisch fütterte.
Zenzi Bachhuber, seit über vierzig Jahren die Haushälterin im Doktorhaus, ließ dann lautstarke Tiraden erschallen, dass Poldi zu dick würde. Doch trotz ihrer manchmal schroffen und mürrischen Art war Zenzi die gute Seele des Hauses, die die Kinder von Herzen liebte. Selbst wenn sie aufgebracht war und so schimpfte, dass der strenge Knoten an ihrem Hinterkopf zitterte.
»Laura schläft sogar schon. Sie hat heute einen besonders langen Spaziergang mit dem Opa gemacht und war völlig übermüdet. Pankraz übrigens auch, er hat sich ins Kabinettl zurückgezogen und ruht sich anscheinend aus«, gab Sabine Auskunft.
Dr. Pankraz Burger lebte im sogenannten Kabinettl, das vom Wohnzimmer aus zu erreichen war. Dort widmete er sich in aller Ruhe der Verfassung einer Chronik des Zillertals, wenn er nicht gerade mit den Enkeln unterwegs war. Martins Vater war eine große Hilfe; er holte Filli vom Kindergarten ab und unternahm Spaziergänge mit ihnen, vor allem mit der zweijährigen Laura.
»Zum Abendessen wird er schon hervorkommen. Außerdem duftet es bereits verlockend aus der Küche«, meinte Martin, der nun schon viel entspannter wirkte.
Eine Weile saßen sie schweigend da und genossen den Abendfrieden, bis die Stimmen der Kinder aus dem Esszimmer herausschallten, unterbrochen von den Ermahnungen Zenzis, unter deren strenger Aufsicht Tessa und Filli den Tisch deckten. Poldi bellte kurz und freudig auf, und es war unschwer zu erraten, dass er sich neben dem Stuhl von Pankraz Burger niederließ.
»Dann gehen wir besser hinein«, sagte der Bergdoktor, denn er verspürte plötzlich starken Hunger.
»Ja, ehe dein Vater den Poldi wieder heimlich füttert«, meinte Sabine.
Doch kaum hatten sie sich erhoben, als sich auch schon das Handy, das Dr. Burger immer bei sich trug, meldete.
Martin lauschte dem Redeschwall, der ihm entgegendrang, und Sabine beobachtete, wie seine Miene ernst wurde.
»Ein Unfall?«, fragte sie, als er das Gespräch beendet hatte.
»Die Luzia vom Walliserhof ist schwer gestürzt«, gab Dr. Burger knapp Auskunft, ehe er sich zum Gehen wandte.
»Jesses! Dabei steht sie doch kurz vor der Niederkunft«, entfuhr es Sabine betroffen.
Doch Martin hörte ihre Worte schon gar nicht mehr, denn er hastete aus dem Haus und ließ den Wagen an.
»Muss der Papa wieder zu einem Patienten?«, fragte Filli enttäuscht, als Sabine ins Esszimmer trat.
»Ja, es ist dringend.«
Filli verzog den Mund, sagte aber nichts.
»Stell dir vor, du hättest einen Unfall und niemand käme dir zur Hilfe. Also, mach nicht so ein Gesicht, Filli«, erklärte Tessa altklug.
Sie war ein entzückendes Mädchen mit dunklen Augen und Ringellocken, dem sofort alle Herzen zuflogen. Filli war dagegen ein Blondschopf, ein aufgeweckter Junge, der immer alles ganz genau wissen wollte.
Pankraz Burger hatte Platz genommen und ließ seinen Blick über das appetitlich angerichtete Abendessen schweifen. Was er sah, befriedigte ihn, allerdings musste er sich etwas zurückhalten.
»Hast dich wieder einmal selbst übertroffen, Zenzerl. Der lockere Kaiserschmarren mit dem Pflaumenkompott …« Er schnalzte genießerisch mit der Zunge.
Poldi teilte seine Freude allerdings nicht. Eine Vesperplatte mit Würsteln und Selchfleisch wäre ihm lieber gewesen.
***
Während die Familie am Abendbrottisch saß, fuhr Martin Burger zügig in Richtung des Walliserhofes, der in der Nähe des Weilers Bergfelden lag. Es dämmerte bereits, und die Ränder der unbefestigten Straße verschatteten sich, doch Dr. Burger kannte die Strecke und hielt bald vor dem großen Anwesen.
Der Walliserhof verriet auf den ersten Blick, dass seine Besitzer, die nun in der sechsten Generation waren, zu den größten Bauern des Tals gehörten. Das mehrstöckige Wohnhaus, kunstvoll mit Schindeln verkleidet, wurde beiderseits von Stallungen, der Scheune und Anbauten eingerahmt. In der Mitte des rechteckigen Hofplatzes plätscherte ein Brunnen, dessen Rand mit Blumenkästen geschmückt war.
Der Hofhund hob nur träge den Kopf und gab ein kurzes Bellen von sich, denn er kannte Dr. Burger.
Die Haustür wurde aufgerissen, und ein großer, wuchtiger Mann erschien auf der Schwelle, dessen Gesicht besorgniserregend gerötet war. Ambros Walliser war außer sich und das ließ ihn noch bedrohlicher erscheinen als gewöhnlich.
»Das wird aber auch höchste Zeit«, herrschte er den Bergdoktor an, als er ihn ins Haus ließ.
»Ich bin so schnell wie möglich hergekommen«, gab Dr. Burger betont sachlich zur Antwort, obwohl ihm Wallisers ganze Art von Herzen zuwider war.
Ambros Walliser gab ein verächtliches Schnauben von sich.
»Was ist genau vorgefallen?«, fragte Dr. Burger.
»Meine Tochter ist im Flur über etwas gestolpert und gestürzt. Und das ausgerechnet jetzt … in ihrem Zustand.«
Aus Wallisers Stimme klangen aufrichtige Angst und Sorge heraus, sodass sich Martins Abneigung gegen ihn etwas milderte. Obwohl der Bauer immer damit gehadert hatte, dass er keinen Sohn und Erben hatte, so ließ er es seine Tochter nicht spüren. Nach dem frühen Tod seiner Frau war Luzia der einzige Mensch, den Walliser liebte.
»Wo ist sie jetzt?«
»Ich hab sie nach oben getragen, ins Schlafzimmer«, gab Ambros Walliser zur Antwort und ging vor ihm die enge Treppe nach oben.
Dr. Burger unterdrückte mit Mühe eine heftige Entgegnung, doch er wusste, dass es sinnlos war, dem Bauern erklären zu wollen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, die Verletzte nicht zu bewegen.
Walliser stieß die Schlafzimmertür auf, und sein Blick fiel auf die blasse junge Frau, die mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem breiten Ehebett lag. Die Geburt ihres Kindes stand unmittelbar bevor, was Dr. Burger große Sorge bereitete.
Trotz ihres Zustands war Luzia Walliser von ungewöhnlicher Schönheit. Sie schlug ganz ihrer Mutter nach, die, den bösen Gerüchten nach, von ihrem herrschsüchtigen Mann in ein frühes Grab gebracht worden war. Üppige dunkelbraune Locken umrahmten ein schmales Gesicht mit ebenmäßigen Zügen, die meergrünen Augen wurden von schwarzen Wimpern gesäumt. Die Lippen des vollen Mundes waren aufeinander gepresst.
Auf der Bettkante saß ihr junger Ehemann, der ihre Hand hielt und leise auf sie einsprach. Wieder ging es Dr. Burger durch den Sinn, was für ein schönes Paar die jungen Wallisers doch abgaben, denn auch Dominik Walliser war ein ausnehmend gut aussehender Mann. Schlank und hochgewachsen, mit vollem dunkelblondem Haar und regelmäßigen Gesichtszügen entsprach er sicher dem Wunschbild vieler Frauen.
Aber ganz offensichtlich nicht dem Wunschbild des Schwiegersohns, wie Walliser bei jeder sich bietender Gelegenheit klarstellte. Ambros stieß ihn grob beiseite und nahm seinen Platz ein, was Dominik, der es Luzia zuliebe nicht zu einer Auseinandersetzung kommen lassen wollte, geschehen ließ.
»Du gehst auch hinaus, Walliser. Ich muss die Luzia untersuchen«, sagte Dr. Burger in bestimmtem Tonfall, den er bei besonders schwierigen Patienten, vor allem aber bei widerspenstigen Angehörigen, anschlug.
Murrend verließ Ambros Walliser den Raum, und der Bergdoktor schloss nachdrücklich die Tür hinter ihm. Dennoch konnte er hören, dass der Bauer auf dem Flur mit scharfer Stimme auf seinen Schwiegersohn einsprach. Er schien ihm sogar die Schuld an Luzias Sturz zuzuweisen, obwohl das überhaupt nicht nachvollziehbar war.
Dann fragte Dr. Burger Luzia über ihren Unfall aus und untersuchte sie gründlich. Ihre Verletzungen waren nicht ernsthafter Natur, aber sie hatte schmerzhafte Prellungen davongetragen.
»Mein rechter Fuß …«, klagte Luzia.
Dr. Burger betastete eingehend den Knöchel und stellte fest, dass glücklicherweise nichts gebrochen war.
»Eine Verstauchung, weil du wahrscheinlich mit dem Fuß umgeknickt bist. Umschläge wirken da Wunder.«
»Die Hauptsache ist doch, dass mit dem Kindl alles in Ordnung ist«, sagte sie, und ihr Gesicht nahm wieder etwas Farbe an.
»Du musst dir keine Sorgen machen«, begütigte Dr. Burger sie.
Aber im Insgeheimen machte er sich Sorgen, denn alle Vorzeichen ließen darauf schließen, dass eine schwierige Geburt zu erwarten war. Doch er hütete sich, die junge Frau mit irgendwelchen Andeutungen zu beunruhigen.
Gerade als er dabei war, seine Arzttasche zu schließen, schwoll Wallisers an sich schon lautstarkes Organ so gewaltig an, dass es durch das ganze Haus dröhnte. Luzias schöne Augen füllten sich mit Tränen, und Dr. Burger verspürte Mitleid mit ihr.
»Eigentlich brauchst du jetzt dringend Ruhe so kurz vor der Geburt. Ich schlage vor, dass du mit in die Mini-Klinik kommst.«
Luzia nickte dankbar.
»Das wäre gut. Aber was wird mein Vater sagen? Das Kindl soll doch hier auf die Welt kommen, so wie alle Wallisers …«
»Deine Gesundheit geht vor. Ich werde deinem Vater schon Bescheid sagen«, erwiderte der Bergdoktor energisch.
Unten in der Stube fand er den Hofbauer und seinen Schwiegersohn streitend vor, und es war klar zu erkennen, dass der junge Mann dem Ingrimm Ambros Wallisers nicht gewachsen war. Dominiks Gesicht war gerötet, und obwohl er es zu verbergen suchte, sah der Doktor, dass seine Hände zitterten.
»Die Luzia kommt mit in meine Mini-Klinik. Sie braucht dringend Ruhe und ärztliche Überwachung«, erklärte Dr. Burger mit großer Entschiedenheit.
Doch Ambros Walliser war keiner, der sich ohne Widerspruch ergab. Noch ehe sein Schwiegersohn zu Wort kommen konnte, grollte er: »Aber höchstens für ein paar Tage. Mein Enkel wird hier auf dem Hof geboren, so will es die Tradition.«
»Die Tradition wird dir doch nicht wichtiger sein als das Wohl deiner einzigen Tochter! Und das Kind bringst mit deiner Halsstarrigkeit auch in Gefahr«, fuhr der Bergdoktor den Hofbauern ungehalten an.
Dem hatte er nichts entgegenzusetzen. Ambros presste die Lippen zusammen und verfiel in verstocktes Schweigen.
»Wenn es besser für die Luzia ist …«, setzte Dominik an, doch sein Schwiegervater brachte ihn grob zum Verstummen.
Und so hielt Luzia Walliser Einzug in der »Mini-Klinik«, wo sie sofort in den Schlaf der Erschöpfung fiel.
***
Als Dr. Burger vorsichtig das Schlafzimmer betrat, um seine Frau nicht aufzuwecken, fand er sie wach vor. Das war nicht verwunderlich, denn Sabine nahm an allem regen Anteil und konnte keinen Schlaf finden, bevor ihr Mann nicht nach Hause zurückgekehrt war.
»Ist die Luzia in der Mini-Klinik? Hat sie sich bei dem Sturz schwer verletzt?«, fragte sie sofort und richtete sich auf.
Das »blaue Schlafzimmer« mit einem romantischen Himmelbett und, wie der Name schon sagte, einem blauem Teppich und Vorhängen in der gleichen Farbe, war das Refugium der Burgers. Martin glitt mit einem erleichterten Seufzen neben seiner Frau ins Bett, in dessen Geborgenheit sich das Paar über alles aussprach.
»Der Luzia fehlt kaum etwas, ich mache mir nur Gedanken über die bevorstehende Geburt, wir haben ja schon einmal darüber gesprochen.«
»Ist es denn in den nächsten Tagen schon so weit? Ich hab geglaubt, das Kind soll auf dem Walliserhof auf die Welt kommen. Das jedenfalls hat sie mir erzählt, als ich sie letztes Mal gesehen hab.«
»Ich weiß. Das ist vor allem der ausdrückliche Wunsch ihres Vaters …«
»Ja, der Walliser. Der scheint ja ein rechter Sturkopf zu sein, der nichts und niemanden neben sich gelten lässt. Und seine Tochter soll er nach dem Tod seiner Frau mit Haut und Haaren gefressen haben«, fiel sie ihm ins Wort.
»Das kannst laut sagen. Der Ambros ist ein rechter Haustyrann, und seitdem die Luzia den Dominik Neuwirth geheiratet hat, gibt es nur noch Zank und Hader auf dem Hof. Die junge Frau ist in keiner guten Verfassung, und es war dringend notwendig, dass ich sie von ihren Mannsleuten weggeholt hab. Sie braucht wirklich Ruhe.«
»Da hast recht. Es wundert mich überhaupt, dass die Luzia sich damals mit der Heirat durchgesetzt hat, denn sonst hat sie ja immer getan, was ihr Vater gewollt hat. Das hat mir jedenfalls die Zenzi einmal erzählt«, sagte Sabine, die jede Müdigkeit von sich abgeschüttelt zu haben schien.
»Ach so? Und sicher hast noch mehr erfahren, wenn man bedenkt, dass die Jeggl-Alma ihre Busenfreundin ist.«
Alma Jeggl betrieb in der Kirchgasse, wo auch das Doktorhaus stand, einen Gemischtwarenladen. Gleich daneben befand sich ein kleiner Friseursalon. Martin nannte das Ganze häufig spöttisch die Brutstätte des Dorfklatsches, was Zenzi immer sehr aufbrachte.