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Ihr Kissen ist nass von Tränen, als Jenny mitten in der Nacht aufwacht. Wieder einmal hat sie von Florian geträumt, und wieder endet der Traum abrupt an dem Moment, wo er sie das letzte Mal küsst, bevor er zu seiner Reise ohne Wiederkehr aufbricht. Neun Jahre ist das inzwischen her, doch der Platz in Jennys Herzen gehört immer noch ihm ...
Dabei ist sie inzwischen mit Florians Bruder verheiratet und hat mit ihm zwei Kinder. Nach außen hin wirken sie wie eine ganz normale glückliche Familie. Doch der Schein trügt. Florian, der tote Rivale, steht immer zwischen ihnen ...
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Seitenzahl: 103
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Die Erinnerung brach ihr das Herz
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-1253-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Erinnerung brach ihr das Herz
Weil wahre Liebe niemals vergeht
Von Andreas Kufsteiner
Ihr Kissen ist nass von Tränen, als Jenny mitten in der Nacht aufwacht. Wieder einmal hat sie von Florian geträumt, und wieder endet der Traum abrupt an dem Moment, wo er sie das letzte Mal küsst, bevor er zu seiner Reise ohne Wiederkehr aufbricht. Neun Jahre ist das inzwischen her, doch der Platz in Jennys Herzen gehört immer noch ihm …
Dabei ist sie inzwischen mit Florians Bruder verheiratet und hat mit ihm zwei Kinder. Nach außen hin wirken sie wie eine ganz normale glückliche Familie. Doch der Schein trügt. Florian, der tote Rivale, steht immer zwischen ihnen …
Das weiße Segelboot durchpflügte das tiefblaue Wasser. Geschickt steuerte der Skipper es zwischen den schroffen Felsen hindurch, die aus dem Wasser ragten.
Er kannte diesen Teil der bretonischen Küste, war hier schon oft gesegelt. Früher mit einer erfahrenen Crew, diesmal hatte er es vorgezogen, ganz alleine diese Fahrt zu unternehmen.
Die Miene des Mannes am Ruder war angespannt. Er spürte den Wind und die salzige Luft auf seinen Lippen. All das hatte ihm gefehlt. Der Wind, das Meer, das Gefühl der grenzenlosen Freiheit.
Es gab viele Dinge, über die er nachdenken musste. Zu Hause war es ihm nie gelungen, den Kopf freizubekommen. Immer wieder hatte er in letzter Zeit das Gefühl gehabt, über sein Leben nicht mehr selbst bestimmen zu können. Es war, als hätte sich alles verselbstständigt, während er selbst immer weniger den Mut dazu aufbrachte, allem Einhalt zu gebieten und den anderen klarzumachen, dass er sich so seine Zukunft nicht vorstellte.
Wenn er es recht bedachte, hatte er überhaupt keine festen Zukunftspläne. Das hier, das war sein Leben, das war seine Welt. Einfach darauf warten, was passierte …
Ich könnte ewig so weitersegeln, bis ans Ende der Welt, schoss es ihm durch den Kopf.
Ein verlockender Gedanke, gleichzeitig wusste er, dass er damit einem ganz besonderen Menschen wehtun würde. Er liebte sie so sehr, und deshalb konnte nicht einfach davonsegeln. Er musste sich mit dieser Auszeit begnügen, bevor er das Leben begann, dass andere für ihn bestimmt hatten.
Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht auf die dunklen Wolken achtete, die sich über ihm auftürmten. Erst als es dunkler wurde und ein Schwarm Möwen kreischend über ihn hinweg zog, schaute er hoch.
Beunruhigt war er nicht. Himmel und Gezeiten veränderten den Himmel hier ständig.
Der Wind frischte auf, das Wasser nahm die graue Farbe der Wolken an. Die Wellenberge wuchsen an, hoben das Schiff in die Höhe und ließen es zurückfallen. Starker Regen setzte ein.
Es war nicht das erste Mal, dass er in schwere See geriet. Es forderte ihn heraus, er nahm den Kampf mit den Naturgewalten auf.
Ein ratschendes Geräusch, das sogar den Wind übertönte, irritierte ihn. Es war nur ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, der ihm zum Verhängnis wurde, ein Felsen, der sich von dem grauen Wasser kaum abhob.
Das Boot schrammte vorbei, mit einem hässlichen Geräusch, das sogar den Wind übertönte. Der Segelbaum kam so schnell auf ihn zu, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Er spürte den harten Schlag, eine Welle schoss über die Reling und riss ihn mit sich.
Das Wasser schlug über seinem Kopf zusammen, er bekam keine Luft mehr. Für den Bruchteil einer Sekunde erfasste ihn wilde Panik. Er verlor völlig die Orientierung, wusste nicht mehr wo oben, wo unten war. Dann schoss er mit dem Kopf wieder aus dem Wasser, seine Lungen sogen sich voll Luft, bis die nächste Welle über ihm zusammenschlug.
Er kämpfte sich wieder nach oben. Das Segelboot war nicht mehr zu sehen. Dichte Regenschleier versperrten ihm die Sicht. Er versuchte zu schwimmen, hatte aber keine Ahnung, ob er sich Richtung Land bewegte oder tiefer in den Atlantik herausschwamm.
Er spürte, wie seine Kraft nachließ, wie jegliche Energie aus ihm herauszogen wurde. Die See, die er so sehr geliebt hatte, würde ihn nicht mehr loslassen.
Er würde hier sterben. Mit diesem Gedanken gab er den Kampf gegen die Naturgewalten endgültig auf …
***
Jenny fuhr hoch. Sie spürte kaum die Tränen, die über ihre Wangen liefen. Immer noch hatte sie das Bild vor Augen: Florian, der verzweifelt gegen die Wellen kämpfte, und schließlich doch verlor. Der Traum war seltener geworden, aber immer noch so intensiv wie beim ersten Mal.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und sah auf den Mann, der neben ihr lag und fest schlief.
Das Fenster ihres Schlafzimmers war offen. Die frische Luft eines erwachenden Frühlingsmorgen zog ins Zimmer. Draußen hörte sie das Zwitschern der ersten Vögel, obwohl es gerade erst zu dämmern begann.
Jenny hielt es in ihrem Bett nicht mehr aus. Es war immer so nach diesen Träumen. Dann hatte sie das Gefühl, dass Florian nach ihr rief, dass sie ihm ganz nahe sein musste. Es gab nur noch einen Ort, wo das möglich war.
Leise schlüpfte sie aus dem Bett, um Sebastian nicht zu wecken. Sie nahm ihre Kleider mit nach draußen, zog sich im Flur an und huschte die Treppe nach unten. Sie verließ das Haus und pflückte im Garten eine der tiefroten Rosen, die gerade in voller Blüte standen.
Ihr Gesicht verzog sich, als eine der Dornen sich tief in ihren Daumen bohrte. Sie ließ die Rose fallen, steckte den Finger in den Mund und schmeckte das Blut.
Mit der anderen Hand hob sie die Rose auf, passte diesmal auf und ging weiter.
Der Bauernhof der Steiners lag auf einer Anhöhe. Eine schmale, unbefestigte Straße führte hinunter nach St. Christoph. Das Dorf wirkte verschlafen. Ein Hund bellte kurz, verstummte wieder.
Der Friedhof am Dorfrand schien eine Welt für sich zu sein. Die Kronen der hohen Bäume am Wegrand bildeten ein grünes Dach, durch das selbst tagsüber kaum Licht drang.
Jetzt, in der Morgendämmerung, wirkten die Wege wie dunkle Schluchten ins Nichts. Manchmal bildete Jenny sich ein, dass dieser Weg sie geradewegs zu Florian führte, dass er am Ende des Weges stehen und auf sie warten würde. Aber alles, was sie am Ende des Weges vorfand, war sein Grab.
Jenny blieb davor stehen und spürte sofort wieder diesen tiefen Schmerz. Immer, wenn sie glaubte, dass die Wunde gerade vernarbt war, träumte sie wieder von Florian, und alles riss erneut auf.
Sie legte die Rose auf das Grab, strich mit der Hand sacht über die dunkle Erde.
Warum?, hielt sie in Gedanken mit ihm Zwiesprache. Was hat dich damals noch einmal von mir weggerissen? Wieso habe ich dich gehen lassen, obwohl es mir damals das Herz abdrückte? Hätte ich darauf bestanden, dass du bei mir bleibst und so kurz vor unserer Hochzeit net noch einmal zu einer deiner Reisen aufbrichst, zu deiner letzten Reise, wie du damals gesagt hast, dann wären wir heute miteinander verheiratet, würden den Hof bewirtschaften. Wir wären zusammen.
»Das ist meine letzte Reise, ich verspreche es dir!« Immer noch hatte sie seine Worte im Ohr, und er hatte sein Versprechen gehalten, auf eine so schreckliche Weise, wie sie es beide nicht erwartet hatten.
Jenny wurde kurz abgelenkt durch das Motorengeräusch eines Autos, das draußen am Friedhof vorbeifuhr und dann anhielt. Sie hob nur kurz den Kopf und hatte es im nächsten Moment auch schon wieder vergessen. Zu sehr war sie von ihrer Trauer erfüllt.
***
Ausgerechnet St. Christoph!
Bereits vor Jahren hatte er beschlossen, seiner Heimat fernzubleiben, und selbst jetzt war er sich noch nicht sicher, ob sein Entschluss wirklich richtig war. Er konnte einfach nicht mehr klar denken, weil diese verdammten Schmerzen in seinem Bein tobten. Oder vielmehr in dem, was von seinem Bein noch übrig war.
Er hatte nicht mehr schlafen können, war ganz früh aufgestanden und hatte eine doppelte Dosis des Schmerzmittels genommen, obwohl der Arzt ihn ausdrücklich davor gewarnt hatte. Dann hatte er sich in seinen Mietwagen gesetzt.
Dabei wusste er genau, dass er eigentlich gar nicht fahren durfte. Nicht mit diesen Schmerzen, die sich auch mit der doppelten Medikamentendosis nur bis zur Erträglichkeit dämpfen ließen. Die Medikamente erzeugten ein leicht betäubendes Gefühl, zumindest in der Menge, die er jetzt nahm. Er wusste genau, dass auch das irgendwann aufhören und er dann noch mehr Tabletten benötigen würde.
St. Christoph lag still und friedlich in der Morgendämmerung, genau so, wie er es sich in seinen Träumen vorgestellt hatte. Zumindest in den letzten Monaten nach seinem schlimmen Unfall. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass er davor kaum an die Heimat gedacht hatte.
Aber jetzt war das Heimweh so stark, dass er es nicht mehr unterdrücken konnte. Zudem war die medizinische Versorgung in Sambia so schlecht gewesen, dass er schon alleine deshalb beschlossen hatte, nach Hause zu fahren.
Er wusste, dass eine heftige Infektion in seinem Bein tobte, und eigentlich gehörte er ins Krankenhaus, aber das wollte er auf keinen Fall.
Er benötigte nur ein paar Minuten, um durch das Dorf zu fahren. Ein bisschen wunderte er sich darüber, wie gut er sich selbst nach diesen ganzen Jahren noch an den Weg erinnerte. Vielleicht lag es auch daran, dass sich in St. Christoph nichts verändert hatte.
Er kam aus Richtung Mayrhofen und fuhr bis zur Kirchgasse, an dessen Ende das Doktorhaus lag. Er parkte so, dass er es durch die Scheibe beobachten konnte. Er wusste, dass er viel zu früh war. Alle Fensterläden waren geschlossen, nichts rührte sich.
Eine Bewegung, die er im Rückspiegel wahrnahm, lenkte ihn ab. Die junge Frau, die offensichtlich gerade vom Friedhof gekommen war, strebte in die andere Richtung. Er konnte nur ihren Rücken sehen, und doch wühlte ihn ihr Anblick auf. Der Gang, das blonde Haar, all das erinnerte ihn an die Frau, die er vor vielen Jahren verlassen hatte, obwohl er sie mehr geliebt hatte als jemals einen Menschen vor ihr oder nach ihr.
Trotzdem war es ihm damals unmöglich gewesen, bei ihr zu bleiben.
Er schaute in den Rückspiegel, bis die Frau am Ende der Straße um die Ecke bog und er sie nicht mehr sehen konnte. Danach konzentrierte er sich wieder auf das Doktorhaus und wartete darauf, dass sich dort etwas regte.
Gleichzeitig wurden die Schmerzen in seinem Stumpf wieder so stark, dass er es kaum noch aushielt. Er griff nach dem Röhrchen mit den starken Schmerzmitteln, das er vor der Fahrt auf den Beifahrersitz geworfen hatte.
Der Deckel ließ sich nur schwer öffnen. Ungeduldig zerrte er daran, während das Pochen in seinem Bein immer schlimmer wurde. Der Deckel sprang ab, das Röhrchen entglitt seinen Händen, und die kleinen weißen Pillen flogen durch den Wagen.
»Verdammt!« Er fluchte, angelte nach zwei Tabletten, die in Reichweite waren, und steckte sie in den Mund. Er brauchte kein Wasser, um sie runterzuschlucken.
Dann saß er zurückgelehnt auf dem Fahrersitz, völlig erschöpft von der viel zu kurzen Nacht und den schlimmen Schmerzen. Er hatte nicht das Gefühl, dass das Pochen in seinem Bein besser wurde, sondern dass der Rest seines Körpers und vor allem sein Geist so weit betäubt wurden, dass er den Schmerz nicht mehr in der vollen Intensität wahrnahm.
Ihm war schwindelig und übel – und dann spürte er überhaupt nichts mehr …
***
Es war der übliche Trubel um diese Zeit im Doktorhaus. Tessa konnte ihr Schulbuch nicht finden. Philipp, der von allen nur Filli genannt wurde und neuerdings darauf bestand, sich ganz alleine anzuziehen, trug einen grünen und einen gelben Strumpf. Nesthäkchen Laura zermatschte ihre Frühstücksbanane und versuchte damit Rauhaardackel Poldi zu füttern, der sich allerdings enttäuscht abwandte und auffordernd in die Runde bellte, damit sein Napf endlich gefüllt wurde.
Dr. Pankraz Burger saß bereits am Frühstückstisch und ließ sich von Zenzi den Kaffee einschenken.
»Gut geschlafen?«, begrüßte der Senior seinen Sohn, als der ins Esszimmer kam.
»Gut, aber wie immer zu kurz«, erwiderte Martin Burger und setzte sich auf seinen Platz. Er nahm eine Semmel aus dem Korb, schnitt sie auf und berichtete seinem Vater von dem Noteinsatz auf dem Breidenbacher-Hof. Der alte Breidenbacher war zusammengebrochen, und seine Frau war fest davon überzeugt gewesen, dass ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten hatte.
»Der Wastl ist einfach zu dick«, sagte Pankraz Burger und bestrich seine eigene Semmel dick mit Butter, bevor er zwei Scheiben Wurst darauflegte. Herzhaft biss er hinein.