Der Bergdoktor 1770 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1770 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Mit dem plötzlichen Tod ihrer geliebten Mutter bricht für die neunzehnjährige Lisa Heigl eine Welt zusammen. Nun steht sie wirklich ganz allein da! Es gibt keine Großeltern, keine Geschwister, keine Tanten und Onkel. Und von ihrem Vater weiß sie gar nichts! Über alles konnte Lisa mit ihrer Mutter sprechen, nur das Thema ihrer Herkunft war stets tabu.

Da findet Lisa im Nachlass ihrer Mutter einen Hinweis auf ihren leiblichen Vater und beschließt, ihn zu suchen. Mit nichts als einem Koffer reist sie ins Zillertal. Niemand weiß von ihrem Kommen, doch als sie in St. Christoph aus dem Bus steigt, wartet dort ein junger Mann, um sie abzuholen und zu Rudolf Weidmann zu bringen ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Die vergessene Verwandte

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-1254-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die vergessene Verwandte

Trost und Hilfe für ein Madel, dem man alles nahm

Von Andreas Kufsteiner

Mit dem plötzlichen Tod ihrer geliebten Mutter bricht für die neunzehnjährige Lisa Heigl eine Welt zusammen. Nun steht sie wirklich ganz allein da! Es gibt keine Großeltern, keine Geschwister, keine Tanten und Onkel. Und von ihrem Vater weiß sie gar nichts! Über alles konnte Lisa mit ihrer Mutter sprechen, nur das Thema ihrer Herkunft war stets tabu.

Da findet Lisa im Nachlass ihrer Mutter einen Hinweis auf ihren leiblichen Vater und beschließt, ihn zu suchen. Mit nichts als einem Koffer reist sie ins Zillertal. Niemand weiß von ihrem Kommen, doch als sie in St. Christoph aus dem Bus steigt, wartet dort ein junger Mann, um sie abzuholen und zu Rudolf Weidmann zu bringen …

»Ach, Mutterl, du fehlst mir so!« Lisa Heigl legte eine Hand an den schlichten Marmorstein. Etwas in ihr krampfte sich zusammen, als sie die Kälte spürte, die von ihm ausging. Eine Kälte, die sie seit drei Monaten ständig begleitete.

Drei Monate. Waren wirklich bereits Monate seit dem unerwarteten Tod ihrer Mutter vergangen? Lisa hatte jedes Zeitgefühl verloren. Zwischen den Stunden im Laden und ihren nachmittäglichen Besuchen auf dem Friedhof dehnten sich die Nächte voller Einsamkeit und Tränen.

Ruhe sanft, liebes Mutterl, war in den Stein eingraviert. Rita Heigl hatte ein Aneurysma im Gehirn gehabt, das ihr Hausarzt in Salzburg nicht erkannt hatte. Vor drei Monaten war die erweiterte Arterie gerissen und hatte eine Hirnblutung verursacht. Rita war bei der Arbeit zusammengebrochen. Der herbeigerufene Rettungsdienst konnte ihr nicht mehr helfen.

An diesem Nachmittag hatte sich Lisas Leben von Grund auf verändert. Ihre Mutter und sie hatten gemeinsam einen Handarbeitsladen in der Mozartgasse geführt. Ihre Mutter war eine stille, warmherzige Frau gewesen, die immer ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Nachbarn und Freunde gehabt hatte. Ihr Tod hatte eine Lücke aufgerissen, die sich nicht schließen wollte. Nun arbeitete Lisa allein in dem Geschäft, und sie hatte erkannt, dass die Zeit nicht alle Wunden heilte.

Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen, als sie neben dem Grab kniete und sorgsam welke Blätter von dem Efeu abzupfte. Zwischen dem Grün blühten liebevoll gepflanzte Primeln. Ihre Mutter hatte die bunten Blumen geliebt.

Lisa fühlte sich verloren wie ein Blatt, das der Sommerwind durch die Straßen von Salzburg trieb. Als ihr die Knie vom Knien schmerzten, richtete sie sich auf und klopfte sich etwas Staub von ihrem Rock.

Ein letzter Blick, dann machte sie sich auf den Heimweg. Doch sie hatte es nicht eilig. Daheim würden sie vermutlich wieder nur Vorwürfe ihres Stiefvaters erwarten.

Lorenz Zankl hatte seine Arbeit als Busfahrer vor einem halben Jahr verloren. Er behauptete, dass Sparmaßnahmen im Nahverkehr der Grund dafür waren, aber Lisa befürchtete, dass seine Neigung zum Alkohol dabei eine Rolle spielte.

Seitdem half er in einer Autowerkstatt als Mechaniker, verdiente dabei aber kaum mehr als ein Taschengeld. Wenn er getrunken hatte, wurde er aufbrausend und hielt Lisa vor, dass ihr Geschäft kaum genug abwarf, um sie beide zu ernähren. Doch was hätte sie tun sollen?

Ihren leiblichen Vater hatte Lisa nicht kennengelernt. Auf ihrer Geburtsurkunde war kein Name eingetragen. Und ihre Mutter hatte nie ein Wort über ihn verloren. Wenn Lisa nach ihm gefragt hatte, hatte Rita unendlich traurig ausgesehen. So hatte Lisa irgendwann aufgehört, mehr über ihn wissen zu wollen. Sie waren einander genug gewesen, bis …

… bis sich ihre Mutter vor zwei Jahren in ihren neuen Nachbarn verliebt hatte. Kurze Zeit später hatte sie ihn geheiratet. Seitdem gehörte Lorenz zu ihnen.

Die Sonne ging bereits unter, als Lisa in die Mozartgasse einbog. Der Trubel auf den Straßen ließ allmählich nach. Die Touristen strebten ihren Hotels zu, und die Straßenmusiker packten ihre Instrumente zusammen. Es war ein heißer Sommertag, erst der Abendwind war ein wenig kühler.

Lisa lebte in einem weißen Altbau in der Mozartgasse. Von hier aus hatte man einen Ausblick auf die Festung Hohensalzburg, die über der Stadt wachte. Die Wohnung lag in der ersten Etage über dem Handarbeitsladen.

Der Wind rauschte durch die Blätter des Pflaumenbaums, der vor dem Haus wuchs und an dem früher Lisas Schaukel festgemacht gewesen war. Als Kind hatte sie es geliebt, darauf zu schaukeln und zu glauben, sie könnte dem Himmel entgegenfliegen.

Die Leuchtbuchstaben über der Ladentür schimmerten einsam durch die anbrechende Dunkelheit: itas Nähstübchen.

Nanu? Wo war denn der erste Buchstabe vom Vornamen ihrer Mutter?

Lisa sah sich suchend um und entdeckte das >R< im Straßengraben. Es war heruntergefallen.

Der Anblick gab ihr einen Stich. Ihr Leben zerbröselte buchstäblich vor ihren Augen. Sie hob den Buchstaben auf und nahm sich vor, ihn morgen früh wieder anzubringen, bevor sie den Laden aufschloss.

Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie eine Bewegung im Inneren des Geschäfts. Das Licht ging an. Wie war das möglich? Ihr Stiefvater setzte nie einen Fuß in den Laden. Er behauptete stets, die Regale mit Wolle, Garnen und Stoffen waren »Weiberkram«, mit dem er nichts anzufangen wusste.

Wer hielt sich also in dem Geschäft auf? Ein Einbrecher? Nein, er würde kaum das Licht einschalten, oder?

Lisas Herz klopfte schneller. Sie zog prüfend an der Eingangstür und fand sie unverschlossen. Auch das war seltsam, denn sie war sicher, die Tür vor ihrem Besuch auf dem Friedhof abgeschlossen zu haben.

»Hallo?« Sie trat ein und zuckte zusammen, als ihr ein Hüne von Mann entgegentrat. Er hatte wild wuchernde, dunkle Locken und mehr Tattoos auf der Haut, als Lisa jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Mehrere silberne Ringe funkelten zwischen seinen buschigen Augenbrauen. Trotz seiner Erscheinung kerbte ein gutmütiges Grinsen sein Gesicht.

»Guten Abend«, dröhnte er. »Tut mir leid, aber wir haben noch net geöffnet, Mädchen.«

»Geöffnet?«, echote sie verblüfft.

»Sicher. Oder bist du net wegen des Studios hier?«

»Was für ein Studio? Das hier ist ein Handarbeitsladen.«

»Jetzt noch, aber ich habe das Objekt gekauft.«

»Meinen Sie etwa meinen Laden?«

»Deinen Laden? Ich dachte, er wäre im Besitz von Herrn Zankl.« Nun war es an dem Hünen, verwirrt auszusehen.

Eine eisige Faust schien mit einem Mal nach Lisas Herz zu greifen. Offiziell gehörte das Geschäft ihrem Stiefvater. Er hatte es geerbt, weil es keine andere Verfügung gab. Rita hatte nicht damit gerechnet, so früh von dieser Welt abberufen zu werden.

»Ich habe das Geschäft ordentlich erworben und bezahlt.« Der Fremde hob vielsagend einen Schlüsselbund. »Hat alles seine Ordnung. Ich werde hier ein Tattoo-Studio eröffnen. Die Lage ist erstklassig. Komm ruhig mal vorbei. Eine hübsche Eidechse auf der Schulter könnte ich mir bei dir gut vorstellen. Koloriert natürlich. Ich mache dir auch einen Sonderpreis.«

Lisa schwirrte der Kopf. Ein Tattoo-Studio? In ihrem Laden?

»Das muss ein Irrtum sein«, stieß sie hervor.

»Kein Irrtum. Der Vertrag ist unterschrieben und vom Notar beglaubigt. Ich habe die Urkunde hinten. Wusstest du das net?«

»Nein, Lorenz hat mir kein Wort davon gesagt!« Panik und Entsetzen schlugen über Lisa zusammen wie eisige Wellen. Sie wirbelte herum und eilte nach oben zu ihrer Wohnung.

»Lorenz?«, rief sie auf der Treppe. »Lorenz, bist du da?«

Niemand antwortete ihr. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie die Zimmer durchsuchte, aber die Räume waren verlassen. Ihr Stiefvater war nicht daheim. Sie eilte ins Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und musste blinzeln, weil ihr der vertraute Duft von Seife und frisch gewaschener Wäsche die Tränen in die Augen trieb.

Mit fliegenden Fingern holte sie die Schachtel hervor, in der ihre Mutter alle wichtigen Dokumente aufbewahrt hatte. Sie blätterte in den Papieren und suchte die Besitzurkunde für den Laden.

Das Dokument war nicht mehr da!

»O nein!« Fassungslos sank Lisa auf den Dielenboden, und ihre Gedanken überschlugen sich. Konnte das wirklich sein? Hatte ihr Stiefvater das Geschäft verkauft, ohne es vorher mit ihr zu besprechen? Aber es war ihre Lebensgrundlage! Sie brauchten die Einkünfte. Ganz zu schweigen von der Wohnung über dem Laden. Was sollte sie nun tun?

Wenn es stimmte, dass das Geschäft verkauft war …

Nein, alles in Lisa sträubte sich gegen diese Vorstellung. Die Schachtel entglitt ihren Fingern, polterte auf den Boden und rutschte unter den Schrank. Auch das noch! Erschrocken beugte sie sich vor und tastete nach dem Behältnis. Sie wollte es gerade herausziehen, als ihre Finger an etwas stießen, das unter dem Schrank nichts zu suchen hatte. An der Unterseite war etwas festgeklemmt!

Lisa zog es hervor und betrachtete es verwundert. Es war eine Mappe aus dunkelblauem Leder. Kaum größer als eine Postkarte.

Sie klappte sie auf und fand darin eine Fotografie. Sie zeigte ihre Mutter und einen dunkelhaarigen Mann Arm in Arm vor einem gewaltigen Felsenmassiv. Die Ränder des Fotos waren abgegriffen, als wäre es oft betrachtet worden. R. und R., Zillertal ‚95 stand auf der Rückseite. Darunter war der Stempel eines Fotografen gesetzt.

Die Jahreszahl ließ Lisa stutzen. Das war im Jahr vor ihrer Geburt gewesen. Konnte der Mann … konnte das ihr Vater sein? R. Wofür stand das? Richard? Ralf? Oder was sonst?

Ihre Augen begannen zu brennen. Sah sie wirklich gerade zum ersten Mal ihren Vater? Oder gaukelte ihre Hoffnung ihr etwas vor? Sie tastete in das Etui und hoffte, weitere Hinweise zu finden, aber da gab es nichts. Nur diese eine Fotografie.

Sacht strich Lisa mit dem Finger darüber. Wie jung ihre Mutter auf dem Bild aussah! Und wie unbeschwert! Ebenso wie ihr Begleiter trug Rita Wanderkleidung, einen Rucksack und strahlte in die Kamera. Sie schien so glücklich zu sein, nicht ahnend, dass ihr Leben zwanzig Jahre später in einer fernen Stadt viel zu früh enden würde …

Eine heiße Träne rollte über Lisas Wange.

Viel Zeit, um die Fotografie länger zu betrachten, blieb ihr nicht, denn die Wohnungstür schlug plötzlich zu, und eine dunkle Stimme rief: »Lisa?«

Ihr Stiefvater war heimgekommen! Und sein undeutlicher Tonfall verriet, dass er wieder getrunken hatte.

»Bist du daheim?«

»Ich bin hier.« Hastig klappte sie das Etui zu und schob es zurück unters Bett. Sie brauchte Zeit, um über ihren Fund nachzudenken, aber die bekam sie nicht. Schwere Schritte näherten sich auf dem Flur, dann spähte Lorenz herein.

»Was machssu denn da unten auf dem Fuuußboden?«, nuschelte er.

»Ich …« Lisa blickte hoch und erschrak. Wie sah er denn aus? Er hatte einen weißen Verband um den Kopf und den linken Arm im Gips. Um seine dunklen Augen schimmerten Blutergüsse. »Lorenz? Was ist geschehen?«

»Hatte einen Autounfall«, brummte er. »Sieht schlimmer aus, als es ist.«

»Ein Unfall? Aber du hast gar kein Auto.«

»Doch, einen nagelneuen Sportwagen. Heute gekauft. Ist bei der ersten Spritztour passiert.« Seine Miene verdüsterte sich. »Der Wagen ist nur noch Schrott, dabei war er noch nicht mal versichert.«

»Du hast ein Auto gekauft? Wovon denn?«

»Na ja …« Er ließ die Schultern hängen und wirkte mit einem Mal kleiner als sonst. »Hab den Laden verkauft. Ist doch eh nur ein Klotz an unserem Bein. Wirft kaum etwas ab.«

Eisiges Entsetzen breitete sich in Lisa aus.

»Du hast den Laden verkauft? Wegen eines Autos? Und das hast du zu Schrott gefahren? Betrunken?«

»Nein. Natürlich nicht. Ich fahr nicht betrunken. Musste nur die Schmerzen runterspülen.« Er hob seine gesunde Hand.

Lisa begann am ganzen Körper zu zittern.

»Wie konntest du das tun? Du hattest kein Recht dazu, Mutterls Laden zu verkaufen.«

»Freilich hatte ich das. Ist mein Laden. Mein Erbe.«

»Mir hätte wenigstens ein Pflichtteil zugestanden.«

»Tja, daraus wird nix. Greif mal einem nackten Mann in die Hosentasche.« Lorenz grinste anzüglich. Dann wandte er sich ab und wankte in Richtung Badezimmer davon. Nichts als den Geruch von Alkohol und Entsetzen zurücklassend.

Fassungslos blickte Lisa ihm nach. Sie hatte geglaubt, nach dem Tod ihrer Mutter könnte es nicht schlimmer kommen. Doch sie hatte sich geirrt. Ohne den Laden stand sie vor dem Nichts. Ihr war nichts geblieben. Kein Zuhause. Keine Arbeit. Gar nichts.

Plötzlich sah sie die Fotografie wieder vor sich, die sie in den Sachen ihrer Mutter gefunden hatte. Das Paar stand in den Bergen vor einem idyllischen Dorf. Wo mochte das sein?

***

St. Christoph war ein stilles Dorf in den Bergen. Umgeben von dichten Wäldern und grünen Weiden lag es hoch oben in einem Seitenarm des Zillertals. Hier war auch die Heimat von Martin Burger, dem Bergdoktor.

Sein Zuhause war ein rustikales Haus im Alpenstil, mit einem Balkon und einem blühenden Garten. Von hier aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die Berge und den Zwiebelturm der nahen Dorfkirche. Die Arztpraxis war im Anbau untergebracht. Hier hielt Martin Burger seine Sprechstunde ab. Er schaute nie auf die Uhr, wenn er gebraucht wurde.

An diesem Nachmittag wollte er gerade seine Sprechstunde beenden, als eine weitere Patientin seine Hilfe suchte. Es war Zenzi Bachhuber.

Zenzi kümmerte sich seit über vierzig Jahren um das Wohl der Bewohner des Doktorhauses und gehörte längst wie eine liebe Großmutter zur Familie. Seine Kinder liebten sie heiß und innig. Man sah sie selten anders als in ein Dirndl mit einer blitzsauberen Schürze gekleidet. Ihre grauen Haare trug sie ordentlich zu einem Knoten gesteckt.

»Mir tut schon seit zwei Wochen die Ferse weh, Martin«, klagte sie. »Manchmal kann ich kaum auftreten. Morgens ist es am schlimmsten. Ich dachte zuerst, ich wäre in etwas reingetreten, aber das bin ich net. Was könnte das denn sein?«

»Ich werde es mir gleich einmal anschauen.« Martin Burger deutete auf die Untersuchungsliege. »Setz dich bitte dorthin und zieh deine Schuhe aus, Zenzi.«

Die Wirtschafterin ließ sich nieder und streifte die derben Schuhe ab. Dann reckte sie ihm seufzend den rechten Fuß hin. »Der hier ist es.«

Dr. Burger beugte sich vor und untersuchte ihre Füße sorgfältig. Sie waren weder überwärmt noch geschwollen. Doch als er auf Zenzis rechte Fußsohle drückte, stöhnte sie auf.

»Tut das weh?«

»Und wie! Es fühlt sich an, als wäre ich in eine Glasscherbe getreten.«

»Die Symptome deuten auf einen Fersensporn hin. Ich werde deinen Fuß röntgen. Auf der Aufnahme müsste man die Verknöcherung erkennen können.«

»Was ist denn ein Felsensporn?« Zenzi schüttelte ratlos den Kopf. »Das hört sich nach einer Gebirgskrankheit an.«

»Fersensporn«, verbesserte er. »Das ist ein knöcherner Fortsatz, der sich im Lauf des Lebens an der Unterseite des Fersenknochens bilden kann. Von hundert Menschen haben zehn bis zwanzig so einen Dorn. Normalerweise bereitet er keine Probleme, aber wenn sich das Gewebe darum herum entzündet, kann es wehtun.«

»Mir ist also ein zusätzlicher Knochen gewachsen? In meinem Alter?« Zenzi schlug die Hände vor der Brust zusammen. »Sachen gibt es!«

Martin Burger bat seine Wirtschafterin nach nebenan ins Röntgenlabor und fertigte eine Aufnahme ihres rechten Fußes an. Wenig später klemmte das Röntgenbild an der Leuchttafel und bestätigte seine Vermutung.

»Die Entzündung werden wir mit einem Medikament und Physiotherapie behandeln, Zenzi. Außerdem sollten wir deinen Fuß entlasten.«

»Wie denn? Muss ich etwa im Bett bleiben? Mei, das ist nix für mich. Ich gehe die Wände hoch, wenn ich nix zu tun habe.«

»Nein, nein, du bekommst eine maßgefertigte Einlage mit einer Unterfütterung aus Schaumgummi. Sie wird deine Beschwerden lindern.« Er druckte ihr die nötigen Rezepte und Überweisungen aus. »Die Einlage bekommst du beim Orthopäden in Mayrhofen. Soll ich dich nachher runterfahren?«

»Nachher?«

»Ja, ich habe gleich noch einen Hausbesuch zu erledigen, danach kann ich dich in die Stadt fahren.«

»Das wäre lieb. Der letzte Bus für heute ist schon weg.«

»Wenn das so ist, hole ich dich in einer halben Stunde ab.«

»Ist gut.« Zenzi lächelte erleichtert. »Danke, Martin.« Sie steckte die Papiere ein und humpelte aus der Praxis.