Der Bergdoktor 1802 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1802 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Heiko Landecker kann sein Entsetzen nicht verbergen, als seine Mutter ihm eröffnet, dass sie die Tochter ihrer besten Freundin auf den Hof eingeladen hat. Mara, dieses wilde Flitscherl?! Zwar ist es inzwischen schon einige Jahre her, seit Heiko die junge Frau zuletzt gesehen hat, doch er kann sich noch sehr gut an ihr verzicktes Auftreten erinnern.

Leider ist es zu spät, um Maras Besuch noch zu verhindern, denn in diesem Augenblick fährt bereits ein Wagen mit Münchner Kennzeichen auf den Hof.

Ein bildschöner, zarter Engel steigt aus und schaut sich schüchtern um. Das soll die wilde Mara sein? Heiko kann’s nicht fassen ...

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Seitenzahl: 113

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Heimlich, still und leise …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Thinkstock

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-2568-3

www.bastei-entertainment.de

Heimlich, still und leise …

Warum Mara ohne Abschied von ihm ging

Von Andreas Kufsteiner

Heiko Landecker kann sein Entsetzen nicht verbergen, als seine Mutter ihm eröffnet, dass sie die Tochter ihrer besten Freundin auf den Hof eingeladen hat. Mara, dieses wilde Flitscherl?! Zwar ist es inzwischen schon einige Jahre her, seit Heiko die junge Frau zuletzt gesehen hat, doch er kann sich noch sehr gut an ihr verzicktes Auftreten erinnern.

Leider ist es zu spät, um Maras Besuch noch zu verhindern, denn in diesem Augenblick fährt bereits ein Wagen mit Münchner Kennzeichen auf den Hof.

Ein bildschöner, zarter Engel steigt aus und schaut sich schüchtern um. Das soll die wilde Mara sein? Heiko kann’s nicht fassen …

Kilian Gerstl schaute ins Tal hinab.

Es war früh am Morgen, die Maisonne ging strahlend hinter den Bergen auf. Im Wald stimmten die Vögel ihr Konzert an. Der milde Wind brachte den Duft der blühenden Wildkirschen mit.

Sobald es hell wurde, hielt es Kilian nicht mehr in seinem kleinen Häusl, das gerade mal mit zwei Stuben, einer alten Rauchkuchl, einem winzigen Bad und einem Vorratskammerl aufwarten konnte.

Für den Kilian reichte es freilich allemal. Er brauchte nicht mehr als das Häuschen am Wiesenhang, die Quellen und Bäche, den Wald und die Berge. Die Schönheit seiner Zillertaler Heimat begeisterte ihn immer wieder aufs Neue.

Man hätte annehmen können, dass der Kilian die Tage und Wochen einsam und ohne Abwechslung verbrachte. Doch weit gefehlt. Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, etwas zu verpassen. Er fühlte sich auch keineswegs allein. Jeder Baum war ihm vertraut, er sprach mit dem Wind und den Wolken, fütterte winters die Waldtiere und ging regelmäßig ins Dorf hinunter.

Verwandte hatte er bedauerlicherweise nicht mehr. Hochzeit und Ehe waren für ihn nicht infrage gekommen. Schon als junger Bursch hatte er sich gegen eine enge Bindung gesträubt. Daheim am Herd mit einer Frau hocken, Kinder hüten, sich anpassen, um des lieben Friedens willen die eigene Meinung zurückstellen und des Abends stets pünktlich daheim sein, damit es keinen Ärger gab – das gehörte nun mal zur Ehe.

Kilian hatte immer nur den Kopf geschüttelt, wenn man ihm mit der Frage »Magst du denn wirklich net heiraten?«, gekommen war.

Dem ehemaligen Forstarbeiter ging auch heute mit siebzig Jahren nichts über seine Freiheit und Eigenständigkeit.

Trotz seiner Eigenarten, von denen er nicht abwich, war er ein freundlicher Zeitgenosse.

Man freute sich, wenn er ins Dorf kam und seine Runde machte. Wo er auftauchte, lud man ihn auf ein Tasserl Kaffee, eine Brotzeit oder ein Stamperl Marillengeist ein, der ihn – wie er gern betonte – von innen aufwärmte. Manchmal trank er noch ein zweites oder drittes Gläschen, damit die »innere Wärme« recht lange anhielt.

Heute sah er nach dem Holz, das er im Schuppen gestapelt hatte. Holz war wichtig. Er brauchte es zum Heizen und zum Arbeiten. Kilian fertigte nicht nur Zaunlatten an, sondern alles, was in irgendeiner Weise aus Holz hergestellt werden konnte. Seit einiger Zeit übte er sich im Schnitzen. Man war nie zu alt, um nicht noch etwas Neues zu beginnen, das war seine Meinung.

Nachdem der Gerstl-Kilian festgestellt hatte, dass seine Holzvorräte in gutem Zustand waren, füllte er die Futterschalen und Vogelhäuschen mit Saaten und Sonnenblumenkernen. Seine gefiederten Freunde besuchten ihn zu jeder Jahreszeit, auch jetzt im Frühjahr. Die Eichkatzerln waren daran gewöhnt, Nüsse in einem Korb vorzufinden, der in der Tanne neben dem Haus hing. Und falls des Abends ein Fuchs vorbeischaute, war es dem Kilian auch recht.

»Jetzt geh ich aber«, rief er. »Ihr habt alles, was ihr braucht. Ich schau mal wieder auf dem Severinshof vorbei, und hernach bin ich im Dorf. Macht’s mir keine Schand’, ihr da drinnen im Wald, hört ihr?«

Ein Fremder hätte wahrscheinlich gedacht, dass der alte Älpler ein bisschen wirr im Kopf war oder nicht mehr wusste, was er redete.

Das stimmte aber keineswegs. Für den Kilian war der Wald mitsamt allem, was dort kreuchte und fleuchte, sein Ein und Alles. Die einen hatten ihre Familie, er hatte »seinen« Wald und die Tiere.

Nach einer Dreiviertelstunde Fußweg erreichte der Einsiedler – so wurde er von einigen Leuten genannt – die Wildbachklamm.

Kilian sah sich allerdings nicht als Einsiedler, denn er legte Wert darauf, an den Geschehnissen im Dorf teilzunehmen und sich darüber zu informieren, was in der Welt passierte. Aber nun gut! Wer ihn als Einsiedler bezeichnen wollte, der sollte es tun.

Dem Kilian war’s egal. Er ließ die Leut reden. Jeder hatte seinen freien Willen und daher auch seine eigene Meinung.

Er blickte eine Weile nachdenklich in die Klamm hinunter, in der das wilde, schäumende Wasser seinen Weg bis zum Brückenbach nahm, der weiter unten durch die Wiesen floss und sich in St. Christoph zu einem stattlichen Gewässer verbreiterte. Im Dorf umrandete der kristallklare Bergbach, der weiter droben noch ungestüm zu Tal rauschte, friedlich und beschaulich die weitläufigen Wiesen hinter der Kirche.

Kilian blieb auf seinen Wegen immer an der Wildbachklamm stehen, sogar dann, wenn er in ein Wetter geriet und die Blitze zuckten. Ihm war, als sei hier für ihn ein ganz besonderer Ort. Die Gedanken und Gefühle in seinem Inneren vermischten sich auf geheimnisvolle Weise mit dem wilden Toben des Wassers.

Natürlich sprach der Wildbach nicht mit ihm. Doch es war dem Kilian so, als ob er am Rande der Klamm klarer denken konnte. Ihm fielen Dinge ein, auf die er sonst nicht gekommen wäre.

Vielleicht klang es merkwürdig, aber auf eine bestimmte Weise hatte er an diesem Platz eine Verbindung zum Gestern und Morgen. Freilich war es keine Magie und auch keine Hellseherei. Das hätte dem Kilian eh nicht gefallen, denn jede Art von Hokuspokus war ihm nicht geheuer. Es waren einfach nur Eindrücke und bestimmte Empfindungen, die ihn überfielen.

»Es wird heuer so einiges passieren bei uns im Tal«, murmelte er vor sich hin. »Net alles ist gut und richtig. Ich spür’s inwendig. Man kann es net verhindern. Kein Mensch rüttelt an der Vorsehung. Aber so, wie es kommt, hat alles seinen Sinn.«

Nach diesen orakelhaften Worten schulterte Kilian seinen Rucksack und schlug den Weg zum Severinshof ein.

Es war an der Zeit, wieder einmal bei der Familie Landecker vorbeizuschauen. Viel zu lang war er nicht dort gewesen. Seit dem Winter war er nicht mehr so gut zu Fuß wie früher. Weil er aber auf keinen Fall einrosten wollte, ging er – wenn auch manchmal recht mühselig – täglich von seinem Häusl aus in den Wald hinein.

Das schöne Anwesen der Landeckers war ein ehrwürdiger, alter Tiroler Alpenhof mit einer stattlichen Anzahl von Nebengebäuden. Der Hof lag geschützt in einer Wiesenmulde. Die Sonne hatte hier ein leichtes Spiel.

Kaum war der Schnee in der Mulde geschmolzen, da lockten die warmen Strahlen auch schon das frische Grün und die ersten Blumen hervor.

Nirgendwo blühten die Veigerln, die Primeln und die goldgelben wilden Ranunkeln früher als hier. Hernach kamen die blauen Glockenblumen, der Ehrenpreis und die rosafarbenen Lichtnelken an die Reihe, in die sich weiße Margeriten und dichte Rabatten aus gelben Sonnenröschen mischten.

Das Blühen hielt meist bis spät in den Oktober an, denn der kalte Herbstwind fauchte geradewegs an dem grünen Paradies rund um den Severinshof vorbei. Und wenn es dann wirklich frostig wurde und schneite, sah die Mulde aus wie ein watteweiches Federbett.

Es ließ sich gut leben im Wiesental.

Bis ins Dorf war es nur ein Katzensprung. Man schaute vom Hof aus einerseits auf die Pfarrkirche mit dem glänzenden Zwiebelturm und lauschte dem Läuten der Glocken, andererseits bot sich ein herrlicher Blick auf das Gebirge.

Der Feldkopf schickte täglich einen Gruß zum Hof hinab.

Wer aus dem Fenster sah, durfte die Aussicht auf den mächtigen Gletscher genießen. Das Panorama gab immer etwas her, auch dann, wenn graue Wolken über den Himmel jagten. Stets sahen die Berge anders aus, je nach Wetterlage und Lichteinfall.

Kilian brauchte nicht zu klingeln oder zu klopfen. Erstens hatte ihn Lexi, der Hofhund, bereits von Weitem bemerkt und ihn mit freudigem Gebell angemeldet (Kilian hatte bei seinen Besuchen auf dem Hof stets ein Leckerli für den Schäferhund in der Tasche) und zweitens machte sich die Bäuerin gerade im Vorgarten zu schaffen.

Heli Landecker winkte dem Gast freundlich zu.

»Grüß Gott, Kilian!«, rief sie. »Ich hab grad einen Mohnstrudel aus dem Ofenrohr geholt. Wie wär’s damit? Und natürlich gibt’s einen guten Kaffee. Komm her und ruh dich ein Weilchen aus!«

Das ließ sich der Älpler nicht zweimal sagen. Er beschleunigte seine Schritte und umarmte die Bäuerin so herzlich, als sei sie eine liebe Verwandte.

Wie schon erwähnt, hatte er keine Angehörigen mehr, sie waren bereits vor längerer Zeit verstorben. Geschwister besaß der Kilian auch nicht, sodass er sich als »frei und ungebunden« bezeichnete. Manchmal war es freilich doch ein wenig schmerzhaft, ohne jede Verwandtschaft zu sein.

Aber die Landeckers gehörten zu denjenigen, die Kilian als seine »Herzensmenschen« bezeichnete. Sie waren Freunde, die ihm zur Seite standen, wenn es nötig war. Umgekehrt tat der Kilian für sie, was er konnte. Es lag ihm sehr daran, der Familie Landecker seine Verbundenheit zu zeigen. Dazu gehörten kleine Überraschungen und Geschenke, die er auch heute wieder im Rucksack hatte.

Drinnen in der Stube legte er alles auf den Tisch: geschnitzte Kreuzerl aus Lindenholz, Rührlöffel und ein sauber poliertes Schneidebrett, außerdem zwei Einweckgläser mit getrockneten Waldbeeren.

Für den Bauern und seinen Sohn war ein Flascherl Schlehenschnaps dabei, der so genannte »Waldgeist«. Die Bäuerin verzichtete lieber darauf, denn dieser »Geist« war nicht nur herb, sondern auch extra hochprozentig. Freilich galt er als Allheilmittel. Kilian meinte, man könne damit Tod und Teufel verscheuchen.

»Viel ist’s net, was ich heut im Sackl hab, Heli«, meinte er. »Aber ich weiß ja, dass ihr meine Beeren gern esst. Ich hab mein eigenes Verfahren entwickelt, damit sie lange haltbar sind. Keine Sorge, es ist reine Natur – da ist nix Künstliches dabei! Ich verwende keine chemischen Konservierungsmittel.«

»Das weiß ich, Kilian. Geh her, setz dich und mach es dir bequem«, erwiderte die Bäuerin. »Danke für die schönen Sachen. Das Brettl und die Rührlöffel kann ich gut gebrauchen. Es ist alles aus gutem Holz. Das ist doch was ganz anderes als Plastik. Und dann die Kreuzerl mit der Verzierung! Alles ist so fein herausgeschnitzt.«

»Manchmal denk ich, dass es mit dem Schnitzen net mehr lang geht«, seufzte er. »Die Hände wollen net mehr so recht, wie ich will.«

»Ach, das wird schon wieder. Die Kreuzerl kommen jedenfalls an einen Ehrenplatz, ich werd sie auf die Kommode stellen. Da kann sie jeder bewundern. Kilian, du bist wirklich ein Künstler!«

***

Bei Kaffee und ofenwarmem Strudel erzählte Heli Landecker ihrem Gast einige Neuigkeiten.

»Heiko will sich verloben«, berichtete sie. »Er hat es noch net ausdrücklich gesagt, aber ich hab den Eindruck, dass es ihm durch den Kopf geht. Ich denke, dass schon Ende des Jahres die Hochzeit sein wird.«

»Ist’s immer noch dieses Madel aus Innsbruck?«, fragte der Kilian und schlug eine ordentliche Schneise in den Mohnstrudel. »Oder hat er sich anders entschieden?«

»Nein. Es ist die Schüttler-Regina aus Innsbruck.« Die Bäuerin seufzte. »Die beiden sehen sich ja net allzu oft. Sie hat viel zu tun, weil sie in der Stadtverwaltung als Sekretärin arbeitet. Es wäre freilich an der Zeit, dass sie sich ein bisserl für die Landwirtschaft interessiert. Unser Sohn meint, dass sie sich leicht auf dem Hof eingewöhnen wird. Das mag sein, aber bis jetzt hat sie net einmal einen Strohbesen angefasst, um das Pflaster zu kehren. Und mit den Tieren auf dem Hof kommt sie auch net gut zurecht, net einmal mit den Hühnern. Sie hat eine Scheu davor. Schade, sie ist ja ansonsten net unrecht, die Regina, immer gut gelaunt und hübsch zurechtgemacht. Das ist ja auch wichtig für einen Mann. Ein Kräuterweiberl will keiner.«

»Das Wichtigste ist die Liebe, Heli«, gab Kilian zu bedenken. »Ich bin zwar net verheiratet, aber trotzdem versteh ich genug von den Gefühlen zwischen Mann und Frau. Schließlich war ich ja auch mal jung. Jedenfalls jünger als heut.« Er lachte verschmitzt. »Na ja, es hätte vielleicht die eine oder andere gegeben, mit der ein gutes, eheliches Miteinander möglich gewesen wäre«, fügte er hinzu. »Aber ich hab schon beizeiten gemerkt, dass ich mich nicht wirklich zum Ehemann eigne. Man will ja so ein Madel net unglücklich machen. Drum hab ich die Finger vom Heiraten gelassen.«

»Du hast deine Entscheidung getroffen, und für dich war’s richtig so«, meinte die Bäuerin nachdenklich. »Heiko ist auch net hundertprozentig begeistert vom Heiraten, trotzdem will er net mehr lang warten. Es muss sein. Auf den Hof gehört nun mal eine junge Bäuerin, und ohne Kinder geht’s auch net. Der Franzl und ich, wir werden uns demnächst in den Austrag zurückziehen und das Feld den jungen Leuten überlassen. Unser Sohn ist eh schon als Eigentümer des ganzen Anwesens eingetragen. Wir sind froh, dass wir die Formalitäten hinter uns haben. Aber vorläufig sind wir noch gern bei der Arbeit, und solang es geht, helfen wir weiterhin mit.«

»Wie viele Knechte habt ihr denn derzeit?« Der Mohnstrudel nahm beträchtlich ab. Kilian schätzte die Koch- und Backkünste der Bäuerin ganz besonders.

Sie lächelte und schob ihm die Platte ein Stückl näher heran.