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Wochenlang haben alle Zeitungen über den tragischen Unfall des gefeierten Wiener Pianisten Markus Haidhausen berichtet. Dabei ist die rechte Hand des Musikers mehrfach gebrochen, was wohl das Ende seiner Karriere bedeutet. Doch viel schlimmer ist, dass ein kleiner Junge, der am Straßenrand stand, ums Leben kam. War Markus durch irgendetwas abgelenkt? Hat er geträumt? Oder war er gar - betrunken? Man weiß es nicht.
Irgendwann haben dann neue Schlagzeilen die Titelseiten gefüllt, und seitdem hört man von Markus Haidhausen nichts mehr.
Auch Dr. Burger hat die Meldungen damals voller Betroffenheit gelesen, doch niemals hätte er geglaubt, den berühmten Pianisten einmal persönlich kennenzulernen. Bis Markus eines Tages in seiner Praxis steht ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Liebe vergibt die größte Schuld
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: iStockphoto / Air Images
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-2617-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Liebe vergibt die größte Schuld
Silke schenkt einem Verzweifelten neuen Lebensmut
Von Andreas Kufsteiner
Wochenlang haben alle Zeitungen über den tragischen Unfall des gefeierten Wiener Pianisten Markus Haidhausen berichtet. Dabei ist die rechte Hand des Musikers mehrfach gebrochen, was wohl das Ende seiner Karriere bedeutet. Doch viel schlimmer ist, dass ein kleiner Junge, der am Straßenrand stand, ums Leben kam. War Markus durch irgendetwas abgelenkt? Hat er geträumt? Oder war er gar – betrunken? Man weiß es nicht.
Irgendwann haben dann neue Schlagzeilen die Titelseiten gefüllt, und seitdem hört man von Markus Haidhausen nichts mehr.
Auch Dr. Burger hat die Meldungen damals voller Betroffenheit gelesen, doch niemals hätte er geglaubt, den berühmten Pianisten einmal persönlich kennenzulernen. Bis Markus eines Tages in seiner Praxis steht …
Langsam rollte das schnittige Cabriolet in die Nische zwischen die Felsen ein. Der Fahrer stellte den Motor ab und stieg aus. Er strich eine Strähne seines dunkelblonden Haares aus der Stirn, die der Wind verweht hatte, und blickte sich um.
Majestätische Berge säumten das Hochtal um das kleine Zillertaler Bergdorf St. Christoph wie steinerne Wächter. Manche Gipfel stießen mit bizarren Zacken in den stahlblauen Himmel, andere luden mit ihren sanft gerundeten Kuppen zum Wandern ein, und einer tanzte mit seiner lang gezogenen Hochebene gänzlich aus der Reihe.
Markus Haidhausen glaubte, sich zu erinnern, dass es die Beerenhalde war, die auf den Hexenstein folgte, der gleich über zwei Gipfel verfügte, einer schrundig und schwer zu besteigen, der andere von flaumigen Wiesenmatten überzogen.
Der Berg, der an die Beerenhalde angrenzte, hieß Rautenstein. Er zeichnete sich durch üppigen Waldbewuchs aus.
Markus ließ seinen Blick zu dem Riesen ganz hinten in dem Taleinschnitt wandern, der alle überragte und den Namen Feldkopf trug. Sein Haupt war von einem bläulich schimmernden Gletscher gekrönt, der ein ganzjähriges Skivergnügen ermöglichte. Über eine Gratwanderung gelangte man dann zum Frauenhorn, das sich links des Feldkopfs befand und seinen Namen dem eigenartig geformten Gipfel verdankte.
Markus lächelte stolz. Es war lange her, dass er hier gewesen war, aber er hatte nichts vergessen. Damals war er noch ein junger Spund gewesen und hatte den Kopf voller Träume gehabt. Heute war er sechsunddreißig Jahre alt und fühlte sich wie ein alter Mann. Sein hektisches Leben, der rasante Erfolg als umjubelter Pianist klassischer Musik und der jähe Absturz ins Verderben, den er einem schweren Unfall zu verdanken hatte, forderten ihren Tribut.
Ärgerlich schüttelte Markus die Beklemmung ab, die sich abermals wie ein zu enges Band um seine Brust legen wollte. Er war nicht hergekommen, um sich von der Bürde seiner Schuld noch weiter niederdrücken zu lassen. Er wollte sich erholen und sein verkorkstes Leben wieder in Ordnung bringen. Da war dieses romantische Bergdorf, in dem die Zeit stillzustehen schien und die negativen Einflüsse der Außenwelt dank der sechs steinernen Wächter noch keinen Zugang hatten, genau der richtige Ort.
Markus runzelte die Stirn. Ein Berg fehlte in seiner Aufzählung. Er schmunzelte, wandte den Kopf und blickte den schroffen Hang in seinem Rücken hoch, der mit verkrüppelten Kiefern bewachsen war. Wie hatte er nur den Achenkegel vergessen können, der mit seinen konisch zulaufenden Felswänden ein wahres Eldorado für Kletterer war!
Er selbst war nie viel geklettert, auch damals nicht, als er noch jung und unbekümmert gewesen war. Seine feingliedrigen Hände waren fürs Klavierspiel geeignet, aber nicht, um sich in Felsspalten festzukrallen und dem Berg jeden schweißtreibenden Höhenmeter abzutrotzen. Da war ihm eine Wanderung lieber, bei der er die Schönheit der Natur in vollen Zügen genießen konnte, ohne außer Puste zu geraten.
Abermals ließ er seinen Blick umherschweifen. Jetzt, Anfang Juni, grünte und blühte die Natur in reicher Fülle. Wenn er jemals seinen Seelenfrieden wiederfinden konnte, dann hier in diesem idyllischen Hochtal. Die Ruhe würde Balsam für seine aufgewühlten Nerven sein.
Nachdenklich betrachtete Markus seine rechte Hand, die in einem schwarzen Lederhandschuh steckte. Er seufzte tief. Den Anblick der verkrüppelten Finger wollte er niemandem zumuten.
Unwillkürlich hörte er wieder das Knirschen von Blech, als der Wagen den Baum touchierte und …
Energisch riss er sich von der quälenden Erinnerung los. Daran wollte er jetzt nicht denken. Er hatte genug Buße getan und tat es noch immer, indem er nun mit der verkrüppelten Hand lebte. Eine schlimmere Strafe konnte es für einen begnadeten Pianisten, wie die Zeitungen über ihn schrieben, nicht geben. Kaum jemand verstand, warum er sich nicht operieren ließ, und nur die Wenigsten wussten, dass es seine persönliche Sühne war.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Hastig holte Markus sein Handy hervor und kontrollierte es. Es war ausgeschaltet. Erleichtert atmete er auf. Niemand sollte ihn erreichen oder gar auffinden können, was heutzutage nicht allzu schwierig war. Per GPS ließ sich ein Handy leicht orten. Doch er war nicht vor seiner kapriziösen Freundin Loredana und seinem nervigen Agenten Gundolf geflohen, damit die ihn gleich wieder aufspürten.
Er brauchte Zeit, um sich darüber klar zu werden, wie sein Leben künftig verlaufen sollte.
***
»Hier können Sie aber net stehen bleiben, guter Mann!«, holte eine knurrige Stimme den Pianisten aus seinen bitteren Gedanken.
Verwirrt fuhr Markus Haidhausen herum und sah sich einem Polizisten gegenüber, dessen massige Gestalt fast das Motorrad überlagerte, auf dem er saß.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«, wiederholte der Gendarm und machte ein strenges Gesicht. »Es ist gefährlich, an dieser Stelle zu parken, man kann die Kurve net einsehen. Außerdem gibt’s weiter unten ein Schild, wonach Parken nur in den dafür vorgesehenen Parkbuchten erlaubt ist. Haben Sie das übersehen?« Ludwig Sirch, der gewichtige Dorfgendarm von St. Christoph, stieg von seiner Maschine, knöpfte die Brusttasche der Motorradjacke auf und zückte den Verwarnungsblock.
Markus hob zerknirscht die Hände.
»Bitte entschuldigen Sie, Officer, ich habe das Schild wirklich nicht bemerkt. Ich glaube auch nicht, dass mein Wagen ein Hindernis darstellt. So nah fährt doch kaum jemand an den Felsen vorbei.«
Ludwig Sirch lächelte geschmeichelt. Officer hatte ihn noch niemand genannt. Offenbar hatte er es hier mit einem Mann zu tun, der viel in der Welt herumkam. Dem flotten Sportwagen und der Kleidung nach zu schließen, die wohl so teuer war, wie sie lässig aussah, schien der Fremde auch nicht unvermögend zu sein.
»Dann will ich noch mal ein Auge zudrücken«, sagte er nachsichtig und steckte den Block wieder ein. »Aber achten Sie bitte künftig auf die Verkehrstafeln. Die sind net zur Zierde angebracht. Gerade auf dieser engen und kurvenreichen Bergstraße sind Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme oberstes Gebot.« Er stellte ein Bein vor und musterte den Fremden angelegentlich. »Was zieht Sie denn nach St. Christoph?«
»Ich war vor vielen Jahren schon einmal hier«, erwiderte Markus. »Damals haben mich die Ruhe und die einmalig schöne Natur des Hochtals beeindruckt.« Er runzelte die Stirn. »Ich hoffe, St. Christoph ist inzwischen nicht zur Touristenhochburg geworden wie Mayrhofen.«
Der Gendarm konnte ihn beruhigen. »Unsere Gemeindeverwaltung verwahrt sich nach wie vor strikt dagegen, unser schönes Dorf durch hässliche Bettenburgen verschandeln zu lassen. Es ist noch immer ein Geheimtipp für Erholungssuchende.«
»Schön zu hören«, freute sich der Pianist. »Mein Name ist Markus Haid …mann.« Das war ihm gerade noch so herausgeschlüpft. Besser der Gendarm wusste nicht gleich, mit wem er es zu tun hatte. Zwar war die Gefahr gering, dass der Dorfgendarm von St. Christoph ihn kannte. Trotzdem war es besser, sich bedeckt zu halten, wollte er vermeiden, dass ihm seine Freunde doch noch auf die Spur kamen.
»Ich bin Manager einer Kühlmittelfabrik in Wien und brauche dringend ein wenig Abstand vom stressigen Alltag«, fügte er hastig hinzu. Es brauchte schon viel Fantasie, den Manager einer Kühlmittelfabrik mit einem berühmten Pianisten in Verbindung zu bringen, sollte der Gendarm wegen seines Namens doch stutzig werden. Haidmann und Haidhausen waren nicht unbedingt zwei getrennte Stiefel. Aber auf die Schnelle war ihm nichts Besseres eingefallen.
Er rieb sein Kinn. »Sie wissen nicht zufällig, wo man in St. Christoph eine Ferienwohnung mieten kann? Ich will länger in der Gegend bleiben und nicht die ganze Zeit in einem Hotel wohnen, wo ich nur im Restaurant essen kann.« Er blickte auf. »Oder vermietet das Berghotel ›Am Sonnenhang‹ inzwischen auch Appartements mit Selbstverpflegung?«
Der Gendarm schüttelte den Kopf. »Nein, da ist alles noch beim Alten. Allerdings ist gegen die Küche im Berghotel auch nix einzuwenden. Die haben wirklich einen erstklassigen Koch.«
Markus nickte. »Das bezweifle ich nicht. Aber ich möchte nicht an feste Essenszeiten gebunden sein. Wenn ich in den Bergen herumstreife, will ich nicht auf die Uhr sehen müssen.«
Das war nicht der alleinige Grund, warum er das Berghotel meiden wollte. Dort würde ihn Loredana zuerst suchen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Italienerin toben würde, wenn sie entdeckte, dass er sich mehr oder minder aus dem Staub gemacht hatte. Aber sie wollte einfach nicht einsehen, dass ihre Beziehung beendet war. Seit dem Unfall, der nun ein knappes Jahr zurücklag, hatte die bildschöne Frau ihren Reiz für ihn verloren. Er hatte ihr wahres Gesicht gesehen, und das schockierte ihn.
Ihr Verhältnis war auch nur oberflächlich gewesen, Liebe hatte dabei keine Rolle gespielt. Loredana hatte sich in seinem Ruhm gesonnt, und er hatte sich mit ihrer Schönheit geschmückt. Um seine Ruhe zu haben, hatte er auch nicht protestiert, als sie sich in der Öffentlichkeit als seine Verlobte ausgab, obwohl er ihr nie die Ehe versprochen hatte. Mit ihren übertriebenen Ansprüchen und ihrem cholerischen Temperament war Loredana gewiss nicht die Frau, die er zum Traualtar führen würde.
Da hatte er klare Vorstellungen. Liebevoll sollte sie sein, herzlich und natürlich. Schönheit war nicht wichtig, eine warme Seele ließ auch ein hässliches Entlein strahlen, oder eine kalte Seele verunstaltete einen schönen Schwan, wie bei Loredana.
Es hatte ihn entsetzt, wie kalt ihre Seele wirklich war, und ihm die Brille der Verblendung abgerissen. Loredana verstand nicht, warum der Unfall ihn so verändert hatte, dass Ruhm und Reichtum ihn plötzlich nicht mehr interessierten. Sie wollte ihn geradezu dazu nötigen, seine Hand operieren zu lassen. Sie hatte Angst, dass er nie wieder Klavier spielen konnte, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren.
Mit dieser berechnenden Frau, die nicht einmal das Unglück eines kleinen Kindes berührt hatte, konnte er nicht mehr leben. Aber sie ließ ihn nicht aus ihren Fängen. Deshalb hatte er die Flucht aus Wien als letzten Ausweg gesehen.
»Verstehe«, brummte Ludwig Sirch und legte grübelnd die Stirn in Falten. »Im Augenblick fällt mir eigentlich niemand ein, der eine Ferienwohnung freihätte. Jetzt, im Frühsommer, kommen die Leute gern zum Wandern her. Da ist meist alles schon vergeben.« Er nahm den Helm ab und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Dann zuckte er die Schultern. »Fragen Sie doch einfach im Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma nach. Die Gute ist stets darüber informiert, was im Dorf vor sich geht. Sie kann Ihnen sicher Auskunft geben.«
»Danke für den Tipp.« Markus lächelte und schwang sich wieder hinters Steuer seines Wagens. »Immer noch an derselben Stelle?«, erkundigte er sich. Als der Gendarm irritiert die Augenbrauen hochzog, wurde er deutlicher: »Der Laden, die Hauptstraße entlang und dann links in die Kirchgasse, gleich an der Ecke?«
»So ist’s«, bestätigte Ludwig Sirch zufrieden. »In St. Christoph verändert sich nix. Deshalb ist’s bei uns ja so geruhsam.« Er wischte mit der Hand durch die Luft. »Genug geplaudert, ich muss meine Runde drehen. Sonst gehen mir noch die Verkehrssünder durch die Lappen.« Er grinste schief und schwang sich mit einer Behändigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, aufs Motorrad und knatterte davon.
***
Im Gemischtwarenladen befand sich an diesem Vormittag gerade kein Kunde, als Markus eintrat.
Die Jeggl-Alma saß an der Kasse und machte sich Notizen. Markus erkannte die Frau auf Anhieb wieder. Sie hatte sich kaum verändert, noch immer die rundliche Statur und das gutmütige Gesicht mit den roten Apfelbäckchen nahezu faltenfrei. Nur die lustigen Löckchen, die sich um ihren Kopf kringelten, waren inzwischen silbrig geworden und die klugen Augen schwächer, wie die Lesebrille auf ihrer Nase verriet, über die sie jetzt hinwegblinzelte.
»Womit kann ich dienen?«, fragte sie höflich, als sich Markus unschlüssig umsah.
»Oh, ich …« Er rieb sich das Kinn. »Ich wollte eigentlich nur fragen, ob Sie zufällig wissen, ob hier in der Gegend eine Ferienwohnung frei ist. Ich will den Sommer über in St. Christoph bleiben und suche ein Quartier fern von allem Trubel, am besten auf einem Einödhof. Gendarm Sirch meinte, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen.«
Er runzelte die Stirn. Warum musterte ihn die ältere Frau so intensiv?
»Waren Sie schon mal zu Gast in unserem Dorf?«, wollte sie wissen.
Markus lupfte überrascht eine Augenbraue.
»Es kann doch nicht sein, dass Sie mich nach so vielen Jahren wiedererkennen. Als ich das letzte Mal hier war, war ich noch ein junger Spund.«
»Daran erinnere ich mich gewiss net mehr«, lächelte die Alma und legte abermals die Stirn in Falten. »Trotzdem kommen Sie mir unheimlich bekannt vor.« Unvermittelt schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Natürlich, Sie sind Markus Haidhausen, der berühmte Pianist! Ich war mit meiner Freundin bei Ihrem Konzert in Innsbruck. Das war im letzten Jahr, kurz bevor Sie den Unfall …« Sie stockte und biss sich betroffen auf die Unterlippe. »Tut mir leid, ich wollte net daran rühren.«
Markus nickte ernst. »Das ist mir auch lieber. Außerdem wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie über meine Identität Stillschweigen bewahren würden, Frau Jeggl. Ich bin quasi inkognito hier und möchte ausspannen, ohne dass mir die Presse an den Fersen hängt. Ich nenne mich jetzt Markus Haidmann und …«
»Net besonders originell«, urteilte Alma trocken, winkte dann aber ab. »Ich kann mir net vorstellen, dass man hier im Dorf schon viel von Ihnen gehört hat. Die meisten Bergbauern sind doch ziemliche Banausen, was klassische Musik betrifft. Lediglich die Baronin von Brauneck könnte sich für Sie interessieren. Wie Sie sicher noch wissen, wohnen die von Braunecks in dem gelben Barockschlössl am Fuß des Frauenhorns. Die Baronin ist ein Fan von guter Musik und veranstaltet oft Konzertabende im Festsaal vom Schlössl. Möglicherweise wird sie die Bitte äußern, dass Sie …« Erschrocken schlug sie sich auf den Mund, während ihr Blick zu der behandschuhten Hand des Mannes abschweifte. »Jetzt trete ich schon wieder ins Fettnäpfchen.«
»Sie wollten mir mit einer Auskunft weiterhelfen«, erinnerte Markus an sein Anliegen, bevor die Ladenbesitzerin noch ausschweifender wurde. Er nahm ihr den Ausrutscher nicht übel, war aber hundemüde und sehnte sich nach Ruhe.
»Ach ja, natürlich«, versicherte Alma. Sie war erleichtert darüber, dass er nicht gekränkt reagierte. Grübelnd rieb sie ihre Stirn. »Ich denke, ich wüsste da was. Lassen Sie mich nur kurz telefonieren.« Hastig verschwand sie in einem Nebenraum.
Markus hörte sie murmeln, während er ein paar Lebensmittel in einen Korb packte. Auch eine Flasche Rotwein gönnte er sich und träumte schon davon, auf dem Balkon seiner Ferienwohnung sitzend, den Wein zu genießen und die Seele baumeln zu lassen.
Er seufzte. Natürlich hätte er sich um ein Quartier kümmern müssen, bevor er hergekommen war, dann hätte er jetzt keinen Stress.
Aber er war Hals über Kopf aus Wien geflüchtet, weil ihm alles zu viel geworden war. Loredana hatte die Trennung auf seine Depressionen geschoben, und ihn nicht ernst genommen. Gundolf, sein Agent, hatte über schrumpfende Einnahmen gejammert, und die Presse hatte ständig ein Interview gefordert, wann man denn wieder mit dem Halbgott der Musik rechnen durfte, wie man ihn vor dem Unfall hochgelobt hatte.