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In vielerlei Hinsicht ist Alex Stocker als Ehemann ein Juwel. Nie schlägt er über die Stränge, nie vergisst er seine Prinzipien, nie gibt er Linda auch nur den geringsten Grund zur Eifersucht. Dazu ist er im Sommer der beste Grillmeister, und im Winter serviert er den leckersten Punsch.
Auch heute, am Abend des vierten Adventsonntags, reicht er seiner geliebten Frau ein Glas Punsch, damit sie sich nach dem Spaziergang durch den verschneiten Wald aufwärmen kann.
Ja, Alex freut sich auf Stunden gemütlicher Zweisamkeit, als ihm eine Linda ein ungeheuerliches Geständnis macht ...
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Dr. Burger und eine verblendete Frau
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-3766-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Dr. Burger und eine verblendete Frau
Liebe und Leid auf dem Laterndl-Hof
Von Andreas Kufsteiner
In vielerlei Hinsicht ist Alex Stocker als Ehemann ein Juwel. Nie schlägt er über die Stränge, nie vergisst er seine Prinzipien, nie gibt er Linda auch nur den geringsten Grund zur Eifersucht. Dazu ist er im Sommer der beste Grillmeister, und im Winter serviert er den leckersten Punsch.
Auch heute, am Abend des vierten Adventsonntags, reicht er seiner geliebten Frau ein Glas Punsch, damit sie sich nach dem Spaziergang durch den verschneiten Wald aufwärmen kann.
Ja, Alex freut sich auf Stunden gemütlicher Zweisamkeit, als ihm Linda ein ungeheuerliches Geständnis macht …
Am Abend des vierten Adventsonntags kamen Linda und Alex von einem festlichen Konzert in der Pfarrkirche von St. Christoph zurück.
Es hatte seit mittags geschneit, und auch jetzt tanzten noch ein paar Flocken durch die Luft.
Auf dem Fußweg zum Hof der Familie Stocker lag der Pulverschnee weich und glitzernd, wie mit Diamantstaub überstäubt. Das Glitzern und Glänzen wurde immer heller, je mehr sich das junge Paar dem Hof näherte.
»Schau hin, Schatz«, sagte Alex. In seiner Stimme schwang der Stolz auf den schönen, großen Alpenhof mit, der vor ihnen auf dem verschneiten Wiesenhügel lag. »Es sieht großartig aus. Die zwei neuen Lampen am Tor machen sich wirklich gut. Und sie passen zu den anderen. Leicht ist es nicht, diese Laternen zu bekommen. Sie müssen aus Schmiedeeisen sein und bis in die Einzelheiten den Laternen von anno dazumal gleichen. Gut, dass ich den Kunstschmied Pfeiffer aus Jenbach so gut kenne. Er weiß, was wir brauchen.«
»Ein bisserl Nostalgie und eine Prise Romantik«, nickte Linda. »Genau das strahlen die Lampen aus. Wenn man den Hof nach Einbruch der Dunkelheit von Weitem sieht, dann macht er sogar dem Schlössl des Barons von Brauneck Konkurrenz. Und die Familie von Brauneck spart wirklich net am Licht. Wegen der Laternen haben wir ja auch keine Weihnachtsbeleuchtung angebracht, nur Tannenzweige mit roten Schleifen rund ums Haus und an den Balkonen.«
»Ich bin stolz auf dich.« Alex nahm seine Frau in die Arme. »Linda, mein Engerl, seitdem wir vor zwei Jahren geheiratet haben, ist unser Laterndl-Hof noch schöner geworden.«
»Du machst mich ja ganz verlegen«, wehrte sie ab. »Ich hab doch gar nix verbessert. Es war bestimmt schon immer so schön hier droben. Als ich das Haus zum ersten Mal gesehen hab, am Tag und dann auch am Abend, war ich total überrascht. So beeindruckend hatte ich mir deinen Hof net vorgestellt. Du hattest mir von den Laternen erzählt, die noch von deinen Urgroßeltern stammen. So recht hab ich dir anfangs net geglaubt. Tiroler Bergbauern, die ganz bestimmte Außenlampen, die sogenannten Laterndln, extra von einem Kunstschmied anfertigen lassen, so was gibt’s doch gar net – jedenfalls hab ich das gedacht.«
»Bei uns wurden schon immer allerlei Lampen und Laternen gesammelt und in einem extra Raum gehortet. Das ist eine Art Familienkrankheit. Zum Glück bin ich von der Sammelwut nicht ganz so betroffen wie zum Beispiel mein Vater. Ich kann mich beherrschen, es muss net jedes Laterndl sein, dass ich irgendwo sehe.«
Alex Stocker pustete ein Schneeflöckchen von Lindas Nasenspitze.
»Vater ist sogar mal auf Reisen gegangen, um in verschiedenen Antiquitätenläden und alten Gemäuern fündig zu werden«, fuhr er fort. »Es hat sich einiges angehäuft. Du weißt es ja selbst. Mutter hat übrigens damit angefangen, Leuchter und Kerzenständer zu sammeln. Und so waren meine Eltern in ihrer Freizeit gleichzeitig mit ihrem Hobby beschäftigt, der eine so, der andere so. Sie reden manchmal darüber, dass wir irgendwann mal eine Ausstellung machen könnten. Ich soll das Ganze dann organisieren.«
»Das wäre doch gar keine schlechte Idee.«
»Na ja, mag sein, aber ich hab keine Lust dazu. Es fehlte noch, dass sich die Besucher bei uns die Klinke in die Hand geben. Aber es sind schon so einige Schätzchen zusammengekommen. Zum Glück wird der Platz doch langsam knapp. Mit anderen Worten, das Sammeln wird ein Ende haben. Es sei denn, wir richten das Salettl doch noch eines Tages als Laternenmuseum her.«
»Irgendwie finde ich das lustig.«
»Sagen wir mal, es ist originell, Laternen, Lampen und Leuchter zu sammeln«, meinte Alex mit einem verliebten Blick auf seine junge Frau. Auch nach zwei Jahren Ehe war sie noch sein »Zuckerl«. Bevor er weiterredete, musste er sie erst einmal küssen.
»Nicht jeder kann sich so ein Hobby leisten, man braucht dazu viel Platz«, fuhr er nach dem Kuss im Schneegestöber fort. »Wer hat schon so ein großes Haus wie wir? In einem kleinen Haus könnte ich allerdings nicht leben. Ich mag diese weitläufigen Flure, die verschiedenen Stuben, die Kammern und das Kellergewölbe. Dort hab ich gern als Bub mit meinen Freunden gespielt, meistens Schlossgespenst oder auch Forscher.«
»Forscher? Wieso?«
»Weil es interessant war, ein richtiges Abenteuer. Wir waren Archäologen und bekannte Wissenschaftler auf der Suche nach den Geheimnissen der uralten Pyramiden.« Alex lachte. »In Gedanken versetzten wir uns ins Ägypten der Pharaonen, wir stiegen in die Cheops-Pyramide hinunter. Unser Kellergewölbe bot sich dazu regelrecht an. Und das tut es immer noch, obwohl natürlich in der Zwischenzeit alles renoviert worden ist.«
»Die Geheimnisse sind also immer noch aktuell?«, scherzte Linda.
»Und ob! Wenn wir demnächst Kinder haben, die später auch ihre Freunde mitbringen, dann werden sie genauso dort unten spielen und tolle Dinge entdecken wie wir früher«, meinte Alex. »Davon bin ich überzeugt. Du weißt ja, wir haben alte Truhen dort unten, Kisten und Kästen, Regale und noch einiges mehr. Ganz zu schweigen von den Vorratsräumen, in denen ich als Kind gern abgetaucht bin. So viele Gläser mit Eingewecktem, Flaschen mit Saft, hausgemachtem Likör und Obstwein haben wir heuer freilich nicht mehr. Aber als meine Großmutter noch lebte, wurde alles eingekocht und entsaftet, was nicht niet- und nagelfest war. Meine Freunde und ich aßen im Zuge unserer Forschungen vor allem gern das eingezuckerte Trockenobst.«
»Es ging euch Wissenschaftlern also gar nicht um historische Funde, sondern eher um süße Gaumenfreuden«, stellte Linda fest.
»Teils, teils. Das eine schließt das andere nicht aus. Aber ich glaube, dass es im alten Ägypten nie und nimmer so schön gewesen ist, wie hier bei uns«, sagte Alex. »Wenn ich mir das winterliche Idyll so anschaue, dann wundert es mich net mehr, dass wir derzeit ziemlich viele Touristen im Dorf haben. Die Berge, der Sternenhimmel, der Pulverschnee, unsere gemütlichen Stuben und Kachelöfen, die verschneiten Wälder. Nicht zu vergessen unsere Hüttenfeste, die im Winter genauso schön sind wie im Sommer.«
»Du könntest die Werbetrommel für St. Christoph schlagen«, witzelte Linda. »Wie wäre es mit einem kleinen Film? Man sieht dich, den Hauptdarsteller, vor dem hell erleuchteten Laterndl-Hof in einer Winternacht, während Skifahrer mit brennenden Fackeln über die Hänge sausen … und über allem tanzen die Sterne einen Reigen.«
»Wenn du Regie führst, mach ich mit. So, wir sind da. Es ist ein gutes Gefühl, daheim die Tür aufzuschließen und in unser eigenes Reich einzutreten. Man braucht wirklich kein König zu sein, net mal ein Fürst. Uns geht es doch viel besser! Wir haben keine Untertanen, die wir bei Laune halten müssen, weil sie uns sonst wüst beschimpfen. Im ersten Morgenlicht schauen uns höchstens die Berge ins Fenster hinein und nicht irgendwelche Paparazzi mit klickenden Kameras!«
»Du hast eine Menge Fantasie.« Linda lächelte ihren Alex an. »Erstaunlich.«
»Wieso erstaunlich?«
»Es heißt dich immer, dass Männer nicht besonders fantasievoll sind.«
»Unsinn!«, rief Alex. »Männer trauen sich nur net, all das auszusprechen, was ihnen an Bildern und Träumen durch den Kopf fliegt. Eine Frau darf das. Aber ein Mann gilt sehr schnell als verweichlichtes Bürscherl.«
»Na klar«, warf Linda ein. »Und daran sind dann wieder mal die Frauen schuld, weil sie ja alle nur einen echten Haudegen im Haus haben wollen, der in jeder Hand eine rohe Kartoffel zerquetschen kann!«
»Kein Problem für mich«, meinte Alex vergnügt. »Erdäpfel zu Mus zerquetschen, das hab ich schon immer gern gemacht. Es ist mein Spezialgebiet. Ich bin eben vielseitig. Fantasie schließt geballte Männlichkeit nicht aus!«
»Himmel! Wen hab ich da nur geheiratet?«, gab Linda mit einem Lachen zurück.
»Mich. Ganz einfach nur mich, Engerl.«
Im Flur kam Pablo dem jungen Ehepaar entgegen. Pablo freute sich riesig darüber, dass Herrchen und Frauchen wieder daheim waren. Er hütete sich allerdings davor, diese Freude ungezügelt zur Schau zu stellen. Während andere Hunde lauthals bellten, wie irre durch alle Räume rasten oder sich auf den Rücken warfen, um gekrault zu werden, begnügte sich Pablo mit einem leichten Wedeln und einem kurzen, wenn auch ausdrucksstarken »Wuff«.
Er bettelte auch nicht um Leckerlis, denn das hatte er nicht nötig. Es war seiner einfach nicht würdig. Entweder man gab ihm etwas Schmackhaftes, dann nahm er es gelassen an, oder man gab ihm nichts. Dann bewahrte er trotzdem Haltung, obwohl er natürlich wie jeder Hund eine Schwäche für Hundekuchen und Co. hatte.
Weshalb dieses fast würdevolle Benehmen bei einem Vierbeiner?
Es lag daran, dass Pablo nicht irgendein Hund war. Sein Stammbaum ließ sich weit zurückverfolgen. Er war von Adel, blaublütig sozusagen. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
Man sagte seinen Vorfahren nach, dass sie mit einem Erste-Hilfe-Fässchen Wein um den Hals in Not geratene Lawinenopfer aufgespürt hatten, und das sogar bei heftigen Schneestürmen. Auch Pablo trug den Mut und die Kraft seiner Rasse in sich. Überall, wo jemand die Hilfe eines heldenhaften Vierbeiners brauchte, hätte man sich hundertprozentig auf ihn verlassen können.
Gestatten, Pablo vom Felseneck, absolut reinrassig, wie es sich für einen gestandenen Bernhardiner ja auch gehörte.
»Na, alter Junge?«, fragte Alex. »Keine besonderen Vorkommnisse im Haus, während wir weg waren?«
Der Vierbeiner hob kurz seine beeindruckende Pfote, die von der Familie Stocker auch scherzend »Bärentatze« genannt wurde, und legte sie auf Herrchens Hand. Das hatte Alex ihm beigebracht. Pablo tat es, weil er seinen Herrn mehr liebte als alles andere.
Eigentlich war es ja lächerlich für einen stattlichen Bernhardiner, sich zum Kasperle zu machen und Pfötchen zu geben.
Aber wenn es gewünscht wurde und wenn es als »Ja« auf Herrchens Fragen nach dem Stand der Dinge galt, dann machte selbst Pablo mal einen Abstrich und verzichtete kurz auf seinen Adelsstolz.
»Er schaut so lieb drein«, fand Linda. »Ich geb ihm noch einen leckeren Biskuitknochen. Das hat er sich verdient. Geh her, Pablo, mein Kleiner, Frauchen hat noch ein Betthupferl für dich.«
Biskuitknochen, eventuell sogar mit Bratengeschmack? Aus Frauchens zarter Hand? Herrlich!
Wäre Pablo ein putziges Zamperl gewesen, dann hätte er sich jetzt vor Freude gekugelt. Aber solche albernen Späße kamen ihm nun wirklich nicht in die Tüte. Und ein kleines Zamperl war er ja auch nicht, sondern eher ein Riese – freilich mit einem goldenen Hundeherzen!
***
»Schade, dass morgen Montag ist. Ich hätte nichts gegen noch so einen gemütlichen Sonntag einzuwenden«, sagte Alex und zog seine Frau an sich. »Es war heut richtig erholsam. Ein ausgedehntes Frühstück, dann hinaus in den Schnee, mittags Adventsessen mit unseren Freunden im neu eröffneten Rupertistüberl, hernach ein Besuch im Forsthaus. Wir haben jede Menge frische Tannenzweige mitgebracht. Und dann noch das Konzert am Abend. Hat es dir gefallen, Schatzl?«
»Eigentlich schon, aber ich fand es eine Spur zu feierlich.«
»Im Advent darf’s auch mal feierlich sein. Ich bin jedenfalls rundum zufrieden. Und jetzt werd ich uns beiden noch einen richtig tollen Glühwein nach Art des Hauses zusammenbrauen. Du weißt ja, dass ich der weltbeste Punschmeister bin!«
Grillmeister im Sommer, Punschmeister im Winter, was noch?, dachte Linda, als ihr Mann in der Küche verschwand.
Natürlich scherzte er nur, er hielt sich nie für den »Besten«. Angeberei war ihm völlig fremd. Leute, die sich selbst beweihräucherten, waren ihm ein Dorn im Auge. Er hatte es auch gar nicht nötig, für sich selbst die Werbetrommel zu rühren.
Alex war einfach nicht unterzukriegen. Niemals kam ihm der Gedanke, dass er womöglich etwas verpasste. Es kam ihm nicht darauf an, in der Weltgeschichte herumzugondeln.
Die Berge waren seine Heimat, woanders wäre er niemals glücklich geworden. »In der Früh muss ich immer zuerst nachschauen, ob der Feldkopf noch da ist«, witzelte er gern.
Er fuhr Ski, er machte Touren bis zu den Gipfeln hinauf und kraxelte auch mal gern an einem Felsen, meistens zusammen mit Freunden. »Wandertag« nannte er es scherzhaft, wenn sich die befreundeten »Burschen« – inzwischen allesamt im Stand der Ehe – trafen und auch mal den einen oder anderen Hüttenabend miteinander verbrachten.
Klar, dass es dabei hin und wieder ein bisschen deftig zuging. Aber Alex schlug nie über die Stränge. Linda konnte es sich auch gar nicht vorstellen, dass er seine Prinzipien vergaß. Obwohl er gern auch einmal einen Blick auf andere hübsche »Alpenrosen« im feschen Dirndl warf, hatte Linda bislang nie Grund zur Eifersucht gehabt.
Alex hatte freilich bei allen Madeln einen Stein im Brett. Es gab kaum einen Mann, der fescher aussah als er. Dunkelbraunes Haar, dazu graublaue Augen, sportlich und fast immer gut gelaunt, oder besser gesagt: optimistisch. Das waren seine Pluspunkte. Und es gab sogar noch einige andere.
In vielerlei Hinsicht war Alex als Ehemann ein Juwel. Linda hörte, wie er in der Küche ein Liedchen pfiff, während es bereits nach Zimt und Nelken duftete. Ohne diese Gewürze kam ihm der Punsch nicht auf den Tisch, da war er ganz eigen.
Immer dasselbe, ging es Linda durch den Kopf.
Denn auch bei Alex gab es Schwachstellen, jedenfalls war Linda dieser Meinung. Er lebte in seinem eigenen, fest gefügten Kosmos und kam gar nicht auf die Idee, dass seine Frau vielleicht auch mal etwas gegen seinen Lebensstil einzuwenden hatte.