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"Leb wohl, mein geliebtes Heimattal."
Ein letzter Blick zurück! Ilkas Augen schwimmen in Tränen, als sie sich umschaut. Die Sonne scheint auf die Zillertaler Berge herab, deren Gipfel und Schrunden ihr so vertraut sind, dass sie selbst mit geschlossenen Augen die Umrisse nachzeichnen könnte. In St. Christoph ist sie geboren, hier ist sie aufgewachsen, hier sollten auch ihre eigenen Kinder einmal das Licht der Welt erblicken.
Vorbei ... Der Hof ist verkauft, weil sie nach dem Tod ihres Vaters die viele Arbeit allein nicht geschafft hat. Jetzt muss sie nur noch auf den neuen Besitzer warten, um ihm den Schlüssel zu übergeben.
Wann kommt er denn endlich? Ilka wartet und wartet ...
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Am Anfang war sie kalt wie Eis
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / RolandStollner
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4242-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Am Anfang war sie kalt wie Eis
Ein junges Madel und sein großes Herzeleid
Von Andreas Kufsteiner
»Leb wohl, mein geliebtes Heimattal.«
Ein letzter Blick zurück! Ilkas Augen schwimmen in Tränen, als sie sich umschaut. Die Sonne scheint auf die Zillertaler Berge herab, deren Gipfel und Schrunden ihr so vertraut sind, dass sie selbst mit geschlossenen Augen die Umrisse nachzeichnen könnte. In St. Christoph ist sie geboren, hier ist sie aufgewachsen, hier sollten auch ihre eigenen Kinder einmal das Licht der Welt erblicken.
Vorbei … Der Hof ist verkauft, weil sie nach dem Tod ihres Vaters die viele Arbeit allein nicht geschafft hat. Jetzt muss sie nur noch auf den neuen Besitzer warten, um ihm den Schlüssel zu übergeben.
Wann kommt er denn endlich? Ilka wartet und wartet …
»Leb wohl, mein geliebtes Heimattal.« Ilka Wegener schaute sich traurig um.
Die Sonne schien auf die Zillertaler Berge herab, deren Gipfel und Schrunden ihr so vertraut waren, dass sie selbst mit geschlossenen Augen ihre Umrisse nachzeichnen konnte. Die Bäume bogen sich knarzend unter der Last des Schnees, und die Wiesen schlummerten unter einer weißen Decke dem Frühling entgegen.
In wenigen Wochen würde das Tauwetter einsetzen, und Ströme von geschmolzenem Wasser würden in Rinnen und Bächen bergabfließen. Doch dann würde Ilka nicht mehr hier sein. Sie nahm in Gedanken Abschied von den Spatzen, die sich in ihrem Garten um die Sonnenblumenkörner zankten. Und von dem Bach, der in der Nähe plätscherte.
Der Winter war Ilkas liebste Jahreszeit. Sie mochte kuschelige Mützen und das Kribbeln der Haut nach einem Spaziergang in der Kälte. Ihre Heimat sah wie verzaubert aus, wenn es geschneit hatte. Doch an diesem Tag sollte sie all das zum letzten Mal sehen.
Ilka blinzelte hastig die Tränen zurück und legte die Hände wie einen Trichter an ihren Mund.
»Wurzerl? Komm her, Kleiner!« Sie schaute sich nach allen Seiten um, aber von dem Kater war nichts zu entdecken. Ihr Vater hatte dem grauen Stubentiger den Namen Meisterwurz gegeben. Im Lauf der Zeit war daraus kurz Wurzerl geworden.
Doch der Kater ließ sich nicht blicken.
Verzweifelt schaute sich Ilka die Augen aus, aber ihr kleiner Freund blieb verschwunden. Er war seit drei Tagen nicht mehr aufgetaucht. Auch früher war er manchmal tagelang weggeblieben, aber damals hatte die Zeit nicht gedrängt.
Nicht so wie an diesem Tag!
Ilka hatte in den vergangenen Wochen so viel zu tun gehabt, dass sie kaum zur Besinnung gekommen war. Sie hatte ihre Sachen gepackt, mit der Bank verhandelt und für die Hoftiere eine neue Heimat gesucht. Jetzt, nachdem alles geschafft war und ihre Kühe und Hühner gut untergebracht waren, überfiel die Wahrheit sie mit der Wucht eines Vorschlaghammers: Sie musste ihr Zuhause verlassen. Der Hof gehörte ihr nicht länger. Sie durfte nur mitnehmen, was sie tragen konnte. Mehr jedoch nicht.
Wir haben alles verloren, dachte sie, und in der Zukunft sehe ich nichts von dem berühmten Licht. Nur Dunkelheit.
Ilka konnte nicht fassen, in welchen Albtraum sich ihr Leben in den vergangenen drei Monaten verwandelt hatte. Zuerst war ihr Vater gestorben, dann hatte die Bank angekündigt, den Hof zu übernehmen, wenn sie die Raten für die Schulden nicht pünktlich bezahlen konnte. Alles Bitten und Flehen war vergebens gewesen. Allein konnte Ilka den Hof nicht bewirtschaften, und das Geld reichte weder vorn noch hinten.
So war es gekommen, wie es wohl hatte kommen müssen: Ein Investor aus Wien hatte den Hof aufgekauft, und Ilka musste ihr Zuhause verlassen.
Sie war im Zillertal aufgewachsen und kannte jeden geheimen Pfad in die Berge hinauf. St. Christoph lag hinter einer Anhöhe. Das Dorf war nicht weiter entfernt als zwanzig Minuten Fußweg, trotzdem lebte man auf dem Hof für sich.
Früher hatte Ilka im Sommer gern auf der Brücke hinter dem Stall gesessen und Papierboote schwimmen lassen. Ihr Vater hatte ihr gezeigt, wie man sie falten musste, damit sie nicht untergingen. Diese Sommertage zählten zu den glücklichsten ihres Lebens.
An ihre Mutter erinnerte sie sich kaum noch. Sie war gestorben, als Ilka zwei gewesen war. Ihr Vater hatte alles getan, damit sie eine schöne Kindheit hatte. Er hatte sie alles gelehrt, was er wusste. Doch nun war er fort – und zwei Koffer waren alles, was von ihrem Leben übrig war.
Ihre Großmutter hatte sich bereiterklärt, sie vorerst bei sich aufzunehmen. Helene Wegener lebte in München. Ilka hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, wenn sie daran dachte, dass sie bald in der Metropole leben würde, die laut und turbulent war – und ganz anders als ihre Heimat. Es hatte sie nie in die Stadt gezogen, aber nun blieb ihr keine andere Wahl.
Helene war eine resolute Mittfünfzigerin, die allein lebte und die Hälfte des Jahres auf Reisen war. Sie liebte es, Museen und Konzerte zu besuchen, und machte keinen Hehl daraus, dass sie den Großstadttrubel dem Landleben vorzog.
Ilka war sich nicht sicher, ob sie genauso empfinden würde. Sie liebte die Berge und die Rehe, die morgens am Waldrand ästen, den Igel, der in ihrem Garten wohnte, und sogar den Schnee, der den Alltag zu einer Herausforderung machte. Hier war ihr Zuhause …
Nein, nun nimmer, rief sie sich zur Ordnung. Ich muss nach vorn schauen. Dabei darf ich gar net daran denken, was dieser Investor mit unserem Hof anstellen wird. Bestimmt ist er ein eiskalter Geschäftsmann, der eine Kasse anstelle eines Herzens in der Brust hat, sonst hätte er mich net gezwungen, so schnell von hier wegzuziehen.
Der Bauernhof war alles für sie gewesen, aber mit der Landwirtschaft ließ sich nur noch schwer Geld verdienen, vor allem, wenn man auf sich allein gestellt war – und verschuldet bis über beide Ohren. Der Kauf des neuen Traktors hat uns das Genick gebrochen. Wir konnten die Raten net bezahlen. Das hätte uns von Anfang an klar sein müssen. Aber was hätten wir tun sollen? Nachdem der alte Traktor nimmer zu reparieren war, musste Ersatz her. Ohne Traktor ging es net …
Ilka hörte ein Geräusch. »Wurzerl?« Sie schaute sich nach allen Seiten um, aber ihr Kater kam nicht. Ihr blieb nur, irgendwann zurückzukommen und nach ihm zu suchen.
Hätte ich ihn bloß vor drei Tagen nimmer aus dem Haus gelassen, aber ich dachte net, dass er so lange verschwinden würde … Nun bahnte sich doch eine Träne den Weg über ihre Wange. Ihr Herz war schwer wie Blei, als sie ihre Koffer vor dem Haus abstellte und die Tür abschloss.
In diesem Augenblick fuhr ein silberfarbener BMW mit Wiener Kennzeichen auf dem Hof vor, und ein elegant gekleideter Mann stieg aus. Sein dunkelgrauer Anzug ließ ihn älter wirken, als er vermutlich war, denn sein gebräuntes Gesicht war faltenlos, und die braunen Augen blickten forschend, als wollte er sich jedes Detail seiner Umgebung einprägen.
Ilka ahnte, wer vor ihr stand: Albert Thanner, der Investor, der den Hof ihrer Familie gekauft hatte! Er wirkte genauso arrogant, wie sie befürchtet hatte. Hier war er also. Der Feind. Der Mann, der dafür sorgen würde, dass sie ihre Heimat verlor. Er beäugte ihre beiden Koffer, als hätte er Angst, dass sie zu viel eingepackt hatte.
»Sie sind ja noch da«, sagte er anstelle einer Begrüßung.
»Grüß Gott.« Ilka erwiderte seinen Blick offen und kühl. Auf keinen Fall wollte sie vor ihm eine Schwäche zeigen.
»Was tun Sie denn noch hier?« Er schob die Augenbrauen zusammen. »Ich dachte, Sie wären längst weg. So wurde es mir bei der Bank jedenfalls versichert.«
»Ich musste ein neues Zuhause für die Hühner finden. Das hat länger gedauert, als ich angenommen hatte. Oder hätten Sie die Tiere füttern und versorgen wollen?«
»Wirklich net.« Er hob abwehrend die Hände, und seine Miene verdüsterte sich, als würden sich Wolken vor die Sonne schieben. Vermutlich hätte er durchaus attraktiv ausgesehen, wenn er nicht so angespannt gewirkt hätte, als hätte er einen Stock verschluckt.
Sein Blick heftete sich auf ihr Gepäck. Überlegte er sich womöglich gerade, in ihren Sachen zu stöbern? War er so einer?
Doch er sagte nichts dazu, sondern fragte stattdessen: »Haben Sie den Hausschlüssel für mich?«
Ilka zögerte, dann nickte sie und händigte ihm ihren Schlüssel aus.
»Die restlichen Schlüssel liegen drinnen auf dem Küchentisch, wie abgemacht.«
»Gut.« Er nickte knapp und schien an keiner weiteren Unterhaltung mit ihr interessiert zu sein. Offenbar war sie ihm so willkommen wie ein Stein im Schuh.
Das Schweigen senkte sich auf sie herab wie giftiger Rauch. Es schnürte Ilka die Brust zusammen. Es schien in ihren Ohren zu dröhnen und machte ihr das Herz noch schwerer. Dieser Mann besaß die Wärme eines Eiswürfels – und die Macht, zu bestimmen, was mit ihrem Zuhause geschah.
Meinem früheren Zuhause, dachte sie beklommen. Ich gehöre nimmer hierher und auch sonst nirgendwo hin. Großmama ist net begeistert über mein Auftauchen. Ich muss so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen. Wenn ich nur wüsste, wo und wie ich das anstellen soll!
»Ich muss los.« Ilka fasste sich an den Hals, als sie erkannte, wie spät es schon war. Der letzte Bus hinunter zum Bahnhof fuhr in einer halben Stunde im Dorf ab. Sie musste sich sputen, wenn sie ihn noch erwischen wollte, denn der Schnee würde sie aufhalten.
Fast erwartete sie, der neue Besitzer des Hofes würde sie zurückhalten, um sich zu vergewissern, dass sie nichts eingepackt hatte, was nicht vertraglich abgemacht war, aber er ließ sie ohne ein weiteres Wort gehen.
Kurz erwog sie, ihn zu bitten, gut zu ihrem Hof zu sein, aber dann erkannte sie, dass er sie vermutlich nur auslachen würde. Das hier war nicht länger ihr Hof, und er hatte jedes Recht, damit zu machen, was er wollte.
Ilka hielt den Rücken kerzengerade, als sie ihr Gepäck aufnahm und sich auf den Weg machte. Sie ließ sich nicht anmerken, wie schwer es ihr fiel, ihr Zuhause und ihren Kater zurückzulassen. Der Wind fegte bitterkalt von Norden über die Berge heran und brachte Wolken und noch mehr Schnee mit. Er blies Ilka entgegen, als wollte er sie aufhalten.
Erst, als sie die Anhöhe überwunden hatte, blieb die junge Bäuerin noch einmal stehen und warf einen letzten Blick zurück. Ihre Augen brannten. Und die Koffer zogen ihr die Arme lang. Doch das war nichts zu der bleiernen Schwere, die ihr Herz befallen hatte. Ilka wandte sich um und setzte ihren Weg fort. Beklommen ging sie ihrer ungewissen Zukunft entgegen.
Ilka lief unter einer Baumreihe hindurch. Ihr Ziel war St. Christoph. Doch so weit kam sie nicht mehr, denn sie hörte unvermittelt über sich ein ohrenbetäubendes Krachen. Erschrocken ruckte ihr Kopf nach oben, doch sie bekam nicht einmal mehr die Gelegenheit zu einem Aufschrei.
Ein Ast hatte der Schneelast nicht länger standgehalten und stürzte jäh auf sie herab! Schwer traf er sie an der rechten Schläfe. Weißes Licht blitzte vor ihren Augen auf. Dann raste ein scharfer Schmerz durch ihren Kopf. Und in der nächsten Sekunde wurde es dunkel um sie her. Sie merkte nicht, wie sie in den Schnee fiel und die Besinnung verlor.
***
»Oooh, autsch!« In Ilkas Kopf pochte es, als ob tausend Holzfäller mit ihren Werkzeugen darin eingezogen waren und in ihrem Schädel herumklopften. In ihren Ohren dröhnte es, und weiße Nebelschwaden zogen vor ihren Augen vorbei, als sie benommen blinzelte. Sie hörte einen Schmerzenslaut und zuckte zusammen. War das etwa aus ihrer Kehle gekommen?
»Hat mich ein Schneepflug überfahren?«, murmelte sie.
»Zum Glück net. Viel gefehlt hat allerdings auch net«, erwiderte eine Männerstimme sanft. »Bleib bitte still liegen, Ilka. Ich muss mir deinen Kopf ansehen.«
»W-was ist mit mir passiert?«
Dr. Burger beugte sich über sie. Das freundliche Gesicht des Arztes wirkte besorgt. Er hielt eine Stablampe in der Hand und bat sie, dem Licht mit den Augen zu folgen.
»Doktor Burger?«
»Ah, du erkennst mich. Das ist gut. Du bist bei mir im Doktorhaus.«
»Wie bin ich hierhergekommen?« Sie schluckte, weil sich ihre Kehle rau und ausgedörrt anfühlte.
»Ich war nach der Sprechstunde mit meinem Dackel spazieren. Dabei hab ich dich im Schnee gefunden. Oder genauer gesagt: Poldi hat dich aufgestöbert. Er ist plötzlich losgestürmt, hat gebellt und war kaum zu bändigen. Ich hab dich hergetragen. Du hast eine ziemlich üble Kopfverletzung.«
Ilka nickte verstehend, bereute es aber sofort, weil sich das Pochen hinter ihren Schläfen bei der Bewegung verzehnfachte. Sie tastete unter sich und befand, dass sie auf einer Behandlungsliege im Sprechzimmer des Bergdoktors lag. An anderen Tagen wäre die flache Lage womöglich unbequem gewesen, aber jetzt war Ilka dankbar, dass sie liegen durfte, denn ihr Kopf schien jeden Augenblick zu explodieren.
Dr. Burger hatte ihren Vater behandelt und alles getan, um seine Schmerzen zu bekämpfen. Bei Notfällen war er immer zur Stelle gewesen und sogar nachts zu ihnen gekommen, wenn es nötig gewesen war. Ilka wusste, dass sie ihm vertrauen konnte.
Er untersuchte sie sorgfältig und wollte wissen, ob sie Sehstörungen habe. Die Schlieren vor ihren Augen hatten sich inzwischen aufgelöst, sodass sie die Frage verneinen konnte.
»Ist dir übel, Ilka?«
»Ziemlich«, bejahte sie, denn ihr Magen fühlte sich an, als würde er in ihrem Inneren eine Polka tanzen. Außerdem hatte sie einen säuerlichen Geschmack im Mund.
Dr. Burger stellte ihr für den Notfall eine Nierenschale hin. Dann begann er, die Wunde an ihrer Schläfe zu reinigen und zu nähen. Er betäubte die Stelle lokal, sodass sie nichts als einen leichten Druck bei der Behandlung verspürte.
»Im Kopf befinden sich zahlreiche Blutgefäße, deshalb bluten Wunden in diesem Bereich besonders heftig. Mach dir wegen der Naht keine Sorgen. Der größte Teil liegt am Haaransatz. Man wird später so gut wie nichts davon sehen.«
Ilka machte eine unbestimmte Handbewegung. Das Dröhnen in ihrem Schädel überlagerte gerade alle Bedenken, die sie wegen einer Narbe haben könnte. Dr. Burger brachte ihr ein Glas Wasser und zwei Schmerztabletten. Sie nahm sie dankbar entgegen und spülte sie mit wenigen Schlucken hinunter.
»Du hast eine Gehirnerschütterung, deshalb möchte ich dich vorerst hierbehalten«, erklärte er ihr. »Kopfwunden sind unberechenbar. Es ist besser, wenn ich im Notfall eingreifen kann. Manchmal stellen sich erst Stunden später Komplikationen ein. Ich will nichts riskieren.«
»Was für Komplikationen meinen Sie?«
»Nichts, worüber du dir Gedanken machen musst. Morgen früh solltest du dir schon wesentlich besser fühlen. Wir gehen nur auf Nummer sicher.«
»Was ist mit meinen Sachen?« Unsicher blickte sie auf.
»Die hat mein Vater nachgeholt. Sie stehen oben. Deinen Kater haben wir allerdings net gefunden.«
»Wurzerl ist net heimgekommen. Schon seit drei Tagen nimmer. Ich weiß net, wo er ist.« Ilka kniff traurig die Lippen zusammen. Sie hoffte, dass es ihrem Kater gutging, sicher war sie sich jedoch nicht. Es gab zahlreiche Gefahren, denen eine Katze in den Bergen ausgesetzt war. Lawinen, vorbeifahrende Autos und Eiseskälte waren nur einige davon.
»Der Kleine wird schon auftauchen. Vermutlich stromert er herum und verabredet sich mit einer netten Katzendame.«
»Hoffentlich.« Ilkas Augen füllten sich mit Tränen. Ihr war plötzlich alles zu viel. Sie hatte ihr Zuhause verlassen, ihr Kater war verschwunden, und nun hämmerte es in ihrem Kopf, als würde er jede Sekunde zerspringen.
»Wohin warst du denn unterwegs?«
»Ich wollte nach München. Zu meiner Großmutter.« Ilka verstummte, denn der Ausdruck ›Wollen‹ traf es nicht ganz. Was war ihr anderes übriggeblieben?