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Christine ist den Tränen nahe, als sie im Sprechzimmer von Dr. Burger auf das Ergebnis der Laboruntersuchung wartet. Dabei sind die morgendliche Übelkeit, das Unwohlsein und das Gefühl, alles sei zu eng, eigentlich Hinweise genug, dass die einzige Liebesnacht mit Luis für sie nicht ohne Folgen geblieben ist.
Minuten später hat sie endgültig Gewissheit: Sie erwartet ein Baby! Doch während der Bergdoktor ihr anschließend Tipps für die Schwangerschaft gibt, wird Christine nur von einem Gedanken beherrscht: Niemand darf von ihrem Zustand erfahren! Am allerwenigsten Luis, der noch in diesem Sommer eine andere heiraten wird ...
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Das Geheimnis um Christine
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4243-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Das Geheimnis um Christine
Warum sie ihre Schwangerschaft verheimlichen wollte
Von Andreas Kufsteiner
Christine ist den Tränen nahe, als sie im Sprechzimmer von Dr. Burger auf das Ergebnis der Laboruntersuchung wartet. Dabei sind die morgendliche Übelkeit, das Unwohlsein und das Gefühl, alles sei zu eng, eigentlich Hinweise genug, dass die einzige Liebesnacht mit Luis für sie nicht ohne Folgen geblieben ist.
Minuten später hat sie endgültig Gewissheit: Sie erwartet ein Baby! Doch während der Bergdoktor ihr anschließend Tipps für die Schwangerschaft gibt, wird Christine nur von einem Gedanken beherrscht: Niemand darf von ihrem Zustand erfahren! Am allerwenigsten Luis, der noch in diesem Sommer eine andere heiraten wird …
»Wann fährst du, Hans?«, fragte Christine. »Bist du morgen noch da?«
»Nur bis sechs Uhr in der Früh. Ich verabschiede mich deshalb heute schon von dir. Im Morgengrauen will ich dich net wecken. Und ich muss früh aufbrechen, denn meine Hilfe wird dringend benötigt. Adrian wartet auf mich, es geht immer noch drunter und drüber bei ihm auf dem Hof.«
Hans Egartner seufzte. Man sah ihm an, dass er nicht gern aus St. Christoph fortging, um auf dem Hof seines Bruders für Ordnung zu sorgen.
Der von unguten Ereignissen gebeutelte Adrian lebte seit sechs Jahren im Südtiroler Villnöss-Tal auf einem einsam gelegenen Berghof, den seine Frau Geli von ihren Eltern geerbt hatte.
Geli war nicht begeistert über dieses Erbe, das ihr die Eltern – sie genossen ihren Ruhestand in einem kleinen Haus am Bozener Ritten – auf den Rücken gebunden hatten. Aber aufgeben wollte sie den Hof auch nicht, obwohl es oft drunter und drüber ging.
Viel Arbeit, zu wenig Zeit, der alte Knecht kam und ging, wann er wollte, und die Magd tat es ihm gleich. So konnte es nicht weitergehen.
Geli kränkelte ständig, mal war es eine Erkältung, die sie aufs Lager warf, mal plagten sie Schmerzen im ganzen Körper, die freilich rasch verschwanden, wenn sie auf Besuch nach Meran zu ihrer Verwandtschaft fuhr.
Gern gab sie auch vor, sich intensiv um die drei Kinder (fünfjährige Zwillinge und ein Baby von sieben Monaten) kümmern zu müssen, deshalb blieb dann die Arbeit liegen.
Die Zwillingsbuben waren ziemlich anstrengend und heckten einen Streich nach dem anderen aus, während das Baby, ebenfalls ein Bübl, aus vollem Hals schrie. Der Kleine spürte die angespannte Stimmung innerhalb der Familie und protestierte auf seine Weise dagegen.
Nun waren auch noch zu allem Unglück die Vorratsscheune und ein Teil des Hauses durch einen Erdrutsch schwer beschädigt worden. Adrian hatte sich bei den Aufräumungsarbeiten den linken Arm gebrochen und einen Knöchel so schwer verstaucht, dass er trotz Schmerztabletten kaum auftreten konnte.
Nicht genug damit: Seine Frau war trotz der unglücklichen Situation auf dem Hof von heute auf morgen mit dem Baby nach Meran zu den lieben Verwandten gefahren. Weil sie das Durcheinander angeblich nicht mehr aushielt und nach ihren eigenen Worten etwas Besseres verdient hatte als dieses Chaos, durfte ihr Mann nun zusehen, wie er zurechtkam.
Adrian war also mit den Zwillingen allein. Zwar wollte seine Frau die Zwillinge nachholen, aber derzeit tat sich nichts. Die Nachbarn sprangen helfend ein, und stundenweise kam eine Dorfhelferin ins Haus, aber das reichte nicht.
»Wann wirst du denn wieder heimkommen?«, erkundigte sich Christine.
Hans zuckte die Schultern.
»Es kann dauern«, murmelte er. »Ich kann meinen Bruder jetzt net im Stich lassen. Man weiß net, was aus seiner Ehe und aus dem Hof wird. Ich werd sehen, was zu tun ist. Vor allen Dingen müssen verlässliche Leut eingestellt werden. Eine Magd und ein Knecht, die beide nur dann kommen, wenn sie nix Besseres zu tun haben, so was geht überhaupt nicht. Es ist schade um den Hof, ich war ja schon mehrmals auf Besuch da. Es ist ein schönes Anwesen, man könnte viel mehr daraus machen. Aber Adrian ist auch so letschert geworden, weil es in seiner Ehe kriselt. Er gibt sich keine Mühe mehr.«
»Das hört sich schlimm an, Hans. Wie sieht es denn künftig für dich aus? Ich meine, du kannst doch jetzt deine Stellung als Wildhüter net einfach hinwerfen und nach ein paar Monaten wieder hier beim Förster anklopfen.«
»Doch, das kann ich. Nachgefragt hab ich schon.« Hans beugte sich vor und nahm Christines Hand in die seine. »Aber du weißt ja, Tinerl, dass ich eh ganz andere Pläne hab. Ich möchte einen schmucken Hof pachten, irgendwo hier in der Gegend, und wenn es möglich ist, vielleicht sogar kaufen. Mit den Finanzen wird’s sicherlich klappen, ich hab mit einem Experten von der Bank alles durchgerechnet. In ungefähr einem Jahr will der Huber-Franz in Mautz seinen Eichenhof aus gesundheitlichen Gründen verpachten. Er hat keine Kinder und würde einem späteren Verkauf sicher zustimmen. Das wäre genau das Richtige.«
»Du bist tüchtig, Hans. Immer überlegst du dir genau, wie es weitergehen soll.«
»Ja, man macht einen Schritt nach dem anderen. So kommt man zum Ziel.« Er nickte. »Jetzt sag mir ehrlich, Tinerl, ob du auf mich wartest. Ich werd zwischendurch wohl kaum nach St. Christoph kommen, um meine Wohnung in Bergfelden kümmert sich meine Nachbarin, die Sifflinger-Burgl. Vielleicht schaust du ja auch mal nach, wenn du Zeit hast.«
»Das kann ich tun, Hans, wenn du es willst.«
»Mir wär’s recht, aber es kommt allein auf dich an.« Er blickte an ihr vorbei in die Ferne. »Ich weiß überhaupt net, wie du über uns zwei denkst. Ob du der Meinung bist, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben. Oder ob es dir egal ist, dass ich eine ganze Weile fort bin.«
»Es ist mir net egal. Aber ich hab noch nie darüber nachgedacht, was aus dir und mir wird.« Christine senkte den Kopf.
»Man muss sich Zeit lassen«, fügte sie unsicher hinzu.
Hans war ein ruhiger junger Mann von neunundzwanzig Jahren. Was inwendig in ihm vorging, verbarg er vor anderen, auch vor Christine. Er wollte nicht, dass man seine wahren Gefühle und seine geheimsten Gedanken erriet.
Bis jetzt hatte er sie noch nie bedrängt oder mit Fragen gelöchert. Christine fand seine Zurückhaltung zwar ein wenig ungewöhnlich, aber derzeit war es ihr recht.
Sie konnte sich kaum vorstellen, dass er zu leidenschaftlichen Ausbrüchen fähig war, denn alles ging bei ihm ziemlich verhalten zu.
Wenn er sie küsste, loderten keine Flammen auf, und es sprühten auch sonst keine Funken. Allerdings fühlte Christine sich in seiner Gegenwart vor irgendwelchen »Übergriffen« sicher.
Eventuell brauchten sie beide noch Zeit, um wirklich ein Liebespaar zu werden. Das Leben an seiner Seite würde sicherlich angenehm sein. Hans neigte bestimmt nicht zur Untreue oder zu allen möglichen Abenteuern. Ihm war es lieber, wenn um ihn herum alles geordnet ablief.
»Wenn du auf mich warten willst, werden wir nach meiner Rückkehr darüber reden, wie es weitergeht«, sagte Hans. »Ich kann nichts von dir verlangen, Schneckerl. Aber ich bin für dich da. Und wenn du eines Tages Ja zu mir sagst, dann tue ich alles, damit du dich bei mir wohlfühlst. Ich will dir deine Wünsche erfüllen, wenn ich kann. Das verspreche ich dir.«
Eigentlich war das ein Liebesgeständnis. Christine fiel ihm um den Hals und flüsterte: »Das klingt sehr lieb, Hans.«
Sie wusste, dass er nicht dazu geschaffen war, seiner Liebsten rote Rosen zu schenken. Ein wenig Romantik wäre freilich schön gewesen.
»Wir wollen sehen, was die Zeit bringt«, setzte sie leise hinzu. Mit dieser Antwort ging sie kein Risiko ein, es war weder ein Ja noch ein Nein. Etwas anderes konnte sie ihm jetzt eh nicht sagen.
Hans nickte. »Genug Zeit zum Nachdenken sollst du jedenfalls haben. Ich seh schon, dass du net so ganz überzeugt bist, was mich betrifft.«
»So ist das nicht«, widersprach sie hastig. »Aber man darf nichts überstürzen. Übrigens hab ich morgen einen Vorstellungstermin im Alpengut Auenbach. Die Familie Neuberger sucht eine neue Hauswirtschafterin mit einem Abschluss der Landwirtschaftskammer. Es werden bestimmte Ansprüche gestellt. Ich hab ja die Prüfung zur Hauswirtschaftsmeisterin im vergangenen Herbst gemacht, also hab ich ganz bestimmt eine gute Chance.«
»Muss das sein?« Hans runzelte unwillig die Stirn. »Ist es eine Stelle auf Zeit?«
»Zunächst für ein halbes Jahr, aber bei guter Eignung auch dauerhaft.«
»Und wenn ich nach ein paar Monaten heimkomme?«
Christine wurde ungeduldig. »Was soll das heißen? Dass ich tatenlos herumsitzen und auf dich warten soll? Auf keinen Fall. Ich will in meinem Beruf etwas leisten. Die Stelle im Schlössl hab ich vor ein paar Monaten aufgegeben, weil ich meine kranke Mutter pflegen wollte. Aber sie ist jetzt im Seniorenheim in Schwaz, weil man sie auch nachts betreuen muss. Sie will nämlich immer aufstehen und bei der Nacht draußen herumlaufen. Man muss daher ständig ein Auge auf sie haben. Das hätte ich auf die Dauer net mehr geschafft. Ich kann jetzt also wieder arbeiten.«
»Geht es deiner Mutter denn wirklich so schlecht?«
»Körperlich ist sie noch stabil, aber sie hat geistig leider sehr abgebaut«, erwiderte Christine leise. »Eine Demenz wird nicht besser, eher noch schlimmer. Aber sie ist nicht depressiv, sondern sie lacht manchmal. Immer öfter erkennt sie mich aber nicht mehr, dann muss ich auf sie einreden und ihr erklären, wer ich bin. Das zehrt an meinen Nerven, ich muss hernach meistens weinen. Meine Mutter glaubt, dass Vater noch lebt und nur in einer Kur ist. Sie hat kein richtiges Zeitgefühl mehr. Neuerdings legt sie Tarot-Karten, aber völlig wirr. Sie redet dann irgendetwas daher, meistens versteht man net, was sie eigentlich meint. Sie lebt in ihrer eigenen Welt.«
»Vielleicht ist sie in dieser Welt zufrieden«, meinte Hans nachdenklich. »Ich wünsch ihr alles Gute. Deine Mutter war immer so eine herzensgute Frau. Der Tod deines Vaters hat sie wohl völlig aus der Bahn geworfen.«
»Ganz so war’s nicht. Sie hatte schon vor Vaters Tod verschiedene Probleme. Ihr Kurzzeitgedächtnis ließ nach. Dagegen erinnerte sie sich gut an alles, was früher einmal gewesen war. Das ist auch heute noch so. Manchmal spricht sie davon, dass ich als Schulmadel immer zu spät aufgestanden bin. Das stimmt. Ich wollte so gern ein bisserl länger schlafen und hab dann ganz schnell zwischen Tür und Angel in meine Frühstückssemmel gebissen. Bei meinen letzten Besuchen hat sie aber immer nur einzelne Worte gesagt. Es wird immer weniger.«
Hans warf einen Blick auf die Uhr. »Tinerl, ich muss noch ein paar Sachen einpacken. Hernach fahr ich zu meinen Eltern nach Jenbach zum Abendessen. Die Sache mit Adrian macht ihnen schwer zu schaffen, sie sind schon richtig krank vor Sorge. Aber ich werd sie trösten. Dir sag ich jetzt Servus und Lebwohl. Viel Glück bei allem, was du tust. Ich ruf dich jeden Tag an.«
»Ja, mach das, Hans.«
Er nahm sie in die Arme, wie immer ein bisschen zögernd und zurückhaltend. Christine irrte sich, wenn sie dieses Zögern für einen Mangel an Gefühl oder Leidenschaft hielt.
Hans hatte seine Gründe. Er wusste nicht, ob das hübsche Mädchen mit den irisblauen Augen und dem hellbraunen Haar ihn überhaupt ernst nahm. Sein »Tinerl« war wie ein Sonnenstrahl, wie ein Licht in der Dunkelheit.
Seit Langem war die Faller-Christine sein heimlicher Schwarm. Aber was empfand sie für ihn? Vielleicht nur Freundschaft? Liebe war es sicher noch nicht. Und wenn doch, dann befand sich diese Liebe in einem Anfangsstadium.
Sollte er sie küssen und sie nicht mehr auslassen, wenn sie vielleicht sogar davor zurückschreckte? Wenn er sich zu impulsiv benahm, verdarb er eventuell alles und erstickte das zarte Samenkorn der Liebe in ihr.
Der Abschied fiel also ziemlich kurz und knapp aus, auch wenn Hans es gern ein bisschen anders gestaltet hätte. Christine hatte keine Tränen in den Augen, sie winkte ihm lächelnd nach, als er davonfuhr.
Ach ja, eine Kusshand warf sie ihm noch nach. Das sollte sicher ein kleines Geschenk für ihn sein.
Immerhin gab es Hoffnung, dass aus ihnen doch noch ein richtiges Paar werden würde.
Hans wünschte sich sehr bald eine eigene kleine Familie. Dafür wollte er alles tun. Bei ihm sollte es nicht so zugehen wie bei seinem Bruder. Wärme und Harmonie waren das Wichtigste im Leben. Wozu taugten ein großer Hof und ein Batzen Geld, wenn alles andere nicht stimmte?
***
Harmonie war auch für Christine wichtig, das betraf auch ihren Beruf. Im Schlössl der Familie von Brauneck hatte sie ausgesprochen gern gearbeitet, man hatte ihre Kenntnisse in der gesamten Hauswirtschaft in den höchsten Tönen gelobt und ihre Kündigung bedauert.
Inzwischen war ihre Stelle wieder besetzt. Die Baronin war aber so nett gewesen, sie auf das Auenbach-Gut der Familie Neuberger hinzuweisen. Denn dort wurde dringend eine Fachkraft für Haus und Hof gesucht.
Die Gutsbesitzer, vor allem Greta Neuberger, legten Wert darauf, eine junge Frau mit gutem Geschmack und tadellosem Benehmen einzustellen.