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In wenigen Wochen findet in St. Christoph eine Traumhochzeit statt. Leni Ebner wird dem Heltauer-Tobias ihr Jawort geben, und die Feier soll natürlich ein unvergessliches Ereignis werden. Alles ist seit Langem gut durchgeplant. Sogar das Menü steht schon bis in alle Einzelheiten fest, und am Brautkleid müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten geändert werden.
Das ganze Dorf freut sich auf diese Hochzeit - nur Leni, die junge Braut, nicht. Sie fürchtet den Tag, an dem aus ihr endgültig Frau Heltauer wird ...
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Hochzeit – nur der Leute wegen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: R. J. Brown
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4245-1
www.bastei-entertainment.de
Hochzeit – nur der Leute wegen
Warum Leni nicht auf ihr Herz hören durfte
Von Andreas Kufsteiner
In wenigen Wochen findet in St. Christoph eine Traumhochzeit statt. Leni Ebner wird dem Heltauer-Tobias ihr Jawort geben, und die Feier soll natürlich ein unvergessliches Ereignis werden. Alles ist seit Langem gut durchgeplant. Sogar das Menü steht schon bis in alle Einzelheiten fest, und am Brautkleid müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten geändert werden.
Das ganze Dorf freut sich auf diese Hochzeit – nur Leni, die junge Braut, nicht. Sie fürchtet den Tag, an dem aus ihr endgültig Frau Heltauer wird …
Leni hatte sich um halb elf Uhr am Vormittag mit Tobias am Dorfbrunnen verabredet. Es lief alles nach einem festen Zeitplan ab, das hatte sich bei ihnen so eingebürgert.
Vielleicht war es seltsam für ein junges Paar, das bald heiraten wollte, sich so wenig Spielraum zu lassen. Sie hatten nur eine halbe Stunde für sich allein eingeplant.
Punkt elf lag nämlich ein Besprechungstermin bei Pfarrer Roseder an. Es stand schon jetzt fest, dass Leni und Tobias pünktlich auf die Minute vor der Tür des Pfarrhauses erscheinen würden.
Um spätestens halb eins wollte dann jeder wieder daheim auf dem Hof sein, Leni Ebner auf dem »Moorhof« am grünen Riedbach-Hang und Tobias Heltauer auf dem »Karspitz-Hof« unterhalb des gleichnamigen Gipfels, der zum Feldkopfmassiv gehörte.
Die Karspitze galt bei den Bergsteigern als Einstieg in die Wände des Feldkopfs, wobei weniger Geübte oft die schroffen Abstürze und Felsvorsprünge im »Kar« falsch einschätzten, nämlich als relativ harmlos und leicht zu bewältigen.
Weil das Gegenteil der Fall war, brachten sich die allzu Mutigen oft in größte Gefahr. Das passierte vor allem dann, wenn einschlägige Warnungen einfach überhört oder als »Geschwätz« abgetan wurden.
Tobias kannte sich natürlich aus. Er hatte manchmal schon Urlauber über die felsigen Pfade geführt, die geglaubt hatten, ein Berg sei so etwas wie ein Maulwurfshügel.
Inzwischen betätigte er sich nicht mehr als Berg- und Wanderführer, denn die Arbeit auf dem Hof nahm ihn jetzt voll und ganz in Anspruch. Auf seine geregelte Freizeit wollte er schließlich auch nicht verzichten. Das Recht, mit seinen dreißig Jahren nicht bis zur totalen Erschöpfung herumzuwerkeln, sondern auch mal an sich zu denken, stand ihm schließlich zu.
Leni war ebenfalls voll eingespannt. Daheim auf dem Moorhof gab es genug für sie zu tun, stundenweise arbeitete sie zusätzlich im Berghotel »Am Sonnenhang«.
Der Kontakt zu den Gästen und die Abwechslung, die ihr die Tätigkeit im Hotel bot, waren ihr sehr wichtig. Sie freute sich jeden Tag darauf, im Hotel Gäste zu begrüßen oder auch mal im Büro auszuhelfen.
Denn neben ihren hauswirtschaftlichen Kenntnissen kannte sie sich mit der Buchhaltung und allen Büroarbeiten tadellos aus. Leni hatte in Innsbruck ein privates Sekretärinneninstitut besucht und sämtliche Prüfungen mit Bestnoten abgeschlossen.
Wie lange es allerdings mit ihrer geregelten Tätigkeit noch so weitergehen konnte, ließ sich nicht sagen.
Wahrscheinlich war sehr bald Schluss damit.
Leni sah einen Weg vor sich, der so klar erschien wie ein gestochen scharfes Bild: Hochzeit mit Tobias, Umzug auf den Karspitz-Hof, dort hauptberuflich Bäuerin (und natürlich Ehefrau!) sowie nach spätestens zwei Ehejahren Mutter des ersten Kindes.
Wenn es nach der Verwandtschaft ging, sollte dieses Kind ein Bub sein, nämlich der Hoferbe. Das wäre, nach Meinung der künftigen Großeltern, ideal gewesen. Zuerst das Bübl, dann ein Madel. Gut, dass sie darüber nicht bestimmen konnten, auch wenn sie es gern gewollt hätten.
Jedenfalls würde die schöne und interessante Zeit im Berghotel für Leni ein Ende haben. Einschneidende Veränderungen standen ihr bevor, vor denen sie sich zuweilen ein bisschen fürchtete. Man musste sich ja erst einmal an ein Leben als Ehefrau gewöhnen!
Leider waren sowohl ihre Eltern als auch ihre künftigen Schwiegereltern, das Ehepaar Heltauer, in mancher Hinsicht sehr konservativ.
Tobias hatte erst kürzlich zu Leni gesagt: »Man kann nix machen, unsere Eltern, deine genauso wie meine, sind leider sehr starrsinnig, wenn es um familiäre Dinge geht. Alles muss so sein, wie es schon vor hundert Jahren gewesen ist. Sie meinen es ja net bös und merken gar net, dass sie längst ein paar alte Zöpfe abschneiden müssten. An sich kann man sie gut aushalten, die Unsrigen. Aber wehe, man tastet überlieferte Bräuche und Gewohnheiten an, dann rasten sie aus!«
In dieser Hinsicht stimmte ihm übrigens auch Lenis Bruder Jonas zu, der seit längerer Zeit darüber nachsann, wie er seine Eltern (»an ihrem Starrsinn werden sie sich eines Tages noch selbst die Zähne ausbeißen«) zu mehr Lockerheit überreden konnte – bisher vergebens.
Die Ehepaare Heltauer und Ebner waren seit vielen Jahren befreundet, weil sie fast immer einer Meinung waren. Wären sie Vögel gewesen, dann hätten sie sich gemeinsam auf einen Ast gesetzt.
Sie wären in bestem Einvernehmen über den Winter in warme Gegenden geflogen, immer dicht an dicht und laut zwitschernd. Dieser Vergleich stammte ebenfalls vom Ebner-Jonas, der sich selbst gern als »Spottdrossel« bezeichnete.
Mit Tobias Heltauer, seinem künftigen Schwager, kam er gut zurecht. Die Familien Heltauer und Ebner hatten übrigens beschlossen, ihre Höfe ein bisschen miteinander zu »vernetzen«.
Es sollten, zum Beispiel, gemeinsame Großbestellungen aufgegeben werden, was finanziell sehr günstig war, und auch in anderen Bereichen wollte man eine Art »Hofgemeinschaft« bilden.
Durch die Heirat von Leni und Tobias wurden die Bande noch enger geknüpft, sehr zur Freude der jeweiligen Eltern.
»Hast du alle Papiere dabei?«, fragte Tobias, nachdem er Leni mit einem Kuss begrüßt hatte. »Geburtsurkunde, Taufbescheinigung …«
»Du brauchst net alles aufzuzählen«, erwiderte sie seufzend. »Ich weiß selbst, was man für ein Aufgebot braucht. Findest du nicht, dass wir ein bisserl zu früh dran sind? Es ist erst Mai, und wir wollen Ende Juli heiraten.«
»Anfang August«, murmelte Tobias. »Das haben wir doch neulich besprochen.«
»Ach so, ja. Stimmt. Du bist bis zum 29. Juli auf der Münchner Landwirtschaftsmesse.«
»Ja, eine Woche lang. Ich will mich über neue Maschinen für den Hof informieren. Wir brauchen frischen Wind bei uns, ich muss das alte Zeug mal ausrangieren und mit dem eisernen Besen durchkehren. Übrigens ist es keine Messe, sondern nur eine Verkaufsausstellung. Man kann sofort einen Kaufvertrag abschließen oder nur mal schauen, welche Maschinen oder Traktoren infrage kommen würden.« Tobias räusperte sich, ehe er ein bisschen unsicher hinzufügte: »Ich werd bei der Gelegenheit mit meinen zwei besten Freunden einen zünftigen Junggesellenabschied feiern. Das ist ja so üblich. München bietet sich allerdings für so etwas an.«
»Und ich?«
»Leni, das liegt an dir. Schnapp dir deine Freundinnen und lass es auch ein bisserl krachen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dazu hab ich keine Lust. Aber ich gönn es dir, wenn du unbedingt noch mal auf den Putz hauen willst, wie man so treffend sagt.«
Tobias verzog das Gesicht. »So heftig wird’s schon net werden. Vielleicht überleg ich’s mir auch noch mal und geh nur ein Bier mit dem Steffl und dem Robert trinken, wenn ich wieder daheim bin. Ansonsten kommen sie auch für zwei, drei Tage nach München. Wichtig ist das eh nicht. Also, bist du mit dem Hochzeitstermin Anfang August einverstanden?«
»Es ist mir eigentlich egal. Ein bisserl früher oder später, was spielt das für eine Rolle?«, antwortete Leni. »Wir kennen uns schon so lange, da kommt’s net darauf an, ob wir heute oder morgen heiraten.«
»Mag sein. Aber ich finde, dass es richtig ist, wenn wir heute schon das Aufgebot bestellen.« Tobias warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr. »Weißt du, Lenerl, ich bin dafür, dass die Leute im Dorf rechtzeitig Bescheid wissen. Wir feiern ja schließlich eine große Hochzeit mit allem Drum und Dran.«
Leni holte tief Luft. »Eine romantische Traumhochzeit ist das net, Tobi, eher eine Massenveranstaltung. Und wenn ich mich net irre, werden unsere Eltern darauf bestehen, dass die traditionellen Tiroler Hochzeitsbräuche auf keinen Fall zu kurz kommen.«
»Sowieso. Daran lässt sich nix ändern. Es wird bei der Feier ein bisserl laut hergehen, das ist klar. Eine zünftige Bauernhochzeit findet eben net im Schweigekloster statt. Das weißt du genauso gut wie ich. Für Romantik ist später noch Zeit.«
»Wirklich? Obwohl wir, deiner Meinung nach, die Hochzeitsreise verschieben müssen, weil es im Sommer so viel auf dem Hof zu tun gibt?«, brauste Leni auf. »Normalerweise verbringt man nach der Heirat irgendwo fern vom Alltag romantische Flitterwochen.«
»Na ja.« Tobias räusperte sich. »Schön und gut. Aber ich hab’s net so mit dem Flittern. Und wenn man bedenkt, dass wir beide schon als Kinder miteinander gespielt haben, ist es eh net mehr so weit her mit dem Wolkenkuckucksheim.«
»Das müsste nicht so sein«, erwiderte Leni gekränkt. »Du redest mal wieder einen solchen Schmarrn daher, dass mir die Haare zu Berge stehen. Zuerst waren wir Spielkameraden, dann richtig gute Kumpels. Das blieb ja auch deshalb nicht aus, weil unsere Eltern so eng befreundet waren und es immer noch sind. Verliebt haben wir uns erst viel später. Ich war achtzehn, du dreiundzwanzig. Erinnerst du dich an diesen verregneten Tag mitten im November, der so grau und kalt war, dass man gar net aus dem Fenster schauen wollte?«
»Klar. Ich werd diesen Tag nie vergessen.«
»Wir saßen im Café Heindl in Schwaz, weil wir wegen des schauderhaften Wetters unbedingt etwas Süßes brauchten«, fuhr Leni fort. »Sachertorte, Schlagrahm und außerdem noch heiße Trinkschokolade, dazu gab es sogar noch ein paar Pralinen als Zugabe. Wir haben alles in uns hineingestopft, ohne eine Miene zu verziehen. Dann hast du mich angeschaut und gesagt: Lenerl, das ist alles unglaublich süß. Aber es reicht mir net. Ich brauche etwas anderes Süßes – dich.«
Tobias lachte. »Ja, so war’s. Zuerst hast du mich angeschaut, als ob ich meine fünf Sinne net mehr beisammenhätte. Und dann hab ich gemerkt, dass du genauso dachtest wie ich. Auf deinem Gesicht schien plötzlich die Sonne. Obwohl es draußen Bindfäden regnete, war es um uns herum ganz hell. Von da an wussten wir, dass uns viel mehr verband als Freundschaft.«
»Es war eine schöne Zeit«, meinte Leni leise. »Wir sahen uns mit anderen Augen. Das ist jetzt schon einige Jahre her. Bis wir wirklich ein Liebespaar wurden, hat’s trotzdem noch eine ganze Weile gedauert. Es gab zwischendurch eine Zeit, in der wir, zum Entsetzen unserer Eltern, ganz andere Interessen hatten. Wir haben uns für ein Weilchen getrennt.«
»Logisch, dass man net dauernd aneinanderhängen kann«, erwiderte Tobias zögernd. »Aber auch nach unserer vorübergehenden Trennung war es klar, dass wir heiraten würden, auch wenn es sich in die Länge gezogen hat. Und heuer ist es so weit. Deshalb gehen wir jetzt zum Pfarrer wegen der kirchlichen Trauung.«
»Dann wird’s also ernst mit uns, Tobi.«
»Freilich. Wir müssen es ja endlich mal packen, Lenerl.«
»Denkst du, dass die Leute auf unsere Hochzeit warten?«
»Natürlich. Das ganze Dorf wartet. Und unsere Eltern sind aufgeregter als wir«, gab Tobias zurück. »Wenn wir noch länger zögern, platzen sie alle miteinander vor Spannung auseinander wie ein Luftballon. Das können wir nicht riskieren.«
»Da du gerade von Luftballons sprichst, Tobi – nehmen wir weiße Ballons, die in den Himmel steigen, oder lassen wir Hochzeitstauben fliegen?«
Er seufzte. »Leni, das ist Kleinkram. Ballons und Tauben sind schnell organisiert. Demnächst werden wir eine Gästeliste ausarbeiten. Jetzt komm, Pfarrer Roseder hat bestimmt noch andere Termine!«
***
Das stimmte zwar, aber der freundliche Seelsorger nahm sich grundsätzlich Zeit für jeden, der mit ihm sprechen wollte.
Brautleute standen unter seinem ganz besonderen Schutz, wie er scherzend meinte. Denn eine Ehe war nun mal kein Spaziergang. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es darum ging, das ganze restliche Leben miteinander zu verbringen und alles miteinander zu teilen – Haus und Hof genauso wie Freude und Sorgen.
»Ich werde alles vorbereiten«, meinte Pfarrer Roseder, nachdem er ausführlich mit Tobias und Leni geredet hatte. »Wir halten also schon einmal den 5. August als Hochzeitstag fest. Ich weiß ja, dass ihr zwei bei allen im Dorf als Vorzeige-Brautpaar geltet. Ihr kennt euch von Kindheit an. Nun wollt ihr euren Lebensweg bald als Ehepaar fortsetzen. Ich hoffe, dass eure Ehe unter einem glücklichen Stern stehen wird. Wenn ihr auf euer Herz hört – und das ist das Wichtigste – wird das Glück bei euch Einzug halten.«
»Ein glückliches Leben wünscht sich jeder, aber es gibt keine Garantie«, warf Leni ein.
»Eine Garantie gibt es auf gar nichts«, erwiderte der Geistliche und nickte. »Aber wenn man Vertrauen in die Fügungen des Himmels hat, ist man auf dem richtigen Pfad. Oft hilft es, seiner inneren Stimme zu lauschen und das zu tun, was sie einem rät. Die innere Stimme ist ein Ratgeber, den der Herrgott uns geschenkt hat. Leider wollen sehr viele Menschen nicht darauf hören. Sie tun oft das Gegenteil von dem, was ihnen eigentlich gut und richtig erscheint. Und hernach fragen sie sich, warum sie nicht ihrer Eingebung gefolgt sind. Es gehört Mut dazu, sich selbst zu vertrauen. Aber erst dann, wenn man mit sich im Reinen ist, findet man das Glück. Man kann es nicht erzwingen, aber wenn man der Liebe Tor und Tür öffnet, hat man die besten Chancen.«