Der Bergdoktor 1859 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1859 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Miriam Brixners Gesicht leuchtet geradezu vor glücklicher Erwartung, denn in wenigen Wochen wird sie als romantische Frühlingsbraut den schneidigen Severin Vogt heiraten. Auch Severin liebt seine Miri über alles, nur der Gedanke, mit der herrschsüchtigen Schwiegermutter künftig in St. Christoph unter einem Dach zu leben, versetzt ihn in Angst und Schrecken.

Und dann ist der Hochzeitsmorgen endlich da. Die Gäste haben sich in ihrer Festtagstracht vor dem Standesamt zum Sektempfang eingefunden, auch die Braut ist schon eingetroffen, nur auf den Bräutigam warten alle vergebens. Miriam ist untröstlich. Ist ihrem Liebsten etwas zugestoßen, oder hat er gar in letzter Minute kalte Füße bekommen?

Antworten auf diese Fragen erhält die verzweifelte Braut nicht, denn Severin bleibt unauffindbar ...

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Burger und die Frühlingsbraut

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Miramiska

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4435-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Dr. Burger und die Frühlingsbraut

Der Bergdoktor muss Miriams Tränen trocknen

Von Andreas Kufsteiner

Miriam Brixners Gesicht leuchtet geradezu vor glücklicher Erwartung, denn in wenigen Wochen wird sie als romantische Frühlingsbraut den schneidigen Severin Vogt heiraten. Auch Severin liebt seine Miri über alles, nur der Gedanke, mit der herrschsüchtigen Schwiegermutter künftig in St. Christoph unter einem Dach zu leben, versetzt ihn in Angst und Schrecken.

Und dann ist der Hochzeitsmorgen endlich da. Die Gäste haben sich in ihrer Festtagstracht vor dem Standesamt zum Sektempfang eingefunden, auch die Braut ist schon eingetroffen, nur auf den Bräutigam warten alle vergebens. Miriam ist untröstlich. Ist ihrem Liebsten etwas zugestoßen, oder hat er gar in letzter Minute kalte Füße bekommen?

Antworten auf diese Fragen erhält die verzweifelte Braut nicht, denn Severin bleibt unauffindbar …

»Jesses, wie das wilde Heer!«, rief Zenzi Bachhuber, der gute Geist des Doktorhauses, erschrocken aus.

Das erregte Sabine Burgers Aufmerksamkeit, und sie eilte zur Eingangstür, wo Zenzi, die gerade im Begriff gewesen war, das Haus zu verlassen, innegehalten hatte. Fassungslos starrten die beiden Frauen auf das Bild, das sich ihren Augen bot.

Tessa, die beinahe neunjährige Tochter der Burgers, schob den Buggy in so großer Hast vor sich her, dass die kleine Laura, gerade zwei, derart durchgerüttelt wurde, dass sie jämmerlich schrie. Dahinter kam der kleine Philipp, der aber Filli genannt werden wollte, gerannt. Tränen flossen über das erhitzte Gesichtchen des Fünfjährigen.

»Wo stecken euer Großvater und der Poldi?«, wollte Zenzi sofort aufgeregt wissen, denn in ihr was sofort die Ahnung aufgekeimt, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste.

Filli warf sich in die Arme seiner Mutter und weinte haltlos.

»Tessa, was hat es gegeben? Warum seid ihr allein zurückgekommen?«

Doch auch Tessa, sonst keineswegs auf den Mund gefallen, brachte kein Wort hervor. Sie war völlig außer Atem und zitterte am ganzen Körper. Wenigstens Laura hatte aufgehört zu weinen, nachdem Zenzi den Buggy an sich gebracht hatte.

»Der Opa …«

»Was ist mit ihm?«, fragte Sabine zutiefst beunruhigt, denn ihr Schwiegervater würde die Kinder niemals sich selbst überlassen.

»Wir haben im Wald Verstecken gespielt«, kam es von Filli.

»Ja, wir waren auf der Lichtung im Krähenwald, wo wir immer gern hingehen«, brachte Tessa endlich zusammenhängend hervor. »Und der Opa hat es sich auf einem gefällten Baumstamm gemütlich gemacht. Ganz wie immer. Und als wir zurückgekommen sind, hat der Opa ein Stück weiter auf dem Boden gelegen …«

Tessa kämpfte wieder mit den Tränen.

»Was hat er gesagt?«, drang ihre Mutter in sie.

»Er konnt gar net reden, kein Wort. Und er hat ganz seltsam ausgeschaut. Gar nimmer wie unser Opa.«

Zenzis Hand fuhr zum Mund, und sie stieß einen Jammerlaut aus. Sabine jedoch, die Ärztin war, gelang es, Ruhe zu bewahren, auch wenn sie innerlich nicht weniger erregt war als Zenzi.

»Er war bewusstlos, das hast du doch sagen wollen, oder?«

Tessa nickte so heftig, dass ihre schwarzbraunen Locken, die ihr den Kosenamen »Schneckerl« eingetragen hatten, um das reizende Gesichtchen flogen. Wieder füllten sich ihre dunklen Brombeeraugen mit Tränen.

»Der Poldi ist bei ihm geblieben, er ist also net allein«, fügte sie hinzu.

Der treue Rauhaardackel verharrte bei seinem Herrchen, nichts hätte ihn dazu bewegen können, Pankraz im Stich zu lassen.

»Ich hol den Herrn Doktor«, verkündete Zenzi und rannte mehr, als dass sie ging, durchs Haus in die Praxis.

Es dauerte nicht lange, und Martin Burger, genannt der Bergdoktor, kam zu ihnen geeilt. Nachdem er sich noch kurz bei den Kindern nach Einzelheiten erkundigt hatte, fuhr er mit höherer Geschwindigkeit als gewöhnlich durch die Kirchgasse, die in den Krähenwald einmündete.

»Wird der Opa wieder gesund werden?«, fragte Filli, und der bange Blick ihres Sohns schnitt Sabine ins Herz.

»Bald werden wir mehr wissen«, sagte sie unbestimmt.

Die Kinder liebten ihren Großvater, Dr. Pankraz Burger, innig. Er wohnte in dem Kabinettl, das sich an das Wohnzimmer im Doktorhaus anschloss, und war damit beschäftigt, eine Chronik des Zillertals zu schreiben. Tessa und Filli waren immer ganz begierig auf die unheimlichen Schauergeschichten, mit denen sie ihr Großvater beglückte, wenn er aus der Chronik vorlas. Auch wenn manche sie schon so in Angst und Schrecken versetzt hatten, dass sie nachts von Albträumen geplagt worden waren.

Am liebsten widmete er sich aber seinen Enkeln, und dass Tessa nicht die leibliche Tochter der Burgers, sondern ein Adoptivkind war, spielte für ihn keine Rolle. Sie gehörte zur Familie und war ihm genauso ans Herz gewachsen wie den übrigen Bewohnern des Doktorhauses. Er unternahm lange Spaziergänge in die herrliche Umgebung von St. Christoph mit ihnen, holte Filli vom Kindergarten ab und hatte immer ein offenes Ohr für ihre Kümmernisse.

Es wäre unvorstellbar, wenn ihm etwas geschehen wäre.

Sabine schätzte ihren Schwiegervater sehr, auch wenn ihr seine Essgewohnheiten keineswegs behagten. Zuletzt machte sie sich sogar Selbstvorwürfe.

»Ich hätte strenger zu ihm sein sollen. Wenn er nun wegen seines Übergewichts einen Schlaganfall erlitten hat«, sagte sie leise zu Zenzi, die ihre Einkäufe verschoben hatte, da es nun galt, die Kinder, die immer noch ganz außer sich waren, zur Ruhe zu bringen.

Schließlich hielt Laura einen verspäteten Mittagsschlaf, und Sabine saß auf dem gemütlichen Sofa im Wohnzimmer, auf der einen Seite schmiegte sich Tessa, auf der andern Filli an sie. Die beiden lebhaften Kinder waren ganz gegen ihre Gewohnheit verstummt, aber wenigstens weinten sie nicht mehr.

***

Das durchdringende Bellen von Poldi wies Dr. Burger den Weg zu seinem Vater, und mit langen Sprüngen rannte er über die Lichtung zu der Gestalt, die regungslos hingestreckt auf der Wiese lag.

»Vater!«

Pankraz Burger regte sich nicht, sein sonst immer so rosiges Gesicht war unnatürlich bleich. Als hätte er den Ausruf seines Sohns vernommen, öffnete er plötzlich die Augen und stieß ein schwaches Ächzen aus.

Das erfüllte den Bergdoktor mit Zuversicht, wenigstens bedeutete das, dass sein Vater nicht in ein lang anhaltendes Koma geglitten war.

»Kannst du mich hören?«

»Du schreist ja laut genug«, kam es von den Lippen seines Vaters.

Trotz des Ernstes der Lage konnte Martin Burger ein Lächeln nicht unterdrücken. Rasch tastete er seinen Vater ab, und als er dessen Bein berührte, zuckte Pankraz zusammen und stieß einen Schmerzensschrei aus.

Sofort ließ der Sohn von ihm ab.

»Das muss in der Klinik untersucht werden. Ich hab schon die Rettung angerufen. Und jetzt sei still, Poldi«, fügte er scharf hinzu, weil der Hund immer noch anklagend bellte.

Poldi, der einen derart scharfen Ton nicht gewöhnt war, zog sofort den Schwanz ein und verstummte. Es kam nur ganz selten vor, dass er in Ungnade fiel, und schon gar nicht bei dem Bergdoktor, den er oft im Auto auf dessen Fahrten über Land begleitete.

»Diese Quacksalber von der Unfallklinik …«, begann Pankraz zu murren.

»Das sind allesamt gute Ärzte. Und jetzt sag mir, Vater, wie es dazu gekommen ist«, forderte Martin nachdrücklich.

»Ich hab ein paar Schritte über die Lichtung gemacht und bin dabei in ein Loch getreten und gestürzt. Dabei muss ich mit dem Kopf auf irgendetwas Hartes gefallen sein, hier liegen ja genug Steine und Äste herum. An mehr kann ich mich nicht erinnern«, gab Pankraz etwas angestrengt zur Antwort.

»Deinen Kopf und den Rücken wird man sich auch ansehen müssen. Damit ist nicht zu spaßen«, erklärte sein Sohn.

Pankraz schnaubte.

Martin Burger wusste genau, dass sein Vater verschwiegen hatte, welche Rolle Poldi bei dem Unfall gespielt hatte. Wahrscheinlich hatte der umtriebige Dackel wieder einmal einen Tierbau entdeckt und mit seinem Gebell Pankraz herbeigelockt, sodass dieser mit dem Fuß in die Höhlung geraten und gestürzt war.

Der Großvater machte Anstalten, sich aufzurichten, doch sein Sohn hinderte ihn daran. Glücklicherweise eilten im gleichen Augenblick zwei Sanitäter mit einer Trage auf sie zu, die Rettung hatte endlich zu ihnen gefunden.

»So etwas, der Doktor Burger. Mitten auf der Wiese niedergegangen«, ließ sich einer der Sanitäter mit leichtem Spott vernehmen.

Der manchmal allzu energische Dr. Burger senior und er waren in der Vergangenheit mehrmals heftig aneinandergeraten.

»Lass deine Pratzen von mir, Rudi«, knurrte Pankraz.

Doch besagter Rudi sorgte mit überraschender Behutsamkeit dafür, dass der Verletzte zu dem Rettungswagen transportiert und weiterbehandelt werden konnte. Poldi rannte hinterher und jaulte auf, als die Tür vor seiner Nase zugeschlagen wurde und sich der Wagen ohne ihn in Bewegung setzte.

Der Bergdoktor beförderte den unglücklichen Dackel in sein Auto und setzte ihn im Doktorhaus ab. Nachdem er seiner Frau kurz Auskunft über den Zustand seines Vaters gegeben und beruhigend auf die Kinder eingesprochen hatte, fuhr er weiter zu der Unfallklinik, in die der Verletzte gebracht worden war.

Erst zu später Stunde kehrte Dr. Burger nach Hause zurück, wo er seine Familie samt Zenzi im Wohnzimmer vorfand. Auch die beiden älteren Kinder waren noch auf, auch wenn sich Filli schon im Halbschlaf befand.

»Ich hab sie hier unten gelassen, sie konnten eh kein Auge zutun«, erklärte Sabine und wuschelte ihrem Sohn durch den Blondschopf, den er von ihr geerbt hatte.

Filli richtete sich schlaftrunken auf, und Tessas Brombeeraugen, immer noch von Tränen verschleiert, blickten ihn erwartungsvoll an.

»Dem Opa geht es gut. Er muss halt ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, weil sein Bein angebrochen ist und er eine Gehirnerschütterung hat«, gab ihnen ihr Vater gewollt sachlich Auskunft.

»Aber er wird doch wieder ganz gesund, oder?«, vergewisserte sich Filli immer noch sehr ängstlich.

»Wenn sein Bein verheilt ist, kann er wieder mit euch spazieren gehen wie vorher«, bestätigte der Arzt.

»In Zukunft werden wir besser auf ihn aufpassen«, meinte Tessa auf ihre altkluge Art, und Filli nickte heftig.

»Ich glaube nicht, dass das unbedingt nötig sein wird«, fand ihr Vater und verbiss sich mühsam ein Lächeln.

Auch Zenzi Bachhuber, sonst eher eine etwas schroffe Person, war sehr erleichtert. Sie hatte sich sogar mehrmals so heftig bekreuzigt, dass der graue Haarknoten, der wie festgeleimt an ihrem Hinterkopf saß, erbebte. Zenzi liebte »ihre« Familie eben von Herzen, fühlte sich den Burgers zugehörig. Sie hatte den kleinen Martin aufgezogen, der schon mit elf Jahren die Mutter verloren hatte, und ihr Wort galt etwas im Doktorhaus.

Sabine erhob sich.

»So, jetzt geht es aber ins Bett, sonst kommt ihr überhaupt nicht mehr zur Ruhe«, kündigte sie an und Tessa und Filli gehorchten widerspruchslos.

Heute brauchten die beiden auch keine Gutenachtgeschichte, denn sie waren von dem Geschehenen so mitgenommen, dass sie sofort einschliefen. Die kleine Laura lag bereits in tiefem Schlummer, wovon sich ihre Eltern überzeugt hatten, ehe sie sich endlich in ihr blaues Schlafzimmer zurückziehen konnten.

Diesen Raum hatte Sabine Burger ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet. Wie der Name schon besagte, war darin die Farbe Blau vorherrschend. Gardinen und Teppiche wiesen sie auf, und der Bauernschrank war zudem mit roten Herzen verziert. Der romantische Gesamteindruck wurde durch ein breites Himmelbett vervollständigt.

Das blaue Schlafzimmer war das Refugium des Ehepaars, hier sprachen sie sich über alles aus, was sie im Innersten bewegte, und spendeten einander Trost und Wärme.

»Ein schwerer Tag«, sagte Martin, als sie eng nebeneinanderlagen.

»Besonders für Tessa und Filli«, stimmte Sabine zu, deren Stimme schon sehr schläfrig klang.

»Nicht auszudenken, wenn dem Vater wirklich …«

Er beendete den Satz nicht, denn regelmäßige Atemzüge verkündeten, dass Sabine eingeschlafen war. Martin Burger lächelte. Doch obwohl er nicht weniger erschöpft war als seine Frau, schweiften seine Gedanken in die Vergangenheit zurück.

Niemals hatte er zu hoffen gewagt, dass ihm das Schicksal noch einmal ein solches Glück schenken würde, wie es ihm in der Ehe mit Sabine zuteilwurde. Denn nach dem frühen Tod der Mutter hatte er einen weiteren schweren Verlust ertragen müssen, der ihn in tiefste Verzweiflung stürzte. Seine erste Frau war bei der Geburt ihres ersten Kindes an einer unerwarteten Komplikation gestorben und hatte das Kleine mit sich in den Tod genommen.

Das hatte ihn aus der geliebten Bergheimat weggetrieben. Er war nach München gegangen, um dort seinen Facharzt in Chirurgie zu machen. Erst nach Jahren war er nach St. Christoph zurückgekehrt und hatte die Praxis seines Vaters übernommen. Es waren arbeitsreiche Jahre gewesen, denn er hatte seine ganze Energie auf die vor ihm liegende Aufgabe verwandt.

So hatte er die Praxis um einen Anbau erweitert, in dem sich Röntgen- und Laborräume befanden, außerdem ein Operationssaal für chirurgische Eingriffe. Und nicht zuletzt zwei Patientenzimmer für Notfälle, sodass die Dörfler die Einrichtung »Mini-Klinik« nannten.

Und ihm war der Ehrenname »Bergdoktor« zuteilgeworden, nicht nur, weil er mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, zahlreiche Menschen aus Bergnot gerettet hatte, sondern weil er auch für die persönlichen Probleme seiner Patienten immer ein offenes Ohr hatte. Und manchmal spielte er auch ein wenig Schicksal, um den Menschen zu ihrem Glück zu verhelfen, auch wenn er es nie zugab.

Während all dieser Jahre hatte er die Hoffnung auf ein neues Liebesglück völlig aufgegeben. Dann aber nahm sein Leben eine unerwartete Wende.

Die junge Anästhesistin Sabine aus Wien war auf Besuch bei ihrer Tante Rika in St. Christoph, und als er sie zum ersten Mal sah, war es um ihn geschehen. Er hatte ihr in die schönen braunen Augen geblickt, in denen goldene Pünktchen tanzten, und mit untrüglicher Sicherheit gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren.

Und auch für sie war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte alles zurückgelassen, was ihr Leben in Wien ausgemacht hatte – ihre Karriere in einer dortigen Klinik, ihren Freundeskreis und nicht zuletzt die Zerstreuungen und das reiche kulturelle Angebot der Stadt.

Auch trennten sie sechzehn Jahre Altersunterunterschied, doch Sabine beteuerte immer wieder, dass sie stolz auf ihren sportlichen, jugendlichen Ehemann sei, dem man seine mittlerweile einundfünfzig Jahre nicht ansah. Sie waren ein ausnehmend glückliches Paar, dazu auch stolze Eltern ihrer drei Kinder.

Sabine seufzte leise im Schlaf auf. Martin rückte näher an sie heran, bis er ihre Körperwärme spürte, und genoss ihre Nähe. Dann schlief auch er ein.

***

»Das habt ihr euch ja schön ausgedacht! Kaum werde ich nach Hause entlassen, habt ihr mich in die Mini-Klinik verfrachtet, wo ich unter strenger Aufsicht bei dünnen Suppen und Grünzeug vor mich hinvegetieren muss«, schimpfte Pankraz Burger lauthals, als seine Schwiegertochter das Krankenzimmer betrat.

Man war übereingekommen, den Großvater noch eine Weile in der Mini-Klinik unterzubringen, denn sein Bluthochdruck war ziemlich bedenklich. Für einen Arzt war er erstaunlich uneinsichtig, was den Zusammenhang von Übergewicht und Bluthochdruck betraf.

»Dein Blutdruck …«

»Mein Blutdruck geht vor allem in die Höhe, wenn ich nichts Ordentliches zu essen bekomme und mich darüber aufrege. Essen hält Leib und Seele zusammen, das sagt man eben nicht umsonst.«

»Du solltest es besser wissen«, wandte Sabine ein.

Pankraz schnaubte zornig und starrte sie anklagend an. Er war wirklich außerordentlich schlechter Laune, und dass sein Bein eingegipst und er dadurch ans Bett gefesselt war, trug nicht dazu bei, seine Stimmung aufzuhellen.

»Wir meinen es doch gut mit dir.«

»Manche meinen es so gut mit jemandem, dass es dem richtig schlecht geht. Der Natur muss man auch ihre Stimme lassen …«

»Wir wollen dich halt noch lang bei uns haben«, fiel ihm Sabine ins Wort.

Das brachte ihn vorübergehend zum Schweigen, und er wies auf den Besucherstuhl, den Sabine nun an sein Bett rückte.

»Sicher hast du mir gesundes Obst mitgebracht«, bemerkte er.

»Nein. Nur Busserln von den Kindern. Tessa und Filli vermissen dich wirklich sehr. Sie haben sich große Sorgen um dich gemacht.«

Wider Willen zuckte ein Lächeln über das Gesicht ihres Schwiegervaters, und er tätschelte liebevoll Sabines Hand.

»Nimm es mir net übel, Sabine, aber ich bin halt ein ungeduldiger alter Knurrhahn, der es im Bett net lang aushält. Ich vermisse die Kinder auch sehr. Wenn der Gips wieder ab ist, machen wir eine lange Wanderung.«

Sabine betrachtete ihren Schwiegervater nachdenklich. Sie hatte ihn noch nie so unruhig und unzufrieden erlebt.