Der Bergdoktor 1860 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1860 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Zum Glück hat sich der Urlauber bei seinem Sturz keine größeren Verletzungen zugezogen. Als Dominik Wiegele Dr. Burger allerdings aufklärt, wie es zu diesem Sturz kam, ist der Arzt zutiefst erschüttert. Der junge Mann leidet an einem inoperablen Hirntumor. Für ihn gibt es keine Hoffnung mehr. Die Zeit, die ihm noch bleibt, möchte er in den wunderschönen Bergen von St. Christoph verbringen.

Dominik spricht ganz ruhig. Er scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Doch das ändert sich - als er die entzückende Sophie Kogler kennenlernt und sich unsterblich in sie verliebt. Wie sehr sehnt er sich danach, dieses bezaubernde Madel in den Armen zu halten! Da er Sophie aber die Tränen um ihn ersparen möchte, verschweigt er ihr seine lebensbedrohliche Erkrankung ebenso wie seine wahren Gefühle und beschwört dadurch eine Katastrophe herauf ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Zertritt die junge Knospe nicht

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4436-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Zertritt die junge Knospe nicht

Was eine junge Magd aus Liebe erleiden musste

Von Andreas Kufsteiner

Zum Glück hat sich der Urlauber bei seinem Sturz keine größeren Verletzungen zugezogen. Als Dominik Wiegele Dr. Burger allerdings aufklärt, wie es zu diesem Sturz kam, ist der Arzt zutiefst erschüttert. Der junge Mann leidet an einem inoperablen Hirntumor. Für ihn gibt es keine Hoffnung mehr. Die Zeit, die ihm noch bleibt, möchte er in den wunderschönen Bergen von St. Christoph verbringen.

Dominik spricht ganz ruhig. Er scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Doch das ändert sich – als er die entzückende Sophie Kogler kennenlernt und sich unsterblich in sie verliebt. Wie sehr sehnt er sich danach, dieses bezaubernde Madel in den Armen zu halten! Da er Sophie aber die Tränen um ihn ersparen möchte, verschweigt er ihr seine lebensbedrohliche Erkrankung ebenso wie seine wahren Gefühle und beschwört dadurch eine Katastrophe herauf …

Mei, ist das ein Wetter! Zum Fürchten!

Sophie steuerte das Auto vorsichtig um die enge Kurve. Der Regen trommelte so heftig gegen die Windschutzscheibe, dass die Scheibenwischer kaum mit der Arbeit nachkamen. Es schien beinahe so, als würde sie aus dem Inneren eines Goldfischglases nach draußen schauen und die nahen Berge nur verschwommen wahrnehmen. Umsichtig drosselte sie das Tempo noch ein wenig, weil sie sich bereits der nächsten Haarnadelkurve näherte.

Draußen fauchte eine Böe heran und rüttelte am Wagen. Sophie hielt das Lenkrad so fest, dass ihr die Finger schmerzten. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, von der Fahrbahn abzukommen, weil zu ihrer Rechten ein Abhang steil abfiel.

Tief hängende Wolken trieben tief über das Zillertal hinweg und verbargen einen Teil der Berge. Der Frühling zog mit kräftigen Stürmen und Regengüssen ins Land. Das ließ die Bauern auf eine reiche Ernte hoffen.

Die Urlauber jedoch sehnten sich nach warmen und vor allem trockenen Tagen. Im Radio wurde bereits von einer Wetterbesserung gesprochen. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis sich die Sonne wieder durchsetzen würde. Vorerst sah es jedoch so aus, als würde die nächste Sintflut kurz bevorzustehen.

Sophie setzte ihre Fahrt ins Tal hinunter fort. Es waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs, und das war ein Glück, weil die Straße so schmal war, dass jedes Ausweichen ein Abenteuer war.

Endlich tauchten die ersten Lichter des Dorfes vor ihr auf. Sie atmete erleichtert auf. Obwohl es erst früher Nachmittag war, war der Himmel bereits düster, als wäre es Stunden später.

Sophie freute sich auf einen Becher mit heißem Kakao und die Gelegenheit, die Füße eine Weile hochzulegen und auf ihrer Zither zu üben. Das Spielen hatte sie sich selbst beigebracht, nachdem ihr Vater krank geworden und sie nur noch selten unter Menschen gekommen war.

Sie arbeitete als Magd auf dem Hof des Bürgermeisters. Toni Angerer hatte sie losgeschickt, um eine seiner Ferienhütten bezugsfertig zu machen. Nach dem langen Winter war das Quartier zum ersten Mal in diesem Jahr wieder vermietet. Ein Gast aus der Stadt hatte die Hütte auf unbestimmte Zeit gebucht.

Sophie war mit frischer Bettwäsche, sauberen Handtüchern und Lebensmitteln hinaufgefahren, um den Fußboden zu schrubben und die Fenster zu putzen. Nun glänzte alles frisch und war bereit für die Ankunft des Gastes.

Die Hütte stand am Waldrand. Von der kleinen Bank aus, die davor stand, hatte man einen wunderbaren Ausblick auf St. Christoph sowie den nahen Hausberg des Dorfes.

Zumindest bei schönem Wetter, dachte Sophie. Heute war es so bewölkt, dass man kaum mehr entdecken konnte als auf dem Grund einer schmutzigen Kaffeetasse.

Sie steuerte das Auto auf das Dorf zu. Vor dem Dorf tauchte plötzlich ein Schild am Straßenrand auf. Es war an einer Laterne festgemacht, und darauf war das Porträt eines blonden Mannes abgedruckt, der mit energischem Blick herabschaute. Darunter stand zu lesen:

Geben Sie Ihre Stimme dem Fortschritt: Georg Rossbach!

Ein Stück weiter kam das nächste Schild:

Georg Rossbach – neuer Bürgermeister von St. Christoph.

Sophie stutzte. Toni Angerer war der Bürgermeister ihres Heimatdorfes, seitdem sie denken konnte. Er war Bauer und kannte die Sorgen und Probleme der Dorfbewohner genau. Er lenkte die Geschicke des Dorfes verantwortungsbewusst und zuverlässig. Alle sechs Jahre wurde neu gewählt für das Amt. In den vergangenen Jahren war das nur eine Formalität gewesen.

Wie es aussah, würde diesmal jedoch ein Kandidat gegen ihn antreten: Georg Rossbach. Er war neu im Dorf – ein gut aussehender Mann Ende zwanzig, mit wachen blauen Augen und entschlossener Miene. Er schien seine Ziele fest im Blick zu haben und wirkte so, als würde er vor keiner Herausforderung zurückschrecken.

Sophies Herz machte einen Satz, als wollte sie ihm entgegenspringen. Sie war Georg schon im Dorf begegnet. In einem so kleinen Ort war das unvermeidlich. Leider schien er sie bisher noch nicht bemerkt zu haben. Sie selbst schwärmte jedoch für ihn seit ihrer ersten Begegnung. Im Gemischtwarenladen war das gewesen, wo er dem Sohn des Bergdoktors Himbeerzuckerln gekauft hatte, weil der Bub hingefallen war und geweint hatte. Die Geste war Sophie mitten ins Herz gegangen. Seitdem kribbelte es unter ihrer Haut, sobald sie ihn sah.

Georg hat den alten Schober-Hof gekauft und renoviert, sann sie nun. Vergrößert hatte er ihn auch. Eine Familie hatte er net. Zumindest hatte sie ihn noch nie anders als allein gesehen.

Ein weiteres Plakat tauchte vor Sophie auf. Es zeigte Georg, wie er breitbeinig auf einer Wiese stand. Seine blauen Augen schienen Sophie geradewegs ins Herz zu blicken. Sie hatte noch nicht viele Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gesammelt. Wie auch? Bis vor wenigen Monaten hatte sie ihren kranken Vater gepflegt und ein abgeschiedenes Leben geführt. Doch der Mann von dem Plakat gefiel ihr. Sehr sogar …

Sekundenlang vergaß sie alles um sich herum und betrachtete das Bild verträumt. Als sie den Blick wieder auf die Straße richtete, zeichneten sich die Umrisse eines Hundes im Licht der Scheinwerfer ab. Keine zwanzig Meter vor ihr!

»Oh nein!« Geistesgegenwärtig trat Sophie die Bremse durch. Der Wagen kam zum Stehen. Habe ich den Hund etwa erwischt? Erschrocken schaute sie sich um. Der Hund war verschwunden! Der Schreck fuhr der jungen Magd in alle Glieder. Hastig löste sie ihren Gurt und stieg aus.

Draußen trieb ihr der Sturm den Regen entgegen. Sie zog die Kapuze ihrer Regenjacke tiefer ins Gesicht und umrundete das Auto, um sich nach dem Fellbündel umzusehen. Zunächst konnte sie den Hund nicht entdecken, aber dann sauste er auf seinen kurzen Beinen auf sie zu und bellte. Es war ein Terrier mit weißem Fell, das ihm nass am Leib klebte. Er trug ein blaues Halsband. Er flitzte um Sophie herum und gab aufgeregt Laut.

»Was hast du denn, mein Kleiner?«

Der Terrier rannte ein Stück die Straße hinunter. Sophie folgte ihm mit den Augen und entdeckte plötzlich ein Bündel im Straßengraben. Hatte dort jemand alte Kleider entsorgt?

Sie kniff die Augen zusammen und sah genauer hin.

»Oh nein!« Mit langen Schritten rannte sie los, denn dort vorn lag überhaupt kein Bündel. Es war ein Mensch! Ein Mann mit kurzen braunen Haaren und ungefähr in ihrem Alter. Er war so blass, dass Sophie schon das Schlimmste befürchtete, und er blutete aus einer Wunde an der rechten Schläfe. Eine braune Umhängetasche lag neben ihm im Matsch. War er etwa angefahren und im Straßengraben liegen gelassen worden? Hatte jemand Fahrerflucht begangen? Hier in ihrem Dorf?

Alarmiert beugte sich Sophie über den Fremden und tastete nach seiner Hand.

»Hallo? Können Sie mich hören?«

Er regte sich stöhnend und blickte blinzelnd zu ihr auf.

»Ja.«

»Gut. Das ist gut.« Sie atmete auf. Er war noch am Leben. Das war mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte, aber auf seinem Gesicht vermischten sich Blut und Regen zu einem unheimlichen Muster. Er stammte nicht aus ihrem Heimatdorf. »Können Sie mir sagen, wie Sie heißen?«

»Mei … mei kund«, nuschelte er.

»Sie heißen also Meik? Und wie weiter?«

»Net Meik. Wo ist mein Hund?«

»Ach so. Er ist gleich hier. Es geht ihm gut. Machen Sie sich keine Sorgen um ihn.« Sophie deutete auf den Terrier, der immer noch bellte. Der Fremde musste das doch hören. Oder nicht? Eine unliebsame Ahnung stieg in ihr hoch. Das war nicht richtig so, oder? Wie konnte er das Gebell überhören? »Können Sie mir Ihren Namen sagen?«

»Ich …« Er schien überlegen zu müssen. »Dominik«, brachte er schließlich hervor. »Dominik Wiegele.«

»Dann sind Sie der Mann, der die Hütte meines Chefs gemietet hat.« Erstaunt sah Sophie ihn an. Offenbar war er der Urlauber, für den sie an diesem Tag geputzt hatte. »Wo haben Sie Ihr Gepäck, Herr Wiegele?«

»Im Auto. Es parkt im Dorf. An der Kirche. Ich wollte nach der langen Anreise ein Stück mit dem Hund spazieren gehen.«

»Ich verstehe. Mein Name ist Sophie Kogler.« Sie lächelte ihn beruhigend, wie sie hoffte, an. »Haben Sie Schmerzen, Herr Wiegele?«

»Mir brummt der Schädel.«

»Das glaube ich. Sie scheinen auf einem Stein gelandet zu sein, als Sie gestürzt sind. Tut Ihnen noch etwas weh?«

»Ich … ich glaube net.«

»Alles klar. Wir müssen Sie von hier wegbringen, sonst holen Sie sich zu allem Überfluss noch eine Lungenentzündung. Können Sie aufstehen?«

»Ich denke schon.«

»Gut, dann bringe ich Sie jetzt zu unserem Bergdoktor. Er kann sich die Wunde an Ihrem Kopf anschauen. Sie müssen nur bis zu dem Auto da drüben laufen. Schaffen Sie das?« Sophie deutete zu dem Wagen, den ihr Chef ihr für die Fahrt geliehen hatte.

Toni Angerer würde nicht erfreut sein, wenn Blutflecken auf die Polster kamen, aber sie wusste, dass er einem Menschen in Not seine Hilfe niemals verwehren würde.

»Es wird schon gehen.« Der Urlauber schwankte wie ein Grashalm im Wind, als er sich vom Boden hochstemmte. Regenwasser lief ihm über Gesicht und Hals, und seine Kleidung klebte ihm feucht und schmutzig am Körper.

Sophie hob seine Tasche auf. Dann schlang sie ihm einen Arm um die Schultern und stützte ihn. Sein Hund folgte ihnen zu ihrem Auto.

»Sie können stolz auf Ihren kleinen Begleiter sein. Wäre er net gewesen, hätte ich Sie vermutlich net bemerkt und wäre einfach weitergefahren.«

»Ist der Kleine Ihnen etwa vor das Auto gelaufen?«

»Ja. Vermutlich wollte er Hilfe für Sie holen. Zum Glück habe ich ihn noch rechtzeitig bemerkt und konnte anhalten. So, da wären wir. Seien Sie bitte vorsichtig, wenn Sie einsteigen. Ihr armer Kopf hat heute schon genug mitgemacht.«

Sophie öffnete die Beifahrertür und ließ den Verletzten einsteigen. Anschließend holte sie das Verbandskästchen aus dem Kofferraum und kramte sauberen Mull hervor.

»Pressen Sie das auf Ihre Wunde, ja? Wir müssen die Blutung stoppen, sonst könnten Sie in echte Schwierigkeiten geraten.« Sie setzte sich wieder hinter das Lenkrad und legte ihren Gurt an.

Der Mann neben ihr war wachsbleich und sagte kein Wort.

Hoffentlich hat er keine inneren Verletzungen, bangte sie. Wir können nur hoffen, dass der Bergdoktor daheim ist und ihm helfen kann.

Neben ihr stöhnte der Verletzte rau. Seine Lider flatterten. Er schien kaum noch bei Bewusstsein zu sein.

»Halten Sie durch«, wisperte Sophie, während sie das Auto die Dorfstraße hinunterjagte. »Bitte, bitte, halten Sie durch!«

***

»Vitus? Kannst du mich hören?« Dr. Martin Burger beugte sich über den Landwirt, der sich vor ihm im Gras krümmte. Sein Patient war ein fünfundfünfzigjähriger Bauer mit grau melierten Haaren und einer stattlichen Statur, die ihm an diesem Nachmittag vermutlich das Leben gerettet hatte.

Mehrere seiner Kühe waren über Vitus hinweggetrampelt und hatten ihre Spuren hinterlassen: mit Schlamm verschmutzte Wunden, Blutergüsse und vermutlich mehrere gebrochene Rippen. Der Atem des Verletzten ging pfeifend, und seine bläulich verfärbten Lippen verrieten, dass der Sauerstoffgehalt in seinem Blut alarmierend niedrig war.

Vera Obermayer hatte ihren Mann blutüberströmt am Rand der Weide gefunden und den Bergdoktor alarmiert. Nun sah sie angstvoll zu, wie er ihren Mann untersuchte.

Das Hemd des Verletzten bestand nur noch aus Fetzen. Dr. Burger schob sie zur Seite und hörte seinen Patienten mit dem Stethoskop ab. Auf der rechten Lungenseite war kein Geräusch festzustellen. Offenbar hatte eine gebrochene Rippe die Lunge perforiert, sodass der Lungenflügel kollabiert war!

Obendrein war der Blutdruck des Landwirts zu niedrig. Martin Burger stülpte dem Verletzten eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase und führte ihm Flüssigkeit über einen Tropf zu, um seinen Kreislauf zu stabilisieren. Es stand zu befürchten, dass der Bauer zu allem Überfluss innere Verletzungen davongetragen hatte. Ohne medizinische Ausrüstung war das unmöglich genauer zu sagen.

Eine Milchkuh wog zwischen 650 und 800 Kilogramm. Manche Tiere waren sogar noch schwerer. Sorgenvoll dachte der Arzt daran, was mehrere Kühe anrichten konnten, wenn sie einen Menschen niedertrampelten.

»Vitus, hörst du mich?«

Der Bauer reagierte mit einem Stöhnen auf die Frage. Seine Kühe weideten in der Nähe und standen so friedlich im Gras, als hätten sie nicht wenige Minuten zuvor ihren Besitzer niedergetrampelt.

»Was ist denn nur in eure Kühe gefahren, Vera?«

»Wenn ich das wüsste!« Die Bäuerin rang die Hände. »Vitus wollte sie zum Melken hereinholen. Normalerweise kommen sie ihm schon entgegen und folgen ihm bereitwillig in den Stall. Sie kennen die Prozedur. Ich weiß net, was sie heute so aufgebracht hat. Als er net heimkam, habe ich nach ihm geschaut. Da lag er hier und … und …« Sie schluchzte auf.

»Jetzt wirken eure Kühe recht friedlich.«

»Das sind sie eigentlich auch. Ich weiß net, wie das passieren konnte. Mei, Herr Doktor …« Der Bäuerin liefen die Tränen über die Augen. »Was ist mit meinem Mann?«

»Er hat mehrere gebrochene Rippen und vermutlich innere Verletzungen. Ich habe den Rettungshubschrauber angefordert. Vitus muss auf dem schnellsten Wege ins Krankenhaus.« Der Zustand des Verletzten war kritisch. Wenn Vitus innerlich blutete, lief ihnen die Zeit davon. Der Bauer musste auf dem schnellsten Weg in die Klinik gebracht werden!

Im vergangenen Jahr waren häufig Stimmen laut geworden, die gefordert hatten, dass die Weiden besser eingezäunt wurden. Wanderer fürchteten um ihre Sicherheit, wenn sich ihr Weg mit den Almen kreuzte, auf denen Kühe standen. War an dieser Forderung doch etwas dran? Wenn ein Bauer von seinen eigenen Kühen niedergetrampelt werden konnte, bestand womöglich für Urlauber auch eine Gefahr. Oder nicht?

Martin Burger rieb sich nachdenklich das Kinn. Ein solcher Angriff war ungewöhnlich. Steckte möglicherweise noch etwas anderes dahinter?

Vielleicht kann Vitus diese Frage beantworten, grübelte er. Dazu muste er allerdings erst einmal zu sich kommen.

Endlich tauchte der Rettungshubschrauber am wolkenverhangenen Himmel auf und landete auf der Wiese. Das Gras neigte sich im Luftzug der Rotoren.

Die Kühe ließen sich von dem Lärm nicht aus der Ruhe bringen. Sie wirkten so friedlich, dass schwer vorstellbar war, dass sie ihren Besitzer beinahe umgebracht hatten.

Was war hier nur passiert?

Zwei Sanitäter übernahmen den Patienten und hoben ihn vorsichtig auf eine Trage, die sie in den Helikopter brachten. Vera Obermayer stieg mit ein. Der Bergdoktor instruierte die Helfer über die Maßnahmen, die er ergriffen hatte.

Wenig später hob der Hubschrauber ab und flog zum Bezirkskrankenhaus nach Schwaz. Dort würde Vitus gründlich untersucht und vermutlich operiert werden.

Dr. Burger wandte sich um. Sein Geländewagen parkte am Rand der Wiese. Er stieg ein und atmete auf, als er aus dem Regen heraus war. Das Wasser rann ihm über die Jacke.

Zum Doktorhaus war es nur eine kurze Fahrt. Bald leuchtete ihm das Fensterbild entgegen, das eine Glasscheibe in der ersten Etage schmückte. Sein Sohn hatte es aus dem Kindergarten mitgebracht. Es zeigte eine Schnecke, die auf einem Gänseblümchen saß. Filli hatte es selbst gemalt. Im Spatzennest waren die Kinder aus dem Dorf nicht nur gut aufgehoben, sondern wurden auch nach Kräften gefördert. Es war ein Glück, dass es den Kindergarten gab.