Der Bergdoktor 1862 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1862 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Betroffen legt Dr. Burger den Hörer auf. Gerade hat er erfahren, dass Vincent und Melanie Freisinger, die er am Morgen mit ihrem schwer kranken Säugling in die Schwazer Klinik geschickt hat, nie dort angekommen sind. Was geht hier nur vor? Erkennen die Eltern nicht den Ernst der Situation? Oder ist ihnen unterwegs etwas zugestoßen?

Gemeinsam mit Gendarm Sirch trommelt der Bergdoktor rasch eine Suchmannschaft zusammen. Kurz darauf findet man den Wagen der Freisingers verlassen am Waldrand. Aber von den Eltern und ihrem kranken Baby keine Spur ...

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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Wald vermisst!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4438-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Im Wald vermisst!

Ganz St. Christoph sucht ein junges Liebespaar

Von Andreas Kufsteiner

Betroffen legt Dr. Burger den Hörer auf. Gerade hat er erfahren, dass Vincent und Melanie Freisinger, die er am Morgen mit ihrem schwer kranken Säugling in die Schwazer Klinik geschickt hat, nie dort angekommen sind. Was geht hier nur vor? Erkennen die Eltern nicht den Ernst der Situation? Oder ist ihnen unterwegs etwas zugestoßen?

Gemeinsam mit Gendarm Sirch trommelt der Bergdoktor rasch eine Suchmannschaft zusammen. Kurz darauf findet man den Wagen der Freisingers verlassen am Waldrand. Aber von den Eltern und ihrem kranken Baby keine Spur …

Oooh, mein Kopf! Melanie Freisinger rieb sich die Schläfen. Dahinter pochte es, als wären winzige Handwerker eingezogen und würden pausenlos ihre Hämmer schwingen. Ein Wunder war das freilich nicht nach den zahlreichen Nächten, in denen sie kaum Schlaf gefunden hatte.

Sacht wiegte sie ihr Baby in den Armen. Luis weinte, und nichts konnte ihn beruhigen. Kein Singen, kein Streicheln und auch kein Flehen. Was sollte sie nur tun?

Sie wusste sich keinen Rat mehr. Ihr Baby weinte so ausdauernd, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Seit Tagen hatte sie nicht mehr als eine halbe Stunde am Stück geschlafen. Sie fühlte sich ausgelaugt und konnte kaum noch klar denken vor Erschöpfung. Ganz zu schweigen davon, dass ihr eine Dusche guttun würde, sie sich jedoch nicht dazu aufraffen konnte. Ihre Glieder schienen bleischwer zu sein.

Nein, so hatte sie sich die ersten Monate als Mutter nicht vorgestellt. Anstrengend, natürlich, aber nicht so auszehrend, als würden alle Kräfte aus ihr herausgesaugt.

Sie fühlte sich wie eine leere Hülle.

Und ihre Wohnung erst! Ein einziges Durcheinander herrschte darin. Die schmutzige Wäsche häufte sich in und neben dem Wäschekorb. Das Geschirr holte Melanie direkt aus der Spülmaschine, weil sie keine Kraft zum Wegräumen fand. Auf dem Fußboden sammelten sich Flecken verschiedenster Art. Ihre Haare gehörten dringend wieder einmal geschnitten oder wenigstens gewaschen, denn sie ähnelten mittlerweile einem Vogelnest. Melanie hatte sie im Nacken zusammengebunden und schlichtweg vergessen. Und sie erinnerte sich auch nicht daran, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte.

Schlafen. Das war alles, was sie noch wollte.

Die Anstrengungen hatten dafür gesorgt, dass sie die letzten Schwangerschaftskilos bereits wieder verloren hatte. Ihr Spiegelbild zeigte ihr eine ausgezehrte Gestalt mit hohlen Wangen und einem stummen Flehen nach ein paar Stunden Erholung in den Augen.

Bis zur Entbindung hatte sie als Grafikerin gearbeitet. Sie entwarf Hochzeitseinladungen und andere Designs für eine Agentur. Darauf war sie spezialisiert, und sie war gut in ihrem Beruf. Das bewies die Urkunde, die über ihrem Schreibtisch an der Wand hing und bestätigte, dass sie den 1. Platz in einem landesweiten Wettbewerb junger Grafiker gewonnen hatte.

Nach der Geburt wollte sich Melanie ein Jahr Auszeit nehmen, aber hin und wieder private Aufträge übernehmen, um im Geschäft zu bleiben. So war zumindest ihr Plan gewesen, aber inzwischen konnte sie über ihre Naivität nicht einmal mehr den Kopf schütteln.

Sie kam selten dazu, ihren Computer einzuschalten und ihre E-Mails abzurufen. Ans Arbeiten war nicht zu denken. Sie war schon froh, wenn sie es einmal in der Woche zum Babyschwimmen schaffte. Wie bewältigten andere Mütter den Alltag mit ihrem Baby? Verfügten sie über irgendwelche Superkräfte, von denen Melanie nichts ahnte?

Luis weinte immer weiter. Melanie lief in ihrer Wohnung auf und ab und hoffte, ihr Baby würde sich davon beruhigen lassen. Doch weit gefehlt.

Vor den Fenstern regnete es in Strömen. Der Regen trommelte gegen die Scheiben der Glastür, die in den Garten führte. Vom Vordach tropfte es. Und hinter der Gartenhecke tanzten die Spitzen der bunten Regenschirme der Passanten auf und ab wie vorwitzige Vögel, die nach Nahrung pickten. Das Brausen des Nachmittagsverkehrs ging beinahe vollständig im Rauschen des Regens unter.

Melanies Zuhause befand sich im Erdgeschoss eines modernen Zweifamilienhauses am Rand von München. Während sie mit ihrem Mann und ihrem Baby die untere Etage bewohnte, lebten ihre Schwiegereltern im ersten Stock.

Melanie war auf dem Land aufgewachsen und für die Ausbildung nach München gezogen. Kurz vor ihrem Abschluss hatte sie Vincent kennengelernt und sich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Zwischen ihnen hatte es von Anfang an geknistert, und so hatte es nicht lange gedauert, bis sie fest miteinander gegangen waren.

Nach einem halben Jahr hatte Vincent sie gebeten, seine Frau zu werden, und Melanie hatte überglücklich Ja gesagt. Manche ihrer Freunde waren der Ansicht, dass sie mit Anfang zwanzig noch zu jung waren, um sich schon fürs ganze Leben zu binden, aber Melanie glaubte fest an ihr Glück. Sie liebte ihren Schatz und war davon überzeugt, dass sie eine genauso glückliche Ehe führen konnten wie ihre Eltern, die seit fünfundzwanzig Jahren miteinander glücklich waren.

Das Baby schrie auf ihren Armen. Sein Gesichtchen war hochrot, und dicke Tränen kullerten über seine Wangen und tropften von seiner Nasenspitze. Vor zwei Wochen war Luis erkältet gewesen. Der Infekt war inzwischen abgeklungen, trotzdem weinte er noch immer viel und mochte nicht trinken. Außerdem hatte er Durchfall. Auch jetzt entströmte seiner Windel ein durchdringender Geruch.

Melanie brachte ihn ins Kinderzimmer, das Vincent und sie liebevoll renoviert und in Hellgrün eingerichtet hatten. Sie befreite ihren Sohn von der Windel und schluckte, als sie die dünnflüssige Bescherung entdeckte. Sanft säuberte sie den Po ihres Babys und massierte seinen Bauch, weil sie einmal gelesen hatte, dass das bei Bauchweh helfen sollte. Sie summte ihm auch etwas vor. Das beruhigte ihn manchmal, aber an diesem Abend nutzte alles nichts.

Luis schrie sich die Seele aus dem Leib!

»Hör zu, ich kauf dir ein Auto, wenn du groß bist, wenn du mich jetzt nur eine Stunde schlafen lässt«, schlug sie ihm vor.

Ihr Sohn kniff die Augen zusammen und schluchzte weiter.

»Oder ein Motorrad für eine halbe Stunde Schlaf?«, machte sie noch einen Versuch.

Die Fäustchen ihres Babys ruderten durch die Luft wie bei einem Boxer. Das war wohl ein Nein.

Melanie unterdrückte ein Seufzen und hob ihren Sohn wieder auf den Arm. Anschließend setzte sie die Wanderung durch die Wohnung fort. Früher hatte sich nie vorstellen können, so müde zu sein.

So müde, dass sie beinahe im Gehen einschlief.

Endlich beruhigte sich ihr Sohn.

Wie ein Automat marschierte sie weiter, weil sie befürchtete, er würde wieder schreien, sobald sie ihn ablegte.

Irgendwann hörte sie einen Schlüssel im Türschloss klirren. Vincent? Erleichtert lenkte sie ihre Schritte in den Flur, aber es war nicht ihr Mann, der hereinkam, sondern Eva Freisinger, ihre Schwiegermutter. Die Mittfünfzigerin wirkte in ihrer modisch taillierten Bluse, der Jeans und mit den rötlichen schulterlangen Haaren jünger, als Melanie sich fühlte.

Ein mitfühlendes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie Melanie nun ansah.

»Schläft der Kleine endlich?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme.

»Net wirklich, aber wenigstens weint er nimmer.«

»Ja, ich hab ihn oben gehört. Er hat kräftige Lungen.«

»Und leider auch immer noch Durchfall. Vermutlich weint er, weil ihm der Bauch wehtut.«

»Hast du versucht, ihn zu massieren, wie ich es dir gezeigt habe?«

»Natürlich, aber das hat leider net geholfen.« Melanie hörte, wie ihr Baby leise wimmerte, und lief weiter.

Ihre Schwiegermutter folgte ihr in die Küche und stellte einen Korb auf der Anrichte ab.

»Ich hab Apfeltaschen gebacken und welche für euch mitgemacht.« Eva Freisingers Blick streifte das überquellende Spülbecken, die Flecken auf den Fliesen und den Herd, auf dem undefinierbare Speisereste angebacken waren. »Lass mich hier aufräumen, ja?«

Melanie schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist meine Aufgabe.«

»Aber du hast alle Hände voll zu tun. Und das hier … das ist kein Zustand. Früher oder später werdet ihr die ersten Mäuse anlocken. Willst du es wirklich so weit kommen lassen?«

»Natürlich net. Ich bekomme das schon hin«, beharrte Melanie. Sie war einverstanden gewesen, mit ihren Schwiegereltern unter einem Dach zu wohnen, aber nur unter der Bedingung, dass sie ihren eigenen Haushalt führen würden und niemand ihnen hineinredete. Nur so, davon war sie überzeugt, war ein harmonisches Miteinander möglich.

»Lass mich wenigstens eine Putzfrau bezahlen, die einmal die Woche herkommt und für Ordnung sorgt«, schlug ihre Schwiegermutter vor. Doch auch das wollte Melanie nicht. Für ihre Weigerung erntete sie ein halb verständnisvolles, halb resignierendes Seufzen. »Du bist ein Dickkopf wie mein Sohn.«

»Wahrscheinlich passen wir deswegen so gut zusammen.« Ein Lächeln flog über Melanies Gesicht.

»Ihr seid sehr jung Eltern geworden. Das ist net immer leicht. Sag mir bitte, wenn ich euch helfen kann, ja?«

Melanie nickte und grub die Zähne in die Unterlippe. Sie wusste, dass ihre Familien bezweifelten, dass Vincent und sie zusammenbleiben würden. Manche sprachen es offen aus, andere deuteten es nur an. Doch kaum jemand gab ihrer Ehe auf Dauer eine Chance. Nicht einmal ihre Schwiegermutter.

»Ich muss los. Mein Abendkurs fängt in einer Stunde an.« Eva Freisinger umarmte sie und war wenig später schon wieder aus der Tür. Sie unterrichtete mehrmals in der Woche an einer Abendschule Französisch und Englisch und war ständig beschäftigt. Manchmal fragte sich Melanie, woher ihre Schwiegermutter die Energie nahm.

Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Bei schönem Wetter könnte sie sich mit ihrem Baby in den Garten setzen. Luis war gern draußen und gluckste fröhlich, wenn er einen Schmetterling entdeckte, aber daran war an diesem Abend nicht einmal zu denken. Draußen schüttete es nicht etwa wie aus Eimern, sondern wie aus Fässern.

Sie legte ihr Baby in die Wiege und schaukelte es sacht. Dabei hörte sie im Hintergrund das Brummen ihres Mobiltelefons. Sie hatte es lautlos gestellt, damit es ihren Sohn nicht beim Schlafen störte, falls es klingelte.

Nicht, dass er jemals schlafen würde.

Sie ging in den Flur und nahm das Telefon zur Hand. Sie hatte eine Kurzmitteilung von ihrem Mann erhalten.

Muss noch zu einem Einsatz. Verspäte mich leider. Liebe euch zwei, Vincent.

Melanie unterdrückte ein Seufzen. Die leise Hoffnung, ihr Mann würde ihr die Sorge um Luis für eine Stunde abnehmen, schmolz wie Schnee in der Frühlingssonne. Sie hatte gehofft, sich für eine kleine Weile hinlegen zu können, aber daraus würde offenbar vorerst nichts werden.

Nebenan begann Luis wieder zu weinen. Anscheinend gefiel es ihm gar nicht, allein herumzuliegen.

Melanie überlegte, ob sie ihn weinen lassen sollte, wie es in manchen Internet-Foren empfohlen wurde. Bloß nicht immer gleich zum Kind eilen, wenn es weint. Es ruhig weinen lassen, wurde dort geraten.

Doch das brachte sie nichts übers Herz. Sie ging zu ihrem Sohn, hob ihn auf den Arm und wiegte ihn. Etwas stimmte nicht mit ihm, das spürte sie bis in jede Faser ihres Herzens hinein. Der Kinderarzt hatte ihre Sorgen abgetan und von Koliken gesprochen, die in seinem Alter ganz normal waren, aber Melanie glaubte, dass mehr dahintersteckte.

Beschützend drückte sie ihr Baby an sich. Wenn sie nur wüsste, was Luis fehlte!

***

»Wo bleiben Sie denn?« Ungeduldig tippte der Mittvierziger auf seine Armbanduhr. »Wissen Sie, wie lange ich schon auf Sie warte?«

Vincent widerstand dem Impuls, eine unwirsche Antwort zu geben. Er hatte seit über zwei Stunden Feierabend. Er war müde, hungrig und durchnässt. Den neuen Auftrag hatte er nur aus einem einzigen Grund übernommen: weil kein anderer Kollege greifbar gewesen war und das Pannenfahrzeug nicht noch länger im Regen stehen sollte. Hätte er allerdings gewusst, wie unfreundlich er begrüßt werden würde …

Dann wäre ich trotzdem gekommen, dachte er und zog seine Kapuze tiefer in die Stirn.

Regen tropfte vom Rand auf seine Wangen herab. Als ob es noch darauf ankam. Nass war er schon längst. Immerhin war er seit Stunden im Einsatz, fuhr umher und half liegen gebliebenen Autofahrern. Das war sein Job. Auf seiner Jacke leuchteten mehrere Reflektoren rings um den Schriftzug des Pannenservice, bei dem er seit drei Jahren angestellt war.

Autos waren schon immer Vincents Leben gewesen. Bereits als Bub hatte er am Wagen seines Vaters herumgebastelt, und so war es nur natürlich gewesen, eine Lehre als Mechatroniker zu machen. Als der Pannendienst Verstärkung gesucht hatte, hatte er zugegriffen. Die Arbeit versprach Abwechslung und täglich neue Herausforderungen. Immerhin musste er jedes Mal aufs Neue tüfteln, weshalb ein Wagen nicht mehr fuhr und was sich dagegen tun ließ.

»Grüß Gott«, sagte er freundlich. »Mein Name ist Freisinger. Was kann ich für Sie tun?«

»Meinen Wagen können Sie wieder flottmachen«, grummelte sein Gegenüber. »Ich stehe mir hier seit einer geschlagenen Stunde die Beine in den Bauch.«

Vincent gestattete sich ein Stirnrunzeln. Der Anruf in der Leitstelle war vor einer Dreiviertelstunde eingegangen. Die dunkelblaue Limousine war an der Autobahn in Richtung Salzburg liegen geblieben. Er überprüfte das Münchner Kennzeichen am Wagen mit der Nummer auf seiner Liste. Alles passte.

»Sind Sie Herr Stadler?«

»Wer sollte ich wohl sonst sein? Immerhin ist das hier mein Auto. Und jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich endlich darum kümmern könnten, dass es wieder fährt. Ich habe nachher noch ein wichtiges Meeting!«

Tatsächlich trug der Kunde einen dunklen Businessanzug und Lederschuhe, die vermutlich mehr gekostet hatten als Vincents gesamte Garderobe. Eine Brille mit dunklem Rahmen zierte sein kantiges Gesicht. Dahinter blitzten braune Augen vorwurfsvoll.

Die Limousine stand mit blinkenden Warnlichtern auf dem Standstreifen, während der Verkehr vorüberbrauste. Vincents Pannenhilfefahrzeug stand mit eingeschalteten Signalleuchten dahinter.

Der Regen trommelte auf das Dach, und die Reifen der vorbeirauschenden Fahrzeuge sprühten Schwaden auf. Vincent sehnte sich nach einem langen, heißen Bad, aber daran war vorerst nicht zu denken. Das feucht-kalte Wetter hatte seine Kollegen reihenweise mit fiebrigen Infekten ans Bett gefesselt, und so musste der Rest deren Arbeit mit erledigen. Die Liste mit seinen Überstunden war mittlerweile umfangreicher als das Telefonbuch von Peking, aber was sollte er machen?

»Gehen Sie bitte hinter die Leitplanke, Herr Stadler«, wies Vincent den Mann an.

»Wieso denn?«

»Weil es sicherer ist. Es wäre net das erste Mal, dass ein LKW von der Fahrbahn abkommt und auf den Seitenstreifen gerät.«

»Sie meinen, weil der Fahrer hinter dem Steuer einschläft.«

»Aus welchem Grund auch immer. Bitte, gehen Sie einfach hinter die Planke.«

»Das werde ich bestimmt net tun.« Der Unternehmer schob das Kinn vor. »Das ist mein Wagen, net irgendeine Firmenkutsche. Da lasse ich net jeden ran. Schon gar net unbeobachtet.«

»Wie Sie meinen. Was ist kurz vor Ihrer Panne vorgefallen?«

»Der Motor ist ausgegangen. Während der Fahrt. Einfach so.« Sein Gegenüber sah ihn so entrüstet an, als wäre Vincent für das Versagen des Wagens verantwortlich. »Und jetzt macht er seltsame Geräusche.«

»Kann ich diese Geräusche bitte mal hören?«

»Sicher.« Herr Stadler setzte sich hinter das Lenkrad und startete den Motor. Zumindest versuchte er es. Der Anlasser drehte, aber der Wagen sprang nicht an.

»Ich muss einen Blick auf das Armaturenbrett werfen.«