Der Bergdoktor 1866 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1866 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Eigentlich ist Eva Buchbinder eine junge Frau mit Prinzipien. Doch bei Simon Kirchleitner, einem charmanten Urlauber aus Wien, ist sie schwach geworden. Ein Jahr ist es jetzt her, seit sie sich heimlich mit ihm getroffen hat. Nur zu bereitwillig hat sie ihm damals geglaubt, dass seine Ehe längst gescheitert sei und die Scheidung eine reine Formsache.

Gehört hat sie nach seiner Abreise nie wieder etwas von ihm - geblieben ist ihr ein kleiner Bub, der inzwischen drei Monate alt ist. Tobias ist ihr Sonnenschein, ihre Kraftquelle. Ihm darf nichts zustoßen! Doch trotz aller Vorsicht übersieht Eva, dass die Haut ihres Babys gefährlich blau ist ...

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Sobald die Bäume Blüten tragen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4589-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Sobald die Bäume Blüten tragen

Dr. Burger und ein schicksalhaftes Wiedersehen

Von Andreas Kufsteiner

Eigentlich ist Eva Buchbinder eine junge Frau mit Prinzipien. Doch bei Simon Kirchleitner, einem charmanten Urlauber aus Wien, ist sie schwach geworden. Ein Jahr ist es jetzt her, seit sie sich heimlich mit ihm getroffen hat. Nur zu bereitwillig hat sie ihm damals geglaubt, dass seine Ehe längst gescheitert sei und die Scheidung eine reine Formsache.

Gehört hat sie nach seiner Abreise nie wieder etwas von ihm – geblieben ist ihr ein kleiner Bub, der inzwischen drei Monate alt ist. Tobias ist ihr Sonnenschein, ihre Kraftquelle. Ihm darf nichts zustoßen! Doch trotz aller Vorsicht übersieht Eva, dass die Haut ihres Babys gefährlich blau ist …

»Du, Eva, die Köhlers aus Stuttgart sind ganz begeistert von deinen Buchteln mit Vanillesoße. Sie schwärmen in den höchsten Tönen. Und Frau Köhler lässt nun fragen, ob du ihr vielleicht das Rezept geben könntest.« Marlis lächelte ihrer Schwägerin vielsagend zu. »Scheint so, als hättest da zwei weitere Mitglieder für deinen Fanclub gewonnen.«

Eva Buchbinder lachte, während sie beherzt in einem Topf rührte.

»Ich red später mit ihr. Jetzt hab ich wirklich keine Zeit, bei den vielen Bestellungen, die du mir reingibst.«

»Die Leut’ bringen halt einen gesunden Appetit von ihren Bergwanderungen mit. Bei dem herrlichen Wetter …«

»Erzähl mir mal, wie es draußen ausschaut. Vor lauter Arbeit komm ich in der Saison ja net vor die Tür«, seufzte die junge Köchin in komischer Verzweiflung.

In diesem Moment erschien Evas Bruder Florian. Er bedachte seine junge Frau Marlis mit einem strengen Blick.

»Du mutest dir schon wieder zu viel zu«, hielt er ihr vor. »Mach mal eine Pause und leg die Beine hoch. Du weißt, was der Bergdoktor gesagt hat. In deinem Zustand …«

»Ja, ja, schon gut!«

Die dunkelhaarige Marlis mit den nussbraunen Augen war sehr temperamentvoll. Florian nannte sie liebevoll »mein kleiner Feuerkopf«. Er wusste mit ihrem manchmal aufbrausenden Wesen umzugehen, denn er war ein ruhiger und besonnener Charakter. Seit sie aber in der Hoffnung stand, achtete er darauf, dass ihre Unvernunft nicht die Oberhand gewann. Dr. Burger hatte nämlich festgestellt, dass Marlis zur Fehlgeburt neigte und sich deshalb schonen musste. Und das schmeckte der fleißigen jungen Frau so ganz und gar nicht.

»Der Speisesaal ist voller Gäste, und ich bin gar net müd’«, hielt sie ihrer besseren Hälfte entgegen. Sie wollte sich an Florian vorbeidrängen, als sie ein leichter Schwindel erfasste und taumeln ließ.

Sofort war der junge Mann bei ihr, legte fürsorglich einen Arm um ihre Schultern und bestimmte: »Du ruhst dich jetzt aus. Wozu haben wir denn die Saisonkräfte eingestellt?« Ohne auf den weiteren Protest seiner Frau zu achten, bugsierte Florian sie aus der Küche.

Eva schaute den beiden lächelnd nach, dann widmete sie sich wieder ihren Töpfen und Pfannen.

Sie dachte an die Zeit, als sie selbst in der Hoffnung gestanden und sich auch nicht immer ganz fit gefühlt hatte. Das war noch gar nicht lange her, denn ihr kleiner Sohn Tobias war eben erst ein Vierteljahr alt. In dieser für sie recht schwierigen Zeit hatte ihr keiner so liebevoll zur Seite gestanden, wie Florian das jetzt bei Marlis tat. Freilich, ihre Familie war da gewesen, die Eltern vor allem, aber das war nicht dasselbe. Denn der Kindsvater war nicht bei ihr gewesen, er wusste noch nicht einmal etwas von seinem Glück …

Gut eine Stunde später war das Mittagessen im Berghof serviert, und Eva konnte eine Pause einlegen. Sie verließ die Küche. Bevor sie jedoch die privaten Räume betrat, die der Familie Buchbinder vorbehalten waren, ließ sie ihren Blick schweifen.

Hinter dem Haus gab es eine Aussichtsterrasse, von der aus man die ganze Umgebung überschauen konnte. Der Berghof befand sich auf halber Höhe des Hexensteins und war bis vor zwanzig Jahren noch landwirtschaftlich genutzt worden.

Anita und Franz Buchbinder, Evas Eltern, hatten damals vor einer schwierigen Entscheidung gestanden: Den Hof, der unrentabel geworden war, verkaufen und im Tal von St. Christoph etwas Neues mit mehr Land erwerben oder das Anwesen, das seit Generationen im Familienbesitz war, einem neuen Zweck zuführen?

Die Buchbinders hatten sich für Letzteres entschieden. Freilich war dies ein großes Wagnis gewesen, das die gesamte Existenz betroffen hatte. Mit zwei kleinen Kindern und einer Handvoll Helfern hatten sie losgelegt, waren sozusagen ins kalte Wasser gesprungen. Die herrliche Umgebung des Zillertals und die Tatsache, dass es in St. Christoph außer dem Gasthof »Zum Ochsen« nur noch einen Konkurrenten, nämlich das Berghotel, gab, waren ihnen zugutegekommen.

Fleißig und geschickt wie die Buchbinders waren, hatten sie in den letzten beiden Jahrzehnten einen soliden Betrieb mit vielen Stammgästen aufgebaut. Aber auch das Tagesgeschäft mit Wanderern und Bergsteigern war in den Sommermonaten nicht zu verachten. In der kalten Jahreszeit kamen dann die Wintersportfreunde, um den Betrieb rund ums Jahr rentabel zu halten.

Eva blickte hinüber zum Feldkopf, dem höchsten Berg hier in der Gegend. Eine Kabinenbahn führte zu seiner Spitze. Unterhalb des Hexensteins erstreckte sich der Krähenwald. Dann folgten Frauenhorn, Achenkegel, Rautenstein und Beerenhalde. Sechs Gipfel umstanden St. Christoph im Tal nämlich wie steinerne Wächter. Jetzt, Anfang Mai, grünte und blühte es überall.

Der Himmel war tiefblau, die Sonne schien warm auf Evas Haut. Hier heroben wehte stets ein leichtes Lüftchen, das sehr frisch, würzig und angenehm war. Die Häuser von St. Christoph wirkten klein wie Spielzeuge. Inmitten des Dorfes erhob sich die weiße Kirche mit dem Zwiebelturm. Der goldene Wetterhahn drehte sich träge im Wind, die Sonne schickte immer wieder blitzende Reflexe auf das Metall.

Eine einzige Serpentinenstraße führte ins Dorf, das sehr abgeschieden und idyllisch lag. Folgte man ihr, erreichte man kleinere Weiler wie Hochbrunn oder Bergfelden. Es war eine Gegend, in der die Uhren tatsächlich noch anders gingen. Hektik und Stress schienen hier Fremdwörter zu sein. Die Menschen lebten in und mit der Natur und waren sehr heimatverbunden.

Auch Eva konnte sich nicht vorstellen, woanders zu leben. Sie erinnerte sich gern an ihre Kindheit zurück. Obwohl die Eltern immer sehr viel zu tun gehabt hatten, waren sie für ihre Kinder da gewesen. Das Familienleben im Hause Buchbinder war stets harmonisch, Anita und Franz verständnisvoll und geduldig. Eva und Florian hatten sich wohl und geborgen gefühlt und es war für sie selbstverständlich gewesen, in den elterlichen Betrieb einzusteigen, als sie alt genug gewesen waren.

Nun leitete Eva als gelernte Köchin Küche und Service, ihr Bruder war zusammen mit seiner Frau Marlis für die Gästezimmer, Reservierungen und alles, was damit zusammenhing, zuständig. Das hieß aber nicht, dass die beiden nicht auch mal bedienten, wenn viel los war. Der Berghof war eben ein Familienbetrieb.

Anita und Franz Buchbinder konnten etwas kürzertreten, was sie zu schätzen wussten. Anita kümmerte sich gern um den kleinen Tobias. Ihr Mann litt bereits seit einer Weile unter Herzrhythmusstörungen und musste sich deshalb schonen.

Dr. Burger, der Landarzt von St. Christoph, den alle nur »Bergdoktor« nannten, sprach von einem Herzschrittmacher, aber noch konnte der Berghofwirt sich nicht so recht mit dieser Vorstellung anfreunden. Der stets aktive Bergsteiger hatte wohl das Gefühl, zum alten Eisen zu gehören, wenn sein Herz »Hilfe beim Schlagen« brauchte, wie er das ausdrückte.

Anita unterstützte allerdings Dr. Burger, denn sie war immer auf der Seite der Vernunft. Und es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Evas Vater sich in das Unabänderliche fügte.

Ein durchdringendes Babyschreien riss die junge Frau aus ihren Gedanken. Ihr hübsches Gesicht mit den tiefblauen Augen nahm einen weichen Ausdruck an. Tobias, ihr kleiner Schatz! Er war das Kind ihrer großen Liebe, für sie das Schönste auf der Welt.

Rasch verließ sie die Aussichtsterrasse und betrat das Haus.

Anita trug den kleinen Buben auf dem Arm, als ihre Tochter erschien. Die Berghofwirtin war eine schlanke Blondine, die wie Evas ältere Schwester wirkte.

»Ich wollte ihm eben sein Flascherl geben«, erklärte sie. »Bist schon dazu gekommen, was zu essen?«

»Leider nein«, seufzte Eva und drückte dem Baby ein Busserl aufs weiche Haar. »Du weißt doch, wie das ist, Mama. Die Köchin isst immer zuletzt, Hauptsache, die Gäste sind zufrieden.«

Anita lachte und setzte sich in der Küche auf die Eckbank, um Tobias zu füttern. Eva nahm sich ihr Mittagessen aus dem Ofen, wo die Mutter es stets für sie warmstellte, wenn besonders viel zu tun war, wie an diesem sonnigen Frühlingstag.

Während die junge Köchin es sich schmecken ließ, schaute sie zu, wie ihre Mutter den kleinen Tobias fütterte. Dabei kehrten ihre Gedanken unwillkürlich zu Tobias’ Vater zurück.

Simon Kirchleitner war Architekt aus Wien und hatte im letzten Jahr seinen Urlaub in St. Christoph verbracht. Es hatte gleich geknistert zwischen dem feschen jungen Mann und Eva. Sonst war es nicht ihre Art, sich auf einen Flirt mit einem Gast einzulassen. Eva hatte feste Prinzipien und war selbstbewusst. Was sie nicht wollte, kam nicht infrage.

Doch mit Simon war eben alles anders gewesen. Sie hatte sich Hals über Kopf verliebt, und bald hatten sie von einer gemeinsamen Zukunft gesprochen. Simon lebte in Scheidung, die Trennung von seiner Frau war längst vollzogen, wie er ihr erzählt hatte, das Scheidungsurteil nur eine Formsache. Doch natürlich gab es noch vieles für ihn zu regeln, bevor sie beide ein gemeinsames Leben beginnen konnten.

Er hatte ihr versprochen, binnen Jahresfrist nach St. Christoph zurückzukehren.

»Sobald die Bäume Blüten tragen, bin ich wieder bei dir.« So hatte er es ausgedrückt.

Dieser Satz hatte sich in Evas Gedächtnis eingebrannt. Und nun wartete sie auf seine Rückkehr und den Beginn ihres gemeinsamen Lebens.

»Der Lukas war eben hier und hat nach dir gefragt«, sagte Anita in die Gedanken ihrer Tochter hinein. »Er würde gern heut Abend mit dir und dem Kleinen ein bisserl spazieren gehen.«

Lukas Eisenrieder war der Jungbauer auf dem Nachbarhof und Evas bester Freund. Sie hatten schon zusammen im Sandkasten gespielt und sich immer wunderbar verstanden. Anita wusste, dass Lukas ihre Tochter von Herzen lieb hatte und gerne vom Fleck weg geheiratet hätte. Auch den kleinen Tobias hatte der ehrliche Bursche mit dem goldenen Herzen gern. Doch Eva sah in ihm nur den Freund aus Kindertagen und lachte, wenn er romantisch wurde.

»Von mir aus gern, nach der vielen Kocherei brauch ich immer frische Luft«, stimmte sie gedankenlos zu.

Die Mutter maß sie mit einem nachdenklichen Blick, der Eva nicht entging. Doch sie schwieg, den sie wusste eh, was kam.

»Du weißt schon, dass der Lukas dir gut ist«, mahnte sie.

»Freilich, Mama«, stöhnte die junge Frau und verdrehte die Augen. »Ein jeder hier auf dem Berghof schmiert mir das ja ständig aufs Brot.«

»Und, magst du net einmal darüber nachdenken?«

»Mama, bitte! Der Simon wird bald zurückkehren. Was meinst du, wie der sich freut, wenn er unseren kleinen Schatz sieht. Er ist der Mann, den ich lieb hab und mit dem ich leben will. Akzeptier das doch endlich.«

»Ich würde es gern akzeptieren, wenn ich nur daran glauben könnte. Aber das fällt mir doch arg schwer.«

»Was habt ihr nur alle gegen den Simon? Er muss sich hinter dem Lukas gewiss net verstecken!«, fuhr Eva ärgerlich auf.

»Mag sein. Ich finde es nur seltsam, dass er sich im vergangenen Jahr kein einziges Mal bei dir gemeldet hat. Und dass eine Scheidung so lange dauert, kommt mir komisch vor.«

»Seine Frau möchte ihm möglichst viel Geld abnehmen, deshalb darf er net in den Verdacht kommen, eine andere zu haben. Dann schlägt sie nämlich voll zu. Außerdem muss er ja noch seine Firma auflösen und die gemeinsame Wohnung. Alles muss aufgeteilt werden, mei, das ist eine Heidenarbeit. Aber jetzt dauert es nimmer lang, dann kommt er her.«

»Glaubst du das wirklich?«

»Ja, das glaube ich!« Eva nickte nachdrücklich. »Und deshalb braucht der Lukas sich keine falschen Hoffnungen zu machen. Ich weiß, zu wem ich gehör. Ich steh unverbrüchlich zum Simon!«

***

Lukas Eisenrieder war derweil damit beschäftigt, die Kühe auf eine der Hochalmen zu treiben, wo sie den kommenden Sommer verbringen sollten.

Der hochgewachsene, sportliche Bursche mit dem dichten, dunklen Haar und den klugen grauen Augen war Bergbauer mit Leib und Seele. Schon als kleiner Bub hatte er sich von seinem Vater alles abgeschaut, was wichtig war. Und sein Berufswunsch hatte festgestanden, noch bevor er zur Schule gekommen war.

Die Eisenrieders verfügten über doppelt so viel Land wie ihre Nachbarn. Besonders die Hochalmen waren fruchtbar und artenreich. Die Almkühe gaben eine sehr würzige Milch, die Maria Eisenrieder zu gefragten Käsespezialitäten verarbeitete.

In früheren Zeiten hatte diese Arbeit ein Senn erledigt, heutzutage war dies Familienarbeit. Lukas und seine Eltern stellten im Sommer zwar ein paar Saisonkräfte ein, übers Jahr mussten sie aber die ganze Arbeit, die auf dem Hof anfiel, allein bewältigen.

So blieb dem Jungbauern nur der Winter, um seinem Hobby, dem Herrgottsschnitzen, zu frönen. Diese Kunstfertigkeit hatte der Altbauer seinem Sohn einst beigebracht. Für Sepp Eisenrieder war das Schnitzen immer nur eine Freizeitbeschäftigung gewesen, die er wiederum von seinem Vater gelernt hatte.

Früher hatten die begabtesten Schnitzer nicht nur die Kapellen und Kirchen in der Gegend mit Heiligenfiguren bestückt. Einige waren zu gefragten Künstlern geworden und hatten den Bauernberuf an den Nagel gehängt.

Sepp Eisenrieder fehlte hierfür das Talent. Sein Sohn hingegen hatte es beim Schnitzen bereits zu einer gewissen Meisterschaft gebracht.

Einige von Lukas’ Figuren zierten Hausnischen und Heiligenwinkel auf Höfen der Umgebung. Und vor einer Weile hatte ein Galerist aus München, der in St. Christoph seinen Urlaub auf dem Berghof verbracht hatte, Interesse angemeldet. Doch Lukas dachte nicht daran, sein Talent zu vermarkten. Er war und blieb in erster Linie Bauer. Das Schnitzen betrachtete der bescheidene Bursche lediglich als Hobby.

Während Lukas zusammen mit seinem Hütehund die Kühe auf die Hochalm trieb, dachte er wieder einmal an Eva.

Sein Leben lang kannte er sie nun. Und immer hatte er sie gerngehabt. Schon als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen. Mit Unbehagen dachte er an die Zeit, als Eva ihre Ausbildung in Mayrhofen gemacht hatte und nur am Wochenende heimgekommen war. Einzig die Gewissheit, dass sie nebenan war, sozusagen zum Greifen nah, machte Lukas glücklich und zufrieden.

Als Eva sich im vergangenen Jahr in einen Gast verliebt hatte und schwanger geworden war, hatte Lukas befürchtet, er würde sie verlieren. Tagelang hatte er zwischen Hoffen und Bangen geschwankt, bis abzusehen war, dass der andere nicht bleiben und Eva auch nicht mit sich nehmen würde.

Lukas erinnerte sich noch gut an seine grenzenlose Erleichterung. Dass Eva sich entschloss, das Kind zu bekommen und allein aufzuziehen, nötigte ihm großen Respekt ab. Und zugleich war es für ihn selbstverständlich gewesen, für Eva da zu sein, sie zu unterstützen, ihr der gute Freund zu bleiben, der er immer gewesen war.