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Völlig unerwartet lädt Tante Henny ihre Nichte Marlies zu einem Kurzurlaub ins wunderschöne Zillertal ein. Da ihr Freund Hannes gerade zu einem Wochenendtrip mit Freunden aufgebrochen ist, steht der Reise nichts im Wege. Zwar quälen die junge Frau seit Wochen stechende Schmerzen in den Gliedern und Gelenken, aber die Hausärztin konnte ihr bisher nicht helfen und hat zu Entspannung geraten. Und nicht nur die findet Marlies in dem malerischen St. Christoph, sondern auch endlich einen Arzt, der ihre Beschwerden ernst nimmt: Dr. Martin Burger.
Die Blutuntersuchung weist auf Borreliose hin, und der Bergdoktor hofft, die Urlauberin durch eine Behandlung mit Antibiotika von ihren Schmerzen befreien zu können. Sie soll in seiner Praxis zwei Wochen lang täglich eine Infusion bekommen, aber am dritten Tag wartet Dr. Burger vergebens auf sie. Marlies ist spurlos verschwunden. Es beginnt eine fieberhafte Suche nach der jungen Frau ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
… und plötzlich war da wieder Hoffnung
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4666-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
… und plötzlich war da wieder Hoffnung
Im Doktorhaus von St. Christoph findet ein Madel endlich Hilfe
Von Andreas Kufsteiner
Völlig unerwartet lädt Tante Henny ihre Nichte Marlies zu einem Kurzurlaub ins wunderschöne Zillertal ein. Da ihr Freund Hannes gerade zu einem Wochenendtrip mit Freunden aufgebrochen ist, steht der Reise nichts im Wege. Zwar quälen die junge Frau seit Wochen stechende Schmerzen in den Gliedern und Gelenken, aber die Hausärztin konnte ihr bisher nicht helfen und hat zu Entspannung geraten. Und nicht nur die findet Marlies in dem malerischen St. Christoph, sondern auch endlich einen Arzt, der ihre Beschwerden ernst nimmt: Dr. Martin Burger.
Die Blutuntersuchung weist auf Borreliose hin, und der Bergdoktor hofft, die Urlauberin durch eine Behandlung mit Antibiotika von ihren Schmerzen befreien zu können. Sie soll in seiner Praxis zwei Wochen lang täglich eine Infusion bekommen, aber am dritten Tag wartet Dr. Burger vergebens auf sie. Marlies ist spurlos verschwunden. Es beginnt eine fieberhafte Suche nach der jungen Frau …
Endlich Frühling!
Ein Stoßseufzer entfuhr Martin Burger. Der Winter war in diesem Jahr lang und voller Herausforderungen gewesen. Wochenlang hatten heftige Schneefälle den Verkehr im Zillertal beinahe lahmgelegt. Sein Heimatdorf war mehrmals von der Außenwelt abgeschnitten gewesen, weil Schneeverwehungen und umgestürzte Bäume die einzige Straße herauf unpassierbar gemacht hatten.
Im April waren die Temperaturen endlich gestiegen, und nun, Anfang Mai, streute der Frühling seine Blüten über das Zillertal. Das Weiß wich in die höheren Regionen zurück, und zartes Grün breitete sich aus. Die ersten Kühe wurden auf die Weiden gelassen, und die Luft war süß und mild wie der Kuss eines bezaubernden Madels.
An diesem Tag hatte der Bergdoktor in seiner Praxis alle Hände voll zu tun gehabt. Jetzt, spät am Abend, beschäftigte ihn der Fall einer jungen Patientin noch immer. Sie litt unter starken Schmerzen, die in ihrem Körper zu wandern schienen und sich nirgendwo festmachen ließen. Sie hatte bereits eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, aber bisher hatte noch niemand den Grund für ihre Beschwerden herausgefunden.
Sie verzweifelte allmählich! Dr. Burger wollte ihr helfen, doch dafür musste er erst einmal herausfinden, was ihr fehlte. Und genau das war auch sein Vorhaben. Er hatte sich mit einem Fachbuch in sein Arbeitszimmer gesetzt und blätterte nun suchend im Schein der Tischlampe darin.
Durch das offene Fenster wehte der milde Abendwind herein und blähte die Gardinen auf. Die Mondsichel stand über dem Dorf und tauchte es in silbriges Licht. Das Doktorhaus stand am Waldrand, und so hörte man von Zeit zu Zeit ein Käuzchen rufen und den Wind durch die Baumwipfel streichen.
Zu Füßen des Arztes hatte sich sein Dackel zusammengerollt. Den Kopf auf die Pfoten gebettet, war von ihm nur ein regelmäßiges Schnaufen zu hören. Erst als leichte Schritte im Korridor erklangen, hob Poldi den Kopf und blickte interessiert zur Tür.
Tessa spähte herein. Mit ihren acht Jahren war sie das älteste seiner drei Kinder. Ihre dunklen Locken waren zu Zöpfen gebunden. Sie hatte ein rosa und weiß getupftes Nachthemd an und sollte eigentlich längst schlafen. Doch irgendetwas schien ihr die Ruhe zu rauben, denn sie schnüffelte hörbar, und ihre Augen schwammen in Tränen.
»Warum bist du denn net im Bett, Schneckerl?« Martin Burger schob sein Buch zur Seite und breitete die Arme aus. Daraufhin wirbelte seine Tochter herbei und kletterte auf seinen Schoß.
»Hab schlecht geträumt«, schniefte sie.
»Magst du mir erzählen, wovon du geträumt hast?«
»Von morgen.«
»Ah, von dem Test im Rechnen?«
»Hm-m. Ich musste nachsitzen, weil ich keine einzige Antwort wusste. Und meine Freunde haben um mich herumgestanden und mich ausgelacht. So laut, dass ich davon aufgewacht bin.« Ihre Lippen zitterten. »Es war schrecklich.«
»Deine Freunde werden dich bestimmt net auslachen, Tessa. Und du wirst auch net nachsitzen müssen. Du hast nämlich den ganzen Nachmittag geübt und kannst die Aufgaben.« Er drückte sie an sich. »Du wirst die Arbeit meistern, daran zweifle ich net.«
»Und wenn net?«
»Dann üben wir eben weiter. Alles wird gut. Komm, wir pusten den bösen Traum fort. Dann kann er dir nichts mehr anhaben.« Er holte tief Luft und blies sacht gegen ihre Stirn. »Siehst du? Jetzt fliegt er aus dem Fenster davon.«
Tessa stieß den Atem aus, und ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Ganz weit weg?«
»Ganz weit weg«, versicherte er.
»Das ist gut.« Sie nickte bedächtig. Dann deutete sie auf das Buch auf seinem Schreibtisch. »Was liest du da, Papa?«
»Ein Buch über Schmerzerkrankungen. Ich habe eine Patientin mit rätselhaften Symptomen, und ich versuche herauszufinden, woher sie kommen.«
»Kannst du ihr helfen, Papa?«
»Das weiß ich noch net.« Bedächtig wiegte er den Kopf hin und her. Er dachte an die Verzweiflung in den Augen der Zweiundzwanzigjährigen. Sie hatte starke Schmerzen und kaum noch Hoffnung, dass diese jemals wieder verschwinden würden. Unter Tränen hatte sie ihm geschildert, wie alles begonnen hatte. In ihrer Heimatstadt München war das gewesen …
***
Simulantin!
Marlies sah der Ärztin so deutlich an, was sie dachte, als wäre es mit Leuchtbuchstaben auf ihre Stirn geschrieben. Sie schluckte, weil ihre Kehle mit einem Mal wie zugeschnürt war. Seit einigen Wochen wurde sie von starken Schmerzen gepeinigt, und ihre Hausärztin schien ebenso ratlos zu sein wie sie selbst. Es war zum Verzweifeln!
»Also schön.« Die Ärztin stieß einen tiefen Atemzug aus. »Schildern Sie mir noch einmal genau, wo der Schmerz sitzt.«
»In meinen Armen und Beinen«, erwiderte Marlies prompt. »Das Ziehen scheint direkt aus den Muskeln und Gelenken zu kommen. Jedenfalls fühlt es sich so an.«
»Aber Frau Schäfer, bei Ihrem ersten Besuch haben Sie mir gesagt, dass Ihnen die linke Schulter wehtun würde. Und danach haben Sie angegeben, die Schmerzen würden vom Rücken kommen. Ich weiß das noch, weil ich es mir aufgeschrieben habe. Und heute? Heute behaupten Sie, die Schmerzen wären in Ihren Gliedern. Was stimmt denn nun?«
»Alles. Anfangs waren die Schmerzen in meiner Schulter und danach im Rücken. So stark, als hätte mir jemand einen glühenden Nagel hineingetrieben. Nun sind sie in meine Gelenke gewandert.« Marlies hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Sie wusste selbst, wie merkwürdig das klang, aber so war es nun einmal.
»Wandernde Schmerzen.« Ihre Hausärztin hörte sich an, als würde sie von fliegenden Fröschen sprechen. Sie machte sich eine Notiz in ihrem Computer. Dann bat sie Marlies, ans Fenster zu treten und ihre Bluse abzulegen. Sie tastete ihren Rücken ab und testete ihre Beweglichkeit.
Marlies wagte kaum zu atmen, aus Angst, das Untersuchungsergebnis damit zu verfälschen. Während die Ärztin sie untersuchte, fiel ihr Blick durch einen Spalt in den Jalousien ins Freie. Der Münchner Berufsverkehr rauschte auf der Straße vorbei. Draußen brauste das Leben, aber sie selbst fühlte sich, als wäre sie kein Teil mehr davon. Die ständigen Schmerzen nahmen den größten Teil ihres Denkens ein, auch wenn sie das gar nicht wollte.
»Schmerzen in den Muskeln und Gelenken deuten auf Rheuma hin.« Die Ärztin nahm wieder hinter ihrem Schreibtisch Platz und stellte Marlies ein Rezept aus. »Diese Medikamente werden die Beschwerden lindern. Nehmen Sie sie regelmäßig ein und versuchen Sie, Ihren Stress zu reduzieren.«
Marlies spähte auf das Rezept und seufzte.
»Sie verschreiben mir Schmerzmittel? Aber das hab ich schon probiert. Ich schlucke diese Tabletten wie andere Menschen Pfefferminzbonbons, aber sie helfen mir net.«
»Haben Sie Geduld.«
»Die hab ich. Wirklich. Aber ich halte die Schmerzen kaum noch aus. Tagsüber weiß ich net, wie ich stehen oder sitzen soll. Und nachts liege ich im Bett und finde keinen Schlaf, weil mir alles wehtut. Bitte, Frau Doktor …«
»Sie wollen eine Krankschreibung«, mutmaßte die Ärztin.
»Ich möchte, dass es nimmer wehtut.« Marlies sah ihre Hausärztin flehend an. Sie war so erschöpft, dass sie kaum noch ein oder aus wusste. Ihr fehlte Schlaf, weil sie nachts vor Schmerzen fast die Wände hochging. Letzte Nacht hatte sie in ihrem Bett gesessen und vor Verzweiflung geweint.
»Also schön. Ich werde Sie zu einem Kollegen überweisen. Sie sollten mit einem Psychologen sprechen.«
»Sie glauben, ich bilde mir das alles nur ein?«
»Psychische Probleme äußern sich manchmal in körperlichen Beschwerden. Diffuse Schmerzen können ein Hilferuf der Seele sein. Es wäre gut, wenn ein Kollege das abklären würde.«
»Davon hab ich schon gehört, aber ich glaube net, dass das die Ursache meiner Symptome ist. Ich hab keine Probleme, Frau Doktor. Wirklich net. Ich mag mein Leben und meine Arbeit. Es geht mir gut.«
»Ach ja?« Die Stirn der Ärztin kräuselte sich.
»Bis auf die Schmerzen«, präzisierte Marlies, aber sie las den Zweifel in den Augen ihres Gegenübers. »Ich bilde mir das net ein. Die Schmerzen sind da«, beteuerte sie.
Anscheinend würde sie an diesem Tag nichts weiter erreichen, deshalb packte sie resignierend die Überweisung und das Rezept in ihre Handtasche und verabschiedete sich von ihrer Hausärztin.
Als Marlies die Praxis verließ und sich auf den Weg nach Hause machte, brannten Tränen in ihren Augen. Sie hatte sich inständig Hilfe von diesem Termin erhofft. Eine Diagnose und Medikamente, die ihr wirklich helfen würden. Doch alles, was sie bekommen hatte, waren ein Antirheumatikum und ein Schmerzmittel, von dem sie sich nicht allzu viel versprach. Sie hatte es nämlich bereits ausprobiert. Das Einzige, was sie noch hoffen konnte, war, dass Zeit und Geduld etwas ausrichten würden.
Einen neuen Termin bot man ihr nicht an.
***
Niedergeschlagen lenkte Marlies ihre Schritte die Straße hinunter. Die Frühlingssonne schien warm auf ihren Rücken, aber nicht einmal das linderte das Ziehen in ihren Gliedern. Es fühlte sich so an, als würde jemand mit aller Kraft an ihren Armen und Beinen zerren und ihr dabei beinahe die Glieder ausreißen.
Von den leuchtend gelben Narzissen, die jemand in den Beeten am Straßenrand gepflanzt hatte und die nun ihre Blüten der Sonne entgegenreckten, bemerkte Marlies ebenso wenig wie von dem italienischen Eisstand, vor dem ein Aufsteller auf hausgemachtes Eis hinwies und an dem eine lange Menschenschlange anstand.
Ob mir ein Psychologe helfen kann?, grübelte sie. Nein, das kann ich mir net vorstellen. Ich habe ein schönes Leben. Warum sollte mir meine Seele Streiche spielen und mir diese Schmerzen schicken? Das ergibt doch keinen Sinn.
Tief in Gedanken versunken, erreichte die Zweiundzwanzigjährige das Ladengeschäft in der Münchner Innenstadt, das ihrem Freund gehörte.
Brautmoden exklusiv, stand über dem Eingang. Im Schaufenster präsentierte eine Puppe ein bezauberndes Brautkleid. Ein breitkrempiger schneeweißer Hut war neckisch in die Stirn gezogen. Ein Blickfang, den Marlies ebenso arrangiert hatte wie die Glasnuggets zu Füßen der Puppe, die suggerierten, sie würde über eine unberührte Eisfläche laufen.
Marlies arbeitete seit einem Jahr in dem Geschäft. Es bot alles für den schönsten Tag im Leben an. Sie hatte eine Schneiderausbildung gemacht und passte nicht nur die Kleider den Kundinnen maßgerecht an, sondern fertigte auch Modelle nach den persönlichen Wünschen. Marlies verfügte über Stilsicherheit und Geschick, deshalb waren ihre Kleider gefragt.
Sie liebte ihre Arbeit. In letzter Zeit fiel es ihr jedoch immer schwerer, ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie war müde und erschöpft, weil Schmerzen und Schlaflosigkeit an ihr zehrten.
Die Ladenglocke bimmelte, als sie eintrat.
»Da bist du ja endlich!« Ihr Freund blickte ihr ungeduldig entgegen. »Das hat ja gedauert! Du wolltest schon vor einer Stunde zurück sein.«
»Es tut mir leid. Ich musste bei der Ärztin länger warten, als ich gedacht hatte.«
Hannes rollte die Augen.
»Ich wollte längst weg sein. Du weißt doch, dass ich dienstags zum Training gehe. Du sollst mich hier im Laden entlasten und net belasten.«
Marlies schluckte. In letzter Zeit wurde ihr Freund zunehmend ungeduldiger, wenn es um ihre Beschwerden ging. Er fragte auch nicht, was ihre Ärztin gesagt hatte, sondern eilte nur nach hinten ins Büro und kam wenig später mit seiner Sporttasche zurück.
Seine sonnengebräunte Haut verriet, dass er sich gern und oft im Freien bewegte. Seine Haare waren blond und leicht gewellt und ließen ein markantes Gesicht frei. Oft umspielte ein wissendes Lächeln seine Lippen, das so manchen Blick von Frauen auf sich zog. Mit seinem Charme fiel es ihm leicht, dass sich seine Kundinnen wohlfühlten.
Er hatte das Geschäft von seinen Eltern übernommen. Brautmoden waren nach seinem Wirtschaftsstudium nicht seine erste Wahl gewesen, aber er hatte Erfolg damit.
Vor einem Jahr hatte Marlies an einem stürmischen Regentag Zuflucht in seinem Geschäft gesucht. Sie waren ins Gespräch gekommen, als Hannes ihr einen Kaffee zum Aufwärmen angeboten hatte. Eins führte zum anderen – und sie verliebten sich ineinander.
»Bis später, Schatzerl.« Hannes tupfte ihr einen Kuss auf die Wange – und weg war er. Sie blickte ihm nach, während das Reißen in ihrem Körper schlimmer wurde und sie keine Ahnung hatte, wie sie die drei Stunden bis zum Ende der Geschäftszeit überstehen sollte.
Verzweiflung breitete sich in ihr aus wie zähe schwarze Tinte. Sie fasste sich an die Kehle und schüttelte bang den Kopf. Was sollte sie nur tun, wenn die Beschwerden nie mehr verschwanden?
***
»Es tut mir leid, aber wir nehmen zurzeit keine neuen Patienten an. Bitte versuchen Sie es in einer anderen Praxis.« Die Stimme der Arzthelferin klang so kühl, als käme sie von einem Automaten und nicht von einer Frau am anderen Ende der Telefonleitung.
Marlies biss sich auf die Lippen, um ein Seufzen zurückzuhalten. Sie telefonierte sich die Finger wund, um einen Termin bei einem Psychologen zu bekommen. Doch die meisten Praxen nahmen niemanden mehr an, hatten erst in einem halben Jahr wieder Termine frei oder waren gar ganz geschlossen. Marlies hatte ihren Suchradius inzwischen bis an den Stadtrand ausgedehnt, bekam jedoch immer dieselbe Auskunft: Es tut uns leid.
Mutlos legte sie das Telefon zurück auf die Ladestation.
Sie glaubte nicht, dass ihr ein Psychologe helfen konnte, aber sie wollte es wenigstens versuchen, weil ihr sonst kaum Alternativen blieben. Ihre Hausärztin hatte ihr ein entzündungshemmendes Medikament sowie ein Schmerzmittel verschrieben, aber beides hatte sie schon ausprobiert, und die Wirkung war gleich null gewesen.
Nun sank Marlies in der Küche auf die Eckbank nieder und vergrub das Gesicht in den Händen. Das Ziehen in ihrem Körper veranlasste sie jedoch, wieder aufzuspringen und herumzulaufen. Besser wurde es davon auch nicht.
Verzweifelt kramte sie in der Schublade, in der Hannes und sie alle Medikamente aufbewahrten. Sie fand noch eine Handvoll Schmerztabletten, die ihr der Kieferchirurg nach der Entfernung eines Weisheitszahnes verordnet hatte. Marlies schluckte zwei Tabletten und spülte mit kaltem Wasser nach.
Ihr Freund war noch bei seinem Training. Hannes ging zweimal in der Woche ins Fitnessstudio, trainierte mit Gewichten und Geräten oder spielte mit seinen Freunden Squash, eine Art Tennis, bei dem der Ball mit einem Schläger gegen die Wände geschleudert wurde.