Der Bergdoktor 1869 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1869 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Obwohl sie keinen Termin haben, zerrt Valentin Weinzierl seine erwachsene Tochter Franziska eines Morgens in die Sprechstunde zu Dr. Burger. Die Zwanzigjährige leidet seit Längerem unter massiven Beschwerden, und der Bauer möchte endlich abklären lassen, was mit Franzi los ist, die sich bislang nur auf die Ratschläge der Kräuter-Gundl verlassen hat.

Tatsächlich findet der Bergdoktor heraus, was der jungen Frau fehlt. Doch während der Bauer erleichtert ist, glaubt Franziska dem Arzt kein Wort und rennt gleich wieder zu der alten Kräuterhexe, die in einem Hüttel im Krähenwald haust.

Die Kräuter-Gundl, bürgerlich Gundula Hölzl, schürt in dem Madel weiter den Hass auf Dr. Burger und verspricht, am nächsten Tag selbst im Doktorhaus zu erscheinen und die Familie Burger endgültig zu vernichten ...

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Weissagung der Kräuter-Gundl

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4668-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Weissagung der Kräuter-Gundl

Als der Aberglaube einem Madel zum Verhängnis wurde

Von Andreas Kufsteiner

Obwohl sie keinen Termin haben, zerrt Valentin Weinzierl seine erwachsene Tochter Franziska eines Morgens in die Sprechstunde zu Dr. Burger. Die Zwanzigjährige leidet seit Längerem unter massiven Beschwerden, und der Bauer möchte endlich abklären lassen, was mit Franzi los ist, die sich bislang nur auf die Ratschläge der Kräuter-Gundl verlassen hat.

Tatsächlich findet der Bergdoktor heraus, was der jungen Frau fehlt. Doch während der Bauer erleichtert ist, glaubt Franziska dem Arzt kein Wort und rennt gleich wieder zu der alten Kräuterhexe, die in einem Hüttel im Krähenwald haust.

Die Kräuter-Gundl, bürgerlich Gundula Hölzl, schürt in dem Madel weiter den Hass auf Dr. Burger und verspricht, am nächsten Tag selbst im Doktorhaus zu erscheinen und die Familie Burger endgültig zu vernichten …

»Franzi? Ja, griaß di! Das ist aber eine Überraschung. Magst du zum Doktor?« Bärbel Tannauer, die versierte Sprechstundenhilfe von Dr. Martin Burger, lächelte dem jungen Madel, das eben zusammen mit seinem Vater die Praxis im Doktorhaus von St. Christoph betreten hatte, freundlich zu.

»Ich begleite nur den Vater«, stellte Franziska Weinzierl distanziert fest.

Obwohl sie Bärbel gut kannte und auch mochte, verzog sie keine Miene und tat so, als sei es eine große Zumutung, sich in den hellen und freundlichen Räumen, in denen Dr. Burger praktizierte, aufhalten zu müssen.

»Ah, dachte ich’s mir doch. Ihr kommt ja sonst nie zu uns.« Sie wandte sich an Valentin Weinzierl, der neben seine Tochter getreten war und den Trachtenhut mit dem prächtigen Gamsbart abgenommen hatte. »Was fehlt dir, Bauer?«

»Nix.« Der Landwirt war ein großes, stämmiges Mannsbild mit einem offenen Gesicht und gutmütigen Augen. Er war beliebt in seinem Heimatort, saß im Gemeinderat und war dafür bekannt, sein Gesinde fair zu behandeln. Seine Frau Annemarie kam ursprünglich aus dem Steierischen und hatte so ihre Probleme gehabt, sich in St. Christoph einzuleben. Eine gewisse Distanz wahrte sie auch heute noch zu ihren Mitmenschen, doch wer sie näher kannte, wusste, dass dies nur an ihrer natürlichen Zurückhaltung lag.

Bärbel hob nun irritiert die Augenbrauen und forschte nach: »Hab ich was verpasst? Aus welchem Grund seid ihr zwei denn nun hier? Einer von euch muss doch Beschwerden haben.«

»Die Franzi«, fing der Bauer an, wurde aber sogleich von seiner Tochter unterbrochen.

»Mir fehlt nix«, behauptete sie spitz und warf ihrem Vater einen bissigen Blick zu. »Jedenfalls nix, was die Gundl net im Nu in den Griff kriegen tät.«

»Ich will nix hören von dem Schmarrn, dem sündigen«, brummte Valentin Weinzierl angewidert. Dann wandte er sich an Bärbel und fuhr fort: »Meine Tochter hat allerweil Beschwerden. Mal das Herz, dann der Rücken, dann ist’s ein Schwindel. Oder sie ist nervös und kann net schlafen. Ich schau mir das schon eine Weile an, aber es tut sich nix. Das ist doch nicht normal bei einem jungen Dirndl von eben zwanzig Jahren. Der Bergdoktor soll sie mal genau unter die Lupe nehmen, damit wir Gewissheit haben.«

»Pah!«, machte Franziska wegwerfend. »Ich weiß schon, was mir fehlt. Die Gundl hat’s mir beschrieben und …«

Bärbel merkte, dass der Bauer richtig ärgerlich wurde. Sogar die Zornesader an der Schläfe schwoll ihm an. Dabei war es sonst ein gutmütiger Charakter.

Um Streit zu vermeiden, beschloss sie rasch: »Ich sag es dem Doktor, der wird sich drum kümmern.« Und zu Franziska gewandt, schlug sie vor: »Du kannst ihm ja erzählen, was die Kräuter-Gundl davon hält. Vielleicht hilft’s …«

Das Madel schnaubte verächtlich. Sie hatte ja gewusst, dass man in diesem Haus die hohe Kunst der Kräuter-Gundl nicht zu schätzen wusste!

Dr. Martin Burger hatte gerade einen Patienten verabschiedet und machte sich noch ein paar Notizen, als Bärbel ins Sprechzimmer schlüpfte.

»Sie werden es net glauben, Chef, wer uns heut mit seiner Anwesenheit beehrt«, meinte sie ironisch.

Der Mediziner, der im ganzen Tal von den Menschen geschätzt wurde und sogar mit dem Ehrentitel »Bergdoktor« bedacht worden war, warf seiner Mitarbeiterin einen fragenden Blick zu.

»Vielleicht eine hochgestellte Persönlichkeit aus Film, Funk und Fernsehen?«, scherzte er.

Für ihn waren alle Patienten gleich, er schaute weder auf Besitz noch gesellschaftlichen Stand. Für den engagierten Mediziner zählte einzig der Mensch, der Hilfe brauchte. Und die versuchte er stets zu leisten, ob es sich nun um ein gesundheitliches Problem oder einen persönlichen Kummer handelte. Neben Hochwürden war der Bergdoktor in St. Christoph die richtige Adresse, wenn Beschwerden drückten oder das Leben einfach zu hart wurde.

Der hochgewachsene, sportliche Landarzt, dem man die einundfünfzig Lenze nicht ansah, war ein positiver Mensch. Er lebte aus seiner Berufung als Mediziner und aus dem Glück, das seine Familie und vor allem seine geliebte Frau Sabine ihm schenkte.

Manch einer im Tal von St. Christoph sah in ihm eine Art Fels in der Brandung, auf den man sich in aller Unbill des Lebens stets verlassen konnte und der immer da war, wenn er gebraucht wurde. Es gab kaum jemanden in der Umgebung, der Dr. Martin Burger nicht zumindest anerkannte und mit Respekt von ihm sprach.

Annemarie Weinzierl und ihre Tochter Franziska bildeten da jedoch eine Ausnahme. Jeder im Tal wusste, dass die beiden lieber auf ein Kräuterweiberl hörten, das im Krähenwald hauste und allerlei Tränke, Salben und spirituellen Unsinn verhökerte. Obwohl Hochwürden schon des Öfteren davon abgeraten hatte, sich auf solche Dinge einzulassen, schienen die Weinzierl-Frauen in dem Punkt doch unbelehrbar zu sein.

Deshalb fand Bärbel es nun auch recht erstaunlich, dass Franziska sich überhaupt in die Arztpraxis getraut hatte.

»Der Weinzierl-Bauer ist draußen und will seine Tochter untersuchen lassen!«, platzte sie heraus.

Dr. Burger stutzte. »Und das soll etwas Besonderes sein? Bärbel, ich fürchte, ich kann dir net ganz folgen. Der Valentin kommt doch regelmäßig zum Check-up her.«

Bärbel verdrehte die Augen. »Aber doch net seine Tochter! Die Franzi und ihre Mutter gehen nur zur Kräuter-Gundl, wenn es sie wo zwackt.« Sie lächelte schmal. »Ich glaub, der Vater hat sie gezwungen, herzukommen. Er sagt, sie hat ständig Beschwerden, und es wird net besser. Deshalb sollen Sie das Madel untersuchen.«

»Also schön, dann schick die beiden rein.« Martin Burger machte ein nachdenkliches Gesicht. »Wer ist denn das, diese Kräuter-Gundl? Der Name sagt mir im Moment nix.«

»Das alte Weibel, das im Krähenwald in einem Hüttel haust und allerweil mit Naturheilmitteln und magischen Amuletten hausieren geht. Beim Herbstmarkt im letzten Jahr hatte sie auch ein Standl und muss net schlecht verkauft haben.« Bärbel lächelte verschämt. »Ich hab mir auch eine Hautcreme bei ihr gekauft, die soll ewige Jugend schenken.«

Der Bergdoktor schüttelte leicht den Kopf.

»Der arme Felix! Wenn er dann dereinst hochbetagt im Schaukelstuhl euren Enkeln beim Spielen zuschaut, wirst du jung und frisch wie ein Reh an ihm vorbeispringen und mit den Kleinen tollen.«

Bärbel bekam einen roten Kopf und brummte: »Schon gut, ich hab’s verstanden. Ich ruf die Patienten rein.«

Valentin Weinzierl drückte Dr. Burger herzhaft die Hand, während seine Tochter nur zögernd näher kam und den Landarzt musterte, als hielte sie ihn für einen gefährlichen Verbrecher, der nur das Übelste im Schilde führte.

Martin Burger kümmerte sich nicht darum. Er wechselte ein paar freundliche Worte mit dem Bauern und bot Vater und Tochter dann Platz vor seinem Schreibtisch an.

»Darf ich fragen, was dir fehlt, Franziska?«, wollte er wissen.

»Nix, ich fühle mich wohl«, behauptete sie abweisend.

»Red doch net!«, fuhr ihr Vater verärgert auf. »Du wirst dem Bergdoktor jetzt genau schildern, was du für Beschwerden hast. Bei der spinnerten Geiß im Wald kannst ja auch plappern wie ein Buch. Also, auffi geht’s!«

Das hübsche, blonde Madel mit den klaren, tiefblauen Augen dachte aber nicht daran, zu folgen. Franziska hatte einen rechten Dickschädel. Sie presste die Lippen zusammen und schwieg.

Ihr Vater wollte gerade auf sie losgehen, da bat Dr. Burger ihn: »Sag du mir halt, was los ist, Bauer. Ich nehme an, du weißt es ebenso gut wie die Franziska.«

Valentin verzog missmutig den Mund. »Das kommt alles nur von diesem närrischen Weibel droben im Krähenwald. Mit ihrem Hokuspokus hat sie meinen beiden das Hirn verdreht. Teufelszeug ist das, nix anderes! Der Hochwürden hat’s gesagt. Ihr werdet noch in der Hölle brennen, wenn ihr euch net endlich von der grausligen Bissgurn fernhaltet, der grausligen!«

»Die Kräuter-Gundl ist eine weise Frau und weiß mehr als alle Ärzte zusammen!«, platzte Franziska da inbrünstig heraus.

Ihr Vater seufzte. »Sie hat allerweil Beschwerden, und immer ist’s was anderes. Mal ist sie nervös, dann ständig gereizt. Sie schläft oft schlecht, der Schwindel packt sie manchmal. Sie ist kurzatmig, hat Herzbeschwerden und Kopfweh. Hab ich vielleicht was vergessen, Madel?«

Franziska hob nur die Schultern und schwieg sich aus.

Dr. Burger machte sich ein paar Notizen, dann bat er den Bauern, ihn mit seiner Tochter allein zu lassen und rief Bärbel ins Zimmer.

»Wir machen eine Grunduntersuchung mit EKG. Nimm der Franziska bitte auch Blut ab«, wies er seine Helferin an.

Das Madel ließ sich widerstandslos untersuchen, sprach aber kein Wort mit Dr. Burger. Und auch Bärbel wurde von Franziska ignoriert, sie schien die Arzthelferin für eine »Komplizin« des Bergdoktors zu halten und lehnte sie deshalb aus Prinzip ab.

Schließlich war alles erledigt, und Martin Burger konnte aus den bereits vorliegenden Ergebnissen der Untersuchung eine klare Diagnose stellen.

»Rein organisch bist du gesund, Franziska. Wir müssen noch den Laborbefund der Blutwerte abwarten, aber ich glaube net, dass es dabei Unregelmäßigkeiten geben wird. Dein Zustand ist gut, du bist körperlich völlig gesund.«

»Und die Beschwerden? Woher kommen die dann?«, wunderte der Bauer sich. »Die müssen doch eine Ursache haben.«

»Freilich. Es handelt sich dabei um eine Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems, die sogenannte vegetative Dystonie. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, trifft aber häufig junge Menschen, die überempfindlich gegen Umweltreize sind und entsprechend sensibel darauf reagieren.«

»Und was kann man dagegen machen?«

»Aus rein medizinischer Sicht gibt es hier keinen Handlungsbedarf, denn körperlich liegen ja keine Krankheitsursachen vor. Ich kann deiner Tochter aber empfehlen, eine Entspannungstechnik zu erlernen, beispielsweise autogenes Training. Es gibt in Schwaz Kurse an der Volkshochschule. Mit so einer Technik kann man die Beschwerden gut in den Griff kriegen. Und je ausgeglichener man durch die Übungen wird, desto mehr verschwinden die Beschwerden.«

Valentin Weinzierl lächelte erleichtert. »Dann ist das Madel net krank, nur nervös? Mei, so ein Glück!«

»Man könnte so sagen. Aber weil bei Menschen, die davon betroffen sind, die Symptome doch recht belastend sein können, würde ich das Ganze net einfach ignorieren. Du musst dich selbst bemühen, etwas dagegen zu tun, Franziska.«

Das Madel hob nur die Schultern und schwieg.

Valentin bedankte sich herzlich bei Dr. Burger und sagte im Hinausgehen zu seiner Tochter: »Du hättest ruhig ein bisserl freundlicher sein können. Der Doktor hat ja schließlich gleich rausgefunden, was mit dir los ist.«

Franziska schnaubte verächtlich. »Der hat doch nur Unfug geredet. Dem glaub ich kein Wort! Und nachher geh ich zur Gundl, damit sie erfährt, was das für ein Stümper ist!«

***

St. Christoph lag recht weltabgeschieden in einem schmalen Seitental des bekannten Zillertals. Nur über eine einzige Serpentinenstraße gelangte man von Mayrhofen aus in das idyllische Dorf, das zudem von sechs Bergen umgeben war, die wie steinerne Wächter wirkten.

Da war zunächst der Feldkopf, die höchste Erhebung, zu dessen Gipfel eine Kabinenbahn führte. Droben gab es die Feldkopfhütte mit Übernachtungsmöglichkeiten und einem Restaurant, das regionale Spezialitäten zu bieten hatte.

Neben dem Feldkopf fand sich der Hexenstein mit zwei schrundigen Gipfeln, um dessen Fuß sich der Krähenwald schmiegte. Es folgten Frauenhorn, Achenkegel, Rautenstein und Beerenhalde.

Jeder Berg hatte seine charakteristische Form und schien seine eigene Geschichte zu erzählen.

Während der Feldkopf im Winter die Abfahrtsläufer aus nah und fern zum Rennen einlud, lag im Krähenwald manch versteckte Lichtung, auf der seltene Pflanzen wuchsen und rar gewordene Tiere ihr heimliches Leben führten. Selbst der Auerhahn tanzte hier im ausgehenden Winter noch zur Balz.

Die wenigsten Menschen im Zillertal wussten um diese verborgenen Schätze der Natur. Feriengäste hielten sich auf den ausgeschilderten Wanderwegen, und Förster Fabian Reckwitz sorgte dafür, dass dies auch so blieb. Doch er war nicht der Einzige, der die Natur im Krähenwald in all ihren Facetten kannte.

Folgte man einem Wanderweg, der sich nach und nach verengte und schließlich zum Trampelpfad wurde, immer tiefer in den Forst, dann stand man irgendwann vor dem alten Hüttel der Kräuter-Gundl. Seit vielen Jahren hauste die Kräuterhexe hier, abgeschieden vom Rest der Welt, mitten in der Natur.

Das einfache Häusel aus hölzernen Bohlen hatte in früheren Zeiten Waldarbeitern und Köhlern als Unterkunft gedient, war aber irgendwann aufgegeben worden, weil es einfach zu tief im Wald und zu weit entfernt von der nächsten menschlichen Behausung lag.

Der Kräuter-Gundl, die eigentlich Gundula Hölzl hieß, war dieser Platz aber gerade wegen seiner Lage recht gewesen. Als sie einst hierhergekommen war, mit der festen Absicht, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und ganz neu zu beginnen, da hatte sie sich gleich daheim gefühlt.

Inmitten der fast unberührten Natur, nur umgeben von Vogelgezwitscher, dem Säuseln des Windes in den Baumwipfeln und nichts weiter als himmlischer Ruhe, hatte sie ihren Frieden mit sich und den Menschen gemacht. Nun, nicht mit allen Menschen. Aber das stand auf einem anderen Blatt geschrieben …

An diesem Morgen war die alte Kräuterhexe bereits unterwegs gewesen. Kurz nach Sonnenaufgang war die beste Zeit, um gewisse Wildkräuter zu schneiden, deren Inhaltsstoffe dann besonders wirksam waren.

Die Kräuter-Gundl kannte sie alle und wusste genau, was wo wuchs und wann der Zeitpunkt war, es zu ernten. Mit einem gut gefüllten Korb war sie schließlich in ihre Behausung zurückgekehrt und hatte sogleich damit begonnen, die Pflanzen zu sortieren und je nach Art weiter zu verarbeiten.

Sie ging dabei geschickt vor und arbeitete in kurzer Zeit alles auf. Schließlich stellte sie schon seit vielen Jahren Tränke und Elixiere her, Salben und Cremes gegen allerlei Beschwerden und Zipperlein. Sie kannte alle Geheimnisse der Kräutermedizin und band auch Kräuterbündel, die zu okkulten Zwecken wie Liebes- oder Reichtumszauber benutzt wurden.

Die Gundl war heuer siebzig Jahre alt geworden. Noch hielt sie sich gerade, sie war schlank und beweglich, und nur das graue Haar und die vielen Runzeln im Gesicht erinnerten an ihr tatsächliches Alter. Die hellen Augen aber blickten klug und wach in die Welt.

Die Falten hätte sie wohl durch eine ihrer selbst hergestellten Cremes vermeiden können. Doch sie meinte, dass ihr Aussehen besser zu ihrem Image passte, wenn sie ein klein wenig mehr wie eine echte Hexe ausschaute …

Gundl blickte durchs Fenster nach draußen, als sie meinte, einen Schatten zwischen den Bäumen gesehen zu haben. Und sie hatte sich nicht geirrt, denn da kam tatsächlich ein Besucher, genauer gesagt, eine Besucherin.