Der Bergdoktor 1879 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1879 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Eigentlich ist Jessicas Leben als Sennerin geprägt von Stille und Einsamkeit. Die Natur und die Tiere bestimmen ihren Rhythmus. Doch in diesem Sommer wird ihre abgeschiedene Alm hoch über St. Christoph zur Kulisse für eine Kuppelshow. Fünf Kandidaten, die ihr Liebesglück suchen, sollen einen ganzen Sommer lang auf der Alm wohnen und arbeiten - und sich dabei näherkommen.

Bald stellt sich allerdings heraus, dass nicht jeder geeignet ist, auf Komfort und Luxus zu verzichten. Eine Alm ist nun mal kein Wellness-Hotel. Trotzdem entwickelt sich - unbemerkt von der Kamera - eine bezaubernde Liebesromanze zwischen einem der Kandidaten und Jessica, der schüchternen Sennerin! Doch bevor sie sich ihre Liebe offenbaren, kommt es zu einem Zwischenfall. Ein Felssturz zerstört die Almhütte! Den Filmarbeiten droht das Aus ...

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EPUB

Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Hochzeitsalm

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5185-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Hochzeitsalm

Warum die schöne Sennerin in Verruf geriet

Von Andreas Kufsteiner

Eigentlich ist Jessicas Leben als Sennerin geprägt von Stille und Einsamkeit. Die Natur und die Tiere bestimmen ihren Rhythmus. Doch in diesem Sommer wird ihre abgeschiedene Alm hoch über St. Christoph zur Kulisse für eine Kuppelshow. Fünf Kandidaten, die ihr Liebesglück suchen, sollen einen ganzen Sommer lang auf der Alm wohnen und arbeiten – und sich dabei näherkommen.

Bald stellt sich allerdings heraus, dass nicht jeder geeignet ist, auf Komfort und Luxus zu verzichten. Eine Alm ist nun mal kein Wellness-Hotel. Trotzdem entwickelt sich – unbemerkt von der Kamera – eine bezaubernde Liebesromanze zwischen einem der Kandidaten und Jessica, der schüchternen Sennerin! Doch bevor sie sich ihre Liebe offenbaren, kommt es zu einem Zwischenfall. Ein Felssturz zerstört die Almhütte! Den Filmarbeiten droht das Aus …

»Ich hab Angst, Papa.« Filli Burger schmiegte das blasse Gesicht an die Schulter seines Vaters. Ein Zittern lief durch seinen Körper, und er presste seinen Plüschbären fester an sich.

Vor den Fenstern des Doktorhauses flammte ein Blitz auf. Für den Bruchteil einer Sekunde zeichneten sich silbrige Adern am Himmel ab, ehe es schlagartig wieder dunkel wurde. Nur einen Herzschlag später krachte ein Donnerschlag, dass der Boden vibrierte.

Der Bub im Kinderbett zuckte zusammen.

»Na, na, Filli. Das Wetter ist kein Grund, sich zu fürchten.« Dr. Burger drückte seinen Sohn kurz an sich. »Schau, am Himmel stoßen dicke, schwere Wolken zusammen. Das rumpelt so laut.«

»Es ist gruselig.«

»Hier drinnen kann uns nichts geschehen, Filli.«

Das Doktorhaus gehörte zu St. Christoph – einem kleinen, beschaulichen Bergdorf. Es gab hier alles, was man zum Leben brauchte: einen Gemischtwarenladen, Friseur und Gasthof sowie eine Apotheke. Viele der Alpenhäuser hatten klangvolle Namen, die in schön geschwungenen Buchstaben an die Hauswände gemalt worden waren, beispielsweise Adlernest, Almluft oder Bergblick.

Ein hügeliger Wald umgab das Dorf und lud an sonnigen Tagen zum Wandern ein. Jetzt jedoch zerrte der Sturm an den Kiefern, sodass sie sich ächzend neigten und hin und wieder Äste zur Erde polterten. Die Nacht hatte ihren dunklen Mantel über das Zillertal gebreitet. Blitze jagten einander am Himmel und machten die nachfolgende Dunkelheit noch undurchdringlicher.

Im Anbau des Doktorhauses war die Arztpraxis untergebracht. Martin Burger hatte sie von seinem Vater übernommen. Er liebte seine Arbeit als Dorfarzt, achtete jedoch auch darauf, genügend Zeit für seine Familie zu haben. Das Leben hatte ihm schon etliche Wunden geschlagen, deshalb wusste er, wie zerbrechlich das Glück war und wie gut man es hüten und bewahren musste.

Er hatte seinem Sohn aus einem Märchenbuch vorgelesen. Nun klappte er es zu und legte es auf den Nachttisch.

»Schlaf jetzt, Filli.«

»Ich kann bestimmt noch net einschlafen, Papa.«

»Wir auch net.« Seine älteste Tochter erschien mit ihrer kleinen Schwester auf dem Arm in der offenen Tür. Tessa war barfuß und hatte ein blassrosa Nachthemd mit Blumendruck an. Klein Laura blickte schniefend aus großen Kulleraugen hoch. »Dürfen wir bei Filli übernachten, Papa?«

»Wenn er nichts dagegen hat?«

»Nö.« Der Bub klappte einladend seine Bettdecke zur Seite und wirkte auf einmal gar nicht mehr eingeschüchtert, sondern unternehmungslustig. »Das wird gemütlich. Wir können uns Gruselgeschichten erzählen!«

»Bloß net!« Tessa riss die Augen auf.

»Heute keine Geschichten mehr. Jetzt wird geschlafen«, sprach der Vater ein Machtwort.

»Na gut«, brummelte Filli.

Die Mädchen krabbelten in das Bett und kuschelten sich aneinander. Das leise Tappen von Pfoten verriet, dass Poldi hereinhuschte. Der Dackel sprang auf das Fußende des Betts, rollte sich zusammen und schnaufte zufrieden.

»Du also auch noch, Poldi. Dann schlaft gut, Kinder.« Martin Burger löschte die Lampe, sodass nur noch das Nachtlicht neben der Tür einen sanften Schimmer verbreitete. Dann ging er in sein Schlafzimmer.

Hier saß seine Frau im Bett. Sie hatte ihren Rücken an ein Kissen gelehnt und blätterte in einer Gartenzeitschrift. Ihre kurzen blonden Haare waren noch feucht von der Dusche. Sie trug ein weißes Nachthemd mit Spaghettiträgern. Die Farbe bildete einen reizvollen Kontrast zu ihrer sommerlich gebräunten Haut. Lächelnd blickte sie auf.

»Alles in Ordnung nebenan, Martin?«

»Ja, den Kindern geht’s gut.«

»Lass mich raten: Sie schlafen alle zusammen in einem Zimmer?«

»In einem Bett!«

»Ich hab’s geahnt. Bei dem lauten Donner ist mir selbst ein bisserl unheimlich zumute.« Sabine legte ihre Zeitschrift zur Seite und blickte zum Fenster, vor dem es wieder grollte. »Übrigens flackert die Lampe an unserem Badezimmerspiegel.«

»Schon wieder? Da werden wir wohl eine Neue brauchen. Am besten kaufe ich eine mit LED-Leuchten. Die sind schön hell.«

»Du weißt aber, dass wir jetzt in einem Alter sind, in dem man am Badezimmerspiegel net mehr, sondern weniger Licht mag, oder, Martin?«

»Ist das so?« Das Bett knarrte leise unter ihm, als er sich zu seiner Frau setzte und sie in seine Arme zog. »Warum denn das?«

»Wegen der Falten natürlich.«

»Du hast Falten? Wo denn? Lass mich mal nachsehen …«

»Ich … Oh! Net …« Lachend bog sie sich zur Seite. »Net kitzeln! Hilfe!«

Schmunzelnd zog er sie näher an sich heran und gab ihr ein Busserl. Sein Herz floss über vor Liebe. Mit ihrer Wärme und ihrem Lachen hatte Sabine das Glück in sein Leben zurückgebracht, und er war fest entschlossen, es für immer festzuhalten. Sie schmiegte sich an ihn und wurde weich und nachgiebig in seinem Arm. Für eine süße Ewigkeit versanken sie in ihrem Kuss. Bis von draußen ein Geräusch hereindrang.

»Hi … Hi … Hi …fe.«

Das Grollen des nächsten Donners verschluckte die Stimme beinahe. Sabine hörte sie jedoch und versteifte sich.

»Hast du das auch gehört, Martin?«

»Nein, was denn?«

»Es hat sich angehört, als hätte jemand um Hilfe gerufen.«

»Das wird der Sturm gewesen sein.«

»Nein, das Geräusch war menschlich. Glaub ich zumindest.«

»Fang du net auch noch an, Gruselgeschichten zu erzählen. Filli musste ich das auch schon ausreden.«

»Ich meine es ernst.«

Martin bemerkte die Besorgnis in der Stimme seiner Frau. Sie schien sich wirklich Gedanken zu machen, deshalb löste er sich von ihr und stand auf.

»Ich werde gehen und nachsehen. Warte hier auf mich, Liebes. Und merk dir, wo wir gerade stehen geblieben sind. Wir machen genau da weiter, wenn ich zurück bin.« Er zwinkerte ihr zu, dann verließ er die Kammer und stieg hinunter ins Erdgeschoss.

Hier war alles still. Sein Vater und seine Wirtschafterin schliefen bereits. Er öffnete die Haustür, spähte hinaus und verzog das Gesicht, als ihm der Sturm einen Schwall Regenwasser entgegentrieb. Blinzelnd klärte er seine Sicht und schaute sich prüfend um. Dicke Regentropfen trommelten vom Himmel herab. Das Licht der Straßenlaternen am nahen Bordstein spiegelte sich in den Pfützen. Die Dorfstraße lag menschenleer und verlassen da.

Wer sollte bei diesem Wetter auch draußen herumlaufen?

Noch dazu um diese späte Stunde?

Der Bergdoktor wollte gerade in sein Haus zurückkehren, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und unwillkürlich den Kopf drehte. Im nächsten Augenblick zuckte er zusammen wie unter einem Blitzschlag.

Grundgütiger! Dort drüben lag jemand! Die Gestalt war dunkel gekleidet und lag auf dem Bauch, deshalb war es unmöglich zu sagen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Doch unter dem verkrümmt daliegenden Körper breitete sich Blut aus!

***

Ein Jahr später

Der Bauernhof am Fuß des Rautensteins gehörte seit vielen Generationen der Familie Zimpl. Ein romantisches Bauernhaus im Alpenstil war es. In der ersten Etage führte ein Balkon um das Haus herum. In den Blumenkästen reckten sich rote Geranien dem Himmel entgegen. Und in den Kübeln neben dem Kiesweg zur Haustür blühten Lavendel und Hortensien. Ein Windspiel neben der Haustür gab glockenhelle Töne von sich.

Auf der Gartenbank hatte sich eine graue Katze zusammengerollt und ließ sich das Fell von der Sonne wärmen.

Hühner pickten im Hof nach einem Leckerbissen, ein besonders vorwitziges zupfte an Jessicas Flipflops. Die Sechsundzwanzigjährige kniete im Gras und strich den Gartenzaun in einem schönen, holzigen Zirbenbraun an. Ein Strohhut schützte sie vor der Sonne. Dazu trug sie ausgefranste Jeans-Shorts und ein T-Shirt mit Blumenmuster.

Während sie den Pinsel schwang, summte sie das Lied, das sie an diesem Morgen im Radio gehört hatte. Sie schwang den Pinsel im Rhythmus, bis sie plötzlich von hinten an der Schulter berührt wurde.

Ihre Reaktion erfolgte blitzschnell: Der Pinsel fiel ins Gras. Sie wirbelte herum, packte die fremde Hand und schleuderte den Besucher mit einem einzigen, gleitenden Schwung über ihre Schulter ins Gras! Mit einem überraschten Ächzen landete er auf dem Rücken.

»Himmel, Jessi! Ich bin’s nur!«

»Germo?« Verblüfft erkannte sie den Briefträger. Germo brachte ihrer Familie seit über zehn Jahren die Post. Sie streckte ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen. »Entschuldige bitte. Das war ein Reflex, weißt du?«

»Schon gut. Ich sollte mich wohl net anschleichen.« Er strich ein paar Grashalme von seinem Hemd. »Für eine so zierliche Person hast du ordentlich Kraft.«

»Hast du dir wehgetan?«

»Nur mein Stolz ist ein bisserl angekratzt.«

»Es tut mir wirklich leid.« Jessica bückte sich, um die Briefe aufzulesen, die bei seinem Salto mortale ins Gras gesegelt waren. Es war die heutige Post für ihre Familie. Überwiegend Rechnungen. Der Rest war Reklame.

Ein Seufzen entfuhr ihr. Seitdem ihr Vater krank war, stapelten sich die unbezahlten Rechnungen in der Küche. Es war ein Elend.

»Bis morgen, Jessi.« Der Postbote tippte sich an die Mütze, schwang sich wieder auf sein Fahrrad und radelte weiter, wobei die Lenkertasche mit der Post auf den ersten Metern bedenklich schwankte, als wäre er in Eile fortzukommen.

Jessica konnte es ihm nicht verdenken. Was musste er nur von ihr denken? Dass sie ihre Kräfte an arglosen Besuchern ausprobierte? Er wusste ja nicht, dass …

Nein, energisch schob sie den Gedanken beiseite und verschloss ihren Farbeimer mit dem Deckel. Auf keinen Fall sollte eines der Hühner in die Farbe plumpsen. Neugierig, wie die muntere Schar war, war es nicht ausgeschlossen, dass das geschah.

Jessica wandte sich um und brachte die Post ins Haus.

In der Küche saß ihre Mutter mit dem Nähzeug am Tisch und flickte einen Riss in der Arbeitshose ihres Vaters.

»Sei bitte leise«, bat Anna und legte einen Finger an die Lippen. »Dein Vater schläft.«

Am helllichten Vormittag! Jessicas Magen verkrampfte sich.

Früher war ihr Vater von früh bis spät auf den Beinen gewesen. Er hatte den Hof am Laufen gehalten und für jeden ein aufmunterndes Wort gehabt. Die Arbeit war sein Leben gewesen. Jetzt war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Krankheit zehrte an ihm. Er verschlief den größten Teil des Tages und hatte nur selten die Kraft für ein Gespräch.

»Mutterl?« Jessica legte die Post zur Seite. »Du siehst müde aus.«

»Ich hab net viel geschlafen heute Nacht.« Anna ließ ihre Näharbeit sinken und sah auf den Poststapel. »Wieder nix Gutes dabei, oder?«

»Nur Werbung und Rechnungen.«

»Das dachte ich mir schon. Mei, ich weiß nimmer, was wir tun sollen. Wir stehen morgens vor fünf Uhr auf und arbeiten bis zum Abend durch, und trotzdem reicht es net. Jeden Tag bleibt ein bisserl mehr Arbeit liegen.«

»Wir müssen jemanden einstellen, der für Vaterl einspringt.«

»Wovon sollen wir einen Knecht bezahlen? Das können wir uns net leisten.«

»Es muss gehen. Vaterl wird noch wochen- oder gar monatelang bei der Arbeit ausfallen. Ich gehe bald mit den Kühen auf die Alm. Dann bleibt auf dem Hof alles an dir hängen. Das ist net zu schaffen, Mutterl.«

»Ich werde schon zurechtkommen. Dein Vater verlässt sich doch auf mich.«

»Du bist auch nur ein Mensch mit zwei Händen. Selbst als er noch gesund war, hattest du bereits alle Hände voll zu tun. Jetzt jedoch …« Jessica bemerkte die Tränen in den Augen ihrer Mutter und stockte. »Ich könnte den Almsommer sausen lassen und hier daheim mit anpacken.«

»Ausgeschlossen. Die Tiere müssen den Sommer über auf die Alm. Etwas anderes würde dein Vater net zulassen.«

»Aber …« Die Türklingel unterbrach Jessica. Erschrocken tauschte sie einen Blick mit ihrer Mutter. Hoffentlich hatte das Läuten ihren Vater nicht gestört!

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als nebenan eine Tür knarrte. Dann wankte ihr Vater in die Küche. Vor einem Jahr noch war Josef Zimpl ein stattlicher Mann von fünfzig Jahren gewesen, mit kräftigen Händen und voller Tatkraft. Von alledem war nicht viel übrig geblieben. Seine hagere Gestalt schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Schatten lagen auf seinen Wangen.

»Wir hätten die Klingel abstellen sollen«, seufzte Anna.

»Aber nein.« Selbst Josefs Stimme klang anders als früher – nicht mehr voll und kräftig, sondern rau und brüchig. »Ich hab nix dagegen, etwas von der Außenwelt zu hören. Noch bin ich net tot.«

»Vaterl!« Jessica riss die Augen auf.

Er zwinkerte ihr zu, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Sekundenlang kehrte etwas von seinem alten Humor zurück, und er wirkte wieder wie der Mann, der er gewesen war. Er trat an die Anrichte und schenkte sich etwas von dem bereitstehenden Kräutertee ein.

Jessicas Mutter ging, um die Haustür zu öffnen, und kehrte wenig später mit einer Besucherin in die Küche zurück.

Die Fremde nickte grüßend in die Runde. Sie trug ihre rotblonden Haare kurz geschnitten und fransig in die Stirn gezupft. Ihr Alter war schwer zu schätzen, denn sie war sorgfältig geschminkt, aber es mochte irgendwo jenseits der vierzig liegen. Ihr hummerfarbenes Kostüm war ein wenig zerknittert, als hätte sie eine längere Autofahrt hinter sich.

»Grüß Gott, mein Name ist Doris Waldner«, stellte sie sich vor. »Ich komme von Berg-TV. Wir produzieren Sendungen für das Fernsehen. Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen.«

»Wollen wir zum Reden hinausgehen?«, schlug Jessicas Vater vor. »Im Garten lässt es sich bei dieser Hitze besser aushalten. Anna, bringst du uns bitte eine Limonade hinaus?«

»Natürlich. Hilfst du mir, Jessi?«

Jessica war schon dabei, vier Gläser auf ein Tablett zu stellen. Ihre Mutter nahm einen Krug mit selbst gemachter Zitronenlimonade aus dem Kühlschrank. Sie brachten alles hinaus in den Garten und spannten den Sonnenschirm auf.

Wenig später stand ein Glas kühler, fruchtiger Limonade vor jedem.

»Ah, das tut gut.« Die Besucherin nahm einen langen Schluck und stellte ihr Glas wieder ab. »Ich komme am besten gleich zur Sache. Meine Firma arbeitet mit einem großen Fernsehsender zusammen. Unser nächstes Projekt ist eine sogenannte Doku-Soap. Sicherlich kennen Sie Sendungen, in denen Bauern eine Frau suchen, Einkaufsköniginnen gewählt oder Frauen getauscht werden. Meine Firma plant etwas Ähnliches: ›Die Hochzeitsalm‹.«

»Die Hochzeitsalm?«, echote Jessicas Vater und furchte die Stirn. »Noch nie gehört.«

»Das Format ist ganz neu. Wir wollen mehrere Kandidaten einen Sommer lang auf eine Alm schicken. Sie sind allesamt alleinstehend und wünschen sich eine Familie. Sie werden auf der Alm wohnen und arbeiten, Aufgaben lösen und, wenn alles gut läuft, sich verlieben. Ein Filmteam begleitet die Kandidaten und hält alles filmisch fest.«

»Verstehe. Und was hat das mit uns zu tun?«

»Eine ganze Menge!« Die Besucherin lächelte breit. »Wir haben lange nach einem geeigneten Drehort gesucht, und nun haben wir ihn gefunden: Ihre Alm! Sie ist perfekt geeignet. Wir möchten Sie bitten, sie uns einen Sommer lang für die Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen.«

»Unsere Alm?« Josef riss verblüfft die Augen auf.

Seine Frau schnappte nach Luft.

Jessica schüttelte ungläubig den Kopf.

»Für so etwas geben wir uns net her«, murmelte sie.

Ihr Vater hob begütigend eine Hand.