Der Bergdoktor 1883 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1883 E-Book

Andreas Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Anni erfährt, dass ihr Baby mit einem schweren Herzfehler zur Welt kommt und vermutlich die ersten Lebenswochen nicht überleben wird, bricht für sie eine Welt zusammen. Ihre Gynäkologin rät ihr zur Abtreibung. Aber wie soll sie das übers Herz bringen? Sie ist bereits im fünften Monat und spürt jeden Tag, wie sich ihr Baby bewegt. All ihre Liebe gehört dem winzigen Leben in ihrem Bauch. Und nun soll sie es hergeben?

Verzweifelt sucht sie Trost in den Armen ihres Verlobten. Doch Chris will sich nicht mit einem kranken Kind belasten. Nach einer Nacht voller Tränen und Streit bricht Anni alle Brücken ab und reist nach St. Christoph. In ihrem alten Heimatdorf praktiziert Dr. Burger - in seine Hände will sie das Schicksal ihres Babys legen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Die Brücke zum Leben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5221-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Brücke zum Leben

Im Doktorhaus entscheidet sich Annis Schicksal

Von Andreas Kufsteiner

Als Anni erfährt, dass ihr Baby mit einem schweren Herzfehler zur Welt kommt und vermutlich die ersten Lebenswochen nicht überleben wird, bricht für sie eine Welt zusammen. Ihre Gynäkologin rät ihr zur Abtreibung. Aber wie soll sie das übers Herz bringen? Sie ist bereits im fünften Monat und spürt jeden Tag, wie sich ihr Baby bewegt. All ihre Liebe gehört dem winzigen Leben in ihrem Bauch. Und nun soll sie es hergeben?

Verzweifelt sucht sie Trost in den Armen ihres Verlobten. Doch Chris will sich nicht mit einem kranken Kind belasten. Nach einer Nacht voller Tränen und Streit bricht Anni alle Brücken ab und reist nach St. Christoph. In ihrem alten Heimatdorf praktiziert Dr. Burger – in seine Hände will sie das Schicksal ihres Babys legen …

»Und? Wann macht ihr endlich Nägel mit Köpfen, Anni?« Judith Sprengler bückte sich, um einen gelben Hula-Hoop-Reifen aus dem Gras aufzuheben. Die Schulglocke hatte vor einer Viertelstunde das Ende des Unterrichtes verkündet, und die Kinder waren nach dem Sport in alle Himmelsrichtungen davongespritzt. »Habt ihr ein Hochzeitsdatum festgelegt?«

»Noch net.« Anni Finkenzeller wechselte ihre Umhängetasche von einer Schulter auf die andere. Sie enthielt einen Satz Klassenarbeiten, den sie an diesem Nachmittag korrigieren wollte, und war dementsprechend schwer.

»Ihr solltet net zu lange damit warten, weißt du? Aus eigener Erfahrung kann ich euch sagen, dass die besten Orte für die Feier über Jahre hinweg ausgebucht sind.«

»Ich weiß, aber Chris hat gerade so viel in seiner Kanzlei zu tun, dass er keine Zeit hat, um sich mit der Planung unserer Hochzeit zu befassen.«

»Na und? Das schaffst du auch alleine. Die Arbeit wird mit den Jahren sicherlich net weniger. Es nutzt nichts, wenn ihr wartet. Du solltest einfach ein Hochzeitsdatum festlegen. Das trägst du in seinem Kalender ein. Er taucht dann schon auf.«

»Besser wär’s.« Anni lachte. »Sonst stehe ich ohne Bräutigam vor dem Altar.«

»Ich meine es ernst. Worauf wartet ihr? Ihr liebt euch und wollt zusammenbleiben. Oder etwa net?«

»Natürlich wollen wir das.«

»Sicher? Sag bloß, Chris hat kalte Füße bekommen?«

»Bestimmt net. Er hat nur so unglaublich viel zu tun.«

Anni legte eine Hand auf ihren Bauch. Noch sah man ihr die Schwangerschaft kaum an. Die weiße Bluse trug sie über dem bunten Sommerrock, so war die sanfte Rundung unter dem luftigen Stoff verborgen. Ihr Baby sollte im Dezember geboren werden. Nur noch wenige Monate, dann waren sie zu dritt. Sie konnte es kaum erwarten, ihr Kind endlich im Arm zu halten.

»Diese Hitze ist net auszuhalten.« Ihre Kollegin zupfte am Ausschnitt ihres Tops. Sie unterrichtete Sport in den unteren Klassen einer Münchner Grundschule. Ihre sommerlich gebräunte Haut war mit einem Schweißfilm bedeckt. Man sah sie selten anders als in Sportkleidung und Laufschuhen.

Anni hatte Judith über die Arbeit kennengelernt. Sie unterrichteten an derselben Schule und hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Hin und wieder trafen sie sich in ihrer Freizeit und gingen bummeln oder ein Eis essen.

»Halte durch«, tröstete Anni sie nun. »Es ist nimmer lange bis zu den Sommerferien. Dann kannst du dich beim Schwimmen abkühlen und musst net unterrichten.«

»Und das ist ein Glück«, stöhnte Judith. »Bei diesen Temperaturen schaltet mein Körper auf Sparmodus um. Dann funktioniere ich einfach net richtig. Heute ist es wieder mal besonders heiß. Ich glaube, ich werde den Nachmittag im Garten verbringen, mir ein schattiges Plätzchen suchen und mich so wenig wie möglich bewegen. Und was hast du vor?«

»Ich hab nachher einen Termin bei meiner Gynäkologin.«

»Ah, Baby-Fernsehen, was?«

»Genau. Wir wollen schauen, wie es dem Krümel geht.«

»Es geht ihm bestimmt prächtig. Immerhin kann es den ganzen Tag umherschwimmen und muss sich um nichts weiter kümmern.« Judith kniff ein Auge zu. »Wie weit bist du?«

»In der einundzwanzigsten Woche.«

»Das ist eine schöne Zeit. Genieß die bloß. In meiner Schwangerschaft ging es mir in diesen Wochen am besten. Die morgendliche Übelkeit war vorbei, und meine Hände waren noch nicht so stark geschwollen, dass mir der Juwelier den Ehering vom Finger schneiden musste.«

»Oje. Da hab ich ja noch was vor mir.«

»Ich könnte dir Sachen erzählen …« Judith winkte ab. »Schwamm drüber. Du wirst die Freuden der fortgeschrittenen Schwangerschaft noch früh genug entdecken. Weißt du, was mich am meisten mitgenommen hat?«

»Die Rückenschmerzen?«

»Die auch, aber vor allem, dass ich so nah am Wasser gebaut hatte. Die Hormone haben mich zu einem Wrack gemacht. Es gab eine Phase, da bin ich schon in Tränen ausgebrochen, wenn die Nachrichtensprecherin abends im Fernsehen nur Guten Abend gesagt hat. Mein Mann war damit ziemlich überfordert.«

»Das kann ich mir vorstellen. Wenigstens weiß er beim nächsten Baby schon, was ihn erwartet.«

»Auch wieder wahr. So schnell wirft ihn nichts mehr um.« Judith lachte.

Anni streichelte sacht über ihren Bauch. Als würde es antworten, strampelte ihr Baby. Ein heißes Glücksgefühl breitete sich von ihrem Herzen ausgehend in ihrem ganzen Körper aus. Sie freute sich so unbändig auf ihr Kind, dass ihr Herz vor lauter Liebe beinahe überfloss. Manchmal konnte sie kaum fassen, dass ihr so viel Gutes widerfuhr.

Dabei hatte ihre Beziehung mit einem Knall begonnen. Buchstäblich. Chris und sie waren auf einem Parkplatz mit ihren Einkaufswagen aneinandergestoßen. So heftig, dass beide Wagen umgestürzt waren und sich die Einkäufe auf dem Asphalt verteilt hatten.

Beim Einsammeln hatten sie Rezepte für Pasta-Soße ausgetauscht, und am Ende hatte Chris sie zu sich nach Hause eingeladen, um ihr zu beweisen, dass seine Kreation unübertroffen war. Impulsiv hatte Anni zugesagt und es nie bereut. Aus einem Treffen waren viele geworden – und aus Sympathie Liebe.

Und nun waren sie dabei, eine Familie zu gründen und sich ein gemeinsames Leben aufzubauen.

Sie wohnten zusammen in einem hübschen Altbau im Süden von München. Die Wohnung war groß genug, um ihnen Raum zum Leben und Arbeiten zu geben. Auch ein Kinderzimmer war vorhanden, das Anni mit viel Liebe zum Detail einrichtete.

»In der Sonne ist es heute wirklich net zum Aushalten.« Judith stöhnte wieder. »Jetzt ein Ausflug in die Berge. Das wär’s!«

»Dort ist es auch heiß. Du müsstest schon weit hinaufsteigen, um Abkühlung zu finden.«

»Ach, richtig. Du stammst ja von da. Aus dem Zillertal, nicht wahr?«

Anni nickte und konnte nicht verhindern, dass ihr ein leises Seufzen entfuhr. Ihre Familie war wieder eine andere Geschichte …

»Weiß dein Vater inzwischen, dass er Großvater wird?«

»Nein.« Ein bitterer Geschmack breitete sich in Annis Mund aus. »Das würde ihn auch net interessieren.«

»Aber sicher würde es das. Du bekommst immerhin sein Enkelkind«, sagte Judith.

»Trotzdem würde er vermutlich kein Wort mit mir wechseln. Du kennst ihn net. Er hat mir vor vier Jahren gesagt, ich soll nimmer heimkommen. Der Bruch war ernst gemeint. Er will mich nimmer sehen.«

»Hast du nie daran gedacht, eine Versöhnung zu versuchen, Anni?«

»Doch, natürlich. Manchmal war ich kurz davor, ihn anzurufen, aber dann hab ich es net über mich gebracht. Und je mehr Zeit vergeht, umso schwerer wird der erste Schritt.«

»Das glaube ich, aber deine Schwangerschaft wäre ein guter Anlass, wieder Kontakt zu suchen, meinst du net? Ich würde dir das net raten, wenn ich net wüsste, dass du insgeheim gern Frieden schließen würdest.«

Judiths Stimme nahm einen beschwörenden Ton an.

»Dein Vater hat nur noch dich, Anni. Und sein Enkelkind wird er lieben, da bin ich mir sicher. Die Großeltern meines Kleinen sind ganz vernarrt in ihn. Wenn es nach ihnen gehen würde, würden mein Mann und ich den Buben gar nimmer zu Gesicht bekommen, weil sie ihn net hergeben und lieber selbst umsorgen wollen.«

Anni hörte das Lächeln in der Stimme ihrer Kollegin und wurde nachdenklich. In ihr wuchs ein neues Leben heran. Ihr Baby würde die Familie fortsetzen. War das nicht tatsächlich ein guter Grund, um wieder eine Verbindung zu ihrem Vater herzustellen? Würde ihr Kind eine Brücke über die Kluft schlagen, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte?

Sie schloss die Augen und sah den Bauernhof vor sich, auf dem sie aufgewachsen war. Das Gehöft lag in den Zillertaler Bergen. Umgeben von grünen Wiesen und Gipfeln, die so hoch waren, dass der Schnee nicht einmal im Sommer schmolz. Heimweh breitete sich in ihr aus. So intensiv, wie sie es lange nicht mehr empfunden hatte.

»Du hast recht.« Sie sah ihre Kollegin wieder an.

»Immer doch.« Judith lächelte breit. »Sag das bei Gelegenheit mal meinen Schülern, ja?«

»Werde ich machen.« Schmunzelnd verabschiedete sich Anni und machte sich auf den Heimweg. Sie war in der beneidenswerten Lage, nur eine Viertelstunde Fußweg entfernt von ihrer Arbeitsstelle zu wohnen. So brauchte sie sich nicht mit dem Auto durch den Münchner Verkehr zu quälen.

Chris und sie lebten im Erdgeschoss einer modernisierten Jugendstilvilla. Ihre Wohnung verfügte über einen Zugang zu einem eigenen Gartenstück. Schon allein dafür liebte Anni ihr Zuhause heiß und innig. Sie werkelte gern im Grünen und zog Salat, Erdbeeren und frische Kräuter selbst heran.

Abends saß sie gern unter dem Sonnenschirm und las zur Entspannung oder blickte einfach nur verträumt in den Himmel. Wenn der Wind dann sacht durch die Zweige des Blauregens strich, fühlte sie sich wie im Urlaub.

Anni ging heim, um kurz zu duschen, ehe sie zu ihrem Arztbesuch aufbrechen wollte. Ihr Verlobter kam sicherlich nicht vor dem Abend aus der Kanzlei heim. Bis dahin war sie längst zurück und konnte das Abendessen vorbereiten und …

Nanu? Anni schob den Schlüssel ins Türschloss und stutzte, denn es war nicht abgeschlossen. Sie hatte die Wohnung nach Chris verlassen und war sich sicher, den Schlüssel zweimal umgedreht zu haben. Merkwürdig!

Sie zog die Wohnungstür auf und hörte ganz in der Nähe einen Stuhl über den Boden ratschen. Ihr Herz übersprang vor Schreck einen Schlag. Wer hielt sich in ihrer Wohnung auf? Etwa ein Einbrecher, der sie noch bei der Arbeit glaubte? Was sollte sie denn jetzt tun?

***

Anni schnappte sich den nächstbesten Gegenstand, der ihr in die Hände fiel. Es war ein dunkelblauer Stockschirm. Ihre Verteidigungswaffe fest umklammernd, schlich sie auf Zehenspitzen durch den Flur. Ihr Herz wummerte wie ein Presslufthammer. Irgendwo in ihrem Hinterkopf flüsterte eine Stimme, sie solle lieber machen, dass sie wegkam, und besser die Polizei rufen, damit diese nach dem Rechten sah. Doch etwas trieb sie weiter. Sie wollte den Geräuschen auf den Grund gehen.

Die Tür auf der rechten Seite des Flurs stand offen und führte in das Arbeitszimmer ihres Verlobten. Daraus musste das Stuhlrücken gekommen sein, denn jetzt war das Klappern einer Computertastatur zu hören. Der Geruch von Kaffee wehte Anni entgegen. Sie huschte weiter und spähte in das Büro.

Am Schreibtisch vor dem offenen Fenster, das hinaus in den Garten zeigte, saß ein braunhaariger Mann in einer dunklen Anzughose und einem weißen Hemd, das an den Ärmeln aufgekrempelt war. Vor ihm stapelten sich mehrere Akten. Auf dem Monitor war ein Dokument zu sehen, an dem er gerade arbeitete. Eine dampfende Tasse stand neben ihm.

»Chris?« Anni stieß erleichtert den Atem aus. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. »Du bist schon daheim?!«

»Hallo, Liebling.« Er zog sie an sich und tupfte ihr ein Busserl auf die roten Lippen. »Ja, ich bin heute früher gegangen. In der Kanzlei gab es einen Feueralarm. Es war nur eine Übung, aber sie hätte mich sicherlich eine Stunde von der Arbeit abgehalten. Dafür hab ich wirklich keine Zeit, deshalb bin ich heimgegangen, um hier zu arbeiten.« Er spähte auf den Schirm in ihrer Hand. »Sag mal, was willst du denn damit?«

»Die Tür war net abgeschlossen, und ich hab Geräusche aus der Wohnung gehört. Ich dachte, ein Einbrecher wäre am Werk.«

»Und dem wolltest du eins mit dem Schirm überziehen?« Ihr Verlobter furchte die Stirn. »Deinen Mut in allen Ehren, Liebes, aber wenn du das nächste Mal einen Eindringling vermutest, wäre es mir wesentlich lieber, du würdest dich in Sicherheit bringen und die Polizei rufen, anstatt selbst zur Tat zu schreiten.«

»Ich wollte nur nach dem Rechten sehen. Und ich kann auf mich aufpassen.«

»Daran zweifle ich net. Ich will nur net, dass euch beiden etwas passiert.« Chris zog sie noch ein wenig näher an sich und streichelte sanft ihren Bauch, ehe er ihr einen liebevollen Kuss gab, der sie die Hitze und die Anstrengungen des Tages vergessen ließ. Als er sie wieder freigab, blinzelte er ihr innig zu. »Was hältst du davon, wenn ich jetzt mein Plädoyer zu Ende schreibe, und anschließend unternehmen wir einen Spaziergang hinunter zum Isarufer?«

»Das klingt gut, aber ich kann leider net mitkommen. Ich hab einen Termin bei meiner Ärztin, hast du das vergessen?«

»Ach, richtig. Das hatte ich tatsächlich kurz aus dem Blick verloren. Mei, es ist einfach zu viel, was man immer im Kopf behalten muss. Manchmal bin ich so müde.« Er strich sich über die Stirn, und mit einem Mal schien ein Schatten auf sein Gesicht zu fallen. Er wirkte erschöpft.

»Ein wenig Erholung wäre wirklich wunderbar«, stimmte Anni ihm zu. »Was hältst du davon, wenn wir noch einen Urlaub machen, bevor das Baby kommt? Am besten in den Sommerferien, solange ich noch net so kugelrund bin, dass ich zwei Plätze im Auto vereinnahme. Nach der Entbindung werden wir erst einmal bis über beide Ohren in schmutzigen Windeln stecken und net zum Verreisen kommen. Der Zeitpunkt wäre ideal, meinst du net?«

»Prinzipiell wäre das eine gute Idee, aber im Augenblick ist ein Urlaub bei mir net drin. Ich hab in der Kanzlei alle Hände voll zu tun. Der Chef hat durchblicken lassen, dass ich zum Partner aufsteigen könnte. Das würde mehr Verantwortung, aber auch mehr Gehalt und eine sicherere Position bedeuten. Diese Chance will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Dafür muss ich ackern. Verreisen ist zurzeit leider unmöglich.«

»Schade.« Anni seufzte leise. »Manchmal hab ich Angst, dich gar nimmer zu sehen. Du arbeitest alleweil so viel.«

»Nur, um uns ein sicheres Leben zu schaffen. Ich möchte, dass du sorgenfrei in die Zukunft schauen kannst. Und unser Kleines auch. Es soll studieren können, wenn es das möchte, oder ein Jahr ins Ausland gehen, sobald es alt genug ist. Für all diese Wünsche soll später einmal genügend Geld da sein.«

»Trotzdem wünsche ich mir mehr Zeit mit dir.« Anni strich sich eine dunkelblonde Haarsträhne aus dem Gesicht und schob ihre Enttäuschung beiseite. »Hast du Hunger?«

»Jetzt net. Ich muss noch eine Weile arbeiten.«

»Wir haben Steaks im Kühlschrank, die kann ich später zum Abendessen machen.«

»Klingt gut. Und was isst du?«

»Auch ein Steak. Allerdings aus Tofu.«

»Das Zeug ist weder Pflanze noch Fleisch.« Ihr Verlobter schüttelte sich. »Wann hat das eigentlich angefangen, dass du kein Fleisch mehr isst?«

»Als Teenager hatte ich eine Phase, in der ich alle Tiere retten wollte und deshalb auf Fleisch verzichtet hab. Meinen Vater hat das verrückt gemacht. Das war ein weiterer Minuspunkt. Damals war ich ziemlich aufsässig.« Sie lächelte entschuldigend. »Später hab ich gemerkt, dass ich mich gut damit fühle, fleischlos zu leben. Es stört mich net, dir Steaks und Wurst zu servieren, aber ich mag da net ran.«