Der Bergdoktor 1888 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1888 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Als der reiche Großbauer Xaver Aumüller zufällig erfährt, dass seine Kinder Tobias und Magdalen gar nicht daran denken, sich seinem Willen zu fügen und die "standesgemäßen" Partner, die er ihnen ausgesucht hat, zu heiraten, bekommt er einen Tobsuchtsanfall. Niemals wird er dulden, dass Magdalen diesen armen Schlucker Lukas Holzer heiratet, mit dem sie heimlich verbandelt ist.

Xaver wütet wie ein Wahnsinniger, und dabei hat Dr. Burger ihm jegliche Aufregung verboten, denn der Großbauer ist schwer herzkrank. Wenn seine Kinder nicht spuren wollen, muss er ihnen eben die Flötentöne beibringen.

Blind vor Wut schlägt der Aumüller zuerst seinen Sohn nieder, dann zerrt er Magdalen in seinen Geländewagen und rast wie von Sinnen mit ihr davon. Was hat der Vater vor? Magdalen bangt um ihr Leben ...

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Burger und das Schicksal der schönen Magdalen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: lenawurm / iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5454-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Dr. Burger und das Schicksal der schönen Magdalen

Als der Vater sie verstieß, suchte sie Zuflucht im Doktorhaus

Von Andreas Kufsteiner

Als der reiche Großbauer Xaver Aumüller zufällig erfährt, dass seine Kinder Tobias und Magdalen gar nicht daran denken, sich seinem Willen zu fügen und die »standesgemäßen« Partner, die er ihnen ausgesucht hat, zu heiraten, bekommt er einen Tobsuchtsanfall. Niemals wird er dulden, dass Magdalen diesen armen Schlucker Lukas Holzer heiratet, mit dem sie heimlich verbandelt ist.

Xaver wütet wie ein Wahnsinniger, und dabei hat Dr. Burger ihm jegliche Aufregung verboten, denn der Großbauer ist schwer herzkrank. Wenn seine Kinder nicht spuren wollen, muss er ihnen eben die Flötentöne beibringen.

Blind vor Wut schlägt der Aumüller zuerst seinen Sohn nieder, dann zerrt er Magdalen in seinen Geländewagen und rast wie von Sinnen mit ihr davon. Was hat der Vater vor? Magdalen bangt um ihr Leben …

»Das sieht gut aus.« Dr. Martin Burger betrachtete das Röntgenbild und nickte zufrieden. »Der Knochen ist glatt zusammengewachsen, Magdalen.«

Das hübsche junge Madel atmete hörbar auf.

»Dann kann ich endlich wieder in die Berge gehen? Ich muss zugeben, dass mir diese Zwangspause überhaupt net gefallen hat.« Sie strich eine Locke ihres glänzenden, dunkelblonden Haares hinters Ohr und lächelte dabei ausdrucksvoll. Ihre klaren blauen Augen funkelten. »Sie wissen ja, Herr Doktor, wie wichtig mir das Kraxeln ist.«

»Ich kann’s nachvollziehen«, gab der sportliche Landarzt zu.

Er war selbst ein leidenschaftlicher Bergsteiger und suchte auch mit Anfang fünfzig noch regelmäßig die Herausforderung an der Felswand. Doch er wusste natürlich, worauf seine junge Patientin anspielte.

»Der Lukas wird froh sein, wenn ihr euch wieder droben bei ihm treffen könnt und er net allerweil ins Tal absteigen muss, um seine Liebste zu sehen, net wahr?«

Magdalen senkte verschämt den Blick.

»Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass wir uns hier treffen durften, Herr Doktor. Sie wissen, wie mein Vater ist. Und ich hätte es net durchgestanden, den Lukas wochenlang net zu Gesicht zu bekommen.«

»Habt ihr net mal dran gedacht, Nägel mit Köpfen zu machen? Du bist erwachsen, Magdalen. Wenn dein Vater gegen eine Heirat mit dem Lukas Holzer ist, dann ist das seine Sache. Du kannst doch nicht dein ganzes Leben lang nur Rücksicht nehmen.«

Das schöne Madel seufzte leise.

»Ich würde den Lukas lieber heut als morgen heiraten und zu ihm auf den Berghof ziehen. Ich versteh mich auch wunderbar mit seinen Eltern, das sind ganz liebe Leute. Aber selbst wenn der Vater mich gehen lassen würde – was ich bezweifle –, müssten meine Brüder dafür büßen.«

Dr. Burger, den die Menschen im Tal von St. Christoph respektvoll »Bergdoktor« nannten, war dafür bekannt, sich nicht nur um die Krankheiten seiner Patienten, sondern auch um ihre Schicksale zu kümmern. Er sah stets die ganze Person, die zu ihm kam und deren Beschwerden oder Erkrankung meist nur ein Teil des Problems waren. Und er hatte noch niemandem die Tür gewiesen, den Kummer oder Einsamkeit in seine Praxis geführt hatten.

Der einfühlsame Mediziner war in St. Christoph geboren und fest verwurzelt. Die Menschen hier waren ihm wichtig, und das Helfen und Heilen für ihn nicht nur Beruf, sondern wahre Berufung.

Er kannte die Zustände auf dem Aumüller-Hof, und er kannte auch Magdalens Vater Xaver, der im Wartezimmer saß, ganz genau. Aus diesem Grund hatte er es dem schönen Madel ermöglicht, sich bei den Behandlungsterminen mit seinem Liebsten zu treffen.

Obwohl der Tyrann und ausgemachte Zornnagel Xaver Aumüller seine Tochter ein wenig besser behandelte als seine beiden Söhne, hatte Magdalen doch Angst vor ihrem Vater. Sie wagte nicht, ihm zu gestehen, dass sie den Sohn der Bergbauernfamilie Holzer lieb hatte, die zwar rechtschaffene Leute waren, aber keine Reichtümer besaßen.

Für den schwerreichen Großbauern zählte allerdings nur der Besitz. Und er bestand darauf, seine Kinder »standesgemäß« zu verheiraten, daran ließ er nie einen Zweifel.

»Und wenn ich mal mit deinem Vater rede?«, bot Dr. Burger nun an. »Er kommt eh gleich nach dir dran. Ich könnte …«

»Bitte net!« Deutlich schimmerte die Panik in den klaren Augen der schönen Hoftochter. »Wir wollen noch warten. Vielleicht wird es einfacher, wenn der Vater wieder ganz gesund ist.«

»Wie du willst. Ich fürchte nur, die Herz-OP wird wenig am Charakter deines Vaters ändern, Magdalen.«

»Warten wir es ab«, murmelte sie. »Ich hoffe es eben …«

Gleich darauf betrat Xaver Aumüller das Sprechzimmer. Bärbel Tannauer, die bewährte Arzthelferin, bereitete ein EKG vor, was dem Großbauern gar nicht schmeckte.

»Der Schmarrn wird mir auch net helfen«, dröhnte er und klopfte Dr. Burger die Schulter, während er dessen Rechte herzhaft schüttelte. »Wenn bei mir daheim endlich alles im Lot ist, geht’s mir gewiss von selbst wieder besser, warten Sie nur ab, Herr Doktor!«

»Das wage ich allerdings zu bezweifeln, Bauer. Zieh bitt schön das Hemd aus, damit wir anfangen können.«

»Also gut«, seufzte der Patient.

Xaver Aumüller war eine imposante Erscheinung. Beinahe so groß wie der Bergdoktor, doch eher korpulent. Stets im besten Loden gekleidet, das dichte graue Haar bildete fast eine Mähne, und der Schnauz war dazu passend keck gezwirbelt. Die rote Gesichtsfarbe wies auf seinen hohen Blutdruck hin, unter dem er bereits seit einer Weile litt.

Erst als sich massive Beschwerden eingestellt hatten, hatte der Großbauer und Besitzer einer Viehhandlung sich die Zeit genommen, zum Arzt zu gehen. Doch so richtig ernst schien er seine Erkrankung, sehr zu Dr. Burgers Leidwesen, nicht zu nehmen.

Es klimperte, als der Aumüller seine Weste aufknöpfte und die schwere silberne Uhrkette mit den zahlreichen Granteln abnahm. Bärbel befestigte gleich darauf die Messelektroden auf der breiten Brust des Patienten, der nicht umhinkonnte, ihr vertraulich zuzuzwinkern.

In jungen Jahren war der Aumüller ein flotter Hirsch gewesen, der nichts hatte anbrennen lassen. So ganz konnte er noch immer nicht aus seiner Haut, wenn er ein junges Madel sah.

»Nur net übermütig werden«, riet Bärbel ihm ungerührt. »Nachher stimmen die Messwerte net.«

Xaver lachte dröhnend.

»Du bist recht, Madel!«

Wenig später hatte Dr. Burger die Werte schwarz auf weiß vor Augen, die ihm gar nicht gefielen. Der Aumüller hatte vor seinem Schreibtisch Platz genommen.

»Nehmen Sie es net so schwer, Herr Doktor. Nach der OP bin ich wieder wie neu, versprochen!«, meinte der Großbauer jovial.

»Deine Hypertonie ist kein Thema für Spaßletten, Bauer«, mahnte der Bergdoktor ernst. »Wir müssen die Medikation erhöhen, denn das, was ich hier seh, gefällt mir ganz und gar net. Und dann solltest du dich schnellstmöglich operieren lassen.«

»Sie übertreiben, net wahr? Sie machen mir ein bisserl Angst, damit ich mich spute und ins Spital eile. Aber so schnell geht das fei nicht. Ich will’s ja machen lassen. Allerdings erst, wenn die Kinder verheiratet sind und ich guten Gewissens mal für eine Weile ausfallen kann.«

Dr. Burger legte den Ausdruck beiseite und musterte sein Gegenüber streng.

»Die Herzinnenhautentzündung ist zwar vollständig ausgeheilt, hat aber einen Defekt an den Herzklappen verursacht, der behoben werden muss. Zusammen mit deinem zu hohen Blutdruck stellt dieser Defekt sozusagen eine Zeitbombe dar. Ein Wutanfall, ein Schreck, sogar ein zu üppiges Nachtmahl könnten einen Infarkt auslösen. Ich warne dich, Bauer, das sind die Fakten, ohne jede Übertreibung.«

Daraufhin war der Großbauer tatsächlich sprachlos, denn so unverblümt redete sonst keiner mit ihm. Er verzog den Mund und fühlte sich sichtlich unwohl. Es gehörte sich nicht, den Doktor anzubrüllen, wie das sonst so seine Art war. Aber sich einfach zu fügen wie ein Schulbub, das wollte der Aumüller nicht. Auch in diesem Fall musste es nach seinem Willen gehen. Und er hatte nun mal andere Prioritäten als der Bergdoktor.

»Was kann denn daheim so wichtig sein, dass es nicht bis nach der OP warten könnte?«, nahm der Landarzt einen neuen Anlauf, vernünftig mit seinem Patienten zu reden. »Stefan ist ein tüchtiger Jungbauer, und der Tobias führt den Viehhandel. Alles ist geregelt und wird auch mal eine Weile ohne dich funktionieren, da bin ich mir sicher.«

»Ich aber net«, widersprach Xaver entschieden. »Die Buben brauchen ständig Aufsicht, damit sie keinen Unfug verbraten. Außerdem wird es für die Zwillinge Zeit zum Heiraten. Falls ich länger ausfalle, könnten die beiden auf dumme Gedanken kommen.«

Dr. Burger musste lachen.

»Die Magdalen und der Tobias sich erwachsen, Bauer. Sie dürfen auf jeden dummen Gedanken kommen, der ihnen gefällt, denn sie müssen ja auch selbst dafür geradestehen, net wahr?«

»So einfach ist das nicht. Besitz verpflichtet, das wissen Sie doch auch. Der Pankraz hätte sich bedankt, wenn Sie es sich hätten einfallen lassen, Landschaftsgärtner zu werden. Jede Familie hat halt ihre Tradition. Und bei uns kommt Geld zu Geld, das ist schon seit Generationen so. Damit es auch so bleibt, hab ich die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Kinder recht heiraten.«

»Demnach bist du mit der Vroni als Schwiegertochter zufrieden.«

»Na ja.« Xaver verzog geringschätzig den Mund. Stefans Frau war ein Feuerkopf mit einem losen Mundwerk. Er hätte sich gewünscht, dass sein Ältester ihm eine etwas sanftere Schwiegertochter auf den Hof bringen würde. Aber sie hatte eine ordentliche Mitgift gehabt, und dieser Umstand entschädigte den Großbauern für so manche Respektlosigkeit, wie er das nannte.

»Und du traust den Zwillingen net zu, dass sie sich gescheite Lebenspartner suchen, mit denen sie glücklich werden können?«

Der Aumüller lachte leise.

»Herr Doktor, packen Sie bloß den Romantiker wieder ein. Beim Heiraten geht’s net um rosa Herzerln und Anisgebäck, sondern einzig und allein darum, dass es passt, persönlich wie finanziell. Die Kinder sind zu jung, um sachlich zu entscheiden. Deshalb nehm ich ihnen das ab.«

Seine Stimme wurde während des Sprechens ein wenig lauter.

»Hätte mein Vater selig seinerzeit nicht ein Machtwort gesprochen, wer weiß, was für einen Fehler ich gemacht hätte. Na, na, so was kann man nicht dem Zufall überlassen. Ich hab auch schon die rechten Partien im Auge. Und sobald alles klar ist, leg ich mich in Schwaz unters Messer, versprochen!«

***

Nachdem Xaver Aumüller die Praxis, die sich in einem Anbau des Doktorhauses in der Kirchgasse befand, verlassen hatte, erschien Bärbel im Sprechzimmer und ließ ihren Chef wissen, dass das Wartezimmer leer sei.

»Ich mach dann Mittag, oder war noch was?«

»Nein, geh nur. Und einen guten Appetit wünsch ich«, kam es ein wenig zerstreut von Dr. Burger, der noch in die Krankenakte des Großbauern vertieft war.

»Gibt’s ein Problem, Chef?«, wollte Bärbel wissen. Sie kannte den Bergdoktor gut genug, um zu wissen, wann ihm etwas keine Ruhe ließ. Und das schien momentan der Fall zu sein.

Martin Burger erhob sich und hängte den weißen Kittel an den Kleiderständer.

»Der Aumüller ist sehr unvernünftig, das macht mir Sorgen«, gab er zu. »Eigentlich müsste ich ihn gleich ans Spital überweisen, damit die Klappenstenose behoben werden kann. Jeder weitere Tag in diesem Zustand ist für ihn ein Risiko. Und unter diesen Umständen lässt sich die Hypertonie medikamentös auch net richtig behandeln.«

»Er bildet sich ein, dass es net so schlimm ist, wie Sie sagen, gelt? Das ist typisch. Dieser aufgeblasene Lackel hält sich doch tatsächlich für unsterblich!«

Dr. Burger musste schmunzeln.

»Scheint fast so.«

»Es ist so!«, beharrte Bärbel. »Der Aumüller tyrannisiert seine ganze Umgebung. Er führt sich daheim auf wie ein Diktator. Und es ist offenbar unter seiner Würde, Vernunft anzunehmen.«

»Er will sich ja operieren lassen, nur eben später.«

»Später? Pah! Der denkt net dran, sich zu fügen. Ich sag’s net gern, Chef, aber solche Typen brauchen einen gewaltigen Tiefschlag, damit sie aufwachen und begreifen, dass sie nur ganz normale Sterbliche sind, wie alle anderen auch.«

Dr. Burger machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Ich kann dir nicht widersprechen«, gestand er Bärbel zu. »Ich hoffe nur, er nimmt rechtzeitig Vernunft an, bevor der große Knall kommt.«

»Darauf würde ich net wetten«, meinte Bärbel und ging.

Martin Burger verließ den Anbau, in dem sich neben den üblichen Behandlungsräumen auch ein kleiner, vollständig eingerichteter OP, ein Labor, ein Röntgenraum und zwei Krankenzimmer befanden. So hatte der ausgebildete Unfallchirurg auch die Möglichkeit, Unfallopfer oder Notfälle stationär unterzubringen. Dies hatte sich besonders im Winter als vorteilhaft erwiesen.

St. Christoph lag nämlich recht abgeschieden in einem kleinen Seitental des Zillertals. Nur eine schmale Bergstraße mit zahlreichen Serpentinen führte hier herauf, und in der kalten Jahreszeit wurde der Weg in die Stadt oft beschwerlich.

Da hatte die Institution, die im Volksmund als »Miniklinik« bezeichnet wurde, sich bewährt.

Als der Bergdoktor nun das Esszimmer betrat, hatte seine Familie sich dort bereits vollzählig versammelt. Sabine, seine Frau, begrüßte ihn mit einem Busserl, sein Vater Pankraz wollte wissen, ob es etwas Neues in der Praxis gab, und die Kinder hatten allerlei zu erzählen.

Tessa, die Älteste, hatte an diesem Tag eine Eins im Aufsatz bekommen und ihr Werk vor der ganzen Klasse vorlesen dürfen. Sie platzte fast vor Stolz und schmierte ihren Erfolg mit Genuss dem kleinen Bruder Philipp, den alle nur Filli nannten, aufs Brot.

Filli ging noch in den Kindergarten und ärgerte sich sehr über den »Bildungsvorsprung« seiner älteren Schwester.

Die kleine Laura, das zweijährige Nesthäkchen im Doktorhaus, kannte noch keine solchen Probleme. Laura krähte munter und strahlte fröhlich, als der Papa ihr über die zarten Locken strich.

»Papa, Arm!«, forderte sie, aber daraus wurde nichts, denn nun servierte Zenzi das Essen. Die gute Seele des Haushalts – nunmehr seit fast vierzig Jahren – wurde von allen geschätzt, ganz besonders aber von Dr. Burger senior, der ihre herzhafte, bodenständige Küche über alles liebte.

An diesem sonnigen und noch angenehm warmen Septembertag gab es Krautwickel mit buntem Herbstgemüse und Speckknödeln. Und zum Nachtisch eine feine Vanillecreme mit frischen Pflaumen.

»Zenzi, du hast dich selbst übertroffen!«, lobte Pankraz beim Kaffee. »Es war alles einfach köstlich!«

»Freut mich, dass es geschmeckt hat«, war alles, was sie auf ihre typisch trockene, stets etwas bärbeißige Art erwiderte. Doch unter Zenzi Bachhubers rauer Schale, das wussten alle im Doktorhaus, schlug ein butterweiches Herz, mit dem sie die Arztfamilie liebevoll umsorgte.

»Die Magdalen Aumüller war heut zur letzten Kontrolle in der Sprechstunde«, erzählte Martin, nachdem Tessa und Filli in den Garten gegangen waren, um zu spielen. »Ihr Fuß ist wieder in Ordnung. Was man von ihrem Privatleben kaum sagen kann.«

»Sie ist mit dem jungen Holzer beisammen, gelt?«, wusste Sabine Burger. »Die beiden sind ein schönes Paar.«

»Aber leider auch ein Tragisches, denn der Xaver hat offenbar andere Pläne für seine Tochter.«

»Der alte Bazi«, sinnierte Pankraz. »Ein ausgekochtes Schlitzohr ist der Aumüller. Geschäfte mit dem zu machen ist gewiss kein Vergnügen. Aber privat ist er noch viel ärger.«

»Das klingt ein bisserl hart«, meinte Sabine. »Ist er denn wirklich so schlimm?«

»Schlimmer!« Pankraz lächelte schmal. »Als junger Bursch hat er nix anbrennen lassen. Ich weiß allein von zwei Madeln, die er in die Hoffnung gebracht hat. Sein Vater hat alles mit Geld geregelt. Als es dann ans Heiraten ging, hat der Xaver sich gefügt. Man konnte net sagen, dass er sich nicht ausgetobt hätte. Sein Vater hat ihm die Tochter vom Großbauern Illinger aus Hochbrunn ausgesucht.«

»Die Christel war ein sehr hübsches und patentes Madel, net wahr?«, warf Martin ein.