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Die hübsche Rose Sterzl hat sich bis über beide Ohren in den Pferdeknecht des Schlössls verliebt. Als Jonah allerdings schon beim zweiten Treffen zudringlich wird, erkennt Rose ihren Irrtum. Der Bursche scheint keine Zeit verlieren zu wollen, doch ihr geht alles viel zu schnell. Sie kennen sich ja kaum.
Als das Madel ihm daraufhin unmissverständlich erklärt, dass es aus ist zwischen ihnen, gerät Jonah in Wut. "Zuerst machst du mir schöne Augen und dann einen Rückzieher", fährt er sie an. Das lässt er sich nicht bieten!
Plötzlich verwandelt sich Roses Leben in einen Albtraum. Auf dem Sterzl-Hof geschieht ein Unglück nach dem anderen. Hühner werden vom Fuchs gerissen, der Strom fällt aus, und die Hauswand ist mit unflätigen Kritzeleien verschmiert. Rose will sich nicht einschüchtern lassen, doch dann bricht ihr Vater zusammen. Dr. Burger kann ihn wiederbeleben, aber was er Rose dann sagt, lässt sie endgültig verzweifeln: "Jemand hat versucht, deinen Vater zu vergiften!"
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Sein wahres Gesicht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5455-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Sein wahres Gesicht
Roman um ein gutgläubiges Madel und einen gerissenen Erbschleicher
Von Andreas Kufsteiner
Die hübsche Rose Sterzl hat sich bis über beide Ohren in den Pferdeknecht des Schlössls verliebt. Als Jonah allerdings schon beim zweiten Treffen zudringlich wird, erkennt Rose ihren Irrtum. Der Bursche scheint keine Zeit verlieren zu wollen, doch ihr geht alles viel zu schnell. Sie kennen sich ja kaum.
Als das Madel ihm daraufhin unmissverständlich erklärt, dass es aus ist zwischen ihnen, gerät Jonah in Wut. »Zuerst machst du mir schöne Augen und dann einen Rückzieher«, fährt er sie an. Das lässt er sich nicht bieten!
Plötzlich verwandelt sich Roses Leben in einen Albtraum. Auf dem Sterzl-Hof geschieht ein Unglück nach dem anderen. Hühner werden vom Fuchs gerissen, der Strom fällt aus, und die Hauswand ist mit unflätigen Kritzeleien verschmiert. Rose will sich nicht einschüchtern lassen, doch dann bricht ihr Vater zusammen. Dr. Burger kann ihn wiederbeleben, aber was er Rose dann sagt, lässt sie endgültig verzweifeln: »Jemand hat versucht, deinen Vater zu vergiften!«
»Mei, das hätte es net gebraucht.« Mit der flachen Hand wischte sich Dominikus Salt über das Gesicht. Seine Haut glänzte feucht von dem Regen, der unbarmherzig vom Himmel stürzte. Der Leiter der Bergrettung musste seine Stimme erheben, um das Fauchen des Sturms zu übertönen. »Es würde mich net wundern, wenn Noah mit seiner Arche jeden Augenblick vorbeigeschippert käme!«
»Das Wetter ist wirklich eine Herausforderung.« Dr. Martin Burger stemmte die Daumen unter die Riemen seines Rucksacks und beugte sich vornüber.
Vor den beiden Männern wurde der Weg nicht nur steiler, sondern schlängelte sich auch kurviger bergan. Tief hängende Zweige zerrten an ihren Wetterjacken. Dazu regnete es, was nur vom Himmel kommen konnte.
War die Luft mittags noch mild gewesen, wurde es jetzt spürbar kälter. Die Bäume rings um die beiden Retter neigten sich ächzend unter der Kraft des Nordwindes, der über die Berge heranfegte.
Der Notruf war vor wenigen Minuten hereingekommen: Ein junger Forstgehilfe war bei Arbeiten im Wald verletzt worden und brauchte Hilfe. Er hatte seinen Standort nur ungefähr beschreiben können, deshalb waren die beiden Retter auf der Suche nach ihm.
Sie hofften, ihn bald zu finden, denn das Wetter verschlechterte sich weiter.
Der Herbst zeigte sich von seiner stürmischsten Seite! Die Luft war schwer und feucht und roch nach Moos und Pilzen. Der Sturm kroch im Handumdrehen unter die Kleidung und ließ die beiden Retter frösteln. Sie kämpften sich durch dichten Wald und bissen die Zähne zusammen, als es in der Ferne rumpelte.
Martin Burger hatte seine Sprechstunde für diesen Tag gerade beendet, als der Notruf hereingekommen war.
In seiner Praxis am Rand von St. Christoph kümmerte er sich um die Patienten aus dem Dorf und der näheren Umgebung. Außerdem half er ehrenamtlich bei der Bergrettung mit.
Gemeinsam mit seinem Begleiter hatte er schon so manchen Einsatz überstanden. Das hatte sie zu Freunden gemacht, die wussten, dass sie sich in der Not aufeinander verlassen konnten.
»Ich wäre jetzt gern daheim. In einer warmen Wanne voller knisterndem Badeschaum, der nach Zirben duftet und mir bis zur Nasenspitze reicht«, schwärmte Dominikus. »Ja, so würde sich das Wetter aushalten lassen.«
»Zirben hast du hier genug«, entgegnete der Bergdoktor trocken. »Und Wasser auch.«
»Das ist aber net dasselbe. Ich hab das Gefühl, mir sterben die Zehen ab vor lauter Kälte. Dieser verflixte Regen kriecht einem in alle Ritzen.«
Vor ihnen gabelte sich der Weg. Ratlos blieben sie kurz stehen. Wohin mussten sie nun? Nach links und damit noch höher auf den Berg? Oder nach rechts?
Dr. Burger warf einen Blick auf das Navigationsgerät in seiner Hand. Es verriet ihm, dass sie den Hexenstein umrundet hatten und sich nun auf der dem Dorf abgewandten Seite des Berges befanden.
»Hier irgendwo muss Magnus sein.«
»Hoffentlich laufen wir im Regen net an ihm vorbei.« Dominikus hatte kaum ausgesprochen, als in der Nähe jemand um Hilfe rief. Der Ruf erklang links von ihnen.
»Da lang!« Martin Burger deutete in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war.
Sie beschleunigten ihre Schritte und erreichten wenig später eine Lichtung. Hier stand ein Traktor mit heruntergelassener Frontladerschaufel. Auf dieser saß ein junger Mann mit dunklen Haaren, die ihm regennass am Kopf klebten. Neben ihm lag ein leuchtend gelber Schutzhelm.
Der Atem des Forstgehilfen kam schwer und angestrengt. Er presste ein Tuch auf sein rechtes Auge. Der helle Stoff war bereits durchgeblutet. Kein gutes Zeichen!
Martin Burger tauschte einen Blick mit seinem Begleiter.
»Gib bitte durch, dass wir Magnus gefunden haben und wo wir sind«, bat er. »Wir brauchen einen Rettungswagen – rasch!«
»Wird aber net einfach für den Fahrer, bis hierhin durchzukommen. Die Waldwege bestehen aus Schlamm und Morast bei dem Regen, aber es hilft ja alles nix.« Dominikus zog sein Funkgerät hervor, um die Meldung weiterzugeben.
Derweil trat der Bergdoktor vor seinen Patienten hin.
»Magnus? Ich bin’s, Martin Burger.«
»Herr Doktor!« Ein tiefes, erleichtertes Aufatmen entfuhr dem Verletzten. »Bin ich froh, dass Sie da sind.«
»Was genau ist passiert?«
»Hier soll eine Baumschule entstehen. Ich hab die Grünabfälle für die Kompostierung gehäckselt. Mit dem hinten am Traktor angebrachten Häcksler. Als ich Äste in den Trichter nachgeführt habe, bekam ich plötzlich einen Schlag gegen mein rechtes Auge. Ich hab darübergewischt und hatte Blut an den Fingern. Danach hab ich die Maschine abgeschaltet und die Rettung angerufen. Seitdem sitze ich hier und warte …«
»Kannst du mir sagen, wie dein voller Name lautet?«
»Magnus Gredler.«
»Gut. Wie viele Finger halte ich hoch, Magnus?«
»Drei. So weit kann ich gerade noch zählen.« Ein Lächeln schwang in der Stimme des Forstgehilfen mit.
»Hast du Schmerzen?«
»Die sind halb so wild. Ich fühle mich nur ein bisserl benebelt. Als hätte ich ein Schnapserl zu viel getrunken, aber ich bin stocknüchtern. Ehrlich.«
»Das glaube ich dir. Ich werde dich jetzt untersuchen und dein Auge inspizieren. Sag mir, wenn du dich unwohl fühlst oder wenn die Schmerzen schlimmer werden.« Dr. Burger setzte seinen Rucksack ab, nahm das Messgerät heraus und maß den Blutdruck seines Patienten. Die Werte waren zu niedrig, der Puls dafür erhöht.
Behutsam entfernte er das Tuch über dem verletzten Auge. Das Oberlid war eingerissen. Im Auge selbst zeichnete sich eine deutliche Einblutung ab. Einen Fremdkörper konnte er nicht erkennen, aber eine Verletzung des Augapfels ließ sich trotzdem noch nicht ausschließen.
Er legte seinem Patienten einen frischen Verband an.
»Herr Doktor?«, murmelte Magnus stöhnend. »Wo bin ich?«
Der Bergdoktor furchte alarmiert die Stirn.
»Am Fuß des Hexensteins. Im Wald.«
»Tatsächlich? Und was machen Sie mit mir? Was ist denn geschehen?«
»Weißt du das nimmer?«
»Ich bin mir net sicher. In meinem Kopf … ist alles wie im Nebel.« Der Forstgehilfe rieb sich die Stirn, als wollte er seinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Eben noch wach und orientiert, verschlechterte sich sein Zustand mit einem Mal rapide!
»Martin?« Dominikus Salt steckte das Funkgerät zurück an seinen Gürtel. »Was fehlt Magnus? Eben war er noch voll da?!«
»Das stimmt. Ich befürchte, er hat ein Trauma erlitten.«
»Ein Trauma?«, ächzte der Forstgehilfe.
»Ein Stück Holz hat dich am Kopf getroffen, vermutlich beschleunigt durch den Häcksler. Wir wissen noch net, welchen Schaden das angerichtet hat. Ich werde dich vorsichtshalber in Narkose versetzen, Magnus.«
»In Narkose? Ist das wirklich nötig? Es ist doch nur mein Auge, Herr Doktor. Ich wurde net angeschossen oder so.«
»Das stimmt, aber deine Symptome deuten darauf hin, dass dein Gehirn beeinträchtigt wurde. Die Narkose wird die höheren Funktionen schützen.«
»Wenn Sie meinen, dass es nötig ist, dann hab ich nichts dagegen.« Grenzenloses Vertrauen schimmerte in dem gesunden Auge des Forstgehilfen. »Mei, mir ist wirklich ein bisserl seltsam zumute …«
Der Bergdoktor beeilte sich, seinen Patienten in den Tiefschlaf zu versetzen. Er musste Magnus stabilisieren, bis der Rettungswagen eintraf und ihn in die Klinik bringen konnte. Der Zustand des Sechsundzwanzigjährigen verschlechterte sich zusehends. Es stand zu befürchten, dass der Zwischenfall verhängnisvolle Folgen für Magnus haben würde!
***
»Kalt! Kalt! Kalt!« Bibbernd schälte sich Rose Sterzl aus ihrer nassen Jacke und flitzte ins Badezimmer, um eine Schüssel mit heißem Wasser zu füllen. Ein paar Spritzer Latschenkieferöl, und sie huschte ins Wohnzimmer und stellte die Schüssel vor dem Ohrenbackensessel ab, der schon reichlich abgegriffen, aber auch unendlich bequem war.
Während draußen der Regen gegen die Fensterscheiben trommelte und tief hängende Wolken die Sicht auf die Berge trübten, war es hier drinnen warm und behaglich. Ein munteres Feuer knisterte im Kamin und die Stehleuchte tauchte den Raum in gemütliches Licht.
Rose zog ihre klammen Socken aus und tauchte ihre Füße in das warme, duftende Wasser. Ah, das tat gut! Beinahe meinte sie, das Knacken ihrer auftauenden Zehen zu spüren. Sie angelte eine karierte Wolldecke vom Sofa und kuschelte sich hinein. Das war viel besser!
Im Freien schien gerade die Welt unterzugehen. Es regnete in Strömen, und der Nordwind brachte so viel Kälte mit, dass sich erste Schneeflocken unter den Niederschlag mischten. Ein kräftiger Sturm blies um den Sterzl-Hof und rüttelte an den Fensterläden, aber das Anwesen hatte vielen Unwettern getrotzt und würde auch diesem widerstehen.
Die junge Bäuerin hatte den Nachmittag im Stall verbracht und einer Kuh beim Kalben geholfen. Es war Nanneis erstes Kälbchen, und die junge Kuh war entsprechend nervös gewesen. Ihre Rufe schallten durch den gesamten Stall. Doch es ging alles gut.
Das Kälbchen war gesund und munter zur Welt gekommen. Rose hatte sich vergewissert, dass es Mutter und Kalb an nichts fehlte, dann war sie ins Haus zurückgekehrt. Von dem kurzen Weg quer über den Hof war sie klatschnass!
Rose war auf dem Hof ihres Vaters aufgewachsen und hatte schon früh gewusst, dass sie in die Landwirtschaft gehörte. Sie liebte es, für die Tiere und die Wiesen zu sorgen und die Arbeit sorgfältig zu planen, sodass alles wuchs und gedieh.
Als Landwirt brauchte man Wissen über Pflanzen, das Wetter und die Tierheilkunde. Es schadete auch nicht, wenn man ein kaputtes Stalldach selbst reparieren konnte.
Rose liebte die Herausforderungen, die jeder Tag mit sich brachte. Sie musste morgens in aller Frühe aufstehen, aber sie hätte es gar nicht anders haben wollen.
Während sie sich nun entspannt im Sessel zurücklehnte und das warme Fußbad genoss, streifte ihr Blick die Korktafel an der Wand. Daran waren zahlreiche bunte Postkarten festgepinnt: Ansichten vom Londoner Tower, einem Themseschiff und den grünen Weiten Cornwalls.
Daneben war eine Fotografie ihrer Freundin festgemacht. Sophie stand neben einem Wachsoldaten vor dem Buckingham Palace – der Posten war gut erkennbar an der Bärenfellmütze. Sophie schnitt Grimassen, aber der Wächter zuckte mit keiner Wimper.
Rose musste lächeln, als sie das Bild betrachtete.
Sophie und sie waren zusammen aufgewachsen. Nach dem Schulabschluss hatten sich ihre Wege jedoch getrennt. Sophie war als Au-pair-Mädchen zu einer Familie nach London gezogen. Dort hatte es ihr so gut gefallen, dass sie geblieben war und sich für ein Anglistik-Studium entschieden hatte.
Rose bewunderte die Freundin für ihren Mut. Ein Umzug in ein fernes Land wäre nichts für sie gewesen. Sie liebte ihre Heimat und die Berge und hätte nirgendwo anders leben wollen.
Unvermittelt sprang der Hofkater auf ihren Schoß und rollte sich zusammen, schnurrend wie ein kleiner Motor.
»Du lässt es dir gut gehen, was, Fleckerl?«
Der Kater schmiegte den Kopf an ihre streichelnde Hand und schien mit seinem Leben rundherum zufrieden zu sein. Seinen Namen hatte er von dem weißen Fleck auf seinem ansonsten grauen Fell. Es sah aus, als hätte er beim Malern einen Farbtupfer abbekommen.
Rose kraulte ihren vierbeinigen Freund – und stutzte, als sie aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm.
Jemand huschte durch den Garten!
Das war einigermaßen seltsam. Die Post war längst herein. Ihr Vater war oben in seinem Arbeitszimmer und erledigte die Buchführung für den Hof. Ansonsten lebte seit dem Tod ihrer Mutter niemand weiter hier.
Wer ging da draußen um? Noch dazu bei einem Wetter, bei dem sich niemand blicken ließ? Hoffentlich kein Einbrecher!
Rose kniff die Augen zusammen und sah genauer hin.
Die Gestalt war indessen verschwunden.
Nichts rührte sich noch draußen.
Hatte sie sich getäuscht? Nein, das glaubte sie nicht. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus.
Rose setzte Fleckerl auf dem Boden ab, was dieser mit einem beleidigten Maunzen quittierte. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, während sie rasch ihre Füße abtrocknete und in ihre Schuhe schlüpfte. Dann zog sie die Glastür auf, die hinaus in den Garten führte.
Ein Schwall feucht-kalter Luft schlug ihr im nächsten Augenblick wie ein nasses Handtuch entgegen. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und entdeckte mit einem Mal einen bunten Blumenstrauß vor der Glastür im Gras. Wie ein Fremdkörper wirkte er im herbstlichen Grau.
Wo kam der denn auf einmal her?
Sie hob ihn auf und schaute sich suchend um.
Unter dem Vordach der Scheune regte sich etwas. Jemand winkte ihr verschwörerisch zu. Ihr Herz machte einen Satz. Jonah!
Der Pferdeknecht war ein attraktiver Mann, der das Herz zahlreicher Frauen aus dem Dorf höherschlagen ließ. Seine blonden Haare waren an diesem Abend verwegen zerzaust und feucht vom Regen. Das schien ihn jedoch nicht zu stören, denn ein breites Grinsen kerbte sein Gesicht. Seine Augen waren tiefblau und schienen einem Madel geradewegs ins Herz zu schauen. Er war ein Frauenschwarm.
»Jonah?« Rose schnappte nach Luft. »Was machst du denn hier?«
»Ich möchte dich einladen. Für morgen Abend. Hast du Zeit?« Er zwinkerte ihr zu, als hätten sie bereits einen Scheffel Salz zusammen verzehrt, dabei waren sie über flüchtige Gespräche im Dorfladen noch nicht hinausgekommen.
Rose schwärmte für ihn, aber mehr war da noch nie gewesen. Genau das schien Jonah nun jedoch ändern zu wollen …
Ihr Herz klopfte plötzlich schneller. Seit einer großen Enttäuschung war sie allein, aber das sollte nicht so bleiben. Sie sehnte sich wieder nach einer festen Beziehung, nach Liebe und Nähe. Vielleicht mit Jonah?
»Ich kann mir morgen Abend freinehmen.« Sie leckte sich über die plötzlich trockenen Lippen. »Aber net vor achtzehn Uhr.«
»Prima, dann hole ich dich morgen hier ab. Sagen wir gegen halb sieben?«
»Das passt mir gut. Wo wollen wir denn hingehen?«
»Das wird eine Überraschung.« Jonah schenkte ihr ein Lächeln, das die Titanic vor dem Untergang bewahrt hätte. Dann winkte er ihr noch einmal zu, zog seine Kapuze über den Kopf und eilte durch den Regen davon. Wenig später hatte der herbstliche Nebel ihn verschluckt wie einen Geist.
War das gerade wirklich geschehen? Hatte Jonah sie tatsächlich eingeladen?
Rose starrte ihm sekundenlang nach, viel zu verblüfft, um sich zu rühren. Ihre Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf.
Jonah wollte mit ihr ausgehen! Zahlreiche Madeln aus dem Dorf hätten einen Mord für diese Chance begangen, und ihr fiel sie einfach in den Schoß. Das musste sie erst einmal verarbeiten. Außerdem … was sollte sie bloß zu ihrer Verabredung anziehen?
Mit dieser Frage beschäftigte sie sich, als sie ihre Blumen an sich drückte und in das Wohnzimmer zurückkehrte. Regen und Kälte vergessend, schloss Rose die Glastür hinter sich, blickte hoch – und sah ihren Vater in der Stubentür stehen.
Anton Sterzl war ein drahtiger Mann, dem man nicht gleich ansah, dass er anpacken konnte. Nur seine schwieligen Hände und die Furchen in seinem Gesicht verrieten, dass er sein Leben lang bei Wind und Wetter draußen gearbeitet hatte.
»Wer war denn da?«, brummte er.
»Jonah war kurz hier.«
»Der Stallknecht aus dem Schlössl? Warum macht sich der Bursche denn bei diesem Wetter auf den Weg zu uns herauf?«
»Er hat mich eingeladen. Für morgen Abend.«
»Herrschaftszeiten!« Ihr Vater stemmte die Hände auf die Hüften. »Du hast ihm doch hoffentlich abgesagt, Rose?!«