Der Bergdoktor 1890 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1890 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Es ist endgültig Herbst geworden im Zillertal. Kühl ist es draußen, und über den Bergen brauen sich graue Wolkentürme zusammen. Besorgt blicken die Menschen zum Himmel, dann schließen sie in höchster Eile die Fensterläden und zünden im Herrgottswinkel eine geweihte Wetterkerze an, um Schäden durch das Unwetter abzuwenden.

Sekunden später kracht und splittert es draußen. Der Sturm wächst sich zum Orkan aus und bricht eine Schneise der Verwüstung in den Bergwald. Wer jetzt kein schützendes Dach über dem Kopf hat, ist verloren - so wie Eva ...

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Seitenzahl: 112

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Sturmnacht

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5456-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Sturmnacht

Warum lockte er die Liebste in den Wald?

Von Andreas Kufsteiner

Es ist endgültig Herbst geworden im Zillertal. Kühl ist es draußen, und über den Bergen brauen sich graue Wolkentürme zusammen. Besorgt blicken die Menschen zum Himmel, dann schließen sie in höchster Eile die Fensterläden und zünden im Herrgottswinkel eine geweihte Wetterkerze an, um Schäden durch das Unwetter abzuwenden.

Sekunden später kracht und splittert es draußen. Der Sturm wächst sich zum Orkan aus und bricht eine Schneise der Verwüstung in den Bergwald. Wer jetzt kein schützendes Dach über dem Kopf hat, ist verloren – so wie Eva …

Die Tage ab Mitte September bis weit in den Oktober hinein galten im Gebirge als »geschenkte Zeit«, wie die Älpler es nannten. Bevor Nebel, Regen, kalter Wind und vielleicht auch schon Schnee im Zillertal für ungemütliche Zustände sorgten, wurden die Menschen in der goldenen Jahreszeit noch einmal mit milden Temperaturen, Sonne und herrlichen Ausblicken verwöhnt.

Die Sicht war nie so klar wie im Herbst, wenn der Himmel in einem tiefen Blau leuchtete und die Berge dank der warmen Föhnwinde so nahe rückten, dass man mit bloßem Auge die Steinböcke in den Felsen erkannte.

Wandern oder durch die Wälder streifen, Schwammerln suchen, die Früchte des Sommers genießen, noch einmal im Sonnenlicht schwelgen und fröhliche Feste feiern, all das waren im Hochtal rund um St. Christoph herbstliche Freuden, auf die man nicht verzichten wollte.

Aus den Häusern duftete es nach Zwetschgendatschi, Apfelgelee und köstlicher Beerenmarmelade. Zum Kaffee schmeckten jetzt die frisch gebackenen Nussbeugerln besonders gut, weil man die Haselnuss-Füllung aus den selbst gesammelten, glänzend braunen Nüsschen selbst hergestellt hatte.

Auch Maroni gab es schon. Die Kinder füllten Körbchen für Körbchen mit den reifen Esskastanien und brachten sie heim, wo sie auf verschiedene Weise zubereitet wurden. Am besten waren sie allerdings, wenn man sie später auf den Märkten am Maroni-Stand kaufte, wo sie in riesigen Pfannen geröstet und noch heiß in Pergamenttüten gefüllt wurden.

Die letzten Sonnenblumen bekamen Besuch von Meisen und anderen gefiederten Gästen, die sich die saftigen Kerne schmecken ließen. Und obwohl die Nächte nun doch schon recht kühl werden konnten, blühten in vielen Gärten die Rosen unverdrossen weiter, als seien sie für die Ewigkeit gemacht.

Was es im Bergdorf St. Christoph natürlich nicht gab, waren Weinreben und Trauben, aus denen man ein gutes Tröpfchen keltern konnte.

Aber auf zünftige Weinfeste wollte man dennoch nicht verzichten. Natürlich wuchs an so mancher Hausmauer wilder Wein mit rotem Laub und winzigen Träubchen, die sich gut zur Dekoration eigneten. Wer sie probierte, war selbst schuld daran, wenn es ihm anschließend ziemlich »sauer« einging.

Im Dorf schätzte man die Südtiroler Weine. Viele Leute hatten in Lana, Eppan oder in Kaltern gute Bekannte, die sich in punkto Wein nicht nur bestens auskannten, sondern auch dafür sorgten, dass die Zillertaler nicht zu kurz kamen.

Aber auch die österreichischen Weine aus dem Burgenland oder aus der Gegend um Krems waren sehr beliebt. Vor allem der spritzige Veltliner, ein angenehm leichter Weißwein, passte hervorragend zu einem guten Essen.

Wildgerichte oder Almkäse verlangten natürlich Rotwein, zum Beispiel einen samtig-weichen St. Magdalener oder einen gehaltvollen Burgunder von den Rebhängen am Kalterer See.

Michael Rengauer vom »Paulushof« und sein Freund Lorenz Kollberger, dem der »Silberhof« gehörte, kannten sich bestens aus, wenn es um gepflegte Getränke ging, egal, ob Wein oder ein sorgfältig gebrautes Bier. Minderwertiges kam ihnen keinesfalls ins Glas.

An einem dieser milden Abende, die noch die Wärme des vergangenen Sommers in sich trugen, saßen die beiden bei einer Flasche Grauvernatsch in der sogenannten »Laube« des Hotels »Am Sonnenhang«.

Die Laube im großen Hotelgarten war einer der schönsten Plätze, um im Freien bei Kerzenlicht und einem guten Tropfen den Tag ausklingen zu lassen.

Weder Michael noch Lorenz waren daran interessiert, sich einen Rausch anzutrinken. So etwas kam bei ihnen nicht vor. Wein von hoher Qualität war etwas Kostbares, also tranken sie ihn bedächtig und mit Kennermiene. Dazu gab es hausgemachte Brot-Stangerln, die im Geschmack neutral waren und dazu dienten, das feine Bouquet des Weines noch mehr hervorzuheben.

An den Tischen sah man fast nur Pärchen, die sich tief in die Augen schauten. Kein Wunder, denn die Weinlaube entlockte jedem, der hier Platz nahm, romantische Gefühle. Nicht umsonst hieß es im Volksmund: »Der September ist der Mai des Herbstes.«

Freilich war im Mai die Abendluft vom zarten Geruch der Blüten erfüllt, vom Duft des Flieders und der Geißblattranken. Aber jetzt, im frühen Herbst, wehte noch der süße Hauch voll erblühter Rosen herüber, vermischt mit dem Geruch nach Efeu und dem Laub der immergrünen Kletterpflanzen am Gatter.

Dazu der Mond über den Bergen, der leichte Wind in den Bäumen, von denen schon hier und da ein Blatt zu Boden fiel, und leise Musik aus dem Hintergrund, die mit melodischen Klängen die Seele streichelte – es war wirklich ein wunderbarer Abend. Die Gäste in der Weinlaube hatten die beste Gelegenheit, diese Stunden zu genießen und sich verwöhnen zu lassen.

»Eigentlich sollten wir hier mit zwei hübschen Madeln sitzen, Mick«, sagte Lorenz. »Schau dich um. Wir beide passen heute Abend net hierher. Ich seh nur verliebte Paare. Aber was red ich eigentlich daher? Du hast ja deine Gundi. Wenn du willst, kannst du sie ja nachher noch abholen. Für ein Schäferstündchen ist es nie zu spät.«

»Mir steht jetzt net der Sinn danach, Lenz«, erwiderte Michael. »Wir sind hier, weil ich in Ruhe mit dir reden will. Du bist mein Freund, wir sind zusammen zur Schule gegangen, und wir haben auch mal ein paar Dummheiten gemacht, wenn ich mich recht erinnere.«

»Klar. Wir waren ziemlich ungezügelt. Lausbuben eben. Das gehört dazu, wenn man sich die Hörner abstoßen will. Vor allem die Geschichten mit den Mädchen …«

Michael winkte ab. »Was denn? Das bisschen Flirten? Bussi hier und Bussi da, das war doch harmlos. Deswegen kommen wir nicht vors Jüngste Gericht und auch nicht ins Höllenfeuer. Vor allem du net, denn du warst noch nie neben der Spur. Inzwischen bist du sogar ein leuchtendes Beispiel für alle anderen.«

»Geh, red keinen Schmarrn, Mick!«

»Es ist aber so. Der Hof ist dir so wichtig, dass dir die Mädels vergeblich nachlaufen. Du hast keine Zeit, dich zu verlieben. Auf eurem Silberhof ist alles biologisch, ökologisch und wahrscheinlich auch noch psychologisch, weil dein Einfühlungsvermögen schon fast unheimlich ist.«

Lorenz Kollberger lachte. »Übertreib net! Ich geb mir allenfalls Mühe, den Leuten zuzuhören, falls sie etwas auf dem Herzen haben. Und wenn sie mir eine Frage stellen, dann antworte ich ihnen darauf, so gut ich es kann. Das ist das ganze Geheimnis.«

»Ich hab heut auch ein paar Fragen an dich.«

»Dann heraus damit, bevor es Mitternacht wird. Ich muss morgen früh aus den Federn«, entgegnete Lorenz, der im Dorf nur »Lenz« genannt wurde. »Und du auch. Bevor uns die kalten Herbststürme durchbeuteln, haben wir noch viel zu tun, denke ich.«

»Stimmt. Aber mich hat es auf andere Weise jetzt schon kalt erwischt«, gestand Michael. »Bis jetzt hab ich dir nichts gesagt. Niemand ahnt, dass ich aus eigener Schuld in eine verzwickte Situation geraten bin. Das heißt, verzwickt ist net der richtige Ausdruck. Es ist entsetzlich. Und ich weiß nicht, wie ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann.«

»Typisch für dich. Erst aufs Ganze gehen und dann jammern. Was hast du denn dieses Mal auf dem Kerbholz?« Lenz winkte Vroni, dem hübschen Serviermadel, und bestellte noch eine Flasche Grauvernatsch. »Du warst ja schon immer bereit, dich in irgendwelche Abenteuer zu stürzen«, fuhr er dann fort. »Ich bin ja auch kein Langweiler, aber mir war und ist es trotzdem wichtig, zuerst das Für und Wider abzuwägen.«

»Ja, ich weiß.« Der junge Bauer vom Paulushof seufzte. »Ich hätte etwas von dir lernen können, Lenz. Jetzt ist es zu spät.«

»Ach, was soll’s. Du bist nun mal sehr spontan, Mick. Jeder macht Fehler. Ich auch. Und du vielleicht ein paar mehr. Oder auch nicht. Wir wollen das net aufrechnen.«

Vroni brachte den Wein. Sie errötete ein bisschen unter den Blicken der zwei jungen Männer. Fesch schauten sie aus, man hätte sich in jeden von ihnen verlieben können.

Jedenfalls ging dieser Gedanke der ansonsten sehr »braven« Vroni durch den Kopf. Vielleicht lag es aber auch nur am Mondschein, dass sie sich am liebsten zu den beiden gesetzt und wenigstens ein bisserl mit ihnen geplaudert hätte.

Mit einer weißen Serviette über dem Arm schenkte sie den bestellten Wein nach und sagte höflich: »Bitte sehr, meine Herren. Zum Wohl.«

Die »Herren« lachten.

»Du bist ja heute noch herziger als sonst«, neckte Michael das Mädchen. »Schade, dass du keine Zeit hast. An unserem Tisch ist noch ein Platzerl frei.«

Stimmt, ich hab’s gesehen, dachte die Vroni. Aber sie wusste, was erlaubt war und was nicht.

»Wir setzen uns nie mit Gästen zusammen«, erwiderte sie. »Meine Kolleginnen und ich, wir haben unsere Anweisungen. Daran halten wir uns. Ich wünsche noch einen schönen Abend.«

Ja, die lästigen Anweisungen! Aber vielleicht war es ja ganz gut, dass man sich an gewisse Richtlinien halten musste, denn sonst ging ja irgendwann alles drunter und drüber!

***

»Wann heiratest du eigentlich deine Gundi? Sollte ich nicht Trauzeuge werden?« Lenz fand, dass die zweite Flasche Wein noch besser war als die erste, nämlich vollmundiger, temperamentvoller und trotzdem weich und lieblich.

Hatte nicht irgendwann einmal ein bekannter Dichter die Küsse einer schönen Frau mit einem köstlichen Wein gleichgesetzt? Ein großartiger Vergleich!

Michael schien sich im Moment nicht für den Wein zu interessieren und schon gar nicht für geflügelte Dichterworte. Seine Laune sank urplötzlich auf den Nullpunkt.

Starr blickte er vor sich hin.

»Klar«, murmelte er nach einer Weile. »Du als mein Trauzeuge. Hab ich das wirklich gesagt? Derzeit will ich gar nicht mehr an die Hochzeit denken.«

»Das ist aber schade, Mick«, erwiderte Lenz und streichelte die Wölbung der Weinflasche, als handele es sich um die rosige Wange eines Mädchens. »Ich mag Hochzeiten. Man feiert, man ist ausgelassen und freut sich mit dem frisch vermählten Paar. Andererseits ist man aber auch froh, dass man selbst noch die grenzenlose Freiheit genießen kann, die es in der Ehe ja bekanntlich nicht mehr gibt. Dann ist Schluss mit den zuckersüßen Versuchungen, denen ein Mann manchmal ja viel zu schnell erliegt.«

»Du sagst es, Lenz.« Der Rengauer-Michael zerbröselte ein Brot-Stangerl, fegte die Krümel dann mit der hohlen Hand zusammen und streute sie unter den Tisch.

»Was machst du denn da?«, fragte Lenz. »Bist du total durchgedreht? Für wen sind die Krümel? Mäuse gibt’s hier nicht. Peinlich, wenn morgen früh durchgefegt wird und unter dem Tisch dieses Brothäufchen liegt.«

»Ich bin ziemlich durch den Wind«, gestand Michael. »Um ehrlich zu sein, ich war noch nie so nervös. Daher steh ich ein bisserl neben mir.« Er beförderte aus seiner Jackentasche zwei Fotos zutage und drückte sie seinem Freund in die Hand. »Sieh’s dir an.«

Die Aufnahmen zeigten eine junge Frau erstens vor einer eindrucksvollen Bergkulisse und zweitens auf einer blühenden Almwiese, hinter der sich ebenfalls ein mächtiges Bergmassiv erhob.

»Sehr hübsch«, fand Lenz. »Die Berge kenne ich natürlich. Das sind die Geisler-Spitzen im Südtiroler Villnöss-Tal und die Rosengarten-Gruppe bei Bozen. Eine der schönsten Gegenden in den Alpen. Aber was sage ich? Es verschlägt einem ja eh die Sprache, wenn man sich diese grandiosen Schöpfungen der Natur ansieht. Pfarrer Roseder würde sagen, dass so etwas Großartiges nicht von selbst entstanden ist, sondern dass eine Idee dahintersteckt, ein Plan und eine Absicht …«

»Hör auf«, unterbrach Michael seinen Freund. »Muss das jetzt sein? Du kannst ein andermal über die Entstehung der Welt philosophieren. Was sagst du zu dem Mädchen?«

»Nett und hübsch. Das hab ich doch soeben schon festgestellt. Braunes, glänzendes Haar, freundliches Lächeln. Es sind sehr gelungene Fotos. Und weiter?«

»Eva hat mir die Bilder neulich zugeschickt.«

»Wer ist diese Eva? Mick, du willst doch nicht etwa sagen, dass du mit ihr etwas gehabt hast?«

»Doch. Und es ist noch nicht zu Ende«, seufzte Michael. »Im Gegenteil. Ich hab sie im Juni kennengelernt, als ich zwei Wochen zum Wandern in der Nähe von Bozen war, mein erster Urlaub seit drei Jahren. Ich wollte nicht weit weg, wie du ja weißt. Also ab nach Südtirol in die Dolomiten. Die Privatzimmer rund um Bozen waren alle belegt, daher suchte und fand ich ein kleines Hotel am Bozener Ritten. In diesem Hotel arbeitete Eva. Sie hatte alle Hände voll zu tun, fast zu viel, weil die Besitzer es versäumt hatten, vor der Saison das Personal aufzustocken. Eva tat, was sie konnte. Ich hatte große Achtung vor ihr, weil sie trotz der vielen Arbeit jeden Tag der Sonnenschein im Hotel war.«

Michael trank einen Schluck. Noch war sein Geheimnis nicht gelüftet.

»Weiter!«, drängte Lenz deshalb.

»Manchmal wirkte sie aber ziemlich erschöpft. In ihrer kargen Freizeit machten wir den einen oder anderen Ausflug, unter anderem ins Villnöss-Tal, wo sie bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr gelebt hat. Ihre Eltern sind schon vor einigen Jahren verstorben, und nun wohnt nur noch ihr alter Onkel in St. Magdalena.«