Der Bergdoktor 1891 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1891 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Den Sohn hast du mir umgebracht!

Seit einem unglückseligen Jagdunfall verfolgt Xaver Maracher seinen Nachbarn mit unversöhnlichem Hass. Dabei ist nie hundertprozentig bewiesen worden, dass Karl Wenzel wirklich den tödlichen Schuss abgegeben hat. Er selbst kann sich leider an nichts erinnern, da er zum Zeitpunkt des Unglücks stark alkoholisiert war. So wird er aufgrund von Indizien verurteilt und muss ins Gefängnis.
Doch während Karl im Gefängnis für seine vermeintliche Schuld büßt, verwandelt sich auch das Leben seiner einzigen Tochter in einen Albtraum. Im Dorf wird Gudrun plötzlich gemieden, denn niemand will sich in die Fehde hineinziehen lassen ...

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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Tochter des Todfeindes

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5485-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Tochter des Todfeindes

Sie allein kann Frieden auf den Maracher-Hof bringen

Von Andreas Kufsteiner

Den Sohn hast du mir umgebracht!

Seit einem unglückseligen Jagdunfall verfolgt Xaver Maracher seinen Nachbarn mit unversöhnlichem Hass. Dabei ist nie hundertprozentig bewiesen worden, dass Karl Wenzel wirklich den tödlichen Schuss abgegeben hat. Er selbst kann sich leider an nichts erinnern, da er zum Zeitpunkt des Unglücks stark alkoholisiert war. So wird er aufgrund von Indizien verurteilt und muss ins Gefängnis.

Doch während Karl im Gefängnis für seine vermeintliche Schuld büßt, verwandelt sich auch das Leben seiner einzigen Tochter in einen Albtraum. Im Dorf wird Gudrun plötzlich gemieden, denn niemand will sich in die Fehde hineinziehen lassen …

Karl Wenzel rüstete sich zur Jagd.

Er zog seine grünen Waldsachen an, feste Stiefel und einen Jägerhut. Dazu hängte er sich sein Gewehr um und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Früher hatte er eine stattliche Figur abgegeben als Waidmann. Die Jahre waren jedoch nicht spurlos an ihm vorübergegangen.

Das erste Grau mischte sich in seine dunklen Haare und den Bart, und die Furchen auf seiner Stirn wurden tiefer. Dazu kam das unliebsame Zittern seiner Hände. Er hatte schon lange nichts mehr geschossen. Vielleicht würde ihm das Glück in dieser Nacht endlich wieder hold sein?

Karl verstaute Munition und einen Flachmann in seinem Rucksack. Ein langer Arbeitstag auf seinem Hof lag hinter ihm. Zwei seiner Kühe litten unter entzündeten Eutern. Wenn es morgen noch nicht besser war, würde er den Tierarzt rufen. Nichts riskieren. Das Wohl seiner Tiere ging ihm über alles.

Als er ins Freie trat, schlug ihm die bitterkalte Winterluft entgegen. Vom Nachbargrundstück drangen laute Stimmen. Der Maracher lebte dort mit seiner Familie. Das Stalltor war nur angelehnt. Dahinter war Bewegung zu erkennen. Zwei Männer stritten miteinander.

»Du nimmst mir die Luft zum Atmen, Vater! Ich bin achtundzwanzig, aber du behandelst mich, als wäre ich immer noch ein Kind!«

»Das bist du auch, Markus. Du bist mein Kind, und das wirst du bleiben.«

»Das gibt dir aber net das Recht, mir Vorschriften zu machen. Ich will deinen Hof net, also lass mich endlich meinen eigenen Weg gehen!«

»Was redest du denn da? Der Hof gehört unserer Familie seit acht Generationen. Du bist der ältere meiner Söhne und wirst ihn selbstverständlich einmal übernehmen. Das wurde schon am Tag deiner Geburt beschlossen.«

»Damals konnte ich net protestieren, heute schon. Ich bin Musiker, und ich will mit meiner Band auf Tournee gehen. Das ist meine Welt. Net der Hof. Hannes kann mich vertreten.«

»Dein Bruder macht sich nichts aus der Landwirtschaft.«

»Das tue ich auch net. Warum lässt du Hannes eine Wahl und mir net? Das ist net recht. Ich werde den Hof verlassen und mich als Musiker durchschlagen.«

»Willst du verhungern? Glaub net, dass ich dich weiter finanziell unterstützen werde, wenn du so narrisch bist. Den Geldhahn drehe ich dir zu, dass du es weißt!«

Karl Wenzel hatte genug gehört. Er wandte sich um und eilte mit langen Schritten die Dorfstraße hinunter.

Schlimm ist das, ging es ihm durch den Sinn. Der Xaver war sturer als ein Maultier. Seine Söhne hatten es net leicht. Vor allem der ältere net. Markus hatte schon als Bub auf der Fiedel seines Großvaters geübt. Die Musik lag ihm im Blut, aber das wollte sein Vater net wahrhaben. Wo sollte das nur hinführen?

Nachdenklich stapfte der Landwirt weiter. Er selbst mochte die Arbeit in der Landwirtschaft, aber er hätte sich auch mit einem anderen Beruf arrangieren können. Sein Nachbar nicht. Für Xaver gab es nur seinen Hof. Sonst nichts. Von seinem ältesten Sohn verlangte er dasselbe.

Karls Ziel war der Krähenwald, ein ausgedehntes Forstgebiet, das sein Heimatdorf einschloss wie ein grüner Ring. Zu Fuß brauchte man mehrere Tage, um den Wald zu durchqueren. Der Weg war tief verschneit.

Der Winter war früh gekommen in diesem Jahr. Schon im Oktober waren dicke Flocken gefallen und hatten die Hänge rings um St. Christoph weiß gefärbt.

Zauberhaft sah das Tal aus. So friedlich, als könnte es nichts Schlimmes auf der Welt geben.

Am Waldrand stand das Doktorhaus. Hier baute die Frau des Bergdoktors gerade mit ihren drei Kindern einen Schneemann. Während die Jüngste mit leuchtenden Augen bunte Knöpfe in den kugelrunden Bauch des Schneemanns drückte, machte ihre Schwester eine Aubergine als Nase fest.

»Das geht aber net«, wandte ihr Bruder ein. »Wir brauchen eine Karotte.«

»Weiß ich, aber es war keine mehr da. Die Aubergine muss gehen.«

»Aber sie ist lila. Es sieht aus, als hätte unser Schneemann einen Nasenstüber abbekommen … Hilfe, net in den Schnee schubsen!« Prustend wich Filli zur Seite aus, als seine Schwester nach ihm griff.

»Unser Schneemann ist etwas Besonderes«, erklärte ihre Mutter sanft, und damit waren die Kinder zufrieden.

Karl Wenzel dachte an seine eigene Frau zurück und empfand eine so überwältigende Sehnsucht nach ihr, dass sich alles in ihm zusammenzog. Mehr als zwanzig Jahre waren sie zusammen glücklich gewesen, dann hatte der Krebs sie ihm genommen. Sie hatte Gudrun und ihn allein zurückgelassen.

Grübelnd wanderte er durch den stillen Wald, der ihn umschloss wie eine Umarmung. Er mochte den Frieden des Forstes. Schon oft hatte er hier Trost gefunden, wenn die hektische Welt ihn wieder einmal aufgeregt hatte.

Sein Ziel war ein Hochstand am Rand einer Lichtung. Hier hatte er seit vielen Jahren seine Jagdpacht. Das Wild lag ihm am Herzen. Er hütete es, sorgte jedoch auch dafür, dass es ein Gleichgewicht gab und der Bestand nicht so hoch wurde, dass die Tiere hungern mussten.

Karl kletterte die Sprossenleiter empor und setzte seinen Rucksack und das Gewehr ab. Dann nahm er Platz und ließ den Blick schweifen. Die Sonne neigte sich gerade erst den Bergen im Westen entgegen. Bis zur Dämmerung blieb ihm noch ein wenig Zeit.

Kalt war es, aber seine Kleidung hielt das Ärgste ab.

Er holte das Gewehr aus dem Lederetui und legte es sich quer über die Oberschenkel. Eine schöne Waffe war es. Lang und schmal lag sie gut in der Hand.

Ringsum gab es nur Schnee und Bäume. Die Spuren im Weiß, die verrieten, dass mehrere Hasen sowie eine Wildschweinrotte an diesem Tag hier vorbeigekommen waren.

Vielleicht würden die Tiere zurückkommen?

Irgendwo knackte ein Ast. Etwas knirschte. Es klang wie Schritte. Wachsam blickte sich Karl um. Kam da ein Mensch?

Nichts rührte sich. Es war auch niemand zu sehen. Seltsam. Er war sich sicher gewesen, etwas gehört zu haben.

Versonnen rieb er sich den Bart. Eigentlich mochte er das Gekräusel im Gesicht nicht sonderlich und hatte es sich nur für seine Frau wachsen lassen. Ihr hatte sein Bart gefallen. Nun war sie nicht mehr da, aber er brachte es nicht übers Herz, ihn abzurasieren.

Heidi fehlte ihm. Sie hatte ihn ohne viele Worte verstanden. Er vermisste ihre Sanftmut und ihr gutes Herz. Seitdem sie fort war, klaffte in seinem Herzen eine Lücke.

Seine Augen begannen zu brennen.

Oh, verflixt! Karl fischte den Flachmann aus seiner Jackentasche und nahm einen Schluck. Der Schnaps brannte in seiner Kehle und sorgte für ein warmes Gefühl in seinem Magen. Das linderte seine Trauer zumindest für eine gewisse Zeit. Dem einen Schluck folgte ein zweiter, dritter und vierter.

Irgendwann verschwamm der Forst vor seinen Augen. Die Bäume schienen sich zu verdoppeln, wurden unscharf. Karl kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf, aber seine Sicht klärte sich nicht. Stattdessen überkam ihn eine grenzenlose Müdigkeit. Seine Lider fielen zu. Er bemerkte kaum noch, wie ihm die Waffe aus den Händen rutschte und in den Schnee fiel.

Und noch viel weniger ahnte er, welch verhängnisvolle Folgen diese Nacht noch haben sollte.

***

Der nächste Morgen tauchte den Kuckuckssee in sanftes Licht. Wie verzaubert lag er da. Schneekristalle rieselten von den tief verschneiten Bäumen und wirbelten wie winzige Diamanten durch die Luft. Der Winter hatte den Waldsee mit einer dicken Eisschicht bedeckt.

Die Stille war so vollkommen, dass man das gedämpfte Knacken eines Zweiges hören konnte, der unter dem Huf eines Rehs brach.

Gudrun hielt einen Augenblick inne und ließ den Anblick des Sees auf sich wirken. Er lag so verborgen, dass selten jemand hierherfand. Der Bootssteg schlummerte unter einer weißen Decke. Ebenso wie die Libellen und Frösche, die im Sommer hier ihr munteres Treiben hielten.

Es war so kalt, dass der Atem weiß vor dem Gesicht der jungen Bäuerin aufstieg. Gudrun trug eine warme Wolljacke. Ihre Finger wurden von grob gestrickten Handschuhen geschützt, trotzdem rieb sie die Hände fröstelnd aneinander, ehe sie einen Fuß auf das Eis setzte.

Die Schlittschuhe glitten wie von selbst darüber. Der Wind kniff Gudrun in die Wangen und spielte mit ihren schulterlangen braunen Haaren.

Sie breitete die Arme aus und lief schneller und schneller über das Eis. Ein freudiges Jauchzen entfuhr ihr. Wie herrlich das war! Beim Eislaufen fühlte sie sich so frei, als könnte sie fliegen!

Für kostbare Augenblicke vergaß sie alles, was sie bedrückte: die viele Arbeit daheim; die halbleeren Flaschen mit dem Selbstgebrannten, die ihr Vater hinter seinen Büchern hortete; und die Stille auf dem Hof, die so allgegenwärtig war, dass es oft in den Ohren zu dröhnen schien.

Seitdem ihre Mutter nicht mehr da war, hatte sich alles geändert. Früher hatte Heidi die Räume mit ihrer Wärme erfüllt. Dann war der Tumor entdeckt worden, und qualvolle Monate später war das Lachen ihrer Mutter für immer verstummt.

Gudrun vermisste sie so sehr, dass sie manchmal kaum atmen konnte. Während Gudrun ihren Schmerz mit Arbeit betäubte, suchte ihr Vater Trost im Alkohol. Für manche Wunden gab es keine Heilung …

An diesem frühen Morgen jedoch wirbelte Gudrun über das Eis, und ihr Herz klopfte voller Lebensfreude. Sie spürte eine vage Hoffnung, dass irgendwann alles besser werden würde.

Schon als kleines Mädchen war sie gern über das Eis gelaufen. Zuerst an der Hand ihrer Mutter, später noch wacklig auf sich gestellt und schließlich voller Selbstvertrauen mit ihren Freundinnen, wann immer sie schulfrei hatten. Inzwischen lief sie meistens allein, denn viele Freunde waren fortgezogen, um in der Fremde ihr Glück zu suchen.

Gudrun liebte ihr Heimattal und konnte sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Außerdem brauchte ihr Vater sie auf dem Hof.

Oh, so spät schon? Ein heißer Schreck durchfuhr sie, als sie auf ihre Uhr schaute. Sie hatte sich daheim davongestohlen, um vor der Arbeit noch eine halbe Stunde Schlittschuh zu laufen.

Nun wurde es höchste Zeit für sie, heimzugehen und mit der Stallarbeit zu beginnen. Die Kühe würden schon im Stroh stampfen und auf das Futter und das Melken warten!

Besser, sie beeilte sich und … Weiter kam Gudrun nicht, denn ihr rechter Fuß prallte unerwartet gegen ein Hindernis, das unter dem Schnee verborgen gewesen war, und wurde jäh gestoppt. Etwas zog ihr die Beine unter dem Körper weg. Sie verlor das Gleichgewicht und landete unsanft auf dem harten Eis.

Schnee wirbelte in ihre Augen. Sie blinzelte verdutzt. Mit einem Mal spürte sie zwei starke Arme, die sich um sie schlangen und sie aufhoben.

»Ist dir etwas passiert?«, fragte eine freundliche Männerstimme. Der warme Klang sandte Gudrun einen sehnsüchtigen Schauer durch den Körper. Sie blickte hoch – und vergaß in der nächsten Sekunde alles um sich herum. Zwei sanfte braune Augen blickten forschend und auch eine Spur besorgt in ihre. Hannes!

Der Maracher-Hannes lebte mit seiner Familie nur einen Steinwurf von ihrem Zuhause entfernt. Mit seiner großen, stattlichen Statur und dem fröhlichen Funkeln in seinen Augen war er ein Mann, nach dem sich viele Madeln umdrehten. Er schien es jedoch nicht zu bemerken.

Hannes ging gern und oft in die freie Natur. Dadurch war er trainiert und bewegte sich, als wäre er im Einklang mit den Bergen, in denen er aufgewachsen war. Er war vier Jahre älter als Gudrun und hatte keine Ahnung, dass sie heimlich in ihn verliebt war …

»Hast du dich verletzt?«, hakte er nach.

»Ich glaube, net«, brachte sie stockend hervor. In ihren Knien pochte es, aber sie bezweifelte, dass sie sich ernstlich verletzt hatte. Blaue Flecken würde es geben. Das ja.

»Unter dem Schnee hatte sich ein Ast versteckt«, stellte Hannes fest. »Den muss der letzte Sturm dorthin geweht haben.«

»Und der Schnee hat ihn zugedeckt.« Gudrun klopfte sich Schnee von den Knien. »Was machst du so früh hier im Wald?«

»Dasselbe wie du, schätze ich.« Hannes deutete an sich hinunter. Er hatte ebenfalls Schlittschuhe an den Füßen!

»Ich wusste gar net, dass du gern aufs Eis gehst.«

»Du weißt eben net alles von mir.« Das Lächeln um seine Augen vertiefte sich. »Was hältst du von einem Wettlauf? Einmal um den See herum. Wer zuletzt wieder hier ankommt, gibt dem anderen einen Glühwein aus.«

»Du willst um die Wette laufen?«

»Wenn du dich traust?«

»Aber immer!«, gab sie übermütig zurück.

»Prima! Dann los!« Hannes holte Schwung und lief los, aber Gudrun blieb ihm auf den Fersen. Geschickt wirbelte sie um die Kurven und überrundete ihn vor dem Bootssteg. Hinter sich hörte sie ihn warnend rufen, als sie sich der gefährlichen Stelle näherten, an der sie vorhin gestürzt war. Gudrun wich dem Ast aus – und gewann den Wettlauf um eine Nasenlänge.

»Das war knapp.« Hannes schnaufte. »Ich lade dich also zum Glühwein ein. Und ins Kino. Magst du?«

»Ins Kino? Mit dir?« Ihr Herz wummerte mit einem Mal so heftig wie ein Buntspecht auf der Suche nach einem Leckerbissen. »Ja, gern«, willigte sie ein.

»Ich freue mich. Sehr sogar.« Seine Augen funkelten.

Gudrun wurde misstrauisch.

»Sag mal, hast du mich etwa gewinnen lassen?«

»Um dich einladen zu können? Vielleicht«, räumte er ein, und sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter.

»Oh, das geht aber net. Ich verlange einen ehrlichen Wettkampf. Lass uns noch einmal laufen.«

»Einverstanden, aber vorher musst du dich aufwärmen. Ich sehe doch, wie du zitterst. Warte, in meinem Rucksack hab ich eine Thermoskanne.« Hannes glitt über das Eis zu der Bank, auf der sein Rucksack lag. Er holte die Thermoskanne heraus und schenkte einen Becher mit Tee ein. »Trink das.«

»Danke schön.« Gudrun nahm den Becher in beide Hände und nippte an dem Getränk. Was würde Hannes wohl denken, wenn er wüsste, dass sie nicht nur wegen der Kälte zitterte, sondern auch vor Aufregung, weil er hier bei ihr war?

Hannes setzte sich auf die Bank und streckte die langen Beine aus.

»Die Stunden frühmorgens sind mir die liebsten«, gestand er.

»Mir auch. Dann ist der Tag noch voller Möglichkeiten.«

»Dann bist du also auch eine Frühaufsteherin?«

»Unbedingt.«

»Das finde ich gut. Ich nämlich auch. Mein Vater schläft gern lange, dadurch ist es morgens recht friedlich bei uns.«

»Er macht es euch net immer leicht, was?« Gudrun kannte seinen Vater. Xaver Maracher ließ keine andere Meinung gelten als seine eigene. Sicherlich sorgte das manchmal für Komplikationen. »Hast du je daran gedacht wegzugehen?«

»Schon oft«, gab Hannes zu. »Aber ich mag meine Heimat. Und die Arbeit als Bergführer auch. Mein Bruder hat es da wesentlich schlechter getroffen. Vater zwingt ihn in seine Fußstapfen, ob er das will oder net.«

»Und Markus möchte es net, oder?«

»Das ist richtig. Als älterer Sohn ist er der Erbe. Er kann sich das net aussuchen. Ich beneide ihn wirklich net.«

»Weißt du schon, was du tun willst, sobald er den Hof übernimmt? Er wird sicherlich eine eigene Familie gründen. Wirst du dann bleiben? Oder dir etwas Eigenes aufbauen?«

»Ich hab schon darüber nachgedacht, mich selbstständig zu machen. Das wäre allerdings ein großer Schritt.«

»Du würdest das schaffen. Du bist klug und mutig, und du kannst zupacken. Außerdem …« Gudrun stutzte. »Warum schaust du mich denn so an?«