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Fest entschlossen, Gero Zillberger durch ihre Ausdauer zu beeindrucken und gleichzeitig sein Herz zu gewinnen, startet Steffi an diesem schönen Herbsttag den gemeinsamen Aufstieg zum Jochgrat. Sie ist sehr aufgeregt, aber keinesfalls will sie sich das Gero gegenüber anmerken lassen. Hoffentlich wird ihr nicht schwindelig am Fels! Schließlich ist sie - im Gegensatz zu Gero - eine blutige Anfängerin, aber das hat sie ihm aus gutem Grund verschwiegen. Niemals hätte er sie sonst zu dieser anspruchsvollen Tour mitgenommen.
Tatsächlich kommen sie gut voran, Gero hat sie schon mehrmals für ihre Geschicklichkeit gelobt. Doch als Steffi jetzt einen kurzen Blick nach unten wirft, wo der Wildbach schäumend durch die Klamm braust, wird ihr plötzlich schwindelig. Entsetzt reißt sie am Seil - dann hört sie Geros Schrei!
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Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Schicksal am Bergseil
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5488-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Schicksal am Bergseil
Weil Steffi die Gefahr ignorierte, stürzte ihr Liebster ab
Von Andreas Kufsteiner
Fest entschlossen, Gero Zillberger durch ihre Ausdauer zu beeindrucken und gleichzeitig sein Herz zu gewinnen, startet Steffi an diesem schönen Herbsttag den gemeinsamen Aufstieg zum Jochgrat. Sie ist sehr aufgeregt, aber keinesfalls will sie sich das Gero gegenüber anmerken lassen. Hoffentlich wird ihr nicht schwindelig am Fels! Schließlich ist sie – im Gegensatz zu Gero – eine blutige Anfängerin, aber das hat sie ihm aus gutem Grund verschwiegen. Niemals hätte er sie sonst zu dieser anspruchsvollen Tour mitgenommen.
Tatsächlich kommen sie gut voran, Gero hat sie schon mehrmals für ihre Geschicklichkeit gelobt. Doch als Steffi jetzt einen kurzen Blick nach unten wirft, wo der Wildbach schäumend durch die Klamm braust, wird ihr plötzlich schwindelig. Entsetzt reißt sie am Seil – dann hört sie Geros Schrei!
»Da ist sie wieder, die Steffi.« Paul Dehner stieß seinen Freund Gero an. »Als wir vor zwei Tagen unser Treffen vom Bergsteiger-Verein auf der Glockenalm hatten, war sie übrigens auch da, angeblich rein zufällig. Und zwar allein, genau wie heute. Vergangene Woche, bei deinem Vortrag auf der Achenwaldhütte über unsere Dolomiten-Tour, sahen wir genau dasselbe Bild, nämlich Steffi im feschen Dirndl, ziemlich bescheiden auf einem Stuhl im Hintergrund. Aber sie hörte dir aufmerksam zu. Ich würde fast sagen, sie hing an deinen Lippen, wie es so treffend heißt. Und was folgern wir daraus? Steffi taucht überall auf, wo du bist. Das kann kein Zufall sein.«
»Und wenn schon«, warf Gero Zillberger ein. »Vielleicht langweilt sie sich daheim. In der Waldpension ihrer Eltern ist abends bestimmt nicht viel los.«
»Was soll denn auch in dieser stillen Klause abgehen?«, feixte Paul. »Sicher keine Hüttenparty.«
»Stimmt genau. Es läuft gar nichts, Paul«, erwiderte Gero. »Die Gäste hocken umeinander und genießen das komplette Wellness-Programm mit Zirbenduft und Wildrosenöl. Entspannung pur! Manchmal gibt es wahrscheinlich ein bisschen gepflegte Hausmusik. Der Bachler-Egid versteht sich aufs Zitherspielen. Steffis Mutter kennt eine Menge Lieder und Gstanzln, heißt es. Er spielt, sie singt. Und Steffi serviert vermutlich hausgemachten Apfelmost, Früchtetee und Dinkelkekse. Der eine oder andere Gast gönnt sich eventuell auch ein Glasl Wein oder einen Schluck Bier, alles garantiert Bio. Mehr passiert in der Pension Tannenwinkel net. Soviel ich weiß, ist eh nur Platz für zehn oder zwölf Gäste. Es sind durchweg Naturliebhaber und gestresste Leute, denen das Großstadtleben zum Hals heraushängt.«
»Und es ist wirklich alles rein Bio?« Paul grinste. »Äpfel, Birnen und Zwetschgen von der eigenen Streuobstwiese und so weiter?«
Gero nickte. »Klar, und die Kräuter für den Tee sind natürlich selbst gepflückt und in der Sonne getrocknet. Na ja, ich weiß es net genau, aber ich bin ziemlich sicher, dass es so ist. Doch ich will net so derb über die Waldpension lästern. Im Gegenteil, so ein Idyll in absolut ruhiger Lage ist für manche Leute der reinste Jungbrunnen. Man kann durchatmen, die Seele baumeln lassen und auch mal das Handy ausschalten. Soviel ich weiß, sind die Gästezimmer in der Pension immer das ganze Jahr über ausgebucht.«
»Euer Hof ist doch net weit entfernt vom Tannenwinkel«, warf Paul ein. »Warst du denn noch nie dort?«
»Im Haus der Familie Bachler? Nein. Es hat sich irgendwie nicht ergeben«, antwortete Gero. Er sah jetzt nachdenklich aus. »Ich weiß net warum, aber meine Eltern und die Bachlers hatten sich anscheinend nie sehr viel zu sagen. Das hat auf mich abgefärbt. Es gab und gibt keine Feindschaft oder irgendeinen Streit, das ganz gewiss net. Aber von Freundschaft kann man auch net reden. Eher von einer gewissen Distanz. Wenn man sich sieht, sagt man höflich Grüß Gott, fügt vielleicht ein paar Worte übers Wetter hinzu – und hernach geht jeder seiner Wege.«
Paul grinste erneut. »Wie auch immer. Es muss dir doch aufgefallen sein, dass die Steffi dich net aus den Augen lässt.«
»Keine Ahnung.«
»Tu doch net so unschuldig! Sie schaut dich doch schon wieder an. Aber wenn du den Blick zurückgibst, wird sie ganz züchtig die Augen niederschlagen. Hübsch ist sie ja wirklich, eine richtige Waldfee. Wie es sich für ein Madel gehört, das zwischen Tannen und Beerensträuchern aufgewachsen ist. Du hast garantiert jede Menge Chancen bei ihr.«
»Ist mir egal. Chancen hab ich eh genug. Paul, lass mich in Ruhe! Dein Gefasel ist einfach nur albern.«
»Findest du?« Paul lachte. »Du willst es nicht hören, dass dir die Mädels nachrennen. Aber es ist so. Nur eine hat dich bisher abserviert, und das war Marisa. Ausgerechnet sie, die wie eine Gämse klettern kann und mit dir sogar ziemlich schwere Touren locker geschafft hat …«
»Richtig, das hat gepasst. Aber sonst hatten wir keine Gemeinsamkeiten mehr«, seufzte Gero. »Sport und Bergsteigen, das reicht nicht aus für eine erfüllte Beziehung. Ich bin gern mittendrin im Felsgebirge, aber ich selbst bin net aus Stein. Von einem Madel erwarte ich auch bisschen Zärtlichkeit. Das weißt du ganz genau, Paul.«
»Klar, das ist ganz normal«, versicherte der Freund.
Gero nickte. »Aber noch was: Marisa hat mich keineswegs abserviert, für sie war alles in Ordnung. Aber ich musste ihr sagen, dass es so nicht weitergehen konnte. Sie tat sich leider sehr schwer damit, mir ihre Gefühle zu zeigen. Damit kam ich net mehr zurecht. Die Trennung war eine Entscheidung, die ich nicht mehr hinausschieben wollte. Das Ganze ist acht Wochen her, ich bin darüber hinweg. Und sie hoffentlich auch.«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Sie wohnt immer noch in Jenbach und hat schon wieder einen Neuen. Er ist Extremsportler und hangelt sich an Seilen über Abgründe und Schluchten. Ihr scheint es zu gefallen, sie braucht anscheinend den Nervenkitzel und einen Superhelden, zu dem sie aufschauen kann. Nun, es sei ihr gegönnt. Mehr weiß ich übrigens net, ich mische mich net mehr in Marisas Leben ein. Sonst noch Fragen? Oder können wir uns jetzt die Ausstellung weiter ansehen?«
»Sei doch nicht so bissig, Gero«, warf Paul ein. »Ich mach mir doch nur Sorgen um dich. Du ohne ein fesches Madel an deiner Seite, das gibt’s doch gar net.«
»Du sorgst dich völlig unnötig. Ich genieße es, solo zu sein. Herrlich! Man muss sich nicht nach den Launen einer Frau richten. Ein toller Zustand! Sehr zu empfehlen. Ich fühle mich frei wie ein Adler im Bergwind.«
»Alle Achtung, das klingt gut. Ein Adler im Bergwind! Du wirst ja echt poetisch, Gero.«
»Tja, in mir steckt mehr, als du denkst, Paul.«
Es wurde Zeit, dass sich die beiden Freunde wieder der Foto-Ausstellung widmeten, die im Gemeindesaal noch zwei Wochen zu sehen war.
Man konnte beeindruckende Bilder betrachten, die von Tiroler Bergsteigern und Tourengehern stammten. Auch Gero und Paul waren mit einigen Fotos dabei.
Die beiden Freunde hatten unter anderem den schwierigen Watzmann-Aufstieg in Oberbayern in mehreren Aufnahmen dokumentiert, außerdem die Besteigung des Langkofels und der Drei Zinnen in den Dolomiten.
Natürlich handelte es sich dabei um Touren, die noch zum »Standardprogramm« eines erfahrenen Bergsteigers zählten. Hin und wieder übten Gero und Paul an der steilen Feldkopfscharte unter schwierigen Bedingungen, zum Beispiel bei problematischem Wetter, denn sie planten den Aufstieg über die Eiger-Nordwand in der Schweiz.
Wann es so weit sein würde, stand noch in den Sternen. Gero meinte, man sollte zuerst einmal mit Mönch und Jungfrau beginnen und schauen, ob man sich schon die berüchtigte Nordwand zutrauen könne.
Weil dazu aber viel Zeit erforderlich war, die beide derzeit nicht hatten, musste das gesamte Unternehmen noch auf Eis gelegt werden.
Sowohl Paul als auch Gero hatten beruflich eine ganze Menge Verantwortung zu tragen, Paul als Juniorchef der Dehner Sägewerke zwischen Mayrhofen und St. Christoph, Gero als Diplom-Agrarwirt auf dem großen Kastanien-Hof im Weiler Hochbrunn. Der stattliche und gepflegte Zillertaler Hof, ein schmucker Familienbesitz, war ihm sehr wichtig.
Seine Hobbys – Bergsteigen und Skifahren – mussten oft zurückstehen. Noch in diesem Herbst sollte allerdings ein neuer, erfahrener Großknecht eingestellt werden, der die beiden bereits vorhandenen, treuen Helfer unterstützen und Gero entlasten würde.
Zwar waren auch seine Eltern noch auf dem Hof zugange, aber gelegentliche Wehwehchen schränkten die beiden manchmal doch sehr ein. Darüber ärgerten sie sich mächtig.
Das Ehepaar Zillberger wollte auf keinen Fall zum alten Eisen gehören. Am liebsten wären die beiden noch über Stock und Stein gegangen wie früher, als sie an fast jedem Wochenende in die Berge gewandert waren – zuerst nur zu zweit, später mit dem kleinen, staunenden Gero in einer Trage auf dem Rücken des Vaters, der so genannten »Kiepe«.
Als Bübl hatte Gero bereits Bekanntschaft mit vorwitzigen Murmeltieren und blitzgescheiten Bergdohlen gemacht, die sich für einen Leckerbissen mit Zutraulichkeit und Flug-Kunststücken bedankten. Die Liebe zu den Bergen und der wunderschönen Zillertaler Heimat war Gero schon in die Wiege gelegt worden.
Es war ein Sonntag, später Nachmittag, Paul hatte noch eine Verabredung mit Cilly, seiner »Herzdame«. Er nannte sie »Herzpupperl«, worüber Gero gern ein wenig spöttelte.
Cilly – eigentlich hieß sie Cäcilie nach ihrer Patin – und Paul waren grundverschieden. Sie stöberte mit Ausdauer und Begeisterung stundenlang in allerlei Geschäften herum, schwärmte fürs Kino, Theater und Tanzen, spazierte schick aufgebrezelt durch die schöne Stadt Innsbruck (natürlich wollte sie gesehen werden!) und nahm lieber die Gondelbahn zum Gipfel, als sich eine anstrengende Wanderung zuzumuten. Obwohl sie eine waschechte Zillertalerin aus Mayrhofen war, schaute sie sich die Berge lieber von unten an.
Trotz dieser Unterschiede waren Paul und Cilly ein nettes Pärchen. Sie akzeptierten sich gegenseitig, wie sie waren. Und sie ließen sich – wenigstens derzeit – ihre Freiheiten.
Wenn Paul der Sinn nach Bergsteigen und Kraxeln stand, dann drückte seine Cilly ihm die Daumen, damit alles gutging. Und wenn sie einen Nachmittag in Innsbruck verbringen und mit ihren Freundinnen in einem Café ratschen wollte, dann wünschte Paul ihr viel Spaß und holte sie abends ab, um mit ihr im gemeinsamen Lieblings-Restaurant »La Piazza« die besten Spaghetti aller Zeiten zu essen. Nur in der Liebe machte dieses glückliche Pärchen keine Kompromisse. Was die gegenseitige Treue betraf, waren sie absolut auf einer Wellenlänge.
Die zwei hatten sich gesucht und gefunden, hieß es im Dorf. Es spielte keine Rolle, dass Paul oft seine festen Bergstiefel und Cilly Stöckelschuhe trug.
Paul verabschiedete sich jetzt sehr eilig.
»Kino in Innsbruck«, sagte er, »die Zeit drängt. Ich muss weg, Gero. Mein Pupperl wartet sicher schon. Es ist mal wieder an der Zeit, dass ich in den sauren Apfel beiße und mich in den Kinosessel quetsche. Angeblich läuft ein romantischer Film. Irgendwas mit Palmen und Meer, was weiß ich. Na ja, nicht gerade mein Ding. Aber ich tu Cilly ja gern den Gefallen. Wenn sie mich anstrahlt, dann werd ich eh ganz weich. Du glaubst ja net, wie lieb meine kleine Knuspermaus sein kann.«
»Ich kann es mir denken«, erwiderte Gero. »Sonst würdest du ja nicht dauernd dieses Glitzern in den Augen haben. Grüß deine Maus von mir, lass dich net anknabbern und viel Vergnügen im Kino – und danach natürlich auch.«
»Neidisch?«
»Nicht wirklich. Na ja, ein bisschen. Ich werd nachher noch eine Runde ums Dorf radeln und mir den Wind um die Ohren wehen lassen.«
»Auch nicht schlecht. Mach ich morgen. Sonntags kann man den Sport auch mal hintanstellen. Zweisamkeit ist auch was Schönes. Vielleicht findest du ja auch bald wieder ein Madel, das zu dir passt.«
»Paul, es eilt mir net damit, verstehst du?« Gero runzelte die Stirn. »Mir geht’s wirklich gut. Und jetzt mach den Abflug, damit du den romantischen Film nicht verpasst. Servus, wir sehen uns Mittwoch beim Klettertraining.«
»Ja, bis dann.«
Damit war Paul auf und davon.
***
Gero fühlte eine gewisse Leere in sich.
Man konnte ja nicht immer nur darüber nachdenken, welche Bergtour als Nächstes an die Reihe kommen sollte. Der milde, sonnige Septembersonntag, der sich langsam dem Abend entgegen neigte, lud förmlich dazu ein, irgendwo im Grünen zu relaxen und ausnahmsweise mal an gar nichts zu denken.
Also gut. Dann also nicht radeln, sondern verträumt in die Gegend schauen, das wunderbare Panorama genießen …
Es fällt mir schwer, vor mich hin zu träumen, ging es Gero durch den Kopf.
Nein, das war auch ganz und gar nicht seine Art. Er eignete sich nicht für Träumereien. Also doch das Mountainbike startklar machen und lospreschen, immer in Bestzeit natürlich, schneller als gestern, damit er stolz auf sich sein konnte … war es das, was er wollte?
Unentschlossen blieb er am Kirchplatz stehen und tauchte die Hand in das klare Wasser, das aus dem Brunnen unter der großen Linde sprudelte.
»Entschuldigung«, sagte eine schüchtern klingende Stimme, »ich will net stören. Du bist grad in Gedanken, wie ich sehe. Aber ich hab soeben in der Ausstellung dieses Foto bewundert, auf dem du in den Dolomiten vor den Drei Zinnern stehst …«
»Ja, und?«, blaffte Gero. »Das war vor dem Aufstieg. Nichts Weltbewegendes.«
»Aber war das nicht furchtbar schwierig?«