Der Bergdoktor 1895 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1895 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Beim Schützenfest tanzen Sophie Thaler und Gideon Lindbacher den ganzen Abend miteinander und verlieben sich unsterblich. Für beide steht fest, dass sie ihr Leben zusammen verbringen wollen.
Da sie beide Einzelkinder sind, wünschen sie sich unbedingt eine große Familie. Und natürlich braucht der Hof einen Erben!

Verhütung ist also kein Thema. Ein Baby wäre jederzeit herzlich willkommen! Doch die Zeit vergeht, und Sophie wird nicht schwanger. Schließlich sucht sie Rat und Hilfe bei einer Gynäkologin in Mayrhofen. Deren Diagnose lässt Sophie verzweifeln, und noch auf der Heimfahrt wird ihr klar, dass sie ihren geliebten Gideon verlassen muss ...

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Warten auf den Erben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag Sunlike / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5684-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Warten auf den Erben

Das tragische Schicksal einer jungen Bergbäuerin

Von Andreas Kufsteiner

Beim Schützenfest tanzen Sofie Thaler und Gideon Lindbacher den ganzen Abend miteinander und verlieben sich unsterblich. Für beide steht fest, dass sie ihr Leben zusammen verbringen wollen.

Da sie beide Einzelkinder sind, wünschen sie sich unbedingt eine große Familie. Und natürlich braucht der Hof einen Erben!

Verhütung ist also kein Thema. Ein Baby wäre jederzeit herzlich willkommen! Doch die Zeit vergeht, und Sofie wird nicht schwanger. Schließlich sucht sie Rat und Hilfe bei einer Gynäkologin in Mayrhofen. Deren Diagnose lässt Sofie verzweifeln, und noch auf der Heimfahrt wird ihr klar, dass sie ihren geliebten Gideon verlassen muss …

»Ich möchte nur wissen, was die zwei da drüben aushecken«, sagte Sabine Burger halblaut zu ihrem Mann.

Sie wies mit dem Kopf auf die beiden Großbauern am Tisch gegenüber, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren, für das sie sich offensichtlich keine Zuhörer wünschten. Sie mochten im gleichen Alter sein, in der Mitte des Lebens, und kannten sich wohl schon von Kind auf, worauf die Vertrautheit, mit der sie sich unterhielten, schließen ließ.

Stattliche und gut aussehende Männer waren sie, die Kraft ausstrahlten. Es war unschwer zu erkennen, dass sie wohlhabend und befehlsgewohnt waren, davon zeugte nicht nur ihre aufwendige Kleidung, sondern auch ihr ganzes Benehmen.

Dr. Martin Burger war Sabines Blick gefolgt, und unwillkürlich musste er lächeln.

»Das schaut aus, als ob jemand verkuppelt werden soll. Auch wenn es keine Hochzeitsbitter mehr gibt, wird doch …«

»Ah geh, Schatzerl! Das kann ich mir net vorstellen. Das lassen die jungen Leut heutzutage nimmer mit sich machen«, unterbrach ihn Sabine.

»Ja, vielleicht net in der Großstadt, aber wir sind hier auf dem Land. Da zählen alte Traditionen noch und damit auch das Wort der Eltern. Und der Thaler-Urban hat doch eine Tochter, und der Sohn von seinem Spezi, dem Lindbacher-Xaver, würde altersmäßig gut zu ihr passen. Und sonst passt auch alles, denn das zählt. Nichts schlimmer, als wenn eine Familie gegen eine Heirat ist«, erwiderte Martin.

»Wenn die beiden sich ineinander verlieben, dann ist ja nichts dagegen zu sagen«, meinte Sabine schließlich versöhnlich.

»Wenn ich mich nicht in dich verliebt hätte, könnte ich unsere Ehehölle auch kaum ertragen«, neckte Martin sie.

In Sabines schönen braunen Augen, die einen reizenden Gegensatz zu ihrem blonden Haar bildeten, funkelte es.

Sofort flüsterte Martin ihr etwas ins Ohr, das sie zum Erröten brachte. Dann aber brachen beide in Gelächter aus. Das Ehepaar war in gelöster Stimmung, denn es kam selten vor, dass sie sich einen Abend zu zweit gönnen konnten. Und bis jetzt hatte Dr. Burger auch noch kein Notruf erreicht, der ihrem Beisammensein ein überstürztes Ende bereitet hätte.

Das alljährliche Sängerfest, das auch in diesem Frühjahr wieder die Ausmaße einer Kirmes annahm, war nicht nur ein Anziehungspunkt für die Bewohner von St. Christoph, sondern es lockte auch die Dörfler der umliegenden Ortschaften an.

Auf der Festwiese erhob sich ein großes Zelt, und da richtiges Kaiserwetter herrschte, waren noch lange Tische und Bänke für die Feiernden im Freien aufgestellt worden.

Die Burgers hatten sich zwei Plätze etwas außerhalb ergattert, von denen aus sie die Geschehnisse beobachten konnten. Lindbacher und Thaler schienen sich einig geworden zu sein. Jedenfalls schüttelten sie sich unvermittelt feierlich die Hände und widmeten sich dann wieder uneingeschränkt ihrem Weißbier.

Der Bürgermeister, dessen Fähigkeit, ein Bierfass zielsicher und rasch anzustechen, weithin gerühmt wurde, schlenderte vorbei und wechselte ein paar Worte mit Hochwürden. Dieser hatte sich mit einer langen Sonntagspredigt zu Ehren der Heiligen Cäcilie so vorausgabt, dass er sich schon mit der dritten Maß stärkte.

Unter den jungen Leuten war jedoch eine gewisse Unruhe entstanden. Aus dem Festzelt erschallten noch einige Gesangsdarbietungen, aber nach dem Schlusswort des Chorleiters würde endlich der Tanz stattfinden, der eigentliche Höhepunkt des Festes, dem die Dorfjugend entgegenfieberte.

Die meisten Paare hatten sich schon zusammengefunden, andere spähten noch herum, und manche Burschen machten mehr oder weniger erwünschte Annäherungsversuche.

»Da, schau her, die kleine Sofie. Sie kommt ganz auf ihre Mutter heraus«, sagte Martin plötzlich, und seine Frau folgte seinem Blick.

»Ein bildschönes Madel«, sagte Sabine neidlos.

»Ganz wie die Mutter.«

Sofie Thaler, allgemein nur Soferl genannt, näherte sich mit ein paar kichernden Freundinnen ihrem Vater. Es war unverkennbar, dass Urban Thaler seine Tochter, die sein einziges Kind war, über alles liebte. Dennoch machte sie keinen verwöhnten Eindruck, sondern strahlte Natürlichkeit und Offenheit aus und besaß vor allem ein heiteres, freundliches Wesen.

Sie wechselte ein paar Worte mit ihrem Vater, er nickte zustimmend, und sie belohnte ihn mit einem Kuss auf die Wange, ehe sie mit ihrem Freundinnenschwarm weiterzog.

Lindbacher musterte das Madel wohlgefällig und lächelte.

»Der Lindbacher kann mit einer Schwiegertochter wie dem Soferl mehr als zufrieden sein. Sie ist ein ordentliches Madel, klug dazu, und wird einmal den väterlichen Hof erben. Und dass sie so schön ist, kommt noch dazu«, bemerkte Martin Burger.

»Und wie ist denn der Sohn vom Lindbacher geraten? Ich hab gar keine Erinnerung mehr an ihn. Studiert er nicht in Wien?«

Der Bergdoktor nickte.

»Ja, Landwirtschaft. Aber er soll jetzt sein Examen gemacht haben, hab ich gehört. Vielleicht taucht er heut sogar noch auf. Ein schmucker Bursch und wie die Sofie das einzige Kind. Seine Mutter ist schon früh gestorben, das war ein großes Unglück. Der Lindbacher ist lange nicht darüber hinweggekommen, und es hat lang gedauert, bis er sich darauf besonnen hat, der er sich um den Buben kümmern muss. Trotzdem ist sein Sohn wohlgeraten, anders kann man es nicht bezeichnen.«

»Da hat er ja keine leichte Kindheit gehabt, der arme Junge«, sagte Sabine mitfühlend, wie es ihre Art war.

Die Burgers versanken dann in ein einvernehmliches Schweigen, wie es oft bei Paaren der Fall ist, die sich auch ohne Worte verstehen. Martin ließ seine Gedanken wandern, denn das Leid der Lindbachers hatte ihn wieder an jene Zeit in der Vergangenheit erinnert, als er selbst am Leben verzweifelte.

Jung und glücklich verheiratet mit seiner Christl hatte ihn ein furchtbarer Schicksalsschlag getroffen. Bei der Geburt ihres ersten Kindes war seine Frau an unerwarteten Komplikationen gestorben, und auch das Neugeborene war ihr in den Tod gefolgt.

Das hatte den jungen Arzt aus der geliebten Heimat vertrieben, er war nach München gegangen, um dort das chirurgische Fachexamen abzulegen.

Erst als sein Vater, Dr. Pankraz Burger, aus Altersgründen seine Praxis in St. Christoph nicht mehr hatte allein führen können, war Martin ins Zillertal zurückgekehrt. Er hatte die Praxis um einen Anbau erweitert, in dem sich ein Operationssaal für kleinere Eingriffe, ein Labor und ein Röntgenraum befanden, außerdem zwei Krankenzimmer für Notfälle. Schon bald nannten die Dörfler diese Einrichtung aus gutem Grund »Mini-Klinik«.

Und auch Dr. Burger hatte einen Beinamen erhalten. Da er mit Dominikus Salt, dem befreundeten Leiter der Bergwacht, schon viele Menschen aus Bergnot gerettet hatte, wurde er bald der »Bergdoktor« genannt, ein Ehrentitel, auf den er nicht wenig stolz war.

Doch das war nicht der einzige Grund, warum er allgemein geachtet und geschätzt wurde. Denn er nahm sich seiner Patientin nicht nur körperlich, sondern auch seelisch an.

So manches, was aus dem Gleis zu geraten drohte, hatte er wieder auf die rechte Bahn gebracht und dem Betreffenden neue Lebensperspektiven eröffnet. Seine Frau hielt ihm immer wieder mehr oder weniger scherzhaft vor, dass er gern »Schicksal spiele«. Doch da diese Neigung, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen, oft genug zu einem glücklichen Ende geführt hatte, fiel es ihm schwer, davon abzulassen.

Über Jahre hinweg hatte im Leben von Dr. Burger der Beruf im Mittelpunkt gestanden, und dass er noch einmal ein persönliches Glück erleben könnte, hatte er aus seinen Gedanken verbannt. Doch dann traf er die junge Anästhesistin Sabine aus Wien, die in St. Christoph ihre Tante Rika besuchte.

Es war Liebe auf den ersten Blick – trotz des Altersunterschieds. Seine Sabine war nun Mitte dreißig und Martin Burger einundfünfzig, aber – wie sie immer wieder betonte – eine sportlich attraktive Erscheinung.

Sabine hatte alles für ihn aufgegeben – ihre Stellung an einem Wiener Krankenhaus, den Freundeskreis und das kulturelle Leben der Hauptstadt mit seinen vielen Abwechslungen und Zerstreuungen.

Doch an seiner Seite war sie sehr glücklich geworden und dazu Mutter von drei Kindern. In Notfällen brachte sie ihr ärztliches Wissen in die Praxis mit ein, stand ihrem Mann mit Rat und Tat zur Seite und wurde so zu einer Säule in seinem Alltag.

»Hoffentlich stellen die Kinder zu Hause nichts an«, wurde Martin Burger von Sabine aus seinen Gedanken gerissen.

»Bei ihrem Großvater sind sie in guter Obhut. Und da ist ja auch noch die Zenzi«, versuchte Martin sie zu beruhigen.

Zenzi Bachhuber war der gute Geist des Doktorhauses. Sie hatte Martin, dessen Mutter sehr früh verstorben war, aufgezogen und vertrat strenge Ansichten, was Kindererziehung betraf. Allerdings setzte sie sie nie in die Tat um.

»Wahrscheinlich liest er ihnen beim Zubettgehen wieder eine seiner gruseligen Geschichten vor«, vermutete Sabine.

Pankraz Burger, der im Kabinettl des Doktorhauses, das an das Wohnzimmer angrenzte, wohnte, schrieb schon seit Längerem an einer Chronik des Zillertals. Und er versäumte es nie, wenn er eine besonders unheimliche Geschichte in einem Archiv gefunden hatte, sie darin zu erwähnen.

Die beiden älteren Kinder, die achtjährige Tessa und ihr drei Jahre jüngerer Bruder Philipp, genannt Filli, liebten diese Sagen und Legenden. Ihre Eltern fanden sie manchmal aber zu grausam und verstörend, doch sie bettelten immer so lange, bis ihr Großvater sich erweichen ließ und ihnen aus der Chronik vorlas.

Eines Tages würde bestimmt auch die süße, kleine Laura, die zwei Jahre alt war, diesen Geschichten, denen meistens ein wahrer Kern innewohnte, lauschen.

»Womöglich sind die Tessa und der Filli noch hellwach vor Grausen, wenn wir nach Hause kommen. Und ihr Großvater ist eingeschlafen«, meinte Martin trocken.

Dann mussten beide unwillkürlich lachen.

Plötzlich flog Sabines Blick zum Nachbartisch.

»Schau mal, dort drüben tut sich was«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ist das nicht der Sohn vom Lindbacher? Gideon heißt er doch, nicht wahr?«

Martin sah unauffällig hinüber.

»Ja, das ist er.«

»Ein fesches Mannsbild, das muss ich sagen. Und die Tracht steht ihm ganz ausgezeichnet«, befand Sabine, die die Augen leicht zusammengekniffen hatte.

»Ach so? Stehst du jetzt plötzlich auf junge Mannsbilder und findest nichts mehr an einem alten Grantler wie mir?«, erwiderte Martin scherzhaft, doch es schwang auch ein eifersüchtiger Unterton mit, der Sabine nicht entging.

»Doch schon, aber nur wenn du nicht grantelst. Und ich glaub es nicht, er ist nicht allein gekommen, sondern in Begleitung.«

Das Ehepaar beobachtete die Szene, die sich am Tisch gegenüber abspielte. Gideon, ein hochgewachsener, ausnehmend attraktiver junger Mann mit seinem dunklen Lockenhaar und den hellgrauen Augen, steuerte auf seinen Vater zu.

Er zog ein Madel hinter sich her, dessen Aufzug Aufsehen erregte, einige der Älteren schüttelten sogar die Köpfe oder machten abfällige Bemerkungen.

Die junge Frau trug ein hautenges schwarzes Kleid, das kaum ihre Oberschenkel bedeckte und einen so tiefen Ausschnitt hatte, dass er großzügig Einblick gewährte. Ihr Haar war grellrot gefärbt und stand in einem wilden Wusch von ihrem Kopf ab.

Ihre vollen Lippen waren schwarz geschminkt, und auch die langen, krallenartigen Fingernägel glänzten in schwarzem Lack. Und nicht genug, beide Nasenflügel waren gepierct, ebenso die Unterlippe.

Xaver Lindbacher sah seinem Sohn fassungslos entgegen und bemühte sich erst gar nicht, sein Missfallen zu verbergen.

»Wen hast du denn da angeschleppt?«, fragte er unfreundlich und musterte die junge Frau von oben bis unten.

»Das ist die Dee Dee aus Wien«, erklärte Gideon unbeeindruckt und lächelte das Madel verliebt an.

»Was ist denn das für ein Name?«

»Eigentlich heiße ich Doris Derner. Aber wer will schon Doris heißen? Und so hab ich halt die Anfangsbuchstaben von meinem Namen genommen, und auf Englisch ausgesprochen ist es dann Dee Dee«, zwitscherte Gideons Liebste.

»Ach so.« Der Lindbacher erhob sich ruckartig. »Darüber sprechen wir noch«, ließ er seinen Sohn wissen.

Der Thaler tat es ihm nach. Auch er zeigte wenig Neigung, neben dem jungen Paar zu sitzen.

»Einen schönen Anhang hast du da mitgebracht aus Wien«, dröhnte seine Stimme über den Platz, dann folgte er Lindbacher in die Festhalle.

Gideon und Dee Dee nahmen deren Plätze ein, und das Madel, das schon leicht angetrunken wirkte, begann Gideon ungehemmt mit Zärtlichkeiten zu überschütten. Gideon erwiderte sie anfangs, dann aber, als er merkte, dass man sich über sie lustig machte, gebot er seiner Liebsten Einhalt.

Dee Dee begann zu schmollen, und Gideon sprach leise auf sie ein.

»So können sich Pläne zerschlagen«, meinte der Bergdoktor leicht amüsiert.

»Ich glaube nicht, dass das Bestand hat zwischen den beiden. Das Madel sieht in der Aufmachung älter aus, als es eigentlich ist. Ich halte es für sehr unreif. Eigentlich kann sie einem leidtun«, erwiderte Sabine. »Ich kann mir das Madel beim besten Willen nicht auf dem Lindbacher-Hof vorstellen, das ist ja ein richtiges Stadtpflanzerl. Aus ihr wird niemals eine Bäuerin. Außerdem sitzt der Lindbacher – und den Thaler sollten wir auch nicht vergessen – am längeren Hebel.«

»Und die werden nichts unversucht lassen, um die beiden auseinanderzubringen«, schloss der Bergdoktor. »So, aber jetzt wollen wir nicht weiter spekulieren, es kommt, wie es kommt. Die Musi spielt, und wir haben schon lang nicht mehr miteinander getanzt. Oder gibt es irgendwelche Einwände?«

»Keine, Herr Doktor«, entgegnete Sabine schelmisch, wobei goldene Fünkchen in ihren braunen Augen tanzten, was Martin einfach hinreißend fand.

Galant reichte er ihr den Arm, und sie strebten dem Festzelt zu, wo gerade eine feurige Polka gespielt wurde. Und dann tanzten sie unermüdlich, und auch der Bergdoktor war ganz in seinem Element. So manchem Jüngeren machte er noch etwas vor. Das war ja auch kein Wunder mit so einem feschen Weiberl im Arm.

Als die Burgers zu später Stunde ermattet, aber glücklich nach Hause zurückkehrten, fanden sie Pankraz tatsächlich schlafend an Tessas Bett vor. Das Buch, aus dem er ihr vorgelesen hatte, war zu Boden geglitten, als hätte ihn plötzlich der Schlaf übermannt. Glücklicherweise schliefen auch Tessa und Filli tief, sehr zur Erleichterung ihrer Eltern.

Pankraz erwachte erst, als ihn sein Sohn sanft an der Schulter berührte. Er schrak zusammen, und nachdem er die Lage überblickt hatte, sagte er im Flüsterton, dass der Abend ohne besondere Vorkommnisse verlaufen sei. Dann stieg er zu seinem Kabinettl hinab, wo sein Bett auf ihn wartete.

Die Burgers sahen noch nach der kleinen Laura, aber auch sie lag friedlich mit geröteten Bäckchen da. Sabine zog die Decke zurecht, um sich dann mit Martin in ihr eigenes Schlafzimmer zu begeben.

Das blaue Schlafzimmer war liebevoll von Sabine ausgestattet worden. Die Vorhänge und der Teppich waren in Blautönen aufeinander abgestimmt, der Schrank, mit roten Herzen kunstvoll bemalt, und das ausladende Himmelbett rundeten den nostalgischen Eindruck ab. Das war das Refugium des Paares, hier besprachen sie vertrauensvoll alles, was ihnen am Herzen lag.

Heute aber sank Sabine nur mit einem glücklichen Seufzer in die Arme ihres Mannes.

***

Auf dem Lindbacher-Hof hing seit dem Sängerfest der Haussegen schief, obwohl Vater und Sohn sich immer ausnehmend gut verstanden hatten. Selbst in den schwierigen Jugendjahren war es kaum zu Trübungen ihres Verhältnisses gekommen, und seit dem frühen Tod der Mutter hatten sie sich allmählich noch enger aneinander angeschlossen.

Doch heute war alles ganz anders.

»Wie kommst du dazu, so ein Flitscherl hierherzubringen und uns zum Gespött der Leute zu machen!«, wetterte Xaver, »und wie sie sich nennt – Dee Dee! Man könnt glauben, du hättest deinen Verstand nimmer beieinander. Und das, obwohl du doch ein Studierter bist mit einem ausgezeichneten Examen. Aber schlauer scheint es dich grad net gemacht zu haben, eher hat es dir den Verstand vernebelt.«

»Du kennst die Dee Dee ja gar net. Gut, sie übertreibt halt ein bisserl mit ihrer Aufmachung, aber das ist halt in Wien grad Mode …«