Der Bergdoktor 1900 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1900 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Man muss schon sehr viel Mut haben, um als junge Frau allein einen Bergbauern-Hof in Schuss zu halten. Luisa hat zwar den Mut, aber immer öfter befallen sie auch Zweifel, dass ihre Kraft ausreicht. Sie fühlt sich einsam und allein. Vor allem der lange und strenge Winter hat an ihr gezehrt.
Doch dann taucht eines Tages im ersten Morgenrot ein Fremder auf ihrer Alm auf. Er scheint sich auf eine geradezu unheimliche Weise in Luisa und ihre Gefühle versetzen zu können und bietet ihr seine Hilfe an. Die junge Bäuerin ist erleichtert und dankbar. Dr. Burger beobachtet hingegen beobachtet die Entwicklung mit größter Sorge ...

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EPUB

Seitenzahl: 110

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Romanze im Morgenrot

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5795-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Romanze im Morgenrot

Das unverhoffte Glück einer einsamen Bergbäuerin

Von Andreas Kufsteiner

Man muss schon sehr viel Mut haben, um als junge Frau allein einen Bergbauern-Hof in Schuss zu halten. Luisa hat zwar den Mut, aber immer öfter befallen sie auch Zweifel, dass ihre Kraft ausreicht. Sie fühlt sich einsam und allein. Vor allem der lange und strenge Winter hat an ihr gezehrt.

Doch dann taucht eines Tages im ersten Morgenrot ein Fremder auf ihrer Alm auf. Er scheint sich auf eine geradezu unheimliche Weise in Luisa und ihre Gefühle versetzen zu können und bietet ihr seine Hilfe an. Die junge Bäuerin ist erleichtert und dankbar. Dr. Martin Burger hingegen beobachtet die Entwicklung mit größter Sorge …

Über Nacht war Neuschnee gefallen.

Der Wind wehte am frühen Morgen hier und da federleichte Schneewölkchen von den Bäumen. Die echten Wolken – sie hatten den Schnee mitgebracht – waren schon vor Tagesanbruch vom Wind weitergetrieben worden, irgendwohin in die Ferne.

Es lag genug Schnee im Hochtal, um die schönsten Winterfreuden zu erleben. Und außerdem war Weihnachten, zwar schon der zweite Feiertag, aber immer noch ein bisschen Zeit, um den Glanz des schönsten Festes im Jahr noch einmal erstrahlen zu lassen.

Wann immer es möglich war, ging Luisa Reinbacher im Licht des frühen Tages vom Spiegelberg-Hof aus zu »ihrer« Almwiese hinauf. Zur einen Seite hin grenzte die Wiese an den Wald, zur anderen öffnete sie sich ins Tal und gab den Blick auf die umliegenden Zillertaler Alpengipfel frei.

St. Christoph mit seinen verschneiten Häusern schien noch vor sich hin zu träumen. Bis das erste Glockenläuten des Tages vom Turm der Pfarrkirche schallte, war es noch ein Weilchen hin.

Auch heute stapfte Luisa durch den Schnee aufwärts, mehr als eine Viertelstunde brauchte sie nicht. Das Morgenrot verwandelte Berg und Tal in eine atemberaubende Märchenlandschaft, die man sich selbst in der Fantasie nicht schöner hätte ausmalen können. Jeder einzelne Schneekristall glitzerte wie ein fein geschliffener Brillant.

Der Bach, an dem man zur Sommerzeit im Gras sitzen und den Libellen zuschauen konnte, war zugefroren. Am Waldrand schaute das alte Wegkreuz »Am Rosenbach« aus dem Schnee hervor, es trug eine weiße Kappe und wirkte daher besonders festlich, wie es sich für Weihnachten ja auch gehörte.

Ringsherum war es noch stiller als sonst. In der weißen Winterpracht hielten das ganze Tal, die Berge, die Almen und der Bergwald den Atem an.

Im Frühling kam dann zweifellos wieder Bewegung in die Almwiese. Luisa lächelte, als sie daran dachte.

Sie freute sich auf die Zeit, in der die Vögel sangen, die Blumen blühten und der Bach zu neuem Leben erwachte.

Es war jedes Mal wie ein Wunder, wenn die ersten Schneeglöckchen den baldigen Abschied vom Winter einläuteten und nach Lichtmess Anfang Februar die Tage wieder länger wurden. Später dann, im Mai, das Blühen und Duften in jedem grünen Winkel, das Rauschen der Wasserfälle und die milden Abende unter Abertausenden von Sternen.

Die Welt konnte so schön sein wie im Märchen. Und doch gab es immer wieder Schatten, die sich von einem Tag auf den anderen auf die ganze Herrlichkeit legten. Luisa wusste nur allzu gut, dass es so war.

Schon lange kam sie hierher, um im Licht der aufgehenden Sonne Kraft für den neuen Tag zu tanken. Aber auch, wenn das Morgenrot nur ein verschwommenes Leuchten hinter den Bergen war, weil das Wetter nichts anderes zuließ, fühlte sich die junge Bergbäuerin auf der Rosenbach-Wiese auf geheimnisvolle Weise behütet und getröstet. So wie vor drei Jahren, als sie im Winter ihre Eltern verloren hatte, Vater und Mutter gleichzeitig. Sie waren das Opfer einer Lawine geworden.

Als man sie unter den Schneemassen gefunden hatte, waren selbst den hart gesottenen Bergrettern die Tränen in die Augen gestiegen. Denn Luisas Eltern, die ihr Leben lang keinen Tag ohne einander gewesen waren, hatten sich auch im Tod noch umarmt.

Ganz nah beisammen und inmitten ihrer heimatlichen Berge waren sie von dieser Welt gegangen – in einem Bett aus Schnee.

Nach der Beerdigung hatte Luisa Dutzende Schneerosen im Garten hinterm Haus gepflanzt, die auch heuer wieder der Kälte trotzten und prächtig blühten.

Auch auf dem Grab der Eltern wuchsen diese schönen Christrosen. Es war verblüffend, wie sie immer wieder ihre Blütenköpfe aus dem Schnee reckten, ohne dass die feinen Blätter Schaden nahmen.

Die Natur hält die größten Wunder bereit, ging es Luisa durch den Kopf.

Sie blickte zum Himmel hinauf. Es würde nach dem nächtlichen Schneegestöber ein wunderbarer, klarer Wintertag werden, das letzte Geschenk des Christkindls und der Weihnachtsengel, die wie immer für alle Menschen ihr Bestes gegeben hatten – nur, dass es leider allzu viele gab, die niemals die Nähe der Himmelsboten spürten.

Denn dazu musste man den lauten Alltag samt Vernetzung und Verkabelung wenigstens zeitweise einmal hinter sich lassen. Denn wie heißt es doch so schön in einem Lied? »Engel fliegen im Verborgenen.«

Auf dem Heimweg beschloss Luisa, beim Heppner-Schorsch und seiner Frau Burgi vorbeizuschauen.

Der Schorsch, dessen korrekter Vorname eigentlich Karl-Georg lautete, war bis vor einigen Jahren auf dem Spiegelberg-Hof der »Mann für alle Fälle« gewesen, ein zupackender und gewissenhafter Helfer, der zugleich ein Freund von Luisas Vater gewesen war.

Inzwischen hatte Schorsch die siebzig überschritten, befand sich im Ruhestand und lebte mit seiner Burgi zufrieden in einem Tiroler Häuschen, das sie vor Jahren angemietet hatten.

Die Lüftlmalerei über dem Eingang war sein Werk. Drinnen im Flur stand und hing alles wie in einem Heimatmuseum umeinander: Sorgsam aufpolierte alte Milchkannen, ein noch älterer Rechen samt Heugabel, daneben Backformen aus vergangener Zeit und als Krönung ein Dutzend Schützenscheiben von anno dazumal, auf denen Szenen aus dem bäuerlichen Leben zu sehen waren.

Schorsch und Burgi standen stets in aller Frühe auf, egal, ob wochentags oder feiertags, Ostern oder Weihnachten. Sie gingen mit den Hühnern zu Bett.

Beim ersten Hahnenschrei deckte die Burgi schon den Frühstückstisch. Ihr Angetrauter wiederholte gern und oft den Spruch von der Morgenstund, die bekanntlich Gold im Mund hat. Und meistens fügte er dann noch mit seinem knarzigen Lachen hinzu: »Aber Silber tut’s auch schon, denk ich! Denn es ist net alles Gold, was glänzt!«

Mit der Gesundheit stand es bei den Heppners leider nicht zum Besten. Ohne Zweifel war es im Häuschen seit einiger Zeit zu feucht, und es zog an einigen Stellen durch die Fenster, was sie aber vehement abstritten. Denn auf ihr Zuhause wollten sie nichts kommen lassen.

Die beiden waren oft erkältet, litten unter Arthritis und kamen nicht ohne Medikamente aus. Bäder und medizinische Massagen, die Dr. Burger ihnen verordnete, taten ihnen aber recht gut. Jedenfalls hatten sie die Absicht, neunzig Jahre alt zu werden, auch wenn sie jetzt schon das Reißen in den Knochen hatten.

Die zwei Heppners waren im Dorf beliebt und als »brave Leut« bekannt. Früher hatten sie gern an jedem Ereignis teilgenommen, aber inzwischen blieben sie meistens daheim, wenn man vom sonntäglichen Kirchgang absah. Pfarrer Roseder schaute zuweilen selbst bei ihnen vorbei, wenn ihnen der Weg ins Dorf zu anstrengend war. Bei frischen Kipferln und hausgekeltertem Most redeten die drei dann über Gott und die Welt.

Ausgelassenes Feiern, zum Beispiel bei Trachtenfesten, gefiel dem Ehepaar Heppner nicht mehr. Daheim hatten sie eh alles, was ihnen Freude machte.

Ab und zu gab es auch eine Überraschung. Heuer zum Beispiel war es ein schöner, kerzengerade gewachsener Weihnachtsbaum, fix und fertig geschmückt mit Strohsternen und Tannenzapfen aus dem Wald. Und das Schönste: Die Tanne besaß einen Wurzelballen und konnte daher im Garten eingepflanzt werden.

Schorsch und Burgi wollten dieses prächtige Exemplar nach Neujahr auf ihre Veranda bringen und sofort nach Ende der Frostperiode einpflanzen.

Der Baum war übrigens ein Geschenk von Förster Reckwitz, er hatte ihn selbst vorbeigebracht. Denn bis vor einigen Jahren hatte sich Schorsch in seiner Freizeit im Bergwald nützlich gemacht, natürlich ehrenamtlich. Man nahm doch kein Geld, wenn es um die Natur ging … das wäre ja noch schöner gewesen!

Als Luisa anklopfte, näherten sich im Flur schlurfende Schritte, heute noch ein bisschen bedächtiger als sonst.

»Da schau her, ein Engerl«, meinte der Schorsch, nachdem er durch den Türspalt gespäht hatte. »Herein mit dir, Madel! Bist wieder auf deiner Wies’n gewesen?«

»Freilich.«

»Obwohl’s so arg geschneit hat?«

»Aber das ist doch schön. Pulverschnee und ein wunderbares Morgenrot, was will man mehr?«

»Früher hab ich das auch gedacht«, kam es mit einem Ächzen zurück. »Aber man wird älter. Derzeit macht uns der Schnee zu schaffen, der Burgi und mir. Da kracht’s in den Gelenken, und es schmerzt gehörig. Aber der Doktor hat uns mit Medikamenten versorgt. Er kümmert sich immer um uns, das muss ich schon sagen. Und du schaust ja auch nach uns. Unser Sohn, der Jonas, kommt zweimal die Woche aus Kufstein herauf. Wir können net klagen.«

»Habt ihr die Geschenke, die ich euch vor dem Heiligen Abend gebracht hab, auch ausgepackt?«, erkundigte sich Luisa. Sie bahnte sich ihren Weg durch den Flur, in dem zwei Schnitzfiguren den Weg fast ganz versperrten.

»Die Packerl? Freilich! So schöne Sachen! Du bist ein liebes Christkindl, Luiserl. Sieh her, ich zeigt dir etwas. Wir haben zwei neue Schnitzer-Figuren. Das hier ist St. Antonius. Und dieses – schau genau hin! – ist der Heilige Florian. Er hilft gegen Feuersbrunst und ist somit der Schutzpatron der Feuerwehrleut.«

»Schön. Woher hast du die beiden Herrschaften denn?«

»Herrschaften? Madel, das sind Heilige!« Schorsch blinzelte vergnügt, obwohl er anscheinend Schmerzen hatte. Steif und mit gekrümmtem Rücken hielt er sich an der Flurkommode fest. »Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf«, scherzte er. »Stell dir vor, Luiserl, der Bürgermeister hat uns die Figuren geschenkt. Sie standen auf seinem Dachboden, die beiden wackeren Schutzpatrone. Es stört mich net, dass sie ein bisserl abgeblättert und wurmstichig sind. Jedenfalls hatte der Angerer-Toni keine Verwendung für sie. Und weil jeder im Dorf weiß, dass ich nix Altes wegwerfen kann, hat er mir den Florian und den Antonius gebracht.«

»Mir passt das gar net«, erklang es aus dem Hintergrund.

Die Burgi schlängelte sich an den hölzernen »Kunstwerken« vorbei. Der Heilige Antonius geriet dabei ein wenig ins Wanken, denn er konnte natürlich nicht ausweichen. Pech, denn Burgis vollschlanke Figur drängte ihn gefährlich ins Abseits. Aber zum Glück blieb er letztlich doch »standfest«.

»Als ob wir net schon genug von dem alten Zeug im Haus haben!«, beschwerte sich die Heffnerin. »Aber der Schorsch kriegt ja net genug. Unser Sohn wird sich freuen, wenn er unser Häusl mal entrumpeln muss. Bei ihm in Kufstein schaut’s ganz anders aus, er ist ja mit seiner Frau umgezogen, und sie wohnen jetzt ganz modern in einem Neubau. Ich finde, dass es kahl aussieht. Aber mei, wenn’s den beiden gefällt … dem Jonas vielleicht net so sehr. Aber ihr halt, der Andrea. Eigentlich hätte ich mir eine andere Schwiegertochter gewünscht. Nicht so eine, die dauernd nur ans Geld denkt und sich kein Kind wünscht, weil Kinder zu viel Arbeit machen. Ich mag’s net, wenn eine junge Frau so herumzickt und sich selbst immer als Mittelpunkt der Welt sieht.«

»Jetzt sei still, Burgi«, wies ihr Mann sie zurecht. »Hauptsache, die beiden verstehen sich. Und das tun sie. Außerdem stimmt es net, dass die Andrea kinderlos bleiben will. Zwei Jahre möchte sie mit dem Jonas noch allein sein. Zeit für uns beide, hat sie neulich gesagt. Was ist daran schlimm?«

»Na ja. Nichts. Aber ich hätte mir eben recht bald ein Enkelchen gewünscht.« Burgi Heppner seufzte. »Luiserl, setz dich in die gute Stube und trink einen Morgenkaffee mit uns. Ich schneid dazu ein Kletzenbrot auf, natürlich selbst gebacken.«

In der Stube tickte die Standuhr gemächlich vor sich hin, ebenfalls ein altes Stück von Urgroßvater Heppner. Sie schlug jede Stunde, und zwar so laut, dass die Tassen im Schrank klirrten. Aber das störte niemanden, nicht einmal die Hauskatze. Sie lag gemütlich auf der Ofenbank und ließ sich im Schlaf nicht stören.

»Wie war’s bei dir, Madel?«, fragte die Burgi. »Waren dein Onkel und die Tante am Heiligen Abend da?«

»Nein, ich bin zu ihnen nach Kitzbühel gefahren. Sie sind gestern Nachmittag hierhergekommen, wir waren dann noch auf dem Gottesacker. Ich hab den Eltern eine geweihte Kerze gebracht.«

»Und heute?«

Luisa zögerte. Sie wusste natürlich, dass sie allein sein würde. Nur Ida, die langjährige Hauserin, wollte kurz hereinschauen, obwohl sie eigentlich bis in den Januar hinein frei hatte und in Mautz bei ihrer Schwester und deren Familie die Feiertage verbrachte.

»Heute mache ich eine Tierweihnacht«, erwiderte Luisa nach einer Weile. Sie hatte sich geschwind etwas einfallen lassen, um nicht zugeben zu müssen, dass sie diesen Tag einsam verbringen musste. »Ich denke, dass meine Freundin Vicki mit ihren beiden Kindern mittags auf den Hof kommt. Die Kleinen mögen die Viecherl ja so gern.«

Das stimmte nicht und war schlicht und einfach geflunkert. Vickis Kinder tobten lieber herum. Und wenn nicht, dann wollten sie fernsehen. Huhn, Geißbock, Hase oder Kälbchen konnte man ja auch auf dem Bildschirm anschauen. Oder besser irgendwelche Filmchen, in denen es möglichst laut zugehen musste.