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Nach dem Tod seiner Schwester, die einem schweren Krebsleiden erlag, wird der eigenbrötlerische Mathematikprofessor Mathias Weißbacher aufgefordert, sich vorübergehend um seine kleine Nichte zu kümmern. Obwohl er wirklich nicht weiß, was er mit einem Kind anfangen soll, fügt er sich.
Und dann geschieht, was er niemals für möglich gehalten hätte: Die kleine Vreneli erobert sein Herz im Sturm! Schon bald kann er sich ein Leben ohne das süße Mädelchen nicht mehr vorstellen.
Leider denkt das Jugendamt anders und teilt ihm mit, dass er als Junggeselle auf Dauer für die Erziehung nicht infrage kommt. Mathias jedoch will Vreneli nicht mehr hergeben. In seiner Not bittet er schließlich seine Nachbarin, die hübsche Alexa Huber, ihn pro forma zu heiraten.
Alexa traut ihren Ohren nicht. Wie bitte? Mit diesem Nörgler, mit dem sie jahrelang im Clinch lag, soll sie nun ein liebendes Ehepaar spielen?
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Kleiner Glücksstern Vreneli
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: FotoES / shutterstock
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5797-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Kleiner Glücksstern Vreneli
Bewegender Roman um ein Kinderlächeln voller Zauberkraft
Von Andreas Kufsteiner
Nach dem Tod seiner Schwester, die einem schweren Krebsleiden erlag, wird der eigenbrötlerische Mathematikprofessor Mathias Weißbacher aufgefordert, sich vorübergehend um seine kleine Nichte zu kümmern. Obwohl er wirklich nicht weiß, was er mit einem Kind anfangen soll, fügt er sich.
Und dann geschieht, was er niemals für möglich gehalten hätte: Die kleine Vreneli erobert sein Herz im Sturm! Schon bald kann er sich ein Leben ohne das süße Mädelchen nicht mehr vorstellen.
Leider denkt das Jugendamt anders und teilt ihm mit, dass er als Junggeselle auf Dauer für die Erziehung nicht infrage kommt. Mathias jedoch will Vreneli nicht mehr hergeben. In seiner Not bittet er schließlich seine Nachbarin, die hübsche Alexa Huber, ihn pro forma zu heiraten.
Alexa traut ihren Ohren nicht. Wie bitte? Mit diesem Nörgler, mit dem sie jahrelang im Clinch lag, soll sie nun ein liebendes Ehepaar spielen?
Wütend schlug Mathias Weißbacher mit der flachen Hand so fest auf den Schreibtisch, dass sein Laptop vibrierte. Bei diesem infernalischen Lärm konnte kein Mensch arbeiten und schon gar keine wissenschaftliche Abhandlung schreiben.
Er schoss vom Stuhl hoch und marschierte ans offene Fenster.
»Können Sie das nervige Blöken nicht endlich abstellen?«, brüllte er hinaus. »Das treibt mich noch in den Wahnsinn!«
»Schließen Sie doch Ihr Fenster, dann stört’s net«, kam die spitze Antwort. »Außerdem blöken Kühe net, sie muhen. Sie sind jetzt auch nur unruhig, weil Melkzeit ist und ihnen das Euter schmerzt.«
Die junge Bäuerin Alexandra Huber reckte ihre zierliche Gestalt und stemmte die Hände in die schlanken Hüften, während sie den großen Mann am Fenster gelassen anblickte. Von dem notorischen Nörgler ließ sie sich nicht die Laune vergällen, obwohl sie innerlich schon wieder kochte.
»Dann kommen Sie endlich Ihrer Arbeit nach, sonst zeige ich Sie wegen Tierquälerei an«, fauchte der achtunddreißigjährige Mathematikprofessor zurück und knallte das Fenster zu.
Jetzt war es auch mit Alexas Beherrschung vorbei. Empört stieß sie die Luft aus.
Was fiel diesem arroganten Widerling ein, sie derart zu provozieren! Der Städter hatte ja keine Ahnung von der Viehwirtschaft. Als Professor der Mathematik kannte er sich mit Zahlen und Gleichungen aus, aber gewiss nicht mit dem Gemüt einer Kuh oder mit den Nöten einer Bäuerin, die ihren Hof allein bestellen musste, weil ihr das Geld für eine Hilfe fehlte.
Alexa schnalzte verächtlich mit der Zunge. Finanzielle Not war für den vermögenden Schnösel unbekanntes Terrain, was man schon an dem feudalen Ferienhaus sah, das er auf dem Gelände direkt neben ihrem kleinen Hof hatte errichten lassen.
Es war ihr ein Rätsel, dass die Gemeinde diesen Frevel überhaupt gestattet hatte, wo man sonst großen Wert darauf legte, das Erscheinungsbild des idyllischen Zillertaler Bergdorfes St. Christoph nicht durch protzige oder voluminöse Bauten zu verschandeln.
Einziges Zugeständnis an den Fremdenverkehr war das alteingesessene Berghotel »Am Sonnenhang«, das sich mit seinem rustikalen Holzbau hervorragend in die schöne Landschaft schmiegte.
Zugegeben, das Haus des Nachbarn war ebenfalls dem Zillertaler Baustil angepasst, Sockel aus Felsgestein und Aufbau aus Holz und keineswegs protzig. Wenn sie sich nicht ständig so über den nervigen Nachbarn geärgert hätte, hätte ihr das Haus, das am Rande des idyllischen Plateaus stand, mit herrlichem Panoramablick auf die Berge, sogar gefallen. Aber seit der Münchner Professor sein Feriendomizil zum Dauerquartier erkoren hatte, erlebte sie die Hölle auf Erden.
Ihre Weiden grenzten unmittelbar an seinen Besitz, und es verging kein Tag, an dem er ihr mit seinen überzogenen Forderungen nicht das Leben schwermachte. Den Mann störte sogar die Fliege an der Wand, wenn es nicht ihre Tiere waren oder gar ihr achtjähriger Sohn Leonhard.
Gewiss, ihr Kleiner war ein ziemlicher Treibauf. Seit die starke Hand des Vaters fehlte, wurde er immer aufmüpfiger. Aber sein störrisches Verhalten kam nicht von ungefähr. Er hatte den Tod des geliebten Papis nicht verkraftet, der vor knapp zwei Jahren beim Paragleiten ums Leben gekommen war.
Auch für sie war es sehr schwer gewesen, den Verlust ihres Mannes zu verwinden. Sie hatte lange gebraucht, bis sie aus dem tiefen Loch wieder herausgefunden hatte, in das sie sein plötzlicher Tod geschleudert hatte.
Doch kaum hatte sie neuen Mut geschöpft und ihren kleinen Hof wieder in den Griff bekommen, da war dieser Städter in das Haus nebenan eingezogen und führte sich seither auf wie ein Elefant im Porzellanladen. Angeblich konnte er sich beim Lärm ihres landwirtschaftlichen Anwesens nicht auf seine Arbeit konzentrieren.
Warum hatte er auch sein Domizil ausgerechnet neben ihrem Hof aufschlagen müssen, statt sich droben in der Feriensiedlung Hohenluft einzukaufen, wo die Fremden ihre Anwesen hatten? Dort wäre er unter seinesgleichen. In dem idyllischen Ort am Feldkopf, dem höchsten Berg der Gegend, hatten gestresste Unternehmer, dem Jetset-Leben überdrüssige Adelige und hoffnungsvolle Künstler ihr privates Paradies gefunden.
Abermals flog das Fenster auf, und der Professor lehnte sich so weit heraus, dass Alexa schon fürchtete, er würde das Gleichgewicht verlieren. Sein wilder Lockenschopf wirkte noch zerrupfter, und sein Gesicht glühte vor Zorn.
»Bringen Sie Ihre Rindviecher endlich in den Stall, sonst mache ich Sie haftbar, wenn ich meine Arbeit nicht termingerecht abliefern kann, weil mir die nötige Ruhe fehlt«, blaffte er.
Er hatte noch nicht ausgesprochen, als sich ein lautes Bellen in das Muhen der Kühe mischte. Sein Hund Wotan hatte die Nachbarshündin Ronja entdeckt, einen hübschen Border Collie. Ronja stolzierte hoheitsvoll am Zaun entlang, ohne den zotteligen Mischling zu beachten, der schier einen Veitstanz aufführte, um die Aufmerksamkeit seiner Angebeteten auf sich zu ziehen.
»Bringen Sie lieber Ihren gestörten Köter zum Schweigen«, giftete Alexa. »Sonst mache ich Sie verantwortlich, wenn meine Kühe weniger Milch geben, weil sie vom aggressiven Verhalten Ihres Hundes traumatisiert sind.«
Das war natürlich Schmarrn, doch irgendwie musste sie ihrer Empörung Luft machen.
»Aus, Wotan, aus!«, rief Mathias, doch der Mischling reagierte nicht, und sein volltönendes Organ wurde noch um einige Oktaven lauter.
Der Professor schloss die Augen und wartete, dass sich sein Pulsschlag beruhigte.
»Gute Frau, mein Wotan ist normalerweise brav wie ein Lamm und folgt aufs Wort«, sagte er dann so beherrscht wie möglich. »Ihre läufige Hündin ist schuld, dass er schier durchdreht. Warum stolziert sie auch ständig vor seiner Nase herum? Also sperren Sie die Hundedame lieber ein, bevor hier noch ein paar ungewollte Welpen herumtapsen, weil Wotan ein Loch im Zaun entdeckt hat.«
Alexa riss entsetzt die Hände hoch.
»Gott bewahre, das Zottelvieh und meine Ronja, das fehlte noch! Eine schlimmere Kreuzung kann’s wohl net geben.« Sie wandte sich ihrem Sohn zu, der nun herbeigelaufen kam. »Bring Ronja auf den Hof zurück und sorge dafür, dass sie net wieder ausbüxt, Leo«, trug sie ihm auf.
»Ich hätte gern Welpen«, meinte der Achtjährige grinsend.
Unter dem argwöhnischen Blick seiner Mutter, der langsam dämmerte, wem sie den Zwischenfall zu verdanken hatte, packte er Ronja am Halsband und zog sie von Wotan weg. Dieser machte prompt Anstalten, über den Zaun zu springen.
Doch inzwischen war auch Mathias aus dem Haus gekommen und versuchte seinen überdrehten Hund zur Räson zu bringen.
»Ab ins Haus!«, befahl er streng und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger zur offenen Wohnungstür. Daraufhin ließ Wotan ein klägliches Heulen hören und schlich wie ein begossener Pudel davon.
»Das arme Tier könnte einem fast leidtun«, höhnte Alexa, die nun ebenfalls an den Zaun getreten war. »Wie würden Sie sich wohl fühlen, wenn man Sie so roh von Ihrer Angebeteten trennen würde?« Sie schluckte, und eine zarte Röte überzog ihre Wangen.
Was hatte sie nur geritten, den Nachbarn auch noch zu provozieren! Verlegen blickte sie auf und direkt hinein in seine granitgrauen Augen, was ihr ein seltsames Kribbeln in der Magengegend bescherte.
Mathias Weißbacher war zwar ein knochentrockener Professor und unverbesserlicher Nörgler, aber er war auch ein ungewöhnlich attraktiver Mann, der das Herz einer Frau durchaus höherschlagen lassen konnte.
Nach zwei Jahren Witwenschaft konnte auch Alexa sich dem spröden Charme des Münchners nicht entziehen, egal, welcher Zwist sie entzweite.
Wie hübsch sie war, wenn die Zornesröte ihre Wangen überzog und ihre blauen Augen nur so funkelten, schoss es Mathias durch den Kopf, und sein Blick umfasste die zierliche Gestalt der jungen Bäuerin genauer.
Brünette Locken fluteten unter dem Kopftuch hervor und umrahmten ein apartes, sonnengebräuntes Gesicht mit Augen, die so klar waren wie ein Bergsee. Sie wirkte weit jünger und verletzlicher als eine Neunundzwanzigjährige. Ihr Alter hatte Mathias von ihrem Sohn erfahren, der eine wahre Plaudertasche war und ihm aus irgendeinem Grund sein Vertrauen schenkte. Dabei hatte er mit Kindern ebenso wenig am Hut wie mit der holden Weiblichkeit.
Seit einer bitteren Enttäuschung vor vielen Jahren war er gegen den Charme jeder noch so hübschen Verführerin immun. Das hatte er jedenfalls geglaubt, ehe die hübsche Bäuerin ihm unruhige Träume beschert hatte.
Als ihr Mann noch gelebt hatte, hatten sich seine Gefühle für sie in achtbaren Grenzen gehalten. Niemals hätte er die Frau eines anderen begehrt. Doch seit sie Witwe war, beschleunigte sich sein Herzschlag in ihrer Nähe mehr, als ihm lieb war, und das nicht nur wegen ihrer Differenzen.
Fehlte noch, dass er sich in sie verliebte. Er war eingefleischter Junggeselle und fanatischer Wissenschaftler. In sein Leben passten weder Frau noch Kinder und schon gar keine zänkische Xanthippe wie diese störrische Bäuerin.
»Ich wäre dankbar, wenn man mich vor einem Irrtum bewahren würde«, beantwortete er ironisch ihre Frage und schürzte die Lippen. »Wie Sie schon sagten, eine Verbindung zwischen meinem Wotan und Ihrer Ronja käme einer Katastrophe gleich. Der Hund ist ungewöhnlich klug und hat normalerweise für zickige Weiberleut wenig übrig, worin wir uns ähnlich sind.«
Abermals spielte ein spöttisches Lächeln um seine Mundwinkel, dem Alexa mit gleicher Geringschätzung begegnete.
»Ronja fordert ihn mit ihrer Koketterie heraus, weshalb er es mitunter an seiner sonst sprichwörtlichen Gelassenheit fehlen lässt«, fügte Mathias hinzu.
»Wie der Herr, so das Gescherr«, konterte Alexa trocken. Sie legte den Kopf schief und musterte ihr Gegenüber anzüglich. »Aber Ihnen fehlt es net nur an Gelassenheit, Ihnen fehlt es auch an Verstand. Sonst wüssten Sie, dass man Tieren nix befehlen kann. Ich kann weder das Muhen der Kühe abstellen noch das Meckern der Ziegen, was Ihnen ja ebenfalls den Nerv raubt.«
Sie schüttelte den Kopf und deutete zu seinem Haus.
»Ich versteh net, warum Sie Ihr Haus aus ausgerechnet neben einem bewirtschafteten Hof haben errichten lassen. Sie mussten doch wissen, dass hier nicht immer nur ländliche Idylle herrscht.«
Er mokierte sich nicht nur über ihre Tiere, er störte sich auch an den Misthaufen vor dem Kuhstall, deren Mief je nach Wind seinen Besitz einnebelte.
Alexa war es nicht immer möglich, den Unrat gleich ins geschlossene Güllesilo zu bringen, obwohl sie ebenfalls Wert auf einen sauberen Hof legte. Oft schaffte sie ihr Tagespensum so eben und fiel abends nur noch todmüde ins Bett, statt sich Gedanken über die malträtierten Geruchsnerven ihres Nachbarn zu machen.
»Als ich das Grundstück erworben habe, handelte ich unter anderen Voraussetzungen«, entgegnete Mathias hochmütig. »Mir wurde zugesagt, dass das marode Gehöft, dessen Besitzer verstorben war, abgerissen wird. Ich konnte wirklich nicht ahnen, dass man es Ihnen für ’nen Appel und ’n Ei verkaufen würde und Sie daraus wieder einen florierenden Betrieb mit zwanzig Milchkühen, diversen Ziegen und Schafen machen würden, sowie einem Hahn, dessen misstönendes Krähen mich schon in aller Herrgottsfrüh aus den Träumen reißt. Aber darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«
Als Alexa abermals auffahren wollte, hob er die Hand.
»Wir wollen uns nicht weiter echauffieren, Frau Huber. Wenn meine Eingabe beim Bürgermeister Erfolg hat, sind Ihre Tage auf dem Einödhof ohnehin gezählt. Also sehen Sie sich schon mal nach Ersatz um.«
»Ist das wahr, Mama?«, hauchte Leonhard völlig verstört und zupfte am Rock der Mutter. »Müssen wir hier weg?«
»Nein, natürlich net, Bub«, beruhigte Alexa ihren Sohn.
Sie strich ihm tröstend durch sein störrisches Blondhaar, das ein Erbe seines Vaters war, wie auch die rauchblauen Augen, die so tiefsinnig blicken konnten, und die grüblerische Falte auf seiner kleinen Stirn.
»Niemand vertreibt uns von unserem Besitz und schon gar kein dahergelaufener Städter, der glaubt, mit seinem Geld in dem romantischen St. Christoph eigene Regeln aufstellen zu können.«
Sie reckte stolz das Kinn vor und bedachte Mathias Weißbacher mit einem Blick, der eine klare Kampfansage war. Niemals würde sie wegen dieses arroganten Schnösels, der das Mitgefühl einer Panzerechse hatte, das Feld räumen. Sie ließ den Nachbarn einfach stehen und marschierte davon, Sohn und Hund im Schlepptau.
Sprachlos starrte Mathias der zierlichen Bäuerin hinterher. Sie hatte Mumm, das musste man ihr lassen. Abermals spürte er Zuneigung und Achtung in sich aufkeimen. Verdrossen über die sonderbaren Regungen, die ihn zusehends mehr verwirrten, stapfte er zum Haus.
***
Toni Angerer, der gewichtige Bürgermeister von St. Christoph, thronte hinter seinem Schreibtisch und lauschte mit stoischer Gelassenheit dem Bericht des Münchner Professors, der sich gestenreich über die unzumutbaren Zustände auf dem Hof der Witwe Huber ausließ.
»Sie haben mir damals versichert, dass der baufällige Tannenhof eingestampft werden sollte und auf dem Grund allenfalls Wohnungen gebaut werden würden«, beendete Mathias mühsam beherrscht seinen Bericht.
Die Ruhe des Bürgermeisters forderte ihn noch mehr heraus.
»Sonst hätte ich vor vier Jahren das Grundstück direkt daneben niemals erworben, schon gar nicht zu diesem horrenden Preis, was die Gemeindekasse gewaltig zum Klingeln gebracht hat«, setzte er ironisch hinzu.
Toni Angerer lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust.
»Ich hab Ihnen nix zugesagt, weil ich das gar net konnte«, erwiderte er ruhig. »Es lag allein im Ermessen der Erben, was diese aus dem Besitz machen. Darauf hatte ich Sie auch hingewiesen. Ich habe nur von der Möglichkeit gesprochen, dass die Leute eher an einem Verkauf des heruntergekommenen Anwesens interessiert sind, als es weiter zu bewirtschaften. Sie sind keine Bauern und betreiben einen Gasthof nahe Mayrhofen.«
Er veränderte seine Sitzposition, wobei der Stuhl unter seinem Gewicht bedenklich knarzte. Dann lehnte er die Ellbogen auf den Schreibtisch und knetete die schwieligen Hände, die er seiner Arbeit verdankte. Er war neben dem Amt des Bürgermeisters der größte Landwirt am Ort, und in Ermangelung eines Rathauses diente der Anbau seines geräumigen Bauernhauses als Amtsstube.
»Ich persönlich fand die Entscheidung der Erben, den Tannenhof ihrem Neffen zur Weiterbewirtschaftung zu überlassen, statt ihren Reibach damit zu machen, sehr vernünftig«, fuhr der Angerer fort. »Auf diese Weise haben sie einer jungen Familie zu einer eigenen Existenz verholfen und verhindert, dass ein weiterer Einödhof dem Erdboden gleichgemacht wurde.«
Der Bürgermeister seufzte tief und musterte den Professor mit ernstem Blick.
»Es verkaufen schon genug junge Leute den Familienbetrieb und wandern in die Stadt ab, weil ihnen die Arbeit als Bergbauern zu beschwerlich ist. Die Eheleute Huber haben sich dagegen bewusst für das Leben in den Bergen entschieden und aus dem ehemals heruntergekommenen Gehöft ein wahres Schmuckstück gemacht, das heute kein Schandmal mehr ist, sondern eine Bereicherung für unsere Gemeinde.«
»Das mag sein, trotzdem entspricht die Nutzung des Grundstücks nicht unserer Abmachung«, blieb Mathias stur und erwiderte den Blick des Bürgermeisters mit gleicher Intensität. »Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich Wert auf absolute Ruhe lege, als ich mich damals nach einem geeigneten Grundstück für mein Ferienhaus umgesehen habe. Daraufhin haben Sie mir die Parzelle am Frauenhorn angeboten, die auch im Großen und Ganzen meinen Wünschen entspricht.«
Er hob die Vorteile wie die ausgezeichnete Lage, den geteerten Fahrweg nach St. Christoph hinunter und das wunderschöne Panorama hervor, ehe er noch einmal auf die Nachteile zu sprechen kam.
»Wären nicht dieses nervtötende Muhen und Glockengebimmel auf den nahen Weiden und der krächzende Hahn, der mich in aller Früh aus dem Schlaf reißt, könnte ich mich dort rundherum wohlfühlen.«
Er wischte mit der Hand unwillig durch die Luft.
»In Anbetracht der jetzigen Situation wäre ich mit einem Grundstück in Hohenluft besser beraten gewesen. Dort gibt es wenigstens keine landwirtschaftlichen Anwesen oder Weiden in unmittelbarer Nähe, wo das Rindvieh nach Herzenslust herumblöken kann und die Luft dank der monströsen Kuhfladen und der Misthaufen des Hofes zum Himmel stinkt.«