Der Bergdoktor 1907 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1907 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Seit einem Jahr sind Sarah, die Tochter des Großbauern Kaspar Obermaier, und Stefan, der Sohn des kleinen Biobauern Sebastian Stadler vom sogenannten "Schattenhaus", ein Liebespaar. Vor ihren Familien verheimlichen sie jedoch ihre Liebe, denn die Väter sind sich spinnefeind und würden ihnen das Leben zur Hölle machen, wenn sie davon erführen. Die ständigen Lügen und Heimlichkeiten belasten Sarah und Stefan sehr. Sarah fühlt sich seit Wochen schlapp und abgeschlagen, und sie glaubt, dass nur der ewige Zank des Vaters mit dem Biobauern schuld daran ist. Dennoch sucht sie schließlich Dr. Burger auf, der das Madel gründlich untersucht. Die Blutprobe schickt er sogar zur Untersuchung ins Bezirkskrankenhaus in Schwaz. Als dem Bergdoktor die Ergebnisse ein paar Tage später vorliegen, fährt dem erfahrenen Mediziner, der schon so viel Elend gesehen hat, der Schreck in die Glieder ...

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Schattenhaus von St. Christoph

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: 4FR / iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6017-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Das Schattenhaus von St. Christoph

Der Bergdoktor und eine traurige Familienfehde

Von Andreas Kufsteiner

Seit einem Jahr sind Sarah, die Tochter des Großbauern Kaspar Obermaier, und Stefan, der Sohn des kleinen Biobauern Sebastian Stadler vom sogenannten »Schattenhaus«, ein Liebespaar. Vor ihren Familien verheimlichen sie jedoch ihre Liebe, denn die Väter sind sich spinnefeind und würden ihnen das Leben zur Hölle machen, wenn sie davon erführen. Die ständigen Lügen und Heimlichkeiten belasten Sarah und Stefan sehr. Sarah fühlt sich seit Wochen schlapp und abgeschlagen, und sie glaubt, dass nur der ewige Zank des Vaters mit dem Biobauern schuld daran ist. Dennoch sucht sie schließlich Dr. Burger auf, der das Madel gründlich untersucht. Die Blutprobe schickt er sogar zur Untersuchung ins Bezirkskrankenhaus in Schwaz. Als dem Bergdoktor die Ergebnisse ein paar Tage später vorliegen, fährt dem erfahrenen Mediziner, der schon so viel Elend gesehen hat, der Schreck in die Glieder …

Ganz am Ende des Zillertals, weltabgeschieden in einem Seitental, das nur über eine einzige, in vielen Serpentinen verlaufende Bergstraße von Mayrhofen aus zu erreichen war, lag das idyllische St. Christoph.

Sechs Berge umgaben den Ort wie steinerne Wächter und schirmten ihn vor allzu rauen Winden oder extremen Wetterlagen ab. Der Feldkopf war der höchste von ihnen, mit einer international bekannten Abfahrt, an der jedes Jahr im Februar die Skirennen stattfanden.

Eine Kabinenbahn brachte in der warmen Jahreszeit Urlauber und Ausflügler hinauf zur Feldkopfhütte, wo man gut essen und auch übernachten konnte. Zudem fand sich dort droben eine meteorologische Station. Der Feldkopfgletscher war für seine gefährlichen Spalten bekannt.

Rechts neben dem Feldkopf erhob sich der Hexenstein. Mit seinen beiden schrundigen Gipfeln war er leicht zu besteigen. An ihm empor wuchs der Krähenwald.

Links des Feldkopfs fanden sich das Frauenhorn, das aus dem Hörnlewald emporstieg, sowie Achenkegel, Rautenstein und Beerenhalde. Letztere war ein eher flacher Tafelberg, an dessen sonnigen Hängen im Sommer Schafe weideten.

Traditionsreiche Bauernhöfe und gepflegte Anwesen im Gebirgsstil scharten sich um die weiße Dorfkirche von St. Christoph, auf deren Zwiebelturm sich ein vergoldeter Wetterhahn drehte.

Auf einem Hügel westlich des Dorfes stand das Barockschlössel der Barone von Brauneck, das sich seit nunmehr dreihundert Jahren im Familienbesitz befand. Es war ein geschichtliches Kleinod und wurde gerne von den Urlaubern besichtigt, die im gegenüberliegenden Berghotel »Am Sonnenhang« abstiegen.

Es war das einzige Hotel in dem Ort. Der Gemeinderat von St. Christoph achtete darauf, dass Ruhe und Beschaulichkeit in seinem Heimatort bewahrt blieben. Von Massentourismus oder einer Anbindung der Landstraße an die Autobahn wollte man nichts wissen. Denn in St. Christoph lebte man noch in und mit der Natur, hier gingen die Uhren tatsächlich anders.

An diesem frühen Morgen in März war die Sonne noch längst nicht aufgegangen. Nur ein schwacher Widerschein von dunklem Violett über dem östlichen Firmament sprach davon, dass der neue Tag nicht mehr fern war. Der Mond war bereits versunken, die Sterne verblassten allmählich.

Noch war die Nacht aber nicht ganz gewichen. Über den schneebedeckten Gipfeln glich der Himmel dunklem Samt, es war still, nur sehr vereinzelt brannte bereits Licht, denn es ging eben erst auf fünf Uhr zu.

In einer halben Stunde würde der Laster der Molkerei aus Schwaz seine Runde bei den Bauern beginnen.

Das Geräusch eines schweren Motors, der sich aus Richtung Hochbrunn näherte, durchbrach die Stille der schwindenden Nacht.

Hochbrunn lag zwei Kilometer von St. Christoph entfernt, daneben gab es noch kleinere Weiler wie Mautz, Altenacker oder Bergfelden. Und zwischen den Ansiedlungen lagen zudem einige teils versteckt gelegene Berghöfe.

All dies gehörte in die Zuständigkeit von Dr. Martin Burger, dem Landarzt von St. Christoph. Er war Mediziner mit Leib und Seele und stets für seine Patienten da. Mit der Sprechstunde im Doktorhaus war es längst nicht getan. Hausbesuche bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit standen ebenso auf seinem Arbeitsplan wie Notfälle rund um die Uhr.

Kümmerte Dr. Burger sich um einen Kranken, wurde die Zeit für ihn unwichtig. Nichts zählte noch, nur die Hingabe an den Beruf, der Wunsch zu heilen und zu helfen.

Die Menschen im Tal von St. Christoph nannten Dr. Burger deshalb auch ihren »Bergdoktor«, ein Ehrentitel, der ihre hohe Wertschätzung stets aufs Neue zum Ausdruck brachte.

An diesem frühen Morgen kehrte Martin Burger vom Hof der Familie Riedel zurück, der außerhalb von Hochbrunn recht einsam am Rande des Krähenwaldes zu finden war. Die Bäuerin hatte in dieser Nacht einem strammen Jungen das Leben geschenkt.

Ihr Mann und die drei Geschwister hatten um die geliebte Frau und Mutter gebangt, denn Marianne Riedel war eine zierliche Person, die zerbrechlich wirkte. Doch die Hausgeburt war dank der tatkräftigen Unterstützung durch die Hebamme problemlos vonstattengegangen.

Als der kleine Bub seinen ersten Schrei getan hatte, war es auf dem Riedel-Hof ein einziger Jubel der Freude und Erleichterung gewesen.

Dr. Burger gähnte verhalten und konzentrierte sich auf die Straße, die an manchen Stellen vereist war.

Der Vorfrühling hatte begonnen, hier und da spitzten die ersten Winterlinge, Krokusse und Schneeglöckchen, aus dem dunklen, feuchten Boden. Doch in der Nacht sank das Thermometer noch unter den Gefrierpunkt, denn Väterchen Frost wollte dem munteren Gesellen Frühling wohl doch noch nicht Platz machen.

Der Bauer hatte dem Bergdoktor einen Enzian aufgedrängt, den ihn zudem schläfrig machte. Nur gut, dass er bald daheim war.

Bei dem Gedanken an das Doktorhaus in der Kirchgasse, seine Frau Sabine, die Kinder und seinen Vater glitt ein Lächeln über seine markanten Züge. Das häusliche Glück, das seine Familie ihm schenkte, war ihm stets präsent. Er nahm es nicht selbstverständlich, schätzte es hoch, denn er hatte schwere Zeiten hinter sich, die ihn geprägt hatten.

Sabine war Martins zweite Frau. Als junger Assistenzarzt im Bezirkskrankenhaus von Schwaz hatte er seine Jugendliebe Christl geheiratet. Doch diesem Glück war keine Dauerhaftigkeit beschieden gewesen. Bei der Geburt des ersten Kindes waren plötzlich Komplikationen aufgetreten, die das Leben der Mutter und des Kindes gefordert hatten.

Nach diesem schrecklichen Verlust war der junge Mediziner wie gelähmt gewesen vor Schmerz und Trauer. Er hatte an allem gezweifelt, sogar an seiner Berufung als Arzt, niemand hatte ihn trösten können, nicht einmal seinem Vater Pankraz war dies gelungen.

Schließlich hatte Martin Burger eingesehen, dass nur ein scharfer Schnitt ihm helfen konnte, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und mit dem Verlust umgehen zu können. Also hatte er sich entschieden, nach München zu gehen, um sich dort als Unfallchirurg zu qualifizieren.

Auf Dauer hatte das Leben in der Großstadt ihm jedoch nicht zugesagt. Und als sein Vater in den Ruhestand gehen wollte, war sein Sohn nach St. Christoph heimgekehrt, um die Landarztpraxis zu übernehmen.

Damals war der Anbau, in dem sich die Praxisräume befanden, um das Doppelte erweitert worden. Zusätzlich zu Warte- und Sprechzimmer hatte Dr. Burger einen kleinen, perfekt funktionierenden OP eingerichtet, ein Labor, einen Röntgenraum sowie zwei Krankenzimmer. Und er war ständig bemüht, auf dem neuesten Stand zu bleiben, um seine Patienten bestmöglich versorgen zu können.

In seiner »Mini-Klinik«, wie diese Einrichtung im Tal von St. Christoph genannt wurde, gab es seit Kurzem auch ein Spezial-Sonografie-Gerät, das sich besonders im Zusammenhang mit Bergunfällen schon bewährt hatte.

Lange hatte der Bergdoktor nur für seinen Beruf gelebt. Die Liebe hatte in seinem Leben erst wieder Einzug gehalten, als er der jungen Wiener Ärztin Dr. Sabine Rodenwald im Haus ihrer Tante Rika in St. Christoph begegnet war.

Die zauberhafte Blondine hatte sein Herz im Sturm erobert, und auch für sie war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Dass der große, sportliche und sehr fesche Kollege sechzehn Jahre älter war als sie, hatte Sabine keine Sekunde gestört.

Auch jetzt, mit Anfang fünfzig, war Martin Burger noch ein Mann, der den Frauen gefiel. Mit dem dichten braunen Haar, den grauen Schläfen, den warmen braunen Augen und den sympathischen Lachfältchen verkörperte er eine unwiderstehliche Mischung aus Jungenhaftigkeit und Lebenserfahrung, die Sabines Herz nach wie vor höherschlagen ließ.

Drei süße Kinder krönten ihre glückliche Ehe. Da war Tessa, die Älteste, ein Schulmadel von neun Jahren, klug und lustig und sehr temperamentvoll. Das bekam vor allem ihr kleinerer Bruder Philipp oft zu spüren, der auf den Spitznamen Filli hörte. Mit seinen fünf Jahren ging er noch in den Kindergarten und war ein echter Lausbub.

Das Nesthäkchen der Familie war die zweijährige Laura, der kleine Sonnenschein ihrer Eltern.

Zusammen mit Pankraz Burger, dem Senior in der Familie, und der altgedienten Wirtschafterin Zenzi lebten die Burgers im Doktorhaus in der Kirchgasse von St. Christoph.

Als Dr. Burger seinen Wagen nun vor dem Haus abstellte, brannte noch ein Licht über der Haustür. Sabine ließ es brennen, wenn er nicht daheim war, und es sagte ihm auf ihre Art auch zu dieser wenig christlichen Zeit ein Willkommen.

Der Mediziner bemühte sich, keinen Lärm zu machen, denn im Haus schliefen noch alle. Nur Zenzi, die wieder einmal das Reißen in den Gliedern spürte, bekam seine Heimkehr mit.

Als Martin Burger sich wenig später neben seine Frau ins Bett legte, drehte diese sich zu ihm um und nuschelte im Halbschlaf etwas, das er zwar nicht verstehen konnte, das ihn aber lächeln ließ. Er drückte ein Busserl auf ihre weichen Lippen.

»Schlaf nur weiter, Herzerl, es ist noch sehr früh«, flüsterte er.

Mit einem wohligen Seufzer schmiegte sie sich in seine Arme. Sogleich umfing ihn eine angenehme Wärme, er atmete den Duft ihres Haares ein und war bereits im nächsten Moment mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen.

***

Zwei Stunden später wurde im Doktorhaus gefrühstückt. Zenzi nahm frisch gebackene Semmeln aus dem Herd und tischte Butter, Marmelade, Käse und Schinken auf. Der Duft von aufgebrühtem Kaffee zog durchs Haus und weckte die Lebensgeister. Selbst Rauhaardackel Poldi verließ sein Körbchen und trabte auf seinen kurzen Beinchen in die Küche zu seinem Fressnapf.

Pankraz hatte es sich bereits am Esstisch bequem gemacht und studierte die Morgenzeitung. Der Senior im Doktorhaus war auch mit Ende siebzig noch geistig auf der Höhe und genoss den morgendlichen Trubel mit einem nachsichtigen Schmunzeln. Ab und an schweifte sein Blick aus dem Fenster, wo soeben die Sonne aufging.

Der Schnee im Garten schmolz allmählich, der Schneemann, den Filli und sein Vater am Wochenende gebaut hatten, verlor langsam die Form. Seine Kopfbedeckung war ihm über die Nase gerutscht, und der Reisigbesen, den er im Arm gehalten hatte, lag auf dem Rasen.

In den Blumenbeeten leuchteten gelb und blau die ersten Krokusse. Einige Meisen bedienten sich zwitschernd am Futterhäuschen. Ein Hauch von Vorfrühling lag in der Luft, das hatte Pankraz schon in den vergangenen Tagen bei seinen Gassirunden mit Poldi bemerkt.

Nun stürmten Tessa und Filli herein, wieder einmal zankten sie sich, worüber, das blieb ihr Geheimnis, denn als die Eltern erschienen, setzten sich beide artig auf ihre Plätze und begannen zu essen.

Laura, das jüngste Mitglied der Familie Burger, hatte es da besser: Sie wurde von der Mama mit Brei gefüttert und konnte dabei von ihrem Hochstuhl aus das Geschehen um sie herum im Auge behalten. An diesem Morgen hatten es ihr die Vögel am Futterhäuschen besonders angetan. Jeder kleine Piepmatz, der ankam oder wegflog, wurde mit einem fröhlichen Krähen bedacht.

Pankraz legte die Zeitung beiseite, als Zenzi frischen Kaffee brachte, und erzählte seinem Sohn von einem interessanten Artikel in einem der medizinischen Fachblätter, die er noch gerne und aufmerksam studierte.

Martin fragte seinen Vater oft um Rat, wenn er es mit einem kniffligen Fall zu tun hatte, weshalb er für dessen Ausführungen stets ein offenes Ohr hatte. An diesem Morgen fielen ihm allerdings fast die Augen zu.

»Wir reden lieber heut Abend darüber, gelt, Martin?«, sagte Pankraz deshalb schließlich. »Ich bin auch noch ein bisserl müde.«

Dieser verstand natürlich den Wink und gähnte verhalten.

»Noch zwei Haferl Kaffee, dann bin ich wieder voll auf der Höhe«, erwiderte er dann leichthin.

»Zu viel Koffein ist aber ungesund, Papa«, erinnerte Tessa ihn ernsthaft. »Du solltest dich lieber noch ein bisserl schlafen legen.«

»Was du alles weißt, Frau Doktor«, spöttelte Filli und lachte seine ältere Schwester frech aus. »Ohne dich wüsste der Papa wohl net, was er zu tun hat, gelt?«

»Wenn er sich auf deine kindischen Ratschläge verlassen müsste, wäre er allerdings aufgeschmissen«, parierte sie von oben herab. »Was will man auch erwarten von so einem Zwerg?«

»Gib nur acht, sonst haut der Zwerg dir eins auf die Nase, du Widerwurzen!«, brauste der Bub daraufhin auf, denn er konnte es nicht ausstehen, wenn Tessa ihren Altersvorsprung ins Spiel brachte.

Bevor die beiden ernsthaft in Streit gerieten, erschien Zenzi mit den Brotdosen.

»Zeit für euch zwei!«, verkündete sie.

»Zum Glück! Länger hätt ich es neben diesem Baby auch nimmer ausgehalten«, erklärte Tessa hoheitsvoll.

Die kleine Laura konnte mit den Kabbeleien ihrer älteren Geschwister noch nichts anfangen.

»Baby, Baby!«, rief sie und krähte fröhlich.

»Ja, du bist unser Baby«, bestätigte Sabine lächelnd. »Und jetzt essen wir noch den Rest vom Brei, einverstanden?«

Laura fügte sich, denn Zenzi hatte an diesem Morgen ein paar Stücke Banane hineingetan, die mochte die Kleine besonders gern. Während sie zufrieden schmatzte, fragte Sabine ihren Mann, ob er nicht wirklich Tessas Rat folgen und sich noch etwas hinlegen wollte.

»Ich kann die Sprechstunde übernehmen«, bot sie an. »Dann bist du nachher für die Hausbesuche wieder fit.«

»Net nötig, dank dem ungesunden Koffein bin ich jetzt schon wieder munter«, versicherte er. »Außerdem kommt nachher die Obermaier-Bäuerin in die Sprechstunde. Offiziell wegen ihres Kreislaufs, aber ich vermute, sie wird mir wieder ihr Herz ausschütten wollen. Diese dumme Familienfehde macht allen zu schaffen, die damit zu tun haben.«

Pankraz machte ein betroffenes Gesicht.

»Die alte Geschichte zwischen dem Kaspar Obermaier und dem Sebastian Stadler ist doch nun wirklich Schnee von gestern. Ich kann net verstehen, dass die beiden noch immer an der Feindschaft zwischen den Familien festhalten und sich beständig das Leben gegenseitig schwer machen. Das ist doch nichts weiter als ausgemachter Starrsinn.«

»Die beiden Sturschädel können einfach net über ihren Schatten springen und vergessen dabei, dass sie mit ihrem Verhalten nicht nur sich selbst schaden«, erwiderte sein Sohn seufzend. »Die Bäuerin leidet erst in den letzten Jahren unter Beschwerden, seit ihr Mann die Fehde wieder hat aufleben lassen. Vorher war lange Ruhe, aber der Kaspar kann offenbar einfach net aus seiner Haut. Und seine Frau und Tochter müssen darunter leiden.«

»Es geht ein Gerede, dass der Bub vom Stadler, der Stefan, die Obermaier-Sarah gernhaben soll«, wusste Zenzi, die damit angefangen hatte, den Tisch abzuräumen.

»Die zwei? Die Tochter vom Protzer und der Bub aus dem Schattenhaus? Mei, das hat was von Romeo und Julia«, sinnierte Sabine. Sie hob die Augenbrauen, als Laura zu weinen begann. »Oje, das klingt mir aber sehr nach einer vollen Windel. Komm mein kleines Scheißerle, dagegen sollten wir was tun.«

»Wenn das stimmt, werden die Väter sich über kurz oder lang vertragen müssen«, meinte Dr. Burger. »So eine Heirat hat schon manchen Familienkrieg nachhaltig beendet.«

»Der Obermaier und der Stadler?« Zenzi schüttelte nachdrücklich ihr in Ehren ergrautes Haupt und stemmte das volle Tablett.