Der Bergdoktor 1910 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1910 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Fassungslos schaut Anna Anderlein in das besorgte Gesicht des Bergdoktors. Was soll das heißen, jemand hat sie überfallen und bewusstlos geschlagen? Sie hat doch keine Feinde, oder?

Während sie noch im Doktorhaus ihre schwere Gehirnerschütterung kuriert, zieht am Schicksalshimmel bereits die nächste dunkle Wolke auf. Marius Steinbacher, der Mann, in den sich Anna unsterblich verliebt hat, muss eine noch viel schrecklichere Nachricht verkraften: Er leidet an einer unheilbaren Erbkrankheit, die ihm innerhalb weniger Monate das Augenlicht rauben wird! Die Liebe der beiden scheint unter einem denkbar schlechten Stern zu stehen. Doch dann geschieht etwas, was die Zukunft der beiden noch einmal völlig auf den Kopf stellt ...

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EPUB

Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Sie tanzten in ihr Glück

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6020-2

www.bastei-entertainment.de

Sie tanzten in ihr Glück

Dabei hatten sie den Glauben an Rettung schon aufgegeben

Von Andreas Kufsteiner

Fassungslos schaut Anna Anderlein ist das besorgte Gesicht des Bergdoktors. Was soll das heißen, jemand hat sie überfallen und bewusstlos geschlagen? Sie hat doch keine Feinde, oder?

Während sie noch im Doktorhaus ihre schwere Gehirnerschütterung kuriert, zieht am Schicksalshimmel bereits die nächste dunkle Wolke auf. Marius Steinbacher, der Mann, in den sich Anna unsterblich verliebt hat, muss eine noch viel schrecklichere Nachricht verkraften: Er leidet an einer unheilbaren Erbkrankheit, die ihm innerhalb weniger Monate das Augenlicht rauben wird! Die Liebe der beiden scheint unter einem denkbar schlechten Stern zu stehen. Doch dann geschieht etwas, was die Zukunft der beiden noch einmal völlig auf den Kopf stellt …

»Was is los?«

Erschrocken fuhr Ludwig Anderlein in seinem Ohrenbackensessel hoch, als es vor seinem Fenster lautstark krachte. Das Leder knirschte unter der Bewegung. Oder waren es seine Gelenke? Wahrscheinlich beides, mutmaßte er.

Er musste über seiner Vorabendserie eingenickt sein, denn der Fernseher lief noch. Genauer gesagt: der Wetterbericht in den Abendnachrichten. Den brauchte der Bauer jedoch nicht, denn er sah auch so, was los war – vor seinem Stubenfenster schien gerade die Welt unterzugehen!

Dunkelviolette Wolkentürme ballten sich über dem Zillertal zusammen. Tief hängende Wolken verbargen die Gipfel und entließen einen kräftigen Regen, der gegen die Scheiben trommelte. Hagelkörner groß wie Haselnüsse mischten sich in den Niederschlag und ließen Ludwig um die Erdbeeren in seinem Garten fürchten. Dazu fauchte ein kräftiger Sturm um das Haus und rüttelte an den Fensterläden.

Ein greller Blitz äderte den Himmel, ehe er wieder verschwand und sich das Schauspiel an anderer Stelle wiederholte. Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall, der die Scheiben im Haus klirren ließ. Ludwig fuhr in die Höhe, als hätte sich eine Sprungfeder in seinen Allerwertesten gebohrt. Grundgütiger! War das nah gewesen! Sicher hatte der Blitz irgendwo eingeschlagen!

Er trat ans Fenster und spähte hinaus. Im Dorf brannten zahlreiche Lichter. Ein Feuer konnte er nicht entdecken. Sein Hof schien unversehrt zu sein. Gott sei Dank! Er stieß den Atem aus. Bei diesem Wetter war es nicht ratsam, draußen unterwegs zu sein.

Hier in den Bergen lebte man näher an der Natur als anderswo. An schönen Tagen war das idyllisch, während einer Gewitterfront konnte es jedoch lebensgefährlich sein. Besonders, wenn sich die Wolken – so wie jetzt – über den Gipfeln festgesetzt hatten. Die beiden schrundigen Gipfel des nahen Hexensteins waren nur als Schemen zu erkennen.

Ludwig rieb sich unbehaglich seine Finger, in denen es schon wieder unliebsam zog. Verflixt! Das feuchte Regenwetter verschlimmerte seine Arthritis.

Seitdem er die Fünfzig überschritten hatte, plagte ihn das Reißen in den Knochen. Und es wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Irgendwann würden seine Finger so verkrümmt sein, dass ans Arbeiten nicht mehr zu denken war.

Rasch verschob er den unliebsamen Gedanken in den hintersten Winkel seines Verstandes. So weit war es zum Glück noch lange nicht!

Er lenkte seine Schritte hinüber in die Bauernküche, knipste das Licht an und fischte eine Tablettenschachtel aus der oberen Schublade. Er schluckte zwei Tabletten, spülte mit Wasser nach und schüttelte sich leicht. Dann nahm er ächzend am Küchentisch Platz und schlug die Tiroler Tageszeitung auf.

Ludwig hatte den Tag auf den Wiesen verbracht und das erste Heu des Jahres hereingebracht, deshalb fand er erst jetzt die Zeit, einen Blick in die Zeitung zu werfen. Gleich der erste Artikel entlockte ihm ein missbilligendes Zungenschnalzen.

»Ts, da waren drunten in der Stadt schon wieder Einbrecher in der Nacht unterwegs und haben mehrere Häuser aufgebrochen«, murmelte er vor sich hin. »Na, die sollen sich hier mal blicken lassen. Dann machen sie aber Bekanntschaft mit meiner Mistgabel!«

Er blätterte weiter und vertiefte sich in einen Artikel über Pannen bei einem Liftbetreiber.

Plötzlich fiel ihm auf, wie still es im Haus war. Seine liebe Frau war gerade zur Kur, und seine Tochter hielt sich oben in ihrer Kammer auf. Anna las abends gern, manchmal telefonierte sie auch mit einer Freundin.

Ihre Zither stand auf dem Regal über der Eckbank. Sie hatte das Spielen von ihrem Großvater gelernt. Wenn sie dazu sang, wurde Ludwig das Herz weit und leicht. Anna hatte eine glockenhelle Stimme, und er war stolz, dass sie im Kirchenchor mitsang.

Sein Zank mit ihr lag ihm schwer im Magen. Anna hatte an diesem Abend ausgehen wollen, aber er hatte es ihr verboten. Im Stillen haderte er mit sich selbst. War es richtig gewesen, seiner Tochter die Verabredung zu verbieten? Er wollte sie beschützen. Allerdings war sie mit ihren vierundzwanzig Jahren alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Dieser Hallodri aus dem Berghotel würde ihr nix Gutes bringen, grübelte er. Er hat sie eingeladen, ja, aber welche Zukunft hätten die beiden? Er reist ohnehin bald wieder ab und hinterlässt ihr nichts als ein gebrochenes Herz. Nein, für eine flüchtige Urlaubsromanze ist meine Anna zu schade.

Nur dumm, dass dieser Marius ein gut aussehender Mann ist. Er hat Anna den Kopf verdreht. Sie war net glücklich, als ich ihr das Ausgehen verboten habe. Aber sie kommt schon drüber weg. Ich sollte jetzt auch langsam schlafen gehen. Morgen klingelt der Wecker wieder zeitig …

So weit war Ludwig gerade mit seinen Gedanken gekommen, als das Telefon klingelte.

Er ging in den Flur und holte sich den Apparat in die Küche. »Hallo, Anderlein hier?«

»Hier auch, mein Schatz.« Ein Lächeln schwang in der Stimme der Anruferin mit. »Hoffentlich habe ich dich net geweckt?«

»Karin!« Sein Herz wurde weit. »Keine Sorge. Ich war noch wach. Wie geht es dir?«

»Ganz gut. Ich vermisse euch sehr.«

»Wir dich auch.« Er umklammerte das Telefon fester.

Seine Frau fehlte ihm in jeder Minute. Sie waren seit sechsundzwanzig Jahren verheiratet und seither kaum einmal getrennt gewesen. Zusammen bewirtschafteten sie den Hof am Rand von St. Christoph.

Doch vor wenigen Monaten war bei seiner Frau ein Tumor an den Eierstöcken entdeckt worden. Sie war operiert worden, hatte eine Chemotherapie bekommen und war anschließend zur Kur an die Nordsee geschickt worden.

»Ich war heute wieder lange am Strand spazieren«, erzählte sie ihm. »Der Weg fällt mir von Tag zu Tag leichter. Mein Arzt sagt auch, dass ich kräftiger werde. Ich zähle schon die Tage, bis ich wieder bei euch bin.«

»Noch elf«, erwiderte er prompt, denn er zählte auch.

»Ja, elf.« Ihre Stimme wurde weich, es schwang viel Liebe darin mit.

»Hast du noch Schmerzen, Liebes?«

»Eigentlich net.«

»Ich bin froh, das zu hören.«

»Wie geht es denn unserer Tochter? Ist sie daheim?«

»Ja, sie ist oben in ihrer Kammer. Heute war ein Fremder auf dem Hof und hat sie eingeladen, aber ich habe ihr die Verabredung ausgeredet.«

»Warum denn das?«

»Weil er net zu ihr gepasst hätte. Er macht hier nur Urlaub und wollte sie zum Tanz ausführen.«

»Weshalb hast du sie denn net gehen lassen? Sei net so streng mit ihr, Ludwig. Unsere Tochter ist vierundzwanzig, außerdem kann sie Menschen recht gut einschätzen. Ich vertraue ihr.«

»Ihr traue ich auch, den Burschen aber net«, grollte er.

»Wir waren auch mal jung und verliebt. Weißt du noch, mein Vater mochte dich anfangs auch net. Ich musste mich aus dem Haus schleichen, um dich zu treffen.«

»Hm«, brummte er. »Aber das war etwas anderes. Ich war kein Millionär, der nur ein Gspusi von dir wollte.«

»Rede doch mal mit ihrem Verehrer. Vielleicht ist er ganz nett.« Seine Frau gähnte.

Ludwig bemerkte es wohl. »Du bist müde, Liebes. Geh besser schlafen.«

»Ja, das werde ich tun. Schlaf gut, Liebling.«

»Du auch. Und träum etwas Schönes. Wir hören uns morgen wieder.« Er ließ den Hörer sinken und kämpfte gegen das Gefühl des Vermissens an.

Seine Frau war sanft und bodenständig. Sein Kompass, wenn er einmal nicht wusste, was richtig und was falsch war. Ohne sie fehlte ihm etwas Entscheidendes. Noch elf Tage. Eine Ewigkeit!

Er beschloss, sich noch einen Becher Milch warm zu machen. Draußen heulten mehrere Sirenen. Die Feuerwehr! Offenbar hatte er vorhin recht vermutet: Der Blitz hatte im Dorf eingeschlagen. Hoffentlich brannte nur ein Heustadel, nicht ein Hof!

Ludwig trat ans Fenster und spähte hinaus. Es regnete so heftig, dass die Tropfen wie Bindfäden vom Himmel rauschten. Und die Blitze rissen nicht ab. Ansonsten … nichts zu sehen.

Oder? Moment mal! Hinter dem Wäldchen leuchtete ein orangefarbener Feuerschein. Dort hatte der Bürgermeister seinen Heustadel. Offenbar war der Heuvorrat in Flammen aufgegangen!

Ludwig schnaufte. Während er darauf wartete, dass die Milch im Topf warm wurde, klopfte etwas, das seine Frau gesagt hat, an seinem Verstand an. Etwas beunruhigte ihn.

Er kam nicht gleich darauf, was es war, und ließ ihre Unterhaltung noch einmal Revue passieren. Sie hatten über die Therapie gesprochen und darüber, dass sich seine Frau früher aus dem Haus geschlichen hatte, um ihn zu treffen …

Oh! Wieder fiel ihm auf, wie ruhig es in der oberen Etage war. Zu ruhig …

»Herrje!« Er schaltete den Herd ab, eilte die Treppe nach oben und lauschte. Nichts zu hören. Vor der Kammer seiner Tochter blieb er stehen und klopfte an. Keine Antwort.

Er drückte die Klinke nieder und spähte in ihr Zimmer. Die Schreibtischlampe brannte, aber von Anna war nichts zu sehen.

»Anna?« Er spitzte die Ohren. »Anna? Wo bist du denn?«

Nichts. Sie antwortete ihm nicht. Offenbar hatte sie sich tatsächlich davongeschlichen! Und er konnte sich schon denken, zu wem sie gegangen war.

Herrschaftszeiten aber auch!

Er trat ans Fenster und spähte hinaus. Die Garage war verschlossen. Anna ließ sie immer offen, wenn sie losfuhr. Also musste ihr Auto noch darinstehen. Sie war offenbar zu Fuß unterwegs.

Das auch noch! Das Unwetter tobte sich über dem Tal aus und würde noch nicht so bald weiterziehen. Seine Tochter sollte jetzt nicht unterwegs sein!

Wieder erleuchtete ein Blitz den Himmel.

Ludwig zuckte zusammen.

Einen Atemzug später knallte ein Donnerschlag und hallte in den Ohren des Landwirts wieder wie die Androhung eines kommenden Unheils.

»Mei, Madel«, murmelte er vor sich hin. »Wo bist du nur?«

***

Zwölf Stunden vorher

»Ich brauche dringend deine Hilfe, Lissy.«

Atemlos ließ sich Anna auf den Friseurstuhl fallen und schaute ihre Freundin in dem großen runden Spiegel verzweifelt an.

»Sieh dir das bloß mal an.« Sie zupfte an einer karottenfarbenen Haarsträhne und zog die Nase kraus, sodass ihre Sommersprossen darauf tanzten.

»Sieht ungewohnt aus«, stellte Lissy fest und blickte sie mitfühlend an. »Das war keine Absicht, oder?«

»Bestimmt net. Ich wollte mir gestern Abend zu Hause die Haare tönen, allerdings mahagonibraun und net orange. Leider ist das dabei herausgekommen. Kannst du es noch retten?«

»Freilich. Das bekommen wir schon hin.« Schwungvoll wirbelte ihre Freundin einen Frisierumhang um sie herum. »Soll ich wirklich drüberfärben? Das Orange hat Signalwirkung. Damit fällst du auf, weißt du?«

»Den Hasen vielleicht, die bekommen bei meinem Anblick Appetit auf Karotten. Aber das ist net ganz das, was ich wollte.«

»Verstehe.« Lissy schmunzelte. »Von Mahagoni würde ich dir abraten. Das ist zu dunkel für dich, es macht deinen Teint blass. Ich würde dir ein sanftes helleres Braun empfehlen.«

Anna nickte lebhaft. »Mach ruhig. Ich vertraue dir.«

Lissy begann, eine Mischung anzurühren und auf dem Kopf der Freundin zu verteilen. Behutsam strich sie jede Strähne ihrer langen Haare mit der Farbe ein.

»Warum bist du net gleich zu mir gekommen, wenn du etwas mit deinen Haaren machen willst?«, wollte sie wissen.

»Weil ich dich net ausnutzen wollte.«

»Das machst du net. Es ist schließlich mein Beruf.«

»Eben. Und wir sind Freunde. Du verlangst ja auch keine kostenlose Eierlieferung von mir, nur weil meine Eltern einen Bauernhof haben.«

»Eigentlich ist das gar keine üble Idee. Falls ihr mal welche übrig habt …« Lissy zwinkerte ihr im Spiegel zu, ehe sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrierte.

Der Salon war über dem Gemischtwarenladen im Zentrum von St. Christoph untergebracht. An diesem Vormittag hielt sich der Betrieb in Grenzen. Zwei Plätze weiter links blätterte eine Bäuerin in einer Illustrierten, während sie unter der Trockenhaube saß. Ansonsten war es ruhig.

»Wem möchtest du denn auffallen?«, erkundigte sich Lissy.

»Irgendjemandem.« Ein sehnsüchtiges Seufzen begleitete Annas Worte. »Ich würde mich so gern wieder verlieben, aber ich komme so selten dazu, mal wegzugehen, dass ich mir dachte, ich muss etwas verändern. Irgendetwas.«

»Und das hast du.« Lissy deutete auf die letzte orangefarbene Strähne, die sie gerade zwischen den Fingern hielt. »Aber weißt du, du musst dich gar net anstrengen, um dich zu verlieben. Meine Großmutter sagt: ›Die Liebe findet uns‹. Und ich glaube, das stimmt.«

»Das Problem ist nur, sie zu erkennen und festzuhalten. Wenn man es genau nimmt, sind das sogar zwei Probleme. Bei Tom war ich mir sicher, dass wir zusammengehören. Aber es hat net funktioniert.«

»Weil er zum Studium nach Wien gezogen ist. Ihr habt euch ja kaum noch gesehen, da war die Geografie der Feind der Liebe. Meldet er sich eigentlich noch manchmal bei dir?«

»Nein. Wir haben beide gespürt, dass es nimmer passt mit uns, deshalb haben wir uns im Guten getrennt und net im Zank, aber es hat trotzdem schrecklich wehgetan.«

»Bist du inzwischen über ihn hinweg?« Ihre Freundin ließ die Arme sinken und sah sie prüfend im Spiegel an.

»Ich glaube schon. Anfangs wollte ich keine neue Beziehung, aber jetzt … Jetzt würde ich mich gern neu verlieben, aber es passt irgendwie nie.«

»Der Richtige wird schon kommen. Und bis dahin spricht nix dagegen, wenn wir zwei ein bisserl Spaß haben. Wollen wir am Wochenende zum Tanz nach Mayrhofen fahren?«

»Gern.« Anna nickte kaum merklich.

»Prima, dann ist das abgemacht. Du, ich muss jetzt die Frau Angerer von ihrer Trockenhaube erlösen. Bleib hier und entspann dich, während die Mischung einwirkt.«

»Ist gut. Danke, Lissy.«

Anna angelte sich eine Kochzeitschrift vom Tisch und vertiefte sich in die Rezepte. Der Sommereintopf hörte sich wunderbar an! Mit viel Gemüse und Kräutern, von denen sie die meisten daheim im Garten hatte. Und das Schmorgericht wäre sicherlich etwas für ihren Vater.

Kurz entschlossen fischte sie ihr Handy aus der Tasche und fotografierte die Rezepte ab, um sie daheim in ihr privates Kochbuch abzuschreiben und dann nachzukochen.

Als die Einwirkzeit herum war, kam ihre Freundin zurück und spülte die Farbmischung aus ihren Haaren. Lissy hatte sanfte Hände und massierte Annas Kopfhaut, bis diese entspannt die Augen schloss und sich dem wohligen Gefühl hingab, dass sich jemand um sie kümmerte, der sein Handwerk verstand. Sie bekam noch eine Haarkur, anschließend föhnte Lissy ihre Haare trocken und verlieh ihnen mithilfe einer Rundbürste einen wunderbaren Schwung.

»Fertig. Was meinst du?« Sie neigte fragend den Kopf.

Die seidige hellbraune Mähne entlockte Anna ein begeistertes Juchzen. Das Orange war vollständig verschwunden, und nun schimmerten ihre Haare wunderbar in einem hellen Braun.

»Du bist eine Zauberin! Ich danke dir sehr.«

»Gern geschehen.«

»Was bin ich dir schuldig?«

»Nix. Komm beim nächsten Mal einfach gleich zu mir, ehe du wieder experimentierst und Lavendel herauskommt, ja?«

»Aber du hattest Arbeit mit mir.« Anna wollte nach ihrer Geldbörse kramen, aber ihre Freundin winkte ab, und so ließ sie die Arme sinken. »Na gut, dann noch mal vielen Dank! Weißt du was? Ich lade dich am Wochenende zum Essen ein, wenn wir ausgehen. Einverstanden?«

»Einverstanden!« Lissy strahlte. »Wir können zu diesem netten Italiener in Mayrhofen fahren. Du bist ja jetzt motorisiert.«

»Ja, endlich.« Anna hatte jahrelang gespart, um sich ein eigenes Auto leisten zu können. Damit war sie endlich mobil und musste nicht mehr mit dem Bus fahren, der ihr Heimatdorf ohnehin nur dreimal am Tag anfuhr.

Ihren Kleinwagen hatte sie von einer Seniorin erworben, die nicht mehr selbst fahren mochte. Ein gepflegter Wagen war es, und sie hatte der vorigen Besitzerin versprochen, ihn gut zu behandeln.