Der Bergdoktor 1919 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1919 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Manche Schicksalsschläge sind so hart, dass einem kaum etwas anderes übrig bleibt, als sie zu verdrängen. Dieser Gedanke schießt dem Bergdoktor durch den Kopf, als er seiner jungen Patientin Maria gegenübersteht, die an einer Amnesie leidet. Ferdinand Gummersberger hat sie in den Bergen gefunden, wo sich das völlig verwirrte Madel in den Tod stürzen wollte. Was nur hat die Frau zu einer solchen Verzweiflungstat getrieben? Maria weiß es selbst nicht mehr.

Zum Glück hat der Ferdinand sie gerettet und steht ihr auch in den kommenden Wochen bei. Auf seinem Hof wohnen darf sie auch, dabei hat der junge Bauer selbst sein Päckchen zu tragen: Seine Frau Lore hat ihn und die beiden Kinder einfach sitzen lassen und sich mit Ferdinands bestem Freund aus dem Staub gemacht!

Kann sich für diese beiden unglücklichen Menschen noch mal alles zum Guten wenden?

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Versprechen ans Leben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6454-5

www.bastei-entertainment.de

Versprechen ans Leben

Zwei gebrochene Herzen auf der Suche nach Liebe und Erlösung

Von Andreas Kufsteiner

Manche Schicksalsschläge sind so hart, dass einem kaum etwas anderes übrig bleibt, als sie zu verdrängen. Dieser Gedanke schießt dem Bergdoktor durch den Kopf, als er seiner jungen Patientin Maria gegenübersteht, die an einer Amnesie leidet. Ferdinand Gummersberger hat sie in den Bergen gefunden, wo sich das völlig verwirrte Madel in den Tod stürzen wollte. Was nur hat die Frau zu einer solchen Verzweiflungstat getrieben? Maria weiß es selbst nicht mehr.

Zum Glück hat der Ferdinand sie gerettet und steht ihr auch in den kommenden Wochen bei. Auf seinem Hof wohnen darf sie auch, dabei hat der junge Bauer selbst sein Päckchen zu tragen: Seine Frau Lore hat ihn und die beiden Kinder einfach sitzen lassen und sich mit Ferdinands bestem Freund aus dem Staub gemacht!

Kann sich für diese beiden unglücklichen Menschen noch mal alles zum Guten wenden?

»Hört auf zu streiten, und zieht euch endlich um!«

Der Bauer Ferdinand Gummersberger funkelte seine Kinder wütend an. Trotz mehrmaliger Ermahnung trugen sie noch immer ihre Schlafanzüge, statt sich für den sonntäglichen Gottesdienst anzukleiden. Dafür lagen sie sich mal wieder in den Haaren.

Eigentlich hieß es ja, dass Zwillinge besonders eng verbunden waren, doch die beiden, die gerade ihren sechsten Geburtstag gefeiert hatten, waren wie Hund und Katz. Es verging kein Tag, ohne dass sie sich kabbelten.

Bastian, mit zwanzig Minuten Vorsprung der große Bruder, was Ferdinand ihm leichtsinnigerweise anvertraut hatte, versuchte die kleine Schwester zu unterjochen. Doch Annerl ließ sich das nicht gefallen und heulte wie eine Sirene, wenn Bastian sie ärgerte – so wie jetzt, wo er an ihrem heiß geliebten Teddy zerrte. Dabei kreischte auch er nervenzerfetzend.

Abermals sprach Ferdinand ein Machtwort. Doch die Zwillinge sahen ihn nur trotzig an und machten munter weiter.

Der junge Bauer seufzte. Er hatte die Zügel viel zu lang schleifen lassen, und jetzt nahmen ihn die Geschwister nicht mehr ernst. Doch seit seine Frau Lore vor knapp zwei Jahren mit seinem Freund Max durchgebrannt war und nun mit diesem in der Welt herumgondelte, war er nicht mehr er selbst. Früher ein tatkräftiger, lebensbejahender Mann, war er nun ein wandelndes Wrack, unfähig sich aus der Schwermut zu lösen, in die ihn der Verrat seiner vergötterten Frau und seines einstmals besten Freundes geschleudert hatte.

Niemals hätte er geglaubt, dass ihm ausgerechnet Max die Liebste ausspannen würde! Er hatte dem Jugendfreund vertraut und hätte für seine Loyalität die Hand ins Feuer gelegt. Doch Max hatte ihn schnöde hintergangen, was fast noch schlimmer war als Lores Untreue.

Seine Exfrau war eine außergewöhnliche Schönheit: atemberaubende Figur, tiefschwarze Locken und ein verführerischer Blick, der das Herz jedes Mannes in Flammen versetzen konnte. Ferdinand hatte sie in einer Bar in Schwaz kennengelernt, wo sie ausgeschenkt hatte.

Damals hatte er es kaum fassen können, dass diese bezaubernde Frau einen schlichten Bauern wie ihn erhörte. Trotz der Warnung seiner verwitweten Mutter, die Lore »ein berechnendes Luder« genannt hatte, das sich nur »ins gemachte Nest setzen wolle«, hatte er seine Traumfrau schon vier Wochen nach ihrer ersten Begegnung zum Traualtar geführt.

Er hatte seine Frau auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Lore hatte auf dem Hof keine Schmutzarbeit machen müssen, sondern sich nur um die Wirtschaft gekümmert, was sie auch gern getan hatte. Sie war eine leidenschaftliche Köchin gewesen und hatte auch sonst das Haus in Ordnung gehalten.

Faul war sie nicht gewesen, nur ein bisschen kapriziös. Alles hatte sich um sie drehen müssen. Sie hatte sich stundenlang in der Wanne geaalt oder Kaffeekränzchen mit ihren Freundinnen gehalten, während sich Ferdinand auf dem Hof krummgelegt hatte, um ihre Ansprüche zu erfüllen.

Die Kleider, die sie gekauft hatte, um stets die Schönste im Land zu sein, hatten ein gewaltiges Loch in sein ohnehin nicht üppiges Budget gerissen. Dafür hatte er es genossen, von den Mannsbildern um seine attraktive Frau beneidet zu werden.

Obwohl ihn die Mutter einen »bockbeinigen Hammel« geschimpft hatte, der die rosarote Brille nicht absetzen wolle, um die Wahrheit nicht sehen zu müssen, hatte er eisern zu Lore gehalten. Daraufhin hatte sich die Traudl ins Gesindehäusl zurückgezogen und fortan kaum noch ein Wort mit ihm gesprochen. Lore hatte sie gänzlich ignoriert, was aber auf Gegenseitigkeit beruht hatte.

Erst als die Zwillinge geboren worden waren, hatte sich die Lage etwas entspannt. Lore hatte sich wider Erwarten als fürsorgliche Mutter entpuppt, und Traudl war ganz vernarrt in ihre Enkel gewesen. Fast hatte es ausgesehen, als würden sich die beiden so ungleichen Frauen doch noch annähern, und eine Weile waren sie eine glückliche Familie gewesen.

Doch die süßen Mäuse waren älter geworden und hatten sich immer mehr zu eigenen, kleinen Persönlichkeiten entwickelt, die sich nicht mehr so leicht gängeln ließen. Daraufhin waren Lore die Kleinen lästig geworden, und sie hatte sie immer öfter der Obhut der Oma überlassen, während sie selbst ihren Vergnügungen nachgegangen war. Sie brauche Zerstreuung, hatte sie getönt, fühle sich auf dem abgelegenen Hof wie in einem Gefängnis.

Um sie bei Laune zu halten, hatte Ferdinand ihr jede erdenkliche Freiheit gelassen. Auch als sie sich immer öfter von Max zum Tanz oder ins Theater ausführen ließ, hatte er nichts dagegen gehabt. Er war sogar froh gewesen, dass sich der Freund, der aus einem reichen Elternhaus stammte, so rührend um Lore kümmerte.

Ferdinand selbst war ein absoluter Tanzmuffel, und Theater langweilte ihn. Außerdem war er oft viel zu müde für derartige Unternehmungen. Er hatte beiden blind vertraut und niemals gedacht, dass sie ihn so schändlich hintergehen würden.

»Ihr habt gehört, was euer Vater gesagt hat«, ging die Altbäuerin dazwischen und maß ihre Enkel mit strengem Blick. »Der liebe Gott mag keine ungezogenen Kinder. Sie dürfen ihn dann auch net in seinem Haus besuchen.«

»Du meinst, wir dürfen net mit in die Kirche gehen?«, hakte Bastian nach und runzelte sorgenvoll die kleine Stirn, als die Großmutter nickte.

Er ging gern zum Gottesdienst. Ihm gefiel es, wenn sich die Leute zur Ehre des Herrn fein herausputzten und während der Messe aus Leibeskräften sangen, obwohl viele gar nicht singen konnten. Dann amüsierte er sich köstlich, besonders über einen steinalten Bergbauern, der seinen Stammplatz in der vordersten Bank hatte. Der konnte kaum noch richtig reden, so heiser war er. Aber in der Kirche sang er aus vollem Hals, was sich anhörte wie das verrostete Windrad hinter ihrem Hof.

Am meisten faszinierte Bastian jedoch die fein geschnitzten Figuren, die in jeder Nische der Kirche standen. Der alte Knecht Luis hatte ihm gezeigt, wie man aus einem groben Stück Holz ein kleines Kunstwerk schnitzte. Das hatte ihm großen Spaß gemacht. Doch seit er sich dabei übel in den Finger geschnitten hatte, hatte der Vater verboten, dass Basti das Schnitzmesser nochmals anfasste.

Mit dem Vater war nicht mehr zu reden, seit die Mutter fort war. Er hatte kaum noch Zeit für seine Kinder und starrte nur noch griesgrämig vor sich hin, wenn er nicht gerade verbissen seiner Arbeit nachging.

Früher war das anders gewesen, da hatte er mit ihnen gespielt und gelacht. Bestimmt hätte er da Bastian selbst das Schnitzen beigebracht und wäre stolz gewesen, weil er sich schon so geschickt anstellte.

Deshalb betete Bastian nun in der Kirche zur Jungfrau Maria und dem Jesuskind, dass man ihnen eine neue Mama schickte, die sie herzte und tröstete, wenn sie traurig waren, und die dem Papa das Lachen wiedergab.

Die Oma war zwar lieb, aber auch streng und spröde. Sie nahm sie nur selten in den Arm oder las ihnen eine Geschichte vor, wenn sie nicht einschlafen konnten. Meist war sie zu müde für eine lange Bettgeh-Zeremonie, und der Vater verkroch sich ohnehin gleich nach dem Abendessen in seine Kammer.

Trotzdem wollte Bastian seine Mama nicht zurück, die hatte sie nicht wirklich lieb gehabt. Anna weinte noch manchmal nach ihr. Aber seine Schwester war auch eine Mimose und wollte nicht einsehen, dass die Mama kein Herz hatte.

Keine Frau, die ihre Kinder liebte, ließ ihre Familie im Stich und lief mit einem fremden Mann davon. Das sagte jedenfalls Tante Anni, Omas Schwester.

Behutsam nahm er der erstaunten kleinen Schwester den Teddybären aus den Händen und bettete ihn auf einem Kissen.

»Bärli schläft jetzt, Annerl«, verkündete er. »Aber wir zwei müssen uns beeilen, sonst beginnt die Kirche ohne uns.«

»Ganz recht«, bekräftigte Traudl zufrieden.

Sie nahm ihren Sohn am Arm und zog ihn aus dem Zimmer, während die Kinder sich endlich anzogen. Darin waren sie schon sehr geschickt, sie kamen gut allein zurecht.

Traudl selbst war bereits angekleidet, trug ihr übliches Festtagsgewand: schwarzes Samtmieder mit hellem Einstecktuch zum schwingenden, schwarzen Rock, dessen einziger Schmuck eine Seidenschürze war. Nur der typische Zillertaler Hut mit der Goldquaste, der für beide Geschlechter gleichermaßen kleidsam war und ohne den sie sonntags nie aus dem Haus ging, fehlte noch.

***

»Du musst dir endlich wieder mehr Respekt verschaffen, Ferdl«, tadelte Traudl ihren Sohn, als sie außer Hörweite waren. »Die Zwillinge tanzen dir auf der Nase herum. Du maßregelst sie zwar, doch statt net locker zu lassen, versinkst du in dumpfes Grübeln, weil dir Lore wieder im Kopf herumspukt.«

Ferdinand nickte betreten. Da mochte sie recht haben.

»Höchste Zeit, dass du dieses Flitscherl aus deinem Herzen verbannst und wieder zu dir selbst findest. Ich kann’s schon gar net mehr mit ansehen, wie du dich wegen diesem liederlichen Weibsstück grämst«, ereiferte sich seine Mutter weiter. »Lore ist es doch gar net wert, dass du ihr immer noch nachtrauerst; und den Max, den hinterlistigen Haderlumpen, möge der Blitz treffen. Er war dir nie ein Freund, Ferdl.«

»Sei vorsichtig, Mama, Gott könnte deinen frommen Wunsch erhören«, entgegnete der Bauer sarkastisch, sprach ihm die Mutter doch aus der Seele.

»Du musst dich wegen böswilligen Verlassens von deiner Frau scheiden lassen«, drängte Traudl weiter. »Die Kinder brauchen ein geordnetes Familienleben und einen Vater, der für ihre kleinen Sorgen und Nöte ein offenes Ohr hat. Keinen, der nur noch im Selbstmitleid badet. Lore kommt net zurück, und wenn, ist sie hier gewiss net mehr willkommen.«

»Das entscheidest net du, Mutter«, grollte Ferdinand und wischte mit der Hand unwillig durch die Luft. »Hör endlich auf, mich gängeln zu wollen. Ich weiß selbst, was ich zu tun habe, und wenn’s an der Zeit ist, werde ich auch die Konsequenzen ziehen. Aber noch kann ich mich net dazu durchringen.«

»Heißt das, du würdest Lore verzeihen, wenn sie reumütig angekrochen käme?« Fassungslos starrte Traudl ihren Sohn an. »Das kann net dein Ernst sein, Ferdl! Was muss dieses Luder dir denn noch antun, dass du endlich die Wahrheit erkennst? Lore hat dich nie geliebt, sie war nur an deinem net vorhandenen Vermögen interessiert, von dem du ihr was vorgeflunkert hast.«

Sie lachte abfällig.

»Sie hat es mir selbst erzählt, als sie mal wieder der Frust gepackt hat, weil du ihr net das Leben bieten konntest, das sie sich gewünscht hat.«

Der Bauer hüllte sich in beredtes Schweigen und scharrte nur unbehaglich mit dem Schuh auf dem Teppich.

»Lore wollte nie einen Bauern zum Mann, der sich die Hände schmutzig machen muss und der oft zu müde ist, um sie nach getaner Arbeit noch zu verwöhnen«, fuhr sie grimmig fort. »Du warst nur Mittel zum Zweck. Sie hat ein warmes Nest für sich und ihr Balg gesucht.«

Betroffen biss sie sich auf die Unterlippe. Das hatte sie gar nicht verraten wollen, schließlich wollte sie ihren Sohn nicht noch mehr quälen! Doch nun war es heraus. Bedauernd hob sie die Schultern.

»Tut mir leid, Ferdl, aber einmal musst du es erfahren. Lore hat kurz nach eurer Hochzeit einen Abgang erlitten, und ich war zufällig Zeugin. Sie hat mich inständig gebeten, dir nix zu sagen, hat unter Tränen beteuert, von der Schwangerschaft selbst nix geahnt zu haben. Sie würde dich aufrichtig lieben und sich nix sehnlicher wünschen, als mit dir glücklich zu werden, hat sie beteuert.«

Ferdinand schluckte verstört.

»Warum hast du mir nie davon erzählt, Mama?«, krächzte er.

Schwer legte Traudl ihre Hand auf den Arm ihres Sohnes.

»Ich habe geschwiegen, weil du bis über beide Ohren in deine Frau verliebt warst«, sagte sie leise. »Ich wollte keinen Keil in eure junge Ehe treiben und Lore eine Chance geben. Damals habe ich ihr die Lügen abgekauft. Immerhin bist du ein fesches Mannsbild, und so manche Frau würde sich glücklich schätzen, an deiner Seite zu sein.«

Sie seufzte tief.

»Doch schon bald habe ich erkannt, dass Lore doch das Luder war, für das ich sie anfangs gehalten habe. Sie hat den Mannsbildern reihenweise den Kopf verdreht und ohne Hemmungen geflirtet. Doch der verliebte Hammel, der ihr Ehemann war, hat die Wahrheit net sehen wollen und ließ sie gewähren, so stolz war er, dass sie gerade ihn erwählt hatte.«

Verächtlich schnalzte sie mit der Zunge.

»Du hättest mir net geglaubt, wenn ich dir von der Schwangerschaft berichtet hätte«, war sie überzeugt. »Beweisen konnte ich’s net, Lore hätte alles abgestritten und mich nur wieder als zänkische Schwiegermutter hingestellt, die ihre Ehe boykottiert.«

Entsetzt starrte Ferdinand seine Mutter an. Er zweifelte nicht an der Wahrheit ihrer Worte und konnte es kaum ertragen, dass seine vergötterte Frau nun gänzlich ihren Heiligenschein verlor. In seinem Innern wütete ein unheilvoller Sturm, der ihn schier zerriss.

Bis zuletzt hatte er angenommen, Max wäre der ausschlaggebende Grund gewesen, warum Lore ihn verlassen hatte. Der vermögende Freund hatte ihr alles bieten können, wovon sie immer geträumt hatte.

Ferdinand hatte gedacht, sie wäre einfach nur der Versuchung erlegen. Niemals hätte er vermutet, dass sie ihn so schnöde benutzt hatte!

Benommen wandte er sich ab und sprang die Treppe hinunter.

»Wo willst du denn hin, Ferdl?«, rief Traudl ihrem Sohn bestürzt nach. »Du musst dich umziehen, die Messe beginnt in einer knappen halben Stunde.«

»Ich komme net mit«, rief der Bauer heiser zurück. »Ich geh zur Hochalm und mähe das Gras. Es sieht nach Regen aus, da muss ich zusehen, dass ich’s Heu ins Trockene bringe.«

Als die Mutter, die nun am oberen Absatz der Treppe stand, abermals einen Einwand anbringen wollte, winkte er ab.

»Ich muss allein sein, Mama. Du hättest mich gleich aufklären oder für immer schweigen müssen.«

Mit hängenden Schultern ging er davon.

***

In seinen trüben Gedanken gefangen, stieg der junge Bauer den steilen Bergpfad zur Hochalm hinauf. Es war ihm, als wären seine Schuhe aus Blei, so schwer fiel ihm jeder Schritt.

Er blieb stehen und sah sich um. Es war ein schönes Stück Land, das er sein Eigen nannte: weite, reich blühende Almwiesen, die nahrhaftes Futter für seine Rinder boten, und tiefgrüne Wälder, deren Holz ein gutes Zubrot war. Er war nicht vermögend, aber sie hatten ihr Auskommen, was nicht auf jedem Einödhof gegeben war. Doch Lore war es nicht genug gewesen.

Betrübt wandte er den Kopf und blickte zum Hof zurück, der in einer Senke des Feldkopfs seinen Platz hatte und im Sonnenlicht des schönen Julitages sehr idyllisch wirkte. Es war ein schmuckes Gehöft, an dem sein Herzblut hing und für das er sich gern krummlegte.

In den letzten beiden Jahren hatte er aber auch hier einiges schleifen lassen. Der Treuebruch seiner Frau hatte ihm die Kraft geraubt. Doch wie tief ihr Verrat wirklich gegangen war, hatte er nicht geahnt.

Jetzt wich seine bekümmerte Miene einem grimmigen Ausdruck, und sein scharf geschnittenes Gesicht wirkte hart und kantig. Er straffte seine Gestalt und warf den Kopf zurück.

Seine Mutter hatte recht, er musste einen Schlussstrich ziehen, bevor er sich noch mehr zum Trottel machte. Gleich morgen würde er zum Anwalt gehen und die Scheidung einreichen.

»Gott zum Gruß, Ferdl«, riss die markante Stimme von Dr. Martin Burger den Bauern aus seinen bitteren Gedanken.

Verwirrt blickte Ferdinand auf … und direkt hinein in die warmen, braunen Augen des Bergdoktors, wie der Landarzt von seinen Patienten respektvoll genannt wurde.

»Ach, Herr Doktor, ich hab Sie gar net gesehen«, stammelte er und trat ein wenig beiseite, um auf dem engen Pfad Platz zu machen. »Was führt Sie denn am Sonntagmorgen schon so früh den Berg hinauf?«

»Ich war droben bei der alten Kathi«, erwiderte der Arzt und machte ein ernstes Gesicht. »Sie wird immer hinfälliger.«