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Sorge um Paul - Dr. Burger und die rätselhafte Krankheit eines kleinen Patienten
Marina ist verzweifelt! Schon seit Monaten klagt ihr zweijähriger Sohn Paul über das böse "Bauch-Krokodil", das in seinem Bäuchlein zwickt und zwackt. Manchmal tut ihm der Magen so weh, dass er gar nichts mehr essen mag. Dazu kommen nächtliche Hustenattacken, die eine ungestörte Nachtruhe für die alleinerziehende Mutter und ihr Kind unmöglich machen.
Was ist nur mit Paul los? Der Kinderarzt weiß es nicht. Nur einen Rat hat er für die besorgte Mama: Ein Luftwechsel würde dem Jungen guttun, vielleicht ein paar Wochen im Gebirge? Gesagt, getan. Marina packt ihre Sachen, und sie machen sich auf den Weg ins Zillertal. Noch ahnt sie nicht, dass diese Reise ihr Leben für immer verändern wird - nicht nur in einer Hinsicht ...
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Sorge um Paul
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6565-8
www.bastei-entertainment.de
Sorge um Paul
Dr. Burger und die rätselhafte Krankheit eines kleinen Patienten
Von Andreas Kufsteiner
Marina ist verzweifelt! Schon seit Monaten klagt ihr zweijähriger Sohn Paul über das böse »Bauch-Krokodil«, das in seinem Bäuchlein zwickt und zwackt. Manchmal tut ihm der Magen so weh, dass er gar nichts mehr essen mag. Dazu kommen nächtliche Hustenattacken, die eine ungestörte Nachtruhe für die alleinerziehende Mutter und ihr Kind unmöglich machen.
Was ist nur mit Paul los? Der Kinderarzt weiß es nicht. Nur einen Rat hat er für die besorgte Mama: Ein Luftwechsel würde dem Jungen guttun, vielleicht ein paar Wochen im Gebirge? Gesagt, getan. Marina packt ihre Sachen, und sie machen sich auf den Weg ins Zillertal. Noch ahnt sie nicht, dass diese Reise ihr Leben für immer verändern wird – nicht nur in einer Hinsicht …
Es war genau vier Uhr nachmittags, als Marina sich eine kleine Pause gönnte. Seit halb neun hatte sie im Hotel »Rosenbach« im Sekretariat gearbeitet.
Bis zur Geburt ihres inzwischen zweijährigen Buben war sie in dem renommierten Hotel mit separaten Tagungsräumen als Fachsekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen angestellt gewesen. Derzeit wollte sie schrittweise wieder in ihren Beruf zurückkehren, vorerst waren zwei Arbeitstage pro Woche vereinbart.
In einem Café am Grazer Hauptplatz unterhalb vom Schlossberg bestellte sich Marina eine Tasse Cappuccino und ein Croissant.
Der Mai machte heute seinem Namen »Wonnemonat« überhaupt keine Ehre. Es nieselte schon seit den Morgenstunden, und der Himmel über Graz war grau und verhangen.
Trotzdem herrschte in den Straßen und den Gassen der malerischen Altstadt wie immer reger Betrieb. Es gab unzählige Läden, für jeden Geschmack das passende Ambiente, in denen man vor dem Nieselregen geschützt war und ruhig auch einmal nach Herzenslust stöbern konnte.
Wem das nicht reichte, der besuchte das elegante, große Modehaus hinter dem Hauptplatz, das über sechs Stockwerke eine fast unglaubliche Auswahl für Kunden jeden Alters anbot. Auf der Dachterrasse konnte man den Grazer Uhrturm bewundern, das Wahrzeichen der Stadt.
Ein spontaner Besuch in einem der vielen Grazer Kaffeehäusern war für Marina zur Seltenheit geworden, ganz zu schweigen von einem ausgedehnten Einkaufsbummel. Seitdem sie ihren kleinen Buben hatte, hielt sie sich strikt an einen festen Zeitplan.
Paulchen wollte nicht ohne seine Mama sein. Selbst dann, wenn Marina ihn vorübergehend in die Obhut ihrer Eltern gab, weinte der Kleine oft. Und das, obwohl die Großeltern sich alle Mühe mit ihm gaben.
Es wäre falsch gewesen, den niedlichen blonden Buben als »Problemkind« zu bezeichnen. Aber Paul schien – natürlich völlig unbewusst – zu spüren, dass seine Mutter Probleme hatte.
Obendrein war er anfällig für Erkältungen und Fieber, das manchmal sehr schnell in die Höhe kletterte. Auch sein heiser klingender Husten wollte seit einem Jahr nicht mehr verschwinden.
Manchmal wurde es zwar besser, aber diese Phasen waren nur kurz. Erst vor kurzer Zeit waren Bauchschmerzen hinzugekommen, doch noch immer hatte der Kinderarzt keine organischen Ursachen feststellen können.
»Das Kind reagiert auf alles sehr sensibel«, war Dr. Thelens Kommentar gewesen. »Es wird mit der Zeit besser werden, Frau Kerner. Wenn Paul älter ist, können Sie ihm erklären, warum manche Dinge so sind, wie sie eben sind.«
Ich kann nichts anderes tun, als meinem Buben die verordneten Medikamente zu geben und ihn spüren zu lassen, wie lieb ich ihn habe, dachte Marina.
Konnte es sein, dass Paulchen schon jetzt merkte, dass er keinen Vater hatte wie andere Kinder? Keinen Papa, der bei ihm und der Mama wohnte und immer da war?
Er sah doch auf dem Spielplatz oft genug Väter, die mit ihren Kindern dort waren – Vater und Mutter zusammen mit ihren Kindern. Doch bei ihm war immer nur die Mama.
Paulchen hatte sie ganz lieb, es gab ja nichts Schöneres, als bei ihr zu sein. Aber vielleicht war es ja ganz toll, wenn man auch mal mit einem Papa spielen konnte?
Dr. Thelen meinte, dass Paul die Situation natürlich noch nicht begreifen konnte, aber in nicht allzu ferner Zeit würden die Fragen nach seinem Vater mit Sicherheit kommen.
»Dann müssen Sie sehr behutsam antworten, Frau Kerner«, lautete sein Rat.
Immerhin gab es ja den Großpapa, der als »Ersatz« einsprang. Versteckspiele im Garten, Kuchenbacken im Sandkasten und Vogelhäuschen bauen, das gefiel Paulchen am meisten.
»Fritz, das Kind muss mal ein bisschen verschnaufen«, sagte Marinas Mutter manchmal sogar vorwurfsvoll zu ihrem Mann. »Wenn Pauli bei uns ist, lässt du immer ein richtiges Programm ablaufen!«
Marina seufzte leise vor sich hin.
In einer Stunde wollte sie Paul wieder bei ihren Eltern abholen, er war schon seit dem Morgen bei ihnen. Danach würden sie heimfahren, der Kleine konnte noch ein bisschen spielen, später Nachtessen, Badewanne, eine Gute-Nacht-Geschichte, mindestens drei Bussis und dann Schlafenszeit mit Kuschelbär Kurti.
Es verstand sich von selbst, dass Kurti zur Nacht auch einen Schlafanzug trug, der in der Früh mit einer blauen Latzhose vertauscht wurde. Erst dann war Paulchen bereit, sein Frühstück in Augenschein zu nehmen. Meistens war es um seinen Appetit schlecht bestellt.
»Keine Panik, Frau Kerner, manche Kinder sind schlechte Esser«, meinte Dr. Thelen immer, wenn Marina mit Paul auftauchte und darüber klagte, dass ihr Bub nur nach gutem Zureden eine kleine Portion aß. »Auch das ändert sich noch, ich spreche aus Erfahrung. Versuchen Sie herauszufinden, was Paul gern isst und was nicht. Gerade Kleinkinder sind oft sehr eigen und lehnen bestimmte Nahrungsmittel ab.«
Dr. Thelen war ein sehr geduldiger Arzt im vorgerückten Alter, dem es darauf ankam, Kinder nicht unnötig »auf den Kopf zu stellen«, wie er es nannte. Allerdings war er ein wenig steif und überlegte lange, ehe er irgendetwas unternahm. Er meinte, dass allzu häufige Untersuchungen einem Kind nur Angst einflößten.
Paul mochte Dr. Thelen gern, weil er immer einen kleinen Gummiball von ihm bekam, einen Flummi, wie die bunten Springbällchen genannt wurden.
Marina dachte allerdings darüber nach, demnächst einen anderen Arzt aufzusuchen. Paulchens Husten musste doch mal dauerhaft verschwinden! Gab es da nicht doch etwas anderes als Tropfen und Säfte? War Dr. Thelen vielleicht doch schon zu nahe am Rentenalter, um eventuell neue Behandlungsmethoden anzuwenden?
»Sie sollten unbedingt an eine Klimaveränderung denken, Frau Kerner«, mahnte er ab und zu. »Fahren Sie mit dem Kind ans Meer oder ins Hochgebirge, möglichst für einige Wochen. Das kann Wunder wirken. Und Ihnen würde es auch guttun.«
Dr. Thelen hatte gut reden. Marina ärgerte sich darüber, dass er immer so tat, als könnte sie nach Lust und Laune alles hinter sich lassen und einfach mal rasch die Koffer packen.
Sollte sie wirklich verreisen, obwohl sie die Absicht hatte, jetzt wieder in ihrem Beruf Fuß zu fassen?
Man hatte ihr im Hotel die Möglichkeit dazu gegeben. Es war kein guter Zeitpunkt, um sich wieder auszuklinken und dann wochenlang fort zu sein. Aber wenn Paulchen durchaus eine Luftveränderung brauchte, musste sie ernsthaft darüber nachdenken.
Das Café war gut besucht, die Gäste lachten, unterhielten sich und schienen allesamt bester Laune zu sein. Weit und breit keine Spur von Miesepetrigkeit, obwohl das Wetter richtig ungemütlich war.
Es tat ein bisschen weh, allein am Tisch zu sitzen. Marina wäre gern in Gesellschaft gewesen, aber in letzter Zeit hatte man sie deutlich »abgehängt«.
Ihre Freundinnen waren alle verlobt, oder sie planten ihre Hochzeit. Nach Möglichkeit verbrachten sie jede freie Stunde mit dem Liebsten.
Und wie war es auf Partys und bei anderen Festen? Immer erschienen alle Eingeladenen paarweise und hingen dann wie die Kletten aneinander.
Aber Marina war allein. Es kam immer seltener vor, dass sie an einer Party teilnahm. Man wollte sie offenbar nicht dabeihaben. Eine Single-Mama von knapp siebenundzwanzig Jahren, die den Vater ihres Kindes überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekam, weil er mit einer anderen Frau verheiratet war und in Sydney lebte … was sollte man dazu sagen?
Wieso hatte sie sich mit ihm eingelassen? War ihr denn nie der Gedanke gekommen, dass dieser Mann in ihr nur eine willkommene Abwechslung sah, eine Affäre?
Markus Lensing war ein wendiger Geschäftsmann, mit allen Wassern gewaschen und obendrein ein »Frauenversteher«, der aus Österreich nur allzu gern nach Australien ausgewandert war, um dort das Management einer bekannten Kosmetikfirma zu übernehmen. Er hatte Marina davor gewarnt, ihn zu »belästigen«, also keine Anrufe und so weiter, keine Post.
»Unsere Beziehung stand nie unter einem guten Stern. Dir fehlt vieles, was mir wichtig ist. Du bist einfach nur ein nettes Steirer Madel. Das reicht mir nicht, ich erwarte mehr von einer Frau als ein hübsches Gesicht«, hatte er ihr mitgeteilt. Schäbiger hätte er es kaum ausdrücken können.
Marina kannte nicht mal seine derzeitige Anschrift. Der kleine Paul schien ihm egal zu sein.
Markus war zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, sich darauf festnageln zu lassen, dass er der Vater »dieses Kindes« war. Die Vergangenheit existierte für ihn nicht mehr. Er war in ein völlig neues Leben gestartet, und das ohne jede lästige Verpflichtung.
Er hatte nur zwei Monate nach seiner Ankunft in Sydney geheiratet, eine junge Fremdsprachenkorrespondentin namens Nancy, die hervorragend Deutsch sprach. Die Familienplanung der beiden war bereits abgeschlossen.
Immerhin hatte Markus eine Geburtsanzeige an Marina geschickt …
Nancy und ich sind überglücklich, denn wir wurden mit zwei bezaubernden Kindern beschenkt. Unsere Zwillinge Ava und Michael sind ab jetzt der Mittelpunkt unseres Lebens.
War es nötig gewesen, dass er Marina sein »übergroßes« Glück mitteilte, um ihr zu sagen: Schau her, bei mir läuft alles prächtig, bei dir aber nicht!?
Später war für Marina ein Scheck von einer Wiener Bank gekommen, eine Zahlung in US-Dollar. Genug, um eine ordentliche Summe für Pauls spätere Ausbildung zurückzulegen. Und das war alles, was Markus für seine angebliche »Traumfrau« Marina und den Kleinen getan hatte.
Er wusste natürlich ganz genau, dass er Pauls Vater war, aber er hätte niemals dazu gestanden. Wie und wann sollte Marina ihrem Buben erklären, dass sein biologischer Vater nichts von ihm wissen wollte?
Sie bestellte sich nach dem Kaffee noch ein großes Glas Johannisbeerschorle. Es tat ihr gut, einfach mal wie jeder andere in einem Café zu sitzen und so zu tun, als habe sie keine Sorgen.
Am Tisch schräg vor ihr nahm jetzt – siehe da – eine Single-Person Platz. Es war ein Mann, der sich kurz und geistesabwesend nach ihr umdrehte. Er bestellte Kaffee und einen Martini mit Eis. Beides ließ er erst einmal unberührt, weil er einen Umschlag öffnete und Prospekte herausnahm, in denen er sichtlich gehetzt blätterte.
»Wir hätten heute unseren beliebten Marillenstrudel anzubieten«, sagte die Bedienung zu ihm. »Ofenfrisch und eine echte Delikatesse. Manche Leute kommen extra deswegen in die Stadt.«
»Strudel? Nein, danke. Ich bin in Eile und hab leider nur Zeit für einen Kaffee.«
Es ist anscheinend modern, immer im Stress und auf dem Sprung zu sein, dachte Marina.
Der Eilige war dunkelblond, hatte graublaue Augen und sah so gut aus, dass er wahrscheinlich jeden Tag eine andere Verabredung hatte. Und das natürlich mit bildschönen jungen Damen, die daheim nicht mit Hustensaft und Apfel-Grießbrei für ein zweijähriges Kind hantieren mussten, sondern sich vor dem Spiegel zwei Stunden schminken konnten.
Er trug einen perfekt sitzenden Anzug und dazu ein blütenweißes Business-Hemd mit Krawatte. Wahrscheinlich hatte er beruflich mit wichtigen Leuten zu tun.
Vielleicht ein Banker? Oder ein Architekt, der jetzt schnell eine Tasse Kaffee trank und dabei Papiere durchsah?
Gleichzeitig kramte er sein Smartphone aus der Jacke und telefonierte. Zweifellos war er daran gewöhnt, mehrere Dinge auf einmal zu tun und dabei alles im Griff zu haben. Aber wie man einen Zweijährigen überreden konnte, abends ein kleines Butterbrot ohne Kruste zu essen, wusste er vermutlich auch nicht.
»Jerry, gib bitte Ruhe, darum hab ich dich schon mehrmals gebeten«, vernahm Marina. »Nein, du kannst dich nicht mit mir treffen, ich hab gleich noch Termine. Wir müssen alles auf später verschieben. Außerdem habe ich dir ja schon klargemacht, dass ich momentan auf keinen Fall irgendwelche Schritte unternehmen werde, die man nachher bereuen muss. Immer langsam und alles gut durchdenken; darauf kommt es an.«
Er schaute sein Smartphone kurz irritiert an, dann hielt er es wieder ans Ohr.
»Jerry? Bist du noch dran? Mach nicht so einen Aufruhr wegen dieser Sache! Ich melde mich später wieder.«
Marina schämte sich ein bisschen. Es ging nun wirklich nicht an, dass sie diesem Mann auf die Finger sah und sich auch noch Gedanken darüber machte, welchen Beruf er ausübte und ob er eventuell geschäftliche Papiere studierte.
Nun, danach sah es auch gar nicht aus. Die Blätter, die er jetzt wieder in den Umschlag stopfte, waren sehr bunt.
Vielleicht Unterlagen für eine Werbeaktion? War er etwa der Chef einer Werbeagentur?
Es gehörte sich nicht, interessiert zu lauschen, wenn jemand telefonierte. Marina hüstelte verlegen vor sich hin.
Andererseits, was konnte sie dafür, dass er ziemlich laut gesprochen und sie jedes Wort verstanden hatte?
Jetzt suchte er offenbar nach seiner Brieftasche, fand sie aber nicht. Stattdessen beförderte er einen einzelnen Geldschein zutage. Wie konnte man nur so zerstreut sein?
Hastig winkte er der Bedienung, zahlte, sprang auf … und ließ den Umschlag liegen.
»Hallo!«, rief Marina. »Sie haben etwas vergessen! Ihr Umschlag!«
Er winkte ab. »Ich brauch das nicht mehr. Vielleicht schauen Sie mal rein. Sie haben mich eh kaum aus den Augen gelassen. War es interessant? Es soll ja Leute geben, die den ganzen Tag ihre Nase in Dinge stecken, die sie nichts angehen.«
Und weg war er.
Unfreundlicher, unverschämter Bursche, dachte sie. Frech, eingebildet und schlecht gelaunt.
Wie auch immer, das Ganze war ihr peinlich. Er hatte genau bemerkt, dass sie ihn beobachtet hatte.