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Spuren der Vergangenheit - Dramatischer Roman um die große Liebe der schönen Barbara
Barbara bereut es nicht, Markus Enzingers Frau geworden zu sein, auch wenn der stattliche Hofbauer sie nicht aus überströmender Liebe geheiratet hat. Die gehört noch immer seiner verstorbenen Frau Magdalena, die so früh aus dem Leben gerissen wurde. Barbara hofft jedoch von ganzem Herzen, die Liebe ihres Mannes im Laufe der Zeit zu erringen.
Eines Tages fällt ihr Magdalenas Tagebuch in die Hände, und sie beginnt atemlos zu lesen. Ein Traumpaar müssen sie anfangs gewesen sein, der Markus und die Magdalena. Doch mit den Jahren werden die Aufzeichnungen immer düsterer. Zum Schluss fühlt sich Magdalena gar von Markus bedroht, und sie hat Angst, er würde sie vergiften oder sie in die Klamm hinunterstürzen.
Barbara ist zutiefst erschüttert. Ist es möglich, dass Markus zum Mörder seiner eigenen Frau wurde?
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Spuren der Vergangenheit
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6762-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Spuren der Vergangenheit
Dramatischer Roman um die große Liebe der schönen Barbara
Von Andreas Kufsteiner
Barbara bereut es nicht, Markus Enzingers Frau geworden zu sein, auch wenn der stattliche Hofbauer sie nicht aus überströmender Liebe geheiratet hat. Die gehört noch immer seiner verstorbenen Frau Magdalena, die so früh aus dem Leben gerissen wurde. Barbara hofft jedoch von ganzem Herzen, die Liebe ihres Mannes im Laufe der Zeit zu erringen.
Eines Tages fällt ihr Magdalenas Tagebuch in die Hände, und sie beginnt atemlos zu lesen. Ein Traumpaar müssen sie anfangs gewesen sein, der Markus und die Magdalena. Doch mit den Jahren werden die Aufzeichnungen immer düsterer. Zum Schluss fühlt sich Magdalena gar von Markus bedroht, und sie hat Angst, er würde sie vergiften oder sie in die Klamm hinunterstürzen.
Barbara ist zutiefst erschüttert. Ist es möglich, dass Markus zum Mörder seiner eigenen Frau wurde?
Zenzi Bachhuber, der gute Geist des Doktorhauses, eilte die Kirchgasse entlang, die zu dem »Dorfbrunnen«, dem Gemischtwarenladen von Alma Jeggl, führte. Sie freute sich auf ein ausgiebiges Gespräch mit ihrer Freundin, was meistens noch zur Verkostung einer neuen Likörsorte führte.
Einmal blieb sie stehen, um einen blühenden Baum zu bewundern, danach schweifte ihr Blick über das Gebirgsmassiv, von dem das Hochtal, in dem St. Christoph eingebettet lag, begrenzt wurde. Wie Wächter umgaben die Berge – deren höchster der Feldkopf war – den kleinen Ort. Der Feldkopfgletscher schien im Sonnenschein geradezu zu glimmen, und Zenzi musste ihre Augen mit der Hand beschatten, damit sie daneben den Hexenstein und das Frauenhorn wahrnehmen konnte.
Ein herrlicher Frühlingstag, für den man dankbar sein musste, denn der Bergwinter war dieses Jahr besonders hart und lang gewesen. Dafür schien die Natur nun ihre Pracht in ganz besonderem Maße zu entfalten.
Die Jeggl-Alma betrieb ihr Geschäft in einem großen Eckhaus, wo sich im Untergeschoss außerdem ein Friseurladen befand. Im oberen Stockwerk vermietete sie Zimmer, und schon mancher, der kein Zuhause mehr hatte, war dankbar gewesen, bei Alma einen sicheren Hafen zu finden.
Zenzi öffnete die Ladentür, was die altmodische Glocke aufschrillen ließ. Wenn sie jedoch gehofft hatte, sich in aller Ruhe mit Alma unterhalten zu können, so sah sie sich getäuscht.
Ein Grüppchen von Frauen, hauptsächlich mittleren und fortgeschrittenen Alters, belagerte den Platz vor der Theke und steckte tuschelnd die Köpfe zusammen.
Die Jeggl-Alma stand mit missbilligender Miene hinter der Ladentheke. Alma wusste zwar über alles Bescheid, was sich in und um St. Christoph abspielte, doch sie vermied es, sich öffentlich am Klatsch zu beteiligen.
Nun wandte sich die Aufmerksamkeit der Frauen Zenzi zu, was dieser nicht wenig schmeichelte, obwohl sie es nie zugegeben hätte. Durch ihre Stellung im Doktorhaus genoss sie allgemein Hochachtung, und es geschah nicht selten, dass man versuchte, ihr Geheimnisse zu entlocken, die der ärztlichen Schweigepflicht unterlagen.
»Hast du schon gehört, Zenzi? Bei den Enzingers gibt es wieder eine Hochzeit«, sagte die Leitnerin.
Die Augen der Bäuerin, einer der größten Klatschbasen weit und breit, funkelten begierig, denn sie war davon überzeugt, dass man im Doktorhaus dieses Ereignis bereits ausführlich besprochen hatte.
»Ach! Davon weiß ich ja gar nichts«, gab Zenzi zurück und wechselte einen Blick mit ihrer Freundin, die leicht mit den Schultern zuckte.
»Das hätt ich net gedacht, dass sich der junge Enzinger doch noch besinnt und wieder heiratet. Es war ja schon fast unnatürlich, wie sehr er um seine Frau getrauert hat«, ließ sich die Altbäuerin vom Sonnenhof vernehmen.
»Sie war halt seine große Liebe. Kann man da net verstehen, dass er um sie getrauert hat?«, warf eine der jüngeren Bäuerinnen ein.
»Schon. Aber er muss halt auch an den Hof denken. Er braucht eine Bäuerin, und vor allem einen Hoferben. In seiner ersten Ehe ist er ja kinderlos gewesen«, wandte die Altbäuerin ein.
»Aber schön ist’s gewesen, die Enzinger-Magdalena. Sie hat etwas an sich gehabt, das einen angezogen hat, auch wenn man sich net erklären konnt, was es war. Und wenn ich an die Hochzeit denk! Noch nie hat es eine so große Hochzeit gegeben. Und es war eine echte Liebesheirat – ihr Mandl hat sie kein Momenterl aus den Augen gelassen. Reinweg verhext war er von ihr«, erwiderte die Jüngere.
»Aber zuletzt war’s nur noch ein Unglück«, erinnerte sich die Leitnerin.
Das hatte zur Folge, dass die Frauen in Schweigen verfielen, das erst wieder von Zenzi gebrochen wurde.
»Ist die künftige Enzingerbäuerin hier aus der Gegend?«, fragte sie.
»Aus der Gegend schon, aber net aus einem der Nachbardörfer. Darüber hab ich mich schon gewundert«, gab die Leitnerin Auskunft.
»Vielleicht wollt er eine haben, die net Bescheid weiß«, vermutete die Altbäuerin.
»Was meinst du denn damit?«, mischte sich die Jeggl-Alma ungehalten ein, denn sie wollte nicht, dass von ihrem Laden Gerüchte ausgingen.
»Man hat ja so allerhand geredet, damals«, rechtfertigte sich die Angesprochene.
»Ja, das war damals. Und jetzt will man nichts mehr darüber hören«, erklärte die Jeggl-Alma streng.
Die Altbäuerin kniff beleidigt die farblosen Lippen ein, und auch die Leitnerin, sonst nicht so einfühlsam, erkannte, dass es besser wäre, sich zu verabschieden. Sie ergriff ihren Einkaufskorb aus Weidengeflecht, in dem sich nur drei Tüten Fertigsuppe zum Sonderpreis befanden.
»Jesses, ich muss nach Haus, sonst steht zum Abendbrot nichts auf dem Tisch, wenn mein Mandl hungrig nach Haus kommt«, verkündete sie.
»Wo du doch so viel zu kochen hast«, bemerkte die Altbäuerin, die vielsagend in den Korb äugte, was ihr einen bösen Blick der Leitnerin einbrachte.
Auch die übrigen Frauen fanden plötzlich, dass es Zeit für häusliche Pflichten wäre, und verließen in teils übertriebener Hast den Laden.
Nun endlich befand sich Zenzi dort allein mit ihrer Freundin, und sie atmete erleichtert auf. Allerdings beschäftigte sie das Gehörte dennoch, und sie brachte es auch sofort zur Sprache.
»Das überrascht mich doch, dass der Enzinger-Markus wieder heiratet. Es hat ja schon so ausgeschaut, als ob er ein alter Krauterer werden tät.«
Alma zuckte mit den Schultern.
»Er ist ja noch jung, noch net mal dreißig Jahr. Und in manchem hat die Altbäuerin vom Sonnenhof ganz recht, er braucht eine Frau für die Hauswirtschaft. Denn seiner Mutter, die nach dem Tod der Magdalena wieder das Regiment übernommen hat, soll es nimmer so gut gehen. Es heißt sogar, der Bergdoktor tät dort ein und aus gehen. Und zu guter Letzt soll auch der Hof in der Familie bleiben, das war den Enzingers schon immer wichtig, das muss ich dir ja fei net erklären.«
Zenzi nickte. Auch sie war auf dem Land aufgewachsen und mit der traditionsverbundenen bäuerlichen Denkweise vertraut.
Alma trat hinter der Theke hervor und drehte das Schild an der Ladentür um, sodass es draußen anzeigte, dass der »Dorfbrunnen« geschlossen war.
»Jetzt kommt fei niemand mehr vorbei. Und wenn doch noch jemand etwas haben will, dann kann er ja klopfen. Komm, wir setzen uns hinten hin und probieren den neuen Likör. Der soll etwas ganz Besonderes sein.«
»Aber nur ein Schlückerl. Du weißt ja, wie der Doktor dazu steht. Dabei trinkt er mit seiner Frau selber auch gern ein Glaserl Wein.«
Alma schnaubte und verschwand in den unergründlichen Tiefen ihres Ladens, der mehrmals erweitert worden war. Auf hohen Regalen war alles angehäuft, was der Kunde begehrte – von der Wurzelbürste bis hin zum teuersten Champagner. Dazu gab es immer wieder Sonderangebote, die auch Kunden aus den Nachbardörfern anlockten, sodass die Jeggl-Alma überall als gewiefte Geschäftsfrau galt.
Zenzi ging in das Hinterzimmer, das an den Laden angrenzte und ließ ihre hagere Gestalt in einen der tiefen plüschigen Sessel sinken.
Gleich darauf kam auch Alma herein und schwenkte triumphierend eine bauchige Flasche mit einem trüben Inhalt, in dem etwas zu schwimmen schien.
Zenzi kniff misstrauisch die Augen zusammen.
»Ja, das schaut ein bisserl seltsam aus, aber du musst halt mal probieren. Nur ein halbes Stamperl.«
Alma goss ein, und ihre Freundin nahm mit vorgestülpten Lippen einen vorsichtigen kleinen Schluck.
Dann hellte sich ihre Miene auf.
»Net übel.«
Alma ließ sich ihr gegenüber nieder und bediente sich ebenfalls. Sie gedachten der verstorbenen Magdalena Enzinger, die ihrer Schönheit und nicht zuletzt ihres frühen Todes wegen fast zu einer Legende geworden war.
»In die Schönheitsgalerie im Schloss Nymphenburg in München hätt sie gehört, wenn sie sich hätt malen lassen«, meinte Alma und seufzte.
Dann wandte sich die Unterhaltung den jüngsten Geschehnissen im Dorf zu. Ludwig Sirch, der strenge Dorfgendarm, der ungeachtet seiner Beleibtheit auf einem Motorrad seinen Dienst versah, hatte einmal wieder einen großkopferten Gast vom Berghotel »Am Sonnenhang« bei einer Geschwindigkeitsübertretung unter Alkoholeinfluss ertappt.
Es war zu einem Gerangel mit dem uneinsichtigen Verkehrssünder gekommen, das damit endete, dass Sirch ihn unsanft zu Boden gebracht und ihm Handschellen angelegt hatte. Später hatte sich herausgestellt, dass es sich bei Sirchs Kontrahenten um einen Polizeirat aus dem Werdenfelser Land gehandelt hatte, der im Zillertal mit seiner Familie den Urlaub verbracht hatte.
»Das war natürlich eine unangenehme Überraschung«, schloss sie.
Zenzi nahm noch ein Schlückerl von dem Likör, dann ein drittes. Das versetzte sie in derart gute Stimmung, dass sie kicherte, was den grauen Knoten, der festgezurrt an ihrem Hinterkopf saß, zum Erzittern brachte.
»Und jetzt hat er bestimmt Angst, dass sich der Großkopferte irgendwie an ihm rächen wird. Solche haben ja überall Spezln sitzen«, meinte Zenzi.
»Er ist halt schon ein bisserl zu grimmig, unser Ludwig«, sagte Alma und sah entsagungsvoll zu der halb geleerten Likörflasche hin.
Doch für heut war es genug, denn morgen lag erneut ein langer Arbeitstag vor ihr. Auch Zenzi schien zu dieser Auffassung gelangt zu sein, und sie wühlte sich mühsam aus der plüschigen Tiefe des Sessels nach oben.
»Ich hab fünf Rollen Pfefferminz im Sonderangebot«, sagte Alma, die sich auch nicht gerade anmutig erhoben hatte.
»Ach so.«
»Du bekommst natürlich eine Rolle umsonst«, beteuerte Alma hastig. »Und ein Tüterl mit Schokoladenkaramellen für die Kinder.«
Diese Angebote nahm Zenzi gern an. Sie sah zu, wie die Ladenbesitzerin die Lieblingsgutseln der beiden ältesten Doktorkinder mit einer kleinen Schaufel aus einem der bauchigen Gläser herausholte, die auf der Theke aufgereiht standen. Es gab auch vielerlei Sahnegutseln, in buntes Papier eingewickelt, die von den Dorfkindern heiß begehrt waren.
»Ich weiß net, vor wem ich sie mehr verstecken soll – vor den Naschkatzerln oder vor dem Doktor«, meinte Zenzi zuletzt.
»Dein Doktor übertreibt halt ein bisserl. Ein Gutsel ab und zu kann nichts schaden«, erwiderte Alma und reichte Zenzi eine kleine Papiertüte.
»Ich dank dir, Alma. Das war ein schöner Mittag. Aber jetzt muss ich mich beeilen. Wenigstens hab ich schon alles vorbereitet für das Abendbrot.«
Alma begleitete ihre Freundin bis hinaus auf den Hof. Dann verabschiedeten sie sich herzlich voneinander und vereinbarten, am kommenden Sonntag einen Spaziergang durch den Krähenwald, in den die Kirchgasse einmündete, zu unternehmen.
***
Zenzi hastete zum Doktorhaus, um festzustellen, dass Martin Burger, genannt »der Bergdoktor«, bereits seine Sprechstunde beendet hatte und mit seiner Frau Sabine auf der Terrasse saß.
Schnell verschwand Zenzi in der Küche, stellte den Erbseneintopf mit Würsteln auf den Herd und schnitt duftendes, selbst gebackenes Brot in Scheiben. Danach warf sie einen prüfenden Blick in den Kühlschrank, wo sich ein leckerer Nachtisch befand.
Tessa, die achtjährige Tochter der Burgers, war ein arges Naschkatzerl und hatte der Versuchung schon oft nicht widerstehen können. Doch dieses Mal war die köstliche Mandelcreme unangetastet geblieben, wie Zenzi befriedigt feststellte.
Währenddessen suchte sie nach einem neuen Versteck für die Gutseln, denn Tessa war nicht nur genäschig, sondern auch schlau und fand immer rasch heraus, wo sie die Süßigkeiten zuletzt vor ihren Blicken verborgen hatte.
Schließlich zwängte Zenzi die Tüte in ein bauchiges Milchkännchen in der Kredenz, das kaum noch benutzt wurde, obwohl sie befürchtete, dass Tessa bald dahinterkommen würde.
Der Tisch im Esszimmer war rasch gedeckt, und erst dann ging sie hinaus auf die Terrasse. Sicher war ihr Gesicht von dem Likör wieder verdächtig gerötet, aber so hatte sie die Ausrede, dass es von der Küchenarbeit herrührte.
»Wo sind denn die Kinder? Der Eintopf steht schon auf dem Herd«, sagte sie.
»Heut ist das Frühlingsfest in der Schule, und Tessa hat den Filli mitgenommen. Der Opa holt die beiden gerade ab, sie müssten gleich da sein«, gab Sabine Burger freundlich Auskunft.
Sie war eine bildhübsche Frau Mitte dreißig mit schulterlangen blonden Haaren und braunen Augen, in denen goldene Pünktchen funkelten.
Zwar war ihr Mann sechzehn Jahre älter, aber mit seinen markanten Zügen, dem vollen Haar und der sportlichen Figur wirkte er weitaus jünger. Unter anderem hielt er sich auch durch seine regelmäßigen Kraxeleien mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, fit.
Die Burgers waren ein ausnehmend schönes Paar.
Martin betrachtete Zenzi mit seinem scharfen Ärzteblick.
»Warst du wieder bei der Jeggl-Alma?«
»Ja, warum? Ich bin halt ein bisserl rot im Gesicht, weil ich in der Küche …« Zenzi verhedderte sich hoffnungslos.
»Ich hab nur gemeint, dass deine Augen so glänzen. Als hättet ihr zwei einmal wieder einen neuen Likör ausprobiert«, bemerkte er scheinbar harmlos.
»Solang ich net als Notfall ende, braucht dich das net zu kümmern«, gab sie unwirsch zur Antwort.
Zenzi hatte an Martin Mutterstelle vertreten, als er mit elf Jahren Halbwaise geworden war. Sie war »ihrer« Familie eng verbunden, galt als Respektperson und durfte sich ein offenes Wort erlauben. Man nahm auch ihre altmodischen Vorstellungen von Kindererziehung hin, vor allem da sie sie glücklicherweise nie in die Tat umsetzte, denn sie liebte die drei Kinder der Burgers von Herzen.
»Unser Laura-Mauserl hab ich schon zu Bett gebracht. Sie war heut ein bisserl quengelig, hoffentlich hat sie sich nicht erkältet«, lenkte Sabine schnell ab.
Und ihre Rechnung ging auf. Auf Martins Stirn erschien sofort eine besorgte Falte, denn die zweijährige Laura hatte schon eine schwere Krankheit überstanden und wäre ihnen beinahe entrissen worden.
»Hat sie erhöhte Temperatur, oder hustet sie?«, fragte er.
»Nein, nein. Das hätt ich dir gleich gesagt.«
Martin Burger ließ sich wieder in den Korbsessel zurücksinken, doch die beschauliche Ruhe auf der Terrasse währte nicht lange. Mit lautem Getöse stürmten Tessa und Filli herein, gefolgt von dem bellenden Rauhaardackel Poldi und ihrem Großvater, der völlig außer Atem war.
Pankraz Burger war ein rüstiger Mann von siebenundsiebzig Jahren, dessen Erscheinungsbild allerdings durch eine füllige Leibesmitte getrübt wurde, denn er liebte Gaumengenüsse über alles. Er selbst hielt sich für stattlich, während die Schwiegertochter ihn oft ziemlich damit kränkte, dass sie ihn als übergewichtig bezeichnete. Auch wenn er wusste, dass sie das nur aus Sorge um seine Gesundheit tat.
»Jesses, ihr seid ja völlig überdreht«, sagte Zenzi missbilligend. »Wascht euch die Hände, das Essen steht gleich auf dem Tisch.«
Doch Tessa achtete gar nicht auf sie, sondern sprudelte hervor, was es alles Aufregendes auf dem Frühlingsfest gegeben hatte. Ihre großen Brombeeraugen leuchteten, und ihre schwarzbraunen Locken, denen sie den Kosenamen »Schneckerl« verdankte, tanzten um ihr reizendes Gesichtchen, das ganz erhitzt war.
Auch Filli, der bald eingeschult werden sollte, konnte gar nicht genug erzählen. Alles hatte ihm so gut gefallen, dass er dafür sogar die rote Rita, die freche Freundin seiner Schwester, in Kauf genommen hatte.
Schließlich beruhigten sich die Kinder endlich, und alle nahmen am Esstisch Platz. Poldi lauerte unter dem Tisch neben Pankraz, denn er wusste genau, dass ihm ein Würstl hinuntergereicht werden würde. Sabine missbilligte das, denn sie fand, dass Poldi dauernd Gefahr lief, überfüttert zu werden. Einmal hatte sie sich zu einem besonders kränkenden Vergleich zwischen Hund und Herrchen hinreißen lassen.
Zenzi fiel bald auf, dass die Kinder ihrem viel gepriesenen Erbseneintopf nicht so lebhaft zusprachen wie sonst, was sie sehr aufbrachte.
»Was stochert ihr denn so auf dem Teller herum? Seit wann schmeckt euch mein Erbenseintopf nimmer?«, fuhr sie Tessa und Filli an, die schuldbewusst die Köpfe senkten.
»Es gab halt so allerhand Schmankerln auf dem Fest«, gestand Filli und zuckte gleich darauf zusammen, weil ihm Tessa unter dem Tisch einen schmerzhaften Stoß gegen das Schienbein versetzte.
Philipp, der Filli genannt werden wollte, kämpfte bei der Aussicht auf ein strenges Verhör durch Zenzi mit den Tränen.
»Und da habt ihr alles Mögliche in euch hineingestopft, obwohl daheim ein gesundes Essen auf euch wartet. Wozu mach ich mir überhaupt die ganze Müh?«, lamentierte sie.